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WoWagners Gartenlaube fortschrittlichen Schrifttums: Der Wendepunkt
Archiv - Kultur
ImageDiesmal fiel es mir ungeheuer schwer, mich für ein Kolumnenthema zu entscheiden, und dies nicht aus Mangel an Wahlmöglichkeiten. Vielleicht hat es mit dem geschäftlichen Krimskrams und der Abstumpfung zu tun, die mein momentanes Dasein als „Ladenhüter" mit sich bringt. Um mit Kurt Vonnegut zu sprechen: „So geht das."

Schlussendlich fiel die Entscheidung auf Tim Flannerys Buch „Wir Wettermacher", das fast zu gut in die mediale Gegenwart passt. Ich bin sicher, dass X-Leute über das Thema Klimawandel „nichts mehr hören können" (d.h. wollen).
Obwohl mir viele Aspekte des Themas seit langem vertraut sind und auch meine Lebensführung beeinflussen, vermittelt mir Flannerys Buch das Gefühl, - ZACK! - dass es HIER UND JETZT um ungeheuer viel geht. Wir stecken mitten drin und der Zug fährt ein Ziel an, das wir ganz gewiss nicht erreichen wollen, obwohl es schon hinter der nächsten kleinen Kurve aufzutauchen droht.
Vom Schreibstil und der Datenpräsentation ist das Buch Wissenschaftsjournalismus „at his best" und es lässt keine Zweifel darüber, dass technische Lösungen viel zu wenig sein werden, um das Debakel, in dem wir bereits stecken, abzufedern. Aber es geht nicht nur um die menschlichen Säugetiere, die sich auf Gröberes einzustellen haben. Wenden wir uns kurz der Goldkröte zu, die in einem geschützten Habitat in Costa Rica lebte. Die Spezies wurde erst 1966 entdeckt und anscheinend fand die letzte „große Orgie" der Goldkröten im April 1987 statt. Aus 43500 dokumentierten Eiern entwickelten sich wegen der Trockenheit nur 29 Kaulquappen. In den folgenden zwei Jahren wurde nur jeweils ein „einsames Männchen" gesichtet.
„Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelte es sich um dasselbe Exemplar, das nun schon im zweiten Jahr einsam Wache hielt und auf seine Artgenossinnen wartete. Es war, soweit wir wissen, das letzte seiner Spezies, denn seither ist die Goldkröte nicht mehr gesehen worden. (S. 142). Die Goldkröte ist, wie wissenschaftliche Untersuchungen belegen, die erste Spezies, die nachweislich vom Klimawandel ausgerottet wurde. Genauer gesagt, „wir haben sie mit unserer Verschwendung von aus Kohle erzeugter Elektrizität und mit unseren überdimensionierten Autos umgebracht, und zwar so unmittelbar, als hätten wir ihren Wald mit Bulldozern plattgemacht."(Vgl. S. 144)
Auch wenn es für viele unbequem klingen mag. Wir haben keine Zeit mehr. Nutzen wir sie. Positive Ansätze gibt es genug und sie können Spaß machen. Flannery: „Über die Verantwortungslosigkeit der Kohleverheizer habe ich mich so aufgeregt, dass ich beschloss, meinen eigenen Strom zu produzieren, was zu den befriedigendsten Dingen zählt, die ich je getan habe." (Siehe S. 338)

Tim Flannery, geb. 1956 in Melbourne, lebt als Wissenschaftler, Forscher und Umweltschützer in Australien. Es ist Autor zahlreicher Bücher und Dokumentarfilmer. Als Zoologe entdeckte er über 30 Arten. „Wir Wettermacher" wurde 2006 von „Bild der Wissenschaft" als Wissenschaftsbuch des Jahres ausgezeichnet.

Tim Flannery: Wir Wettermacher. Wie die Menschen das Klima verändern und was das für unser Leben auf der Erde bedeutet. Fischer TB 2007, (klimaneutral produziert), 10,30 Euro

Mag. Wolfgang Wagner, Jg. 1963, Germanist, Autor, Aktivist und Sozialpädagoge führt seit Juli 2006 den Buchladen „Wendepunkt" in der Josefigasse 1, 8010 Graz, Tel/Fax 0316/ 76 52 44, WoWagner@gmx.at

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