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Zigeunerverfolgung im Burgenland
Mittwoch, 11. Juli 2007
Ursula Mindler, Tobias Portschy., Biographie eines Nationalsozialisten. Die Jahre bis 1945. Verlag der Burgenländische Landesregierung, Eisenstadt 2006, 246 Seiten.

Die Autorin zeichnet in dieser Diplomarbeit (der Universität Graz) den Aufstieg des Tobias Portschy (1905-1996), eines burgenländischen Bauernbuben, zum Mitbegründer der illegalen NSDAP und Gauleiter des Burgenlandes, dann 1938 bis 1945 zum stellvertretenden Gauleiter der Steiermark, und sie zeigt – das ist das Erschreckende - , wie ein Mann auch nach Verurteilung als Kriegsverbrecher und Haft (1945 bis 1951) bis ans Lebensende seine NS-Ideologie öffentlich vertrat. Dass es immer – in der ersten wie in der zweiten Republik – dafür die wichtigen Netzwerke gab, dass Portschy „eingebettet“ (von 1959 bis 1991 in der FPÖ) war, wird von Mindler mit grosser Quellenkenntnis und in Aussagen von Zeitzeugen dokumentiert.
Alle Aspekte seiner Tätigkeiten in der NS-Zeit zu erwähnen, wie sie Mindler detailliert darstellt, ist hier nicht möglich. Portschys Hauptaugenmerk galt der Minderheit der „Zigeuner“; etwa 11.000 lebten damals in Österreich, davon 8.000 im Burgenland. Der gelernte Jurist aus Unterschützen kannte „Zigeuner“ seit seiner Kindheit. Wie gegen Juden, so wuchs auch gegen sie sein Ressentiment, speziell seit seinem Studium in Wien. Im August 1938 erschien seine Denkschrift „Die Zigeunerfrage“.
Fest steht, dass Portschy „als ideologischer Wegbereiter, Vordenker und Förderer der ‚Zigeunerverfolgung’ im Burgenland“ anzusehen ist, dessen radikale Lösungsvorschläge auf die spätere Vernichtung als „Endlösung“ verweisen. Was für Konnotationen weckt ein solcher Satz: „Beschütze dein Blut vor der Zersetzung durch die orientalischen Pestträger!“ (aus: Portschy, „Die Zigeunerfrage)
Die bösartige Verkommenheit dieses Denkens geht – das wird von Mindler festgehalten – auf die Zeit des christlich-sozialen Ständestaates zurück, wo bereits Forderungen nach Zwangsarbeit, Musizier- und Wahlverbot für „Zigeuner“ diskutiert wurden. Dank der NS-Rassenpolitik fanden die Diskriminierten in den Vernichtungslagern den Tod. Im Burgenland entkam eine verschwindende Minderheit den Deportationen.
Von den 15 Jahren Haft, zu denen Portschy nach 1945 verurteilt wurde, sass er ein Drittel ab. Der Volksgerichtshof verhandelte seine NS-Funktionen, aber zog ihn nicht zur Rechenschaft in der „Zigeunerfrage“. Ursula Mindler sieht ihn als treibende und exekutierende Kraft der Nationalsozialisten im Burgenland an, der volle Verantwortung trug. In der Geschichtsschreibung nach 1945 sieht sie dies „vernachlässigt“ und „verharmlost“. Insofern ist Tobias Portschy, nach seiner Entlassung erfolgreicher Geschäftsmann, ein typischer Vertreter seiner Generation. Der „evangelisch-deutsche“ Bauernsohn, mit 14 Geschwistern – von denen sieben nach Amerika auswanderten – in Westungarn in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, nach 1921 deutschnational, dann illegaler Nazi, dann Gauleiter-Stellvertreter, Angehöriger der SS seit 1940, mit allen Vorurteilen des Kleinbürgers und in Halbbildung befangen, seine einsichtslose Unbelehrbarkeit dank der Mediendemokratie so lange noch verkündend, bis er 1996 starb.
(Band 92 der Burgenländischen Forschungen)
Hedwig Wingler

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