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Unbehagliches, Satirisches und Erhellendes |
Archiv - Kultur | |
manuskripte 175, Graz 2007, 170 Seiten, 10,- Euro
Vier junge GrazerInnen eröffnen den 47. Jahrgang der Grazer Literaturzeitschrift manuskripte. Der erste, Clemens Setz, beschreibt in seiner Erzählung „Konzentration" die Ehe zwischen einer von Panikattacken heimgesuchten Frau und ihrem durch einen Sturz ans Bett gefesselten Mann, wobei er auch ein kritisches Streiflicht auf die gegenwärtige literarische Mode wirft, der zufolge die „in jeder Hinsicht jungen Autoren Brutalität und Vergewaltigung und Wahnsinn einsetzen wie die romantischen Dichter vor ihnen Elemente von Natur und Landschaft". Diese „Ästhetik des Pathologischen" prägt dann auch die folgenden Texte von Sopie Anna Reyer und Gerhild Steinbuch, in denen Schmerz, Albträume und psychosomatische Aus- und Anfälle zu den wichtigsten Motiven gehören. Georg Petz betrachtet in „Vienna Calling" vier verschiedene Facetten Wiens durch die vier Scheiben seiner ererbten Wohnung, Günther Freitag liefert einen Auszug aus dem satirischen Roman, an dem er gerade arbeitet und in dem ein gehörgeschädigter Musikkritiker sich als Gesellschaftsdame für die hypochondrischen Schwestern eines Hutfabrikanten bewirbt. Zwei Orte am Hochrhein, „etzgen und binzgen", nimmt Monique Schwitter zum Anlass einer ebenfalls satirischen Reflexion über Heimat, Fremde und Einreiseschikanen, wobei der „illegale Einwanderer" der Hund Basti („basti kommt von bastard") ist. Melanie Arns erzählt die Geschichte eines Mädchens, das nach dem Unfalltod ihres Bruders dem dörflichen Totenzeremoniell, dem „Ablauf", als Außenseiterin gegenübersteht, und Antonio Fian modelliert in einem kurzen Dialog im Kärntner Dialekt auf unnachahmliche Weise ein homosexuelles Erlebnis zweier junger Männer, das abgebrochen wird, weil „Muatta woatet". Auf einen Ausschnitt aus dem entstehenden Porträt-Roman über den Biologen Ludwig Kaltenburg von Marcel Beyer folgt ein „Selbstporträt aus Unwillkürlichen Selbstgesprächen" von Peter Handke, das in Einzelsätzen neben Banalem wie „Da ist das Buch" auch Hintergründiges wie „Jeder bekommt seinen Teil vom Vergessen" versammelt. Den Gedichtteil des Heftes bestreiten unter anderem Uljana Wolf/ Christian Hawkey mit Texten, die sie mittels „Übermalungstechnik" aus Shakespeare-Sonetten (mit Übersetzung) gewannen, Marta Podgórnig, deren polnische Gedichte Doreen Daume ins Deutsche übersetzte, und Helwig Brunner mit zum Teil recht kniffligen „Rätselgedichten". Der Abschnitt Essay beginnt mit dem zweiten Teil der Laudatio Peter Weibels auf Oswald Wiener, wird mit Jürgen Laggers „Cittá morta" fortgesetzt, die Josef Winkler in einer „surrealen Replik" verarbeitet, worauf zwei Interpretationen folgen: „Bei den Bieresch" von Klaus Hoffer (Samuel Moser) und „Zu den Spuren der Verirrten" von Peter Handke (Helmut Moysich). Abgerundet wird die Ausgabe durch die Serie „Mitgelesen" von Felix Philipp Ingold, in der neue Gedichte von Anja Utler, Oswald Egger und Nico Bleute in einer kritischen Lektüre „erlesen" und sozusagen „in Echtzeit" interpretiert werden – eine Serie, die auch in den kommenden Heften ihre Fortsetzung finden wird.
Hannes Schwab KORSO verlost in Kooperation mit manuskripte – Literaturverein ein Exemplar der manuskripte 175 beim KORSO Kulturquiz unter www.korso.at
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