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Sanierung der Stadtpark-Alleen wird durchgezogen
Archiv - Lokales
Montag, 13. März 2006
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Am 22. Februar wurde mit großflächigen Fällungen im Bereich der Dubrovnik- und Montclair-Allee begonnen: Allen Protesten der Plattform Stadtpark und einem Antrag auf Aufschub durch die Umweltanwältin zum Trotz fielen in der ersten Phase der Totalsanierung insgesamt 87 Kastanienbäume der Kettensäge zum Opfer. Stadtrat Dr. Wolfgang Rüsch rechtfertigt die Vorgehensweise mit der Verkehrssicherheit und Auflagen des Denkmalamtes, die eine Wiederherstellung der historischen Anlage vorsehen.

Sanierung nach Plan. In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten Rüsch und Stadträtin Wilfriede Monogioudis ihre Sicht der Dinge. Durch die Kronenkappungen in den siebziger und achtziger Jahren sei es zu Fäulnis gekommen, die Astbrüche und damit verbunden eine Gefährdung von Passanten zur Folge haben kann.

DI Robert Wiener von der Abteilung Grünraum und Gewässer und Referatsleiter Robert Grill verwiesen auf ihr Gutachten, das nur ein Viertel der 123 Alleebäume für mittelfristig erhaltenswert einschätzte, und rechtfertigen den dreistufigen blockweisen Austausch des Baumbestandes der beiden Alleen in den Jahren 2006 bis 2008: „Die grundlegende Sanierung ist für die Erhaltung einer einheitlichen Alleegestalt sowie die Erneuerung des Erdreiches erforderlich", meinen die Experten.

Proteste der Naturschützer. Etwa fünfzehn Vertreter der Plattform Stadtpark demonstrierten gegen die Fällungen der ihrer Ansicht nach erhaltenswerten Bäume. Wolfgang Wagner von der Initiative „Lebendiger Stadtpark" ist über das Vorgehen der Behörden konsterniert: „Es ist völlig unverständlich, im vergangenen Herbst wurden noch aufwändige Pflegemaßnahmen an den Bäumen durchgeführt und jetzt werden sie gefällt." Robert Egger vom Wirtschaftsamt der Stadt Graz kann die Proteste nicht ganz nachvollziehen: „Es gibt schließlich keine Hainburger Au im Stadtpark, er wird nicht zubetoniert und es kommt weder ein Bürogebäude noch eine Stadtautobahn hin."

Unsensible Vorgangsweise? Die Umweltanwältin Mag. Ute Pöllinger befindet, dass eine Beweiswürdigung nicht im ausreichenden Maße erfolgt ist, insbesondere was das von ihrem Vorgänger Alois Oswald in Auftrag gegebene Gutachten betrifft. Sie brachte gegen die Fällungen eine Strafanzeige ein, da die Fällungen, ihrer Auffassung nach, ohne gültige Bewilligung erfolgten. Auch Eva Klepp von der Plattform Stadtpark meint, dass das Gutachten des Baumexperten Kost nicht gebührend berücksichtigt wurde: „Stadtrat Rüsch hat dies zugesichert und auch Bürgermeister Nagl hat versprochen, dass er sich um den Erhalt möglichst vieler Bäume bemühen wird."

Der grüne Stadtrat Hermann Candussi fühlte sich durch die Vorgehensweise des Amtes für Grünraum ebenfalls überfahren: „Am Stadtparkgipfel ist eine weitere Diskussion der vorliegenden Vorschläge vereinbart worden. Ich hoffe, dass man zumindest den Zeitplan für die restlichen Abschnitte nochmals überdenkt."

Josef Schiffer

Chronologie der Ereignisse
Dezember 2004: In einem Gutachten von Prof. Wolkinger wird der seitens der Stadt Graz geplante Austausch aller Bäume in einem Zug der Montclair- und Dubrovnikallee kritisiert.

Februar 2005: Eine blockweise Neupflanzung in drei Phasen (2006–2008) wird beschlossen.
24.5.2005 In einem „Stadtparkgipfel" legen Befürworter und Gegner einer Totalsanierung ihre Argumente dar.
Anfang August 2005: Die Plattform Stadtpark konstituiert sich und sammelt über 2000 Unterschriften für eine schonende Sanierung
22.9.2005: Zustellung des Schlägerungsbescheides an die Umweltanwältin
5.10.2005: Berufung der Umweltanwältin gegen den Bescheid
18.10.2005: Stellungnahme zur angeblichen Verspätung der Berufung
22.10.2005: Antrag auf Wiedereinsetzung des Antrages durch Umweltanwältin
2.2.2006: Aufschiebende Wirkung des Wiedereinsetzungsantrages wird von der Stadt nicht anerkannt.
17.2.2006: Nach Vorliegen des Naturschutz- und Denkmalschutzbescheides wird die Schlägerung von 57 Alleebäumen und 29 Bäumen im südlichen Stadtpark angeordnet.
21.2.2006: Am Tag der Fällungen erfolgt von Seiten der Umweltanwältin die Anzeige nach dem Verwaltungsstrafgesetz.

 
» 13 Kommentare
1"Zahlen der Verluste im Stadtpark"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Zur Ergänzung die konkreten Zahlen: 
Von den 86 geplanten und größtenteils durchgeführten Fällungen wurden nur 52 Bäume von einem unabhängigen Gutachter untersucht. 
Für die Fällungen in der Montclair Alle (43 Bäume plus 2 Wurzelstöcke) gilt laut dem hochrangigen Gutachten von DI Hans Kost vom Mai 2005: 
11 Bäume waren VÖLLIG GESUND, 
26 Bäume mit Pflegemaßnahmen ohne weiteres zu erhalten. 
Die eingeforderten Pflegemaßnahmen erfolgten in den zwei Alleen m August 2005. 
D.h. 86 % Prozent der gefällten Bäume in der Montclair Allee waren gesund oder mit Kronenpflegemaßnahmen „versorgt“. 
3 Bäume wurden durch Kappungsmaßnahmen im Mai 2005 beschädigt. Der Umgang mit diesen Bäumen wurde von Kost als „unfachmännisch“ kritisiert. 
Bleiben 3 Bäume, die mittelfristig zu entfernen gewesen wären. 
 
Wolfgang Wagner
2Kommentar
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Die Vorgehensweise der Zuständigen bei den Fällungen der Stadtparkbäume widerspiegelt die politische Macht in unserer Stadt. 
Ingrid Fauland
3"Ein schwarzer Tag für die Stadt ..."
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
und 15 - als Beteiligte meine ich, wir waren doch insgesamt zumindest doppelt so viele - Menschen zeigen vor ort ihr Nichteinverständnis mit den  
Auswirkungen der politischen Macht in unserer Stadt, liebe Ingrid Fauland, wie würden Sie das, was sich in dieser Tatsache widerspiegelt, benennen ? Petra Reinhart
4"link zum Kost Interview"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Spannend und nach wie vor aktuell! 
 
Schnelle oder „entschleunigte“ Sanierung für die Alleebäume im Stadtpark? 
http://www.korso.at/korso/stadtentwick/stthemen_0605.htm 
(Korso Juni 2005)
5"link zum Wolkinger Interview"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
By the way: 
Prof. Wolkingers Einschätzung wenige Monate davor war ebenfalls voller Klarheit und Sensibilität. 
 
Stadtpark: Experte bezweifelt Notwendigkeit des Kahlschlags 
http://www.korso.at/korso/stadtentwick/stthemen_0305.htm 
(Korso März 2005)
6"Eva Klepp-Afritsch"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
RÜSCH TRITT DEN NATURSCHUTZ MIT FÜßEN! 
Zu den Gutachten möchte ich folgendes sagen: Das Gutachten vom Amt für Grünraum und Gewässer wurde von keinem öbv Sachverständigen für Gehölzwesen und Verkehrssicherheit erstellt und umfasst 2 Seiten !!Di Kost der ein solcher Sachverständiger ist erstellte ein Gutachten von 282 Seiten für jeden einzelnen Baum. Die Fällung ist ein Skandal und verstößt zusätzlich gegen das EU Recht.Zu so einem Politiker haben wir kein Vertrauen!
7"Angst vor den Bürgern?"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Ein großes Polizeiaufgebot war von Nagl,Rüsch und Co bestellt,um die "Sanierung" der Alleen in Angriff zu nehmen.Welche Art von Politik machen diese Personen,dass sie so offensichtlich Angst vor den Bürgern haben? Vielleicht hatten sie einfach ein schlechtes Gewissen, dass sie ihre den Bürgerinitiativen gegenüber getätigten Zusagen auf eine gemeinsame Expertenrunde nicht eingehalten haben.Ihr "Mut" zeigte sich auch darin, dass keiner im Stadtpark zu sehen war. 
W.Klepp
8Kommentar
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Mit dieser Schlaegerungsaktion ist sichtbar gemacht worden, wie mit Leben umgegangen wird.-Auf hoechster politischer Ebene.  
Von den sogenannten VertreterInnen des Gruenraums Graz, die gleichzeitig mitunter die Verantwortlichen sind, fehlt eindeutig das Bewusstsein fuer Gruenraumpflege. Verwunderlich ist, dass Verantwortliche des Gruenraums Graz nicht fuer den Schutz und Erhalt eintreten, sondern sich geistig auf die Ebene von einem Bauamtsleiter begeben, sich anscheinend unreflektiert nach dessen Anschauungsprinzipien orientieren, oder gar selbst dieser Meinung sind. 
Es bleibt nur zu hoffen, dass die rechtlichen Schritte die von Seiten der Plattform Stadtpark eingeleitet wurden, Erfolg zeigen, sodass diesen brachial-arbeitenden "Gruenraumexperten" saftig und ordentlich gezeigt wird, was es heisst fuer Gruenraum zu arbeiten.  
9Kommentar
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
der vorige text stammt von mir, bettina fabian.
10"Technokratie und Rücksichtslosigkeit"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Eine unnötige, zerstörerische und feige Aktion. 
Behördenwillkür gepaart mit politischer Verschlagenheit. 
Widerlich! 
Und nun -  
Neue Bäumchen! 
In Reih und Glied! 
Stillgestanden! 
und 
Gerade Gewachsen!!! 
 
E. Parell
11"Notiz zum Stand der Dinge vor Ort"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Die Baumstümpfe am Burg- und Opernring können auch weiterhin „bewundert“ werden. 
Offenbar sind sie Teil eines Gesamtkunstwerks, mit dem ironischen Titel „Gartenstadt Graz“. 
In Bussen ankommende Touristen stoßen hier beim Aussteigen als Erstes auf Baumstümpfe und fallweise auf einen davor stehenden kopfschüttelnden Einheimischen. 
Wenn sie ihren Kopf wenden, sehen sie weitere Baumstümpfe.  
Dahinter eröffnet sich der atemberaubende Blick auf das Kahlschlagsareal in den Alleen, auf dem gerade herumgebaggert wird. 
Kein Schild weist auf den Sinn und Inhalt des Geschehens hin.  
Man kann vermuten, was man will. 
 
Wolfgang Wagner
12"die gefällten Bäume waren nicht "krank"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Zur Ergänzung noch ein Zitat von DI Kost, das seine Einschätzung des Zustandes der Alleebäume gut zusammenfaßt. 
"Die Bäume sind mit den radikalen "Pflegemethoden der 60-er und 70-er-Jahre relativ gut fertig geworden und noch sehr vital, der größte Prozentsatz kann erhalten bleiben. 
... 
Mit guter Baumpflege können die grünen Riesen noch lange überleben und müssen nicht geschlägert werden." 
Quelle: Krone 8. Juni 2005
13"Nachtrag - Die Macht der Presse?"
am Donnerstag, 1. Januar 1970 00:33von Gast
Inzwischen wurden 72 Bäume (als Ersatz für 86 gefällte Bäume) nachgepflanzt. 
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