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Sterben ist überhaupt schön, man wird so richtig lebendig
Mittwoch, 11. Juli 2007
So ein Satz kann nur von einem Unsterblichen wie Wolfgang Bauer kommen.

Paul Pechmann, wissenschaftlicher Leiter der derzeit laufenden Bauer-Ausstellung im Stadtmuseum, hat als Ergänzung ein gut besuchtes Bauer-Symposion ausgerichtet, bei dem sich vor allem eines herausstellte: Alle Texte, in denen versucht wurde, dem Grazer Superdramatiker beizukommen, hatten keine Chance gegen seine Originalsätze. Bei jedem Bauerzitat gab’s befreites Lachen im Publikum.

Pechmann als Diskussionsleiter war bei der der Fülle der Ansätze gelegentlich gezwungen, sich der Bauer-Werkausgabe zu bedienen, die er auf seinem Kaffeehaustischchen gestapelt hatte.

Christian Steinbacher, Autor und Kurator aus Linz, analysierte die präzise geplante Widersprüchlichkeit in Bauers Roman „Fieberkopf“: „Der Autor schaut in sich hinein, wo er viel sieht.“ Ferdinand Schmatz beschäftigte sich mit Bauers „Texten zu Anlässen“ und seiner Nähe zu den introspektiven Techniken bei Konrad Bayer und Oswald Wiener. An diese Spiegelungen des Bewusstseins schloss Thomas Eders Referat an, der Modelle der Kognitionstheorie vorstellte, um sie an Szenen aus den „Gespenstern“ zu testen: Germanistik, die sich ein bisschen des hoch komplexen Imponiergestus aus Nachbarwissenschaften bedient. Einen „klassischen“ Beitrag lieferte Herbert Gamper aus der Schweiz mit „sein aber nicht sein“, in dem er  über den heftigen Grenzverkehr zwischen „Hüben und Drüben“, zwischen Diesseits und Jenseits bei Bauer referierte. Über den Tod als Alternative zur Faktizität der diesseitigen Hölle ließe sich eine Linie von Schiller bis Bauer – mit Zwischenstation bei Schopenhauer – ziehen.  Julia Funk, Literaturwissenschaftlerin aus Konstanz, kam das Verdienst zu, endlich mit der scheinbaren Frauenfeindlichkeit Bauers aufzuräumen, was ihr noch dazu am Beispiel von „Film und Frau“ gelang, in dem Shakespeare der Protagonistin den Kopf absägt.  Günter Eichberger sprach als Herausgeber der viel zu wenig beachteten Falk-Gesamtausgabe sachkundig und witzig über die Koproduktionen des Autorenpaares Falk/Bauer, wobei einige Bitterkeit über die Unterschätzung von Gunter Falk als Wissenschaftler und Autor aufkam. In der Textperformance „ruf mich an. fernsprecher & falsche verbindungen“ montierte Autor und „Perspektive“-Mitherausgeber Ralf B. Korte Bauertexte, eigene und gefundene, zu einer luziden Collage um die Bedeutung des Telefons in Bauers Stücken und machte das ganze noch zu einem veritablen Soundereignis. Zum guten Ende nahm sich Karl Welunschek, Regisseur der Bauer-Ausstellung, die vom Grazer Stadtmuseum nach Wien ins MAK zieht, Wolfgang Bauers als Regisseur an. Sein Ansatz, der hauptsächlich aus einer Lesung aus Bauers „Foyer“, dem letzten Stück des Dramatikers, bestand, war deshalb auch der eingängigste. Das gut besuchte Symposium erzeugte neben einem schillernden Spektrum an Einsichten über Bauer vor allem eines: Das Bedürfnis, dass Bauer es verdiente, „so richtig lebendig“ auf der Bühne zu werden. Gerade für das Grazer Schauspielhaus, in dem während der abgelaufenen Saison mit großem Aufwand riskante Stoffe und Stücke auf die Bühne gebracht wurden, läge die Entdeckung der späten Arbeiten des Grazer Dramatikers „vor der Haustür“.
Bei aller Bescheidenheit kann vermeldet werden, dass Ihr KORSO, werter Leser und werte Leserin, immerhin mit zwei Mitarbeitern auf diesem hochkarätigen Symposium präsent war. Wenzel Mraćek profilierte sich mit „Wie man sich an Göttern misst“, einem faszinierend bebilderten Text über Motive des künstlichen Menschen bei Wolfgang Bauer. Und der ergebene Schreiber dieser Zeilen sprach über „Wolfgang Bauer und das Kino“.

Die Texte des Symposions werden im Herbst bei Ritter erscheinen. Bis dahin sei auf die neunbändige Bauer-Gesamtausgabe bei Droschl, den neuen Bauer-Reader bei „Sonderzahl“ und die Gesamtausgabe von Gunter Falk bei Ritter verwiesen.
Wilhelm Hengstler
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