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La Clemenza di Tito: Milde Mischung
Archiv - Rezensionen
Ursprünglich als Vehikel für rückhaltloses Lob gekrönter Häupter gedacht, rücken modernere Inszenierungen von Mozarts „Clemenza di Tito" vor allem die widersprüchlichen, ausweglosen, düsteren Leidenschaften in den Mittelpunkt.

Una porcheria tedescha. Um milde Modernität bemüht sich die Inszenierung von „Die Milde des Titus" in der Grazer Oper durch Michael Sturminger. Mozart komponierte 1791 die Oper über den unmenschlich milden Kaiser Titus als Auftragswerk der böhmischen Stände für die Krönungsfeierlichkeiten Leopold II. zum böhmischen König. Die opera seria, schon damals nicht mehr das Aktuellste, wurde nicht gerade zu Mozarts beliebtestem Werk.

Dabei hat Mazzolà für Mozart die ursprüngliche Fassung von Pietro Metastasio um einen Akt verkürzt und lange Rezitative zugunsten dramaturgischer Verdichtung gestrichen. Dadurch bekam der historisch-mythologische Verklärungsstoff verstärkt Elemente einer Auseinandersetzung zwischen Herrschergewalt und Aufbegehren. Mag sein, dass die Kaiserin Maria Louisa darum bei der Uraufführung von einer „Deutschen Schweinerei" gesprochen hat.
Vitellia, Tochter des vorigen Kaiser wünscht sich den Tod Titus, des neuen Kaisers, liebt ihn aber gleichzeitig. Darum instrumentalisiert sie Sextus, den Freund des Kaisers, der ihr dermaßen verfallen ist, dass er sogar bereit ist, Titus zu töten. Der Kaiser wiederum trennt sich von seiner jüdischen Geliebten Berenice, weil sich sein Volk eine Römerin zur Kaiserin wünscht. An ihrer Stelle entscheidet er sich für Servilia, die Schwester des Sextus. Die liebt aber Annius, einen Freund des Sextus. Mild, wie Titus nun mal ist, macht er jetzt Vitellia zu seiner Kaiserin, die hat mittlerweile aber bereits Sextus zur Ausführung des Attentats losgeschickt … bad timing. Das Kapitol brennt, der Anschlag schlägt fehl, Sextus wird gefasst, schweigt aber über seine Anstifterin und wird zum Tod verurteilt. Vitellia gesteht öffentlich ihre Schuld, und der milde Titus verzeiht, verzeiht, verzeiht …

Eine allzu milde Regie. Das Anfangsbild mit Thonetgestühl und protzigen Fauteuils erinnert vor allem an die Auslage eines glücklosen Antiquitätenhändlers. Ansonsten setzt Michael Sturminger auf gegenwärtige Bezüge: etwa einen Riesenscheck des Kaisers für die Vulkanopfer, einen ausgebrannten PKW für das Attentat, die unverzichtbaren Fernsehkameras usw. (Bühne und Kostüm Renate Martin) In den folgenden Bildern – monumentale Betonstrukturen, Gitter, Anhaltelager, Durchblicke – buchstabiert Sturminger dann immer stimmiger Machtverhältnisse. Kaiser Titus etwa residiert stets einen Stock höher und kommt nur gelegentlich, etwa zum Bad in der Menge oder zum Besuch von Sextus in der Containerzelle zu ebener Erde herab. Die Regie denkt dabei vieles richtig an, schreckt aber vor jeder Expressivität zurück und bleibt – wie Kaiser Titus – allzu milde: Häftlinge ohne einen blauen Fleck, sexuelle Raserei durch Entkleidung bis auf das knielange Unterkleid, die üblichen, leeren Operngesten. Eine stark beanspruchte Dreh- und Hebebühne spielt, was der Regisseur eigentlich seine Sänger spielen lassen sollte. Sturminger lagert die Leidenschaft der Protagonisten in die Technik aus, trotz unablässig rotierender Bühne stehen seine getriebenen, zerrissenen Figuren eher in einer konzertanten Aufführung umher, als in einem modernen Musiktheater zu agieren. Die Rolle der Vitellia, routiniert von Tamar Iveri gesungen, leidet vielleicht am stärksten unter dieser milden Regie. Margareta Klobucar als Schwester des Sixtus gibt eine umweglose, klare Servilia. Stephanie Houtzeel als Sextus meisterte ihre Arien mit wachsender Intensität, was ihr viel verdienten Applaus einbrachte. Stimmig auch Jutta Panzenböck als Annius, besonders die Arie für den gefangenen Freund gegen den Widerstand des den Kaiser abblockenden Präfekten Publius ist auch inszenatorisch gelungen. Aleksandrs Antonenko als Kaiser beeindruckte mit der Arie „Nehmt mir die Herrschaft, oder gebt mir ein anderes Herz", insgesamt hätte man ihn sich allerdings präsenter gewünscht. Das Grazer Philharmonische Orchester unter der Leitung von Michael Hofstetter bot nach Anlaufschwierigkeiten eine überzeugende, wenn auch nicht allzu dynamische Performance.

Willi Hengstler
Noch am 5., 9., 14., 17., 20., 22., 24., und 27. Juni


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