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Vom Künstler als Spiegel und einem immens langen Atem |
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Mittwoch, 8. Februar 2006 | |
Zwar nicht aus den „... letzten drei Jahren von ..." , wie die Reihe von Künstlergesprächen im Forum Stadtpark betitelt ist, stammend, aber einer Erinnerung allemal wert ist die Schweinschleuder, 1992 vom Grazer Künstler Gustav Troger im Stadtmuseum Graz installiert. In einer Diagonale durch den ganzen Raum ist die überdimensionale Konstruktion einer Steinschleuder mit der Nachbildung eines lebensgroßen Schweines geladen und zum Abschuss bereit. Auf den ersten Blick origineller Gag oder, je nach Sichtweise, ein Affront gegen Tierschützer, war Schweinschleuder aber eine kritische Thematisierung gesellschaftlicher Befindlichkeit in einer Verknüpfung von Nahrungsmittelkonsum und kollektiver Wutausbrüche in Form des „Sau Rauslassens". Verspiegelte Realität. Am 7. Dezember 2005 zeigte Gustav Troger im Forum Stadtpark zunächst ein Video mit dem Titel Gustav Troger als Barry Fernandez, King of Limbo. Mit der Digicam filmte Troger 2003 die Show eines Straßenkünstlers in Los Angeles, der nach langem Spannungsaufbau schließlich barfuß in einen Haufen Glasscherben springt, ohne sich zu verletzen. Während Troger selbst nie im Bild ist, vermittelt der Titel allerdings einen Tausch der Identitäten zwischen Fernandez und Troger, der Autor wird zum Protagonisten und spiegelt sich vielleicht in dessen Person, man denke an Lou Reeds naheliegend mehrfach in den Kunstkontext eingegangenen Titel I am Your Mirror. 1951 in Kohlschwarz in der Steiermark geboren, absolvierte Gustav Troger eine Portal- und Kunstschlosserlehre in Voitsberg und arbeitete anschließend bis 1979 bei der VOEST in Liezen. Als Künstler ist er Autodidakt, seit 1974 als Zeichner und Maler, seit 1978 als Bildhauer tätig. Seit einem von ihm realisierten Ensemble aus Altar, Ambo und Tabernakel für die Grazer Stiegenkirche, 1983/84, entwarf und installierte Troger für die Diözese Graz Seckau bis heute Altäre in elf Kirchen, formal entsprechend seiner jeweils aktuellen Arbeitsweise, Material- und Formensprache. 1987 wurde er mit dem Msgr.-Otto-Mauer-Preis ausgezeichnet. In den vergangenen Jahren entwickelte Gustav Troger ein Verfahren, nach dem er Plastiken und Objekte mit einer „Haut" aus Spiegelsegmenten überzieht, das er nicht allein im kirchlichen Raum ausführt, wie in der Grazer St.-Andrä-Kirche an Altar, Ambo und einer Säule (Spiegel-säulengroß, 2002), sondern auch im Profanen. Im Forum führte er ein weiteres Video über einen total verspiegelten, fahrtauglichen Porsche-Oldtimer vor: Mirror 356. Großformatige Skulpturen beziehungsweise Installationen realisierte Gustav Troger, der halbjährlich auch in Los Angeles arbeitet, im Österreichischen Skulpturenpark Unterpremstätten und im Rahmen des 2005 eröffneten permanenten Land-Art-Projektes im Bereich des Schlosses Gleinstätten. Wie man in den Wald ruft. In einem weiteren Künstlergespräch am 30. Jänner stellte der 1969 in Leoben geborene und in Graz lebende ILA Arbeiten der letzten drei Jahre vor. Das eben fertiggestellte Großprojekt auf dem Betriebsgelände der AVL-List ist ein nach aufwändigem Konzept gestalteter mehrteiliger Brunnen als Klimaerwärmungsdämpfungsmaschine oder Climate Control Machine. Eine als großes Gehirn ausgeführte Plastik ist mit Sonnenkollektoren bestückt und versorgt ein Aggregat, dass Kühlflüssigkeit durch Hohlkörper in Form der Kontinente pumpt. Diese „Blech-Kontinente" befinden sich im Zentrum eines am Boden mit schwarzer Folie ausgelegten Brunnenbeckens in Wolkenform, das seinerseits zum schwarzen Spiegel wird und die Umgebung reflektiert. Das Kühlsystem ist so konditioniert, dass sich auf den Kontinenten, auch bei sommerlichen Außentemperaturen, immer Eis bildet. ILA reagiert damit im Umfeld eines High-Tech-Betriebes auf die fortschreitende Klimaerwärmung, die zu großem Teil ihre Ursachen in Industrie und Globalisierung hat, zum anderen konterkariert er ein aktuelles Forschungsprogramm der USA, die durch technische Eingriffe in die Stratosphäre einer weiteren Erwärmung begegnen will – falls die Erde unbewohnbar zu werden droht. ILA arbeitet gerne mit Realszenarien, wie hier die Erderwärmung, und konzipiert daran Kunstwerke und Konzepte mit modellhaft inhärentem Lösungscharakter. Catch me if you can, 2004 als Plakat auf Litfasssäulen affichiert, trug als Sujet eine große Fliege und andeutungsweise eine Klebefolie als Fliegenfänger. Wer ist schuld an Prozessen, war die so transportierte Frage, die langfristig durch Umweltverschmutzung etc. Lebensraum und –qualität beeinträchtigen, dagegen kurzfristig Profit und Wohlbefinden generieren. Ist es Industrie und Werbung, die Produkte erzeugen und Bedarf suggerieren oder sind es die Verbraucher, die allfällige Produkte anwenden wie überdimensionierte Autos und immer neueste Kommunikationswerkzeuge, Computer, Sacktelefone und anderes mehr. Stichwort Sacktelefon: 2003 installierte ILA unter dem Projekttitel Call Wood ein mittels Solarkollektor betriebenes Mobiltelefon in einem Waldbereich am Südhang des Schöckel. In Anspielung an das Phänomen der Call Center konnte dieses Telefon angewählt werden, worauf sich der Wald meldete respektive aufgrund der dem Wald eigenen Stille nicht meldete. Bei tatsächlich aufrechter Verbindung waren meist technisch bedingte Knackgeräusche zu vernehmen. Gleichwohl wurde diese Einrichtung von Anrufern aus ganz Europa konsultiert, oft von Firmen, die ihren Mitarbeitern auf diesem Weg eine Erholungsphase zu gönnen glaubten. Und schließlich berichtete gar die BBC über Call Wood. Einschusswunde. Mit einer spektakulären Aktion entgegnete ILA einer vermeintlichen Vereinnahmung durch die FPÖ im letzten Landtagswahlkampf. Deren Obmann Leopold Schöggl hatte sich ohne Autorisierung öffentlich für die Förderung junger KünstlerInnen und namentlich für ILA ausgesprochen. Darauf reagierte dieser in Anlehnung an die in gleicher Weise dis- wie inkriminierenden, vor allem aber gegenüber Menschen ein weiteres Mal respektlosen, Sujets der Wahlkampagne. ILA stellte Plakatständer mit seinem Konterfei aus, auf der Stirn eine mit Wasserfarben applizierte Einschusswunde, ergänzt durch den an die jenseitige Kampagne erinnernden Text: „Früher war ich ein unabhängiger Künstler. Heute gelte ich als Freund der FPÖ. – Nachdenken statt behaupten! ILA". Wofür aber steht das Pseudonym ILA? In einem Initiationsritus begruben die Navajos junge Männer für Minuten in der Erde. Wer die Prozedur bei Bewusstsein überstand, dem wurde ein Ehrenname, übersetzt als Immens Langer Atem, verliehen. Mehr zu ILA unter www.ila.at Im nächsten Künstlergespräch des Forum Stadtpark am 28. 02., um 20.00 Uhr, ist Erwin Posarnig zu Gast. Wenzel Mraček
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