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K&Ö plant: Ein Mittelgebirge für die Grazer Altstadt
Archiv - Lokales
Freitag, 10. März 2006
ImageGraz kommt in den letzten Jahren nicht zur Ruhe, was sein Kulturerbe betrifft. Finanzielle und bewahrende Interessen prallen immer unverhohlener aufeinander; herausragende Beispiele sind etwa der Abriss des barocken „Weißen Rössl" am Lendplatz oder des denkmalgeschützten Kommod-Hauses unter dubiosen Umständen, die Überbauung der ebenfalls denkmalgeschützten Thalia, die das ursprüngliche Juwel klassisch-moderner steirischer Architektur faktisch unter sich begräbt und der drohende Teilabbruch des barocken Altstadthauses Sackstraße 28 bis 30.

Kritik von Beginn an. Der projektierte Dach-Umbau – letztendlich eine Aufstockung – des Kaufhauses Kastner & Öhler in der Sackstraße könnte nun das Fass zum Überlaufen bringen. Das architektonisch und für sich genommen zweifellos hochwertige Siegerprojekt des spanischen Architektenduos Nieto/Sobejano sprengt durch sein Ausmaß, seine Form, seine Farbgebung und seine Materialwahl (Blech) den Maßstab der umliegenden Bebauung, meinen – nicht nur – Denkmalschützer; die Auszeichnung „Weltkulturerbe", die das historische Altstadtzentrum von Graz 1999 erhalten hat, steht wegen dieses Projektes auf dem Spiel. Univ.-Prof. Wilfried Lipp, Obmann des österreichischen Zweiges der internationalen Denkmalschutz-Fachorganisation ICOMOS, die als Beraterin und Gutachterin des Welterbe-Komitees der UNESCO tätig ist, hat das Vorhaben von Beginn an kritisiert: „Ich wurde eingeladen an der Jury für das Projekt teilzunehmen, habe aber abgelehnt, weil schon für die Ausschreibung des Wettbewerbs kein Konsens gefunden werden konnte. Man begibt sich zweifellos auf ein sehr glattes Parkett, wenn man als Mitarbeiter einer Stelle, die von Gesetzes wegen über ein Projekt zu befinden hat, einer Jury angehört hat, die zuvor eben dieses Projekt ausgewählt hat", erklärt Lipp gegenüber KORSO.

Entgegen anderslautenden Gerüchten: Die Altstadtsachverständigenkommission hat noch nicht Stellung bezogen. Weniger Bedenken hatte diesbezüglich die Vorsitzende der Grazer Altstadtsachverständigenkommission, Gertrude Celedin: Sie nahm an der Jury teil, stimmte gemeinsam mit allen anderen JurorInnen (darunter ein zweites ASVK-Mitglied, der bekannte Grazer Architekt Univ.-Prof. Volker Giencke) für das Projekt und bezog dafür auch öffentlich Stellung (und dem Vernehmen nach eine nicht ganz geringfügige Aufwandsentschädigung). Celedins Meinungsäußerungen nahmen weniger informierte Medien wie der ORF zum Anlass für die Behauptung, die Altstadtsachverständigenkommission habe zum Projekt eine positive Stellungnahme abgegeben. ASVK-Mitglied Univ.-Prof Josef Ploder: „Das stimmt nicht, die ASVK ist mit diesem Fall noch nicht befasst worden, weil noch kein Bauverfahren eingeleitet wurde." Verständlich, dass sich manche Kommissionsmitglieder vom forschen Vorgehen ihrer Vorsitzenden brüskiert fühlen und bei der jüngsten Sitzung der Antrag gestellt wurde, dass ASVK-Mitglieder nur mehr in beratender Funktion an Wettbewerbs-Jurys teilnehmen dürfen.
Der einzige Akt, den die ASVK bis jetzt in Bezug auf den Dachausbau setzte, liegt schon länger zurück. Ploder: „Wir wurden mit dem Ansuchen auf Abbruch des bestehenden Daches konfrontiert, und damals wurde klarerweise beschlossen, dass dieses – es stammt aus den sechziger Jahren – nicht erhaltenswürdig sei. Aber: Damals wurde sinngemäß auch festgehalten, dass ein Ersatz nicht höher als die bestehende Struktur sein darf" – eine Vorgabe, die vom Siegerprojekt nicht erfüllt wird.

Der Streitpunkt Weltkulturerbe. Letztendlich ist anhand des Kastner-Projektes wieder eine Auseinandersetzung um die Sinnhaftigkeit der Auszeichnung „Weltkulturerbe" entbrannt. Auf der einen Seite stehen bestimmte Unternehmensvertreter wie etwa der Vorsitzende der Jungen Wirtschaft Graz, Achim Ertl, der im Leistungsbericht 2005 der Regionalstelle Graz der WiKa schlicht meint, das Weltkulturerbe „nütze keinem". Auf der anderen Seite situieren sich Bewahrer wie Landeskonservator Friedrich Bouvier, der in Erinnerung ruft, dass Graz sich aus gutem Grund zehn Jahre lang um die Zuerkennung der Auszeichnung bemüht habe – „und als es dann so weit war, wollten alle auf dem Foto drauf sein." Dass das Prädikat „Weltkulturerbe „nütze keinem". Auf der anderen Seite situieren sich Bewahrer wie Landeskonservator , der in Erinnerung ruft, dass Graz sich aus gutem Grund zehn Jahre lang um die Zuerkennung der Auszeichnung bemüht habe – „und als es dann so weit war, wollten alle auf dem Foto drauf sein." Dass das Prädikat „Welt Der projektierte Dach-Umbau – letztendlich eine Aufstockung – des Kaufhauses Kastner & Öhler in der Sackstraße könnte nun das Fass zum Überlaufen bringen. Das architektonisch und für sich genommen zweifellos hochwertige Siegerprojekt des spanischen Architektenduos Nieto/Sobejano sprengt durch sein Ausmaß, seine Form, seine Farbgebung und seine Materialwahl (Blech) den Maßstab der umliegenden Bebauung, meinen – nicht nur – Denkmalschützer; die Auszeichnung „Weltkulturerbe", die das historische Altstadtzentrum von Graz 1999 erhalten hat, steht wegen dieses Projektes auf dem Spiel. Univ.-Prof. , Obmann des österreichischen Zweiges der internationalen Denkmalschutz-Fachorganisation ICOMOS, die als Beraterin und Gutachterin des Welterbe-Komitees der UNESCO tätig ist, hat das Vorhaben von Beginn an kritisiert: „Ich wurde eingeladen an der Jury für das Projekt teilzunehmen, habe aber abgelehnt, weil schon für die Ausschreibung des Wettbewerbs kein Konsens gefunden werden konnte. Man begibt sich zweifellos auf ein sehr glattes Parkett, wenn man als Mitarbeiter einer Stelle, die von Gesetzes wegen über ein Projekt zu befinden hat, einer Jury angehört hat, die zuvor eben dieses Projekt ausgewählt hat", erklärt Lipp gegenüber KORSO. Weniger Bedenken hatte diesbezüglich die Vorsitzende der Grazer Altstadtsachverständigenkommission, : Sie nahm an der Jury teil, stimmte gemeinsam mit allen anderen JurorInnen (darunter ein zweites ASVK-Mitglied, der bekannte Grazer Architekt Univ.-Prof. Volker Giencke) für das Projekt und bezog dafür auch öffentlich Stellung (und dem Vernehmen nach eine nicht ganz geringfügige Aufwandsentschädigung). Celedins Meinungsäußerungen nahmen weniger informierte Medien wie der ORF zum Anlass für die Behauptung, die Altstadtsachverständigenkommission habe zum Projekt eine positive Stellungnahme abgegeben. ASVK-Mitglied Univ.-Prof : „Das stimmt nicht, die ASVK ist mit diesem Fall noch nicht befasst worden, weil noch kein Bauverfahren eingeleitet wurde." Verständlich, dass sich manche Kommissionsmitglieder vom forschen Vorgehen ihrer Vorsitzenden brüskiert fühlen und bei der jüngsten Sitzung der Antrag gestellt wurde, dass ASVK-Mitglieder nur mehr in beratender Funktion an Wettbewerbs-Jurys teilnehmen dürfen. Letztendlich ist anhand des Kastner-Projektes wieder eine Auseinandersetzung um die Sinnhaftigkeit der Auszeichnung „Weltkulturerbe" entbrannt. Auf der einen Seite stehen bestimmte Unternehmensvertreter wie etwa der Vorsitzende der Jungen Wirtschaft Graz, , der im Leistungsbericht 2005 der Regionalstelle Graz der WiKa schlicht meint, das Weltkulturerbe „nütze keinem". Auf der anderen Seite situieren sich Bewahrer wie Landeskonservator Friedrich Bouvier, der in Erinnerung ruft, dass Graz sich aus gutem Grund zehn Jahre lang um die Zuerkennung der Auszeichnung bemüht habe – „und als es dann so weit war, wollten alle auf dem Foto drauf sein." Dass das Prädikat „Weltkulturerbe" in mehrerlei Hinsicht auch der Wirtschaft nütze, sei wohl unbestritten – auch wenn der Fremdenverkehrssektor bei offensiverer Bewerbung der Marke wahrscheinlich noch größeren Profit daraus ziehen könne, meinen Tourismusexperten. Und in der Zeitung der Steirischen Wirtschaftskammer stand nachzulesen, dass Revitalisierungsmaßnahmen allein in der Grazer Altstadt ein jährliches Bauvolumen von 12 bis 15 Mio. E ausmachen, das natürlich in der Hauptsache von kleinen und mittleren Unternehmen abgedeckt wird.

Eine Frage der „Maßstäblichkeit". In den Diskussionen darüber, was nun in der Weltkulturerbe-Zone erlaubt sei und was nicht, taucht immer wieder der Begriff „Maßstäblichkeit" auf. Heimo Widtmann, Vorsitzender der ASVK bis 1992 und habilitiert für Städtebau, erläutert ihn an negativen und positiven Beispielen: „In der zweiten Gründerzeit in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es viele derartige Überschreitungen – zum Beispiel den Bau des Hauptgebäudes der Steiermärkischen Sparkasse an der Stelle des vorher dort befindlichen Drei-Giebel-Hauses. Herausragend positive Beispiele für neues Bauen in alter Umgebung sind hingegen Richard Gellners M1-Haus am Färberplatz und vor allem das Domenig-Haus in der Sackstraße, das die Motive der Umgebung auf moderne Weise aufnimmt ohne sie von seinen Maßstäben her zu überschreiten."

Das Nieto-/Sobejano-Projekt hält Widtmann für „nicht ideal; eine maßstabgerechte Reduzierung wäre ein Denkansatz." Und: „Die Öffentlichkeit sollte auch die anderen Wettbewerbsbeiträge zu sehen bekommen."
Ähnlich äußert sich Irene Wiese von Ofen, früher Städtebaudezernentin in Essen und jetzt als Gutachterin und Berichterstatterin für das UNESCO-Welterbe-Komitee tätig. Von Ofen stellte bereits im Fall des Hadid-Projektes, das an die Stelle des von der WEGRAZ abgebrochenen Kommod-Hauses treten soll, fest, „dass sich das Gebäude zu laut in Szene setzt". Sie wurde vonseiten der UNESCO inoffiziell mit dem Ersuchen konfrontiert, auch im Fall des Kastner-Projektes als Gutachterin und Vermittlerin zu agieren. Bis jetzt habe sie allerdings nur eine „schlechte Schnittzeichnung, noch dazu per Fax" als Unterlage erhalten, daher wolle sie sich auch nicht konkret zum Projekt äußern. Aber: „Entscheidungskriterien sind immer die Maßstäblichkeit und die Störungsdimension."

Ansätze für einen möglichen Kompromiss und Gefahren durch neue Begehrlichkeiten. Die Stadt Graz hat die Sache der Fa. Kastner & Öhler zu der ihren gemacht und den früheren Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Stadterhaltung, Architekt Hansjörg Luser, mit einem Gutachten beauftragt, das feststellen soll, ob das Siegerprojekt nun im Einklang mit oder im Widerspruch zum Weltkulturerbe steht. Luser kommt zu einem positiven Ergebnis, stellt aber doch einiges an Verbesserungswürdigem fest – zum Beispiel schlägt er eine „innovative Form der Ziegeldeckung" statt des geplanten Blechdaches vor; auch die quer zur Sackstraße stehenden First„rippen" zu kürzen, um ,eine Wirkung als Barrieren‘ zu vermeiden." Vor allem warnt Luser aber davor, aus der Realisierung des Vorhabens einen Präzedenzfall abzuleiten – der „ausgewogene Gesamteindruck aller Stilepochen" müsse beibehalten werden.

Auf der anderen Seite sieht auch Landeskonservator Bouvier Möglichkeiten für eine Einigung: „Eine Abmilderung der extremen Höhen", übereinstimmend mit Luser ein Abgehen von der Blecheindeckung und eine kleinteiligere Gliederung der westseitigen Giebelflächen („sonst hätte man vom Mariahilferplatz den Eindruck, auf ein Gebirgsmassiv zu blicken") könnten Ansätze für einen möglichen Kompromiss bilden.

Auch der zuständige Stadtrat Univ.-Doz. Gerhard Rüsch, der das Kastner-Projekt nach Kräften unterstützt, sieht die Gefahr eines „Roll-out" der Begehrlichkeiten – um dem entgegenzusteuern soll bis 2007 ein Managementplan für die gesamte Innenstadt erstellt werden, „der von der Konkretheit her einem Bebauungsplan gleichkommen soll". Wie gut dann die Argumente der Stadt sein werden, mit welchen sie den anderen verwehren wird, was sie dem einen zugestanden hat, wird sich allerdings erst weisen.

Ein Instrument der Bewahrung. ICOMOS-Präsident Lipp jedenfalls fürchtet, dass man in Graz „noch immer nicht begriffen hat, dass der Welterbe-Gedanken auf Bewahrung abzielt. Es ist klar, dass es in einem lebenden Organismus wie der Innenstadt von Graz dauernde Veränderungen geben muss; dabei ist aber vorrangig an die intensive Entwicklung gedacht – an technische Modernisierungen angefangen von der Haustechnik bis hin zu Verbesserungen der Infrastruktur. Nicht gedacht ist dabei aber an eine extensive Entwicklung – z.B. daran, dass man, noch eins draufsetzt‘ – etwa wie im gegenständlichen Fall noch ein Stockwerk. Das ist meines Erachtens in der Grazer Weltkulturerbe-Zone bereits ausgereizt."

Christian Stenner

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