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Abstraktion und Realismus – der Maler Bruno Wildbach
Montag, 10. September 2007
Im weststeirischen Schwanberg lebt und arbeitet der 1964 geborene Bruno Wildbach. In einer ehemaligen Industriehalle, am Ortsrand nah der Bahnstrecke gelegen, hat er sein Atelier eingerichtet, wo er sich vorwiegend der Malerei in Öl auf Leinwand im großen Format widmet.

Mit Unterstützung durch die INSTYRIA Kultur-Service GmbH stellt KORSO monatlich in der ARTBox steirische KünstlerInnen vor.

Vor dem Hintergrund entstehen Erzählungen. Wildbach baut seine Bilder auf, indem er jeweils vom Hintergrund nach vorne arbeitet. In Serie bringt er parallel auf mehreren Leinwänden in großzügig gestischer Manier den jeweils von einer Farbe dominierten, informellen Grund auf; der Wechsel zur nächsten und den folgenden Tafeln hängt während dieser frühen Arbeitsgänge vor allem von der Trocknung der Ölfarbe ab. Während der Arbeit an den Bildern sind die Leinwände noch auf Hartfaserplatten aufgebracht, um den für die spezifische Arbeitsweise Wildbachs nötigen Widerstand zu gewährleisten. Erst nach Fertigstellung werden sie auf Keilrahmen gespannt. Durch folgende kleinere Eingriffe, die bis zu grafischen Details reichen, werden die zwar nicht monochromen, aber immer von einer Grundfarbe dominierten Tafeln farblich abgestuft und in der Fläche strukturiert. Im Allgemeinen, beschreibt Wildbach den Prozess der Bildentwicklung, entstehen in dieser zweiten Phase subjektive Erzählungen, die nun zum Bildinhalt werden können und die durchwegs in Beziehung zu Individuen stehen, „Wesen“, wie sie der Künstler nennt, die später als Porträts oder Figuren in den Bildvordergrund gestellt werden. Der Maler wird so zum Autor individueller Erzählungen aus einer Verquickung von biografischen Fakten der Porträtierten und der formalen Umsetzung ins Bild. In einem letzten Schritt wird über die Figur oder das Porträt oft noch eine lasierende Farbschicht aufgebracht, wodurch Hinter- und Vordergrund in Teilen verschmelzen, harte Konturen gebrochen werden oder, allgemeiner, wie durch einen Schleier Bildinhalte in ihrer Aussage weniger deutlich, schemenhaft, zugleich aber für den Rezipienten auch wieder mehrdeutig werden.

„Diskontinuierliche Malerei“. In Bezug auf die Raumkompositionen in Bruno Wildbachs Bildern spricht der Grazer Kunsthistoriker Werner Fenz von „diskontinuierlicher Malerei“. Vor allem in den Zeichnungen oder Mischtechniken in Bleistift und Öl auf Papier wird deutlich, wie „der Raum als Kontinuum fast gänzlich aufgelöst“ (Fenz) ist, respektive die räumliche Darstellung von Figur oder Porträt an Bereiche stößt, die nicht mehr eindeutig als Raum oder Fläche erkannt werden können. Dieses Verhältnis von räumlichen und flächigen Bildteilen erfährt eine weitere Irritation, wenn seriell grafische Elemente ins Bild eingebracht werden, wie etwa in der Serie COLON – THE FARTHER SHORE (Öl auf Papier, 2000) oder auf Leinwänden mit den Titeln WOOD, RED CUT, SANAR, MIRAGE und anderen aus den Jahren 1999 bis 2001. Die Grafiken erinnern hier an abstrahierte Menschenmassen, „Strichmanderln“ oder Kalligraphie. So sind in den Arbeiten Bruno Wildbachs abstrakte und realistische beziehungsweise gegenständliche Malerei im selben Bild präsent, mehr noch, sie überschneiden und überlagern einander. Vielfach werden Bildteile, Figuren oder Schriftzüge, übermalt, werden zum unsichtbaren, verborgenen Inhalt. Wildbach zieht zum Vergleich das Palimpsest heran, nach dem in mittelalterlichen Handschriften Text vom Trägermaterial abgeschabt und dieses neu beschrieben wurde. Angesichts ihrer Installationen und Objekte hat Louise Bourgoise ihre Arbeitsweise einmal auf die Formel gebracht: „I do, I undo, I redo“. Ähnlich darf man sich Wildbachs Arbeitsweise vorstellen, indem er Elemente separiert, um sie anschließend in ein neues Gefüge zu bringen, beziehungsweise, wie Werner Fenz schreibt, sind seine Arbeiten gekennzeichnet „durch ein fortwährendes Aufsplittern und ein anschließendes neu formatiertes Zusammenfügen“. Der Kunsthistoriker Werner Hofmann (Die gespaltene Moderne, München 2004) behandelt dieses Prinzip als eines der paradigmatischen für die Kunst der Moderne bis in die Gegenwart. Betrachtet man nun die ornamentalen oder abstrahiert menschlichen Formen – salopp könnte man sie auch Kritzelei nennen –, die mit den realistischen Porträts in Wildbachs Bildern korrespondieren, so führen diese an Hofmanns Überlegungen zur Karikatur, als „polyvalenter Modus, der vom Kindergekritzel bis zur Bildmagie reicht“. Als gleichsam antithetische Form-elemente stehen diese Kritzeleien neben dem virtuos ausgeführten realistischen Bild, konterkarieren „die einsinnigen Verfahren der Mimesis“ und setzen „an ihre Stelle chiffrierte Formen und Kürzel, die oft mehrere Lesarten zulassen“ (Hofmann). Form und Methode gestatten so in Wildbachs Bildern „Überschneidungen verschiedener Wirklichkeitsebenen“, die „vom Gegenstandsbezug über das Ornament bis zu pulsierenden abstrakten Formationen“ (Fenz) reichen.

Nähe und Ferne. Wie schon angemerkt, arbeitet Bruno Wildbach in Serien, deren Inhalte und Arbeitstitel aus dem Prozess entstehen. So handelt etwa die Reihe SIXTEEN CONQUESTS (überwiegend in Bleistift/Öl/Papier, zwei Arbeiten in Öl auf Leinwand, 2000-2003) eigentlich von Wildbachs Beschäftigung mit Geschichte und Literatur. 16 Porträts historischer Personen – darunter Juri Gagarin, Adolfo Bioy Casares, Federico Fellini und der Fotograf John Deakin – sind jeweils ins Bild gesetzt, großteils auf oben beschriebene Weise übermalt oder überzeichnet. In Verbindung mit den – natürlich für den Betrachter und nicht für den Autor – oft kryptischen Bildtiteln wie ITEUA, S.A.M.O. transportieren sie ein deutlich narratives Moment. Dass etwa Casares Porträt auch für eines von Borges gehalten werden kann, ist vielleicht kein Zufall und könnte auf deren Freundschaft und Zusammenarbeit hinweisen. Aus Wildbachs Sicht jedenfalls haben die Dargestellten im weitesten Sinn Eroberungen vorgenommen.
Für die Reihe LIMITED CONTRACTS dagegen schloss Wildbach für die Zeit der Arbeit an deren Porträts mit Freunden und Bekannten einen Vertrag ab, der eigentlich nur beinhaltete, dass die Modelle zur Verfügung stehen sollten, um sie nach Fertigstellung wieder aus dem Vertrag zu entlassen.
Im Vorjahr stellte er im Stiegenaufgang zum Grazer Minoritensaal vier großformatige Porträts von Kindern aus, die jeweils einen Elternteil durch Suizid verloren hatten. Unter dem Titel FAR FROM ME versuchte der Porträtist sich selbst und Rezipienten mit Schicksalen zu konfrontieren, nachdem er seine Malerei auch in der Reihe einer „Abfolge von Schicksalen“ interpretiert. „Schicksale, die in meiner Arbeit jene Berührungen des Imaginären mit dem Realen auslösen und eine logische Fantastik belegen; eine Bewegung darstellen, die weniger versucht, die Welt auszudrücken, als vielmehr, eine Möglichkeit ist, in ihr zu sein.“

Öffentlicher Raum. Bruno Wildbach studierte an der TU Graz Architektur. Als Künstler ist er eigentlich Autodidakt, wenngleich er im Rahmen des Studiums am Institut für Künstlerische Gestaltung die Lehrgänge bei Giselbert Hoke absolvierte und ihm in der Folge bei Ausführungen von Glasarbeiten assistierte. „Allerdings“, erzählt er, „hat mich vorwiegend und immer realistische Malerei beschäftigt.“ Dass Wildbach aber nicht weniger virtuos mit architektonischen Formen umzugehen weiß, zeigt eine Großplastik aus dem Jahr 2001. Für eine an der HTBL und VA Graz-Gösting entwickelte Roboterspinne entwarf er die BULME-SKULPTUR. Wie ein Schrein mutet die in Sichtbeton und Glas ausgeführte Großvitrine in der Ibererstraße in Gösting an oder wie eine architektonisch technoide Prothese für den Roboter, die in den Raum zu greifen scheint.

Bruno Wildbach wird von der Grazer Galerie Artepari (www.artepari.com) vertreten. Herausgegeben von der Steirischen Kulturinitiative, erschien 2004 die Publikation Bruno Wildbach. Humansize mit Texten von Herbert Nichols-Schweiger, Werner Fenz und einem Gespräch mit Frauke Franckenstein. Weitere Informationen und Ansichten aktueller Arbeiten unter www.brunowildbach.com

Wenzel Mraček


KURZBIOGRAFIE

BRUNO WILDBACH, geboren 26. November 1964, Architekturstudium an der TU Graz, lebt und arbeitet in Schwanberg

Einzelausstellungen/Auswahl
2003   OVEST, Steirisches Feuerwehrmuseum. Groß-St.Florian
2002   ORINOCO - The period of navigation, Sartoria Wildbacher. Graz
2001   CARTAGENA - The private escape, Galerie Cetiner, Basel
2000   O.S.S.A. - Humansize, Palmenhaus-Burggarten, Graz
1999   BUONCONVENTO, Landesmuseum Joanneum, Stainz
1997   GALERIE FINE ART, Christel Zelinski, Hamburg

Ausstellungsbeteiligungen/Auswahl
2004   SHORTSTORIES, Galerie Eugen Lendl, Graz
2002   WHATS NEW, Galerie Eugen Lendl, Graz
1998   ART FOR WEDDING, Galerie Fine Art. Christel Zelinski, Hamburg

Kunst im öffentlichen Raum/Auswahl
2002     FLÜGELALTAR/GLASFENSTER, Klementikapelle. St. Katharina in der Wiel
2001  BULME-SKULPTUR, HTBL und VA Graz-Gösting, Mitarbeit an der Roboterspinne: Roland Heschl. Richard Jurosek, Martin Kargl, Mathias Lukats, Stefan Wieser, Michael Zottler
1998   EMAILWAND, Hauptschule, Schwanberg
1992   GLASFENSTER, Kirche, Frauental
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