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Der Aufstieg des Rechtspopulismus und seine gesellschaftlichen Ursachen
Dienstag, 11. September 2007
Jörg Flecker, Sabine Kirschenhofer: Die populistische Lücke. Umbrüche in der Arbeitswelt und Aufstieg des Rechtspopulismus am Beispiel Österreich. Wien Forba 2007 (Edition Sigma), 165 Seiten, 15,90 Euro

In der urbanliberalen Schickeria gilt’s als ausgemachte Sache: Ungebildete Proleten wählen Haider, weil sie ungebildete, autoritätshörige „Modernisierungsverlierer“ sind. Während gebildete, intellektuelle Schöngeister so clever und fit sind, dass sie locker und lässig auf der Modernisierungs-, Privatisierungs- und Globalisierungswelle surfen – und von daher nie in Gefahr kommen, an dem blau-braunen Pack anzustreifen.
Dass solche Analysen – auch wenn sie sich ein Teil der anderen politischen Kräfte in mehr oder weniger abgewandelter Form zu eigen gemacht hat – nicht besonders hilfreich sind, wenn es darum geht, effiziente Mittel gegen den Rechtsruck zu finden, liegt auf der Hand. Der Wiener Soziologe Jörg Flecker und seine Co-Autorin Sabine Kirschenhofer analysieren in ihrer Studie die Beweggründe, die Menschen – zum Teil ehemalige SozialdemokratInnen und sogar GewerkschaftsaktivistInnen – in die Arme des Rechtspopulismus treibt. In Anwendung der Methodologie Pierre Bourdieus stehen dabei 32 Tiefeninterviews mit Personen im Mittelpunkt, die besonders – positiv oder negativ – von den Änderungen in der Arbeitswelt der letzten 10, 15 Jahre betroffen waren, von Privatisierungen, Entlassungen und Umstrukturierungen, Outsourcing und ähnlichen Versuchen neoliberaler Doktrin zur Effizienzsteigerung, Gewinnmaximierung und Herrschaftssicherung.
Die Schlussfolgerungen sind klar: Neben der (zum Teil erlittenen) sozialen Deklassierung bis hin zur Pauperisierung ist es vor allem die Entwertung des sozialen Kapitals, der „Wegfall von Anerkennungsbeziehungen“, der die Betroffenen – beileibe nicht alle – in die Arme der Rechtspopulisten treibt. Denn diese bieten wenigstens – ethnisch definierte – Identifikationsangebote: „Durch den Umbau der Erwerbsarbeit und die erlebte Missachtung werden die Arbeiter/innen und niedrig (oder zu spezifisch) Qualifizierten auf jene Aspekte der Identität zurückgeworfen, die ihnen mit der Geburt zufielen und von denen sie erwarten können, dass sie ihnen umstandslos Anerkennung bringen“ (S. 27) Dass angesichts dieser realen sozialen Verwerfungen Aufrufe zur Toleranz kaum auf fruchtbaren Boden fallen, dürfte einsichtig sein.

cs

Das Buch „Die populistische Lücke“ wird am 10. September um 19:00 in der Buchhandlung Leykam vorgestellt.

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