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  Die korso – Sonderausgabe für sozial Tätige und Engagierte
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Armut macht sich schleichend breit

 

   

Schöne neue Wirtschaftswelt
Das Wirtschaftswachstum nimmt wieder Fahrt auf in Europa, viele der großen und ganz großen Konzerne, auch in Österreich, schreiben nach Jahren verhaltener Umsatzzuwächse wieder Rekordgewinne. Beispiel Böhler-Uddeholm: Der Werkzeugstahlproduzent hat mit 2004 das stärkste Jahr seiner gesamten Unternehmensgeschichte und „phantastische Zahlen“ vorgelegt. Die Umsätze beliefen sich auf 1,934 Milliarden Euro (+29%), die Gewinne vor Steuern erreichten 191,9 Millionen Euro, was sogar einer Steigerung von über 69 Prozent gegenüber dem Vorjahr gleichkommt. Emsige Bankanalysten erhöhen in ihren Börseprognosen auch die Kursziele für weitere Aktiengesellschaften wie Mayr-Melnhof, Voest und die Erste Bank aufgrund der insgesamt „überaus erfreulichen“ Gewinnentwicklung.

Die schöne neue Welt des wirtschaftlichen Liberalismus, der mit den Segnungen des „freien Marktes“ im Gepäck den „schwerfälligen Staatssozialismus“ ablösen soll, hat allerdings auch eine Kehrseite der Medaille, über die nicht so gerne in großen Tönen gesprochen wird. Diese Entwicklung geschieht vor dem Hintergrund einer Regierungspolitik, die den großen Unternehmen Steuersenkungen einräumt, um ihr Abwandern in Billiglohnländer zu verhindern, während die sozialen Lasten für die einkommensschwachen Schichten immer weiter hinaufgeschraubt werden, mit der letztlich nur zynisch zu nennenden Begründung, dass unser Sozial- und Gesundheitssystem nicht mehr finanzierbar wäre.

Wachsende Kluft zwischen arm und reich
Der im Februar dieses Jahres veröffentlichte Sozialbericht der Statistik Austria zum Thema „Armut und Armutsgefährdung“ in Österreich zeigt auf, dass nicht nur im übrigen Europa, sondern auch hierzulande die Gruppe der ökonomisch schlecht gestellten und sozial benachteiligten Menschen in einem sich dramatisch beschleunigenden Tempo wächst: Insgesamt werden nach dem aktuellen Report für das Jahr 2003 erstmals über eine Million – exakt 1.044.000 – Menschen als „armutsgefährdet“ eingestuft, das sind etwa 13,2% der Gesamtbevölkerung. Das ist nicht nur ein Besorgnis erregender hoher Anteil, sondern vor allem ein beschämendes Armutszeugnis für eines der reichsten Länder dieser Welt, das in der Europäischen Union sogar Rang drei auf der Wohlstandsskala einnimmt. Aber die Kluft in der Gesellschaft wächst weiter: Generell gibt es bei den Einkommen der Unselbstständigen eine Tendenz zum Auseinanderdriften, das heißt, die Schere zwischen hohen und niedrigen Gehältern öffnet sich immer stärker.

Auch die geschlechterspezifischen Unterschiede haben sich kaum verbessert: Frauen verdienen nach wie vor durchschnittlich nur 67,2% des Männereinkommens, was zum Teil zwar über die höhere Teilzeitrate erklärbar ist, die jedoch selbst wiederum oft das Resultat geschlechtsspezifischer Diskriminierung ist.

Eine krasse Schieflage weist inzwischen die Vermögensverteilung in unserem Land auf, das lange als Musterbeispiel für soziale Ausgeglichenheit gegolten hat. Die reichsten 60.000 Österreicher, also weniger als 1 Prozent der Bevölkerung, haben mit insgesamt 318 Milliarden Euro mehr an Geldwerten angehäuft als die unteren neun Zehntel der Gesellschaft: im Schnitt hat jeder dieser „Superreichen“ mit 5,3 Millionen Euro also ein etwa hundertmal so großes Vermögen. Trotzdem stoßen Forderungen, die für eine stärkere Besteuerung von Einkünften aus Kapital und Immobilien zugunsten einer gerechteren Verteilungspolitik eintreten, bei der derzeitigen Regierungskoalition auf wenig Gegenliebe.

Sozialbericht zeigt alarmierende Entwicklung auf
Der diesjährige Bericht basiert erstmalig auf der neuen Erhebungsmethode EU-SILC (Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen), der die bisherige Berichtsform des „Europäischen Haushaltspanel“ abgelöst hat. Trotz gewisser formaler Unterschiede sind die Ergebnisse aus den beiden Befragungssystemen miteinander vergleichbar. Die neue Methode fußt auf der Befragung von 4623 zufällig ausgewählten Haushalten, die ein demografisch exaktes Abbild der Republik ergeben sollen, nicht erfasst sind jedoch Menschen, die in Heimen leben oder ohne festen Wohnsitz sind. Die primäre Definition von Armutsgefährdung funktioniert über das Haushalts-Einkommen: Menschen mit weniger als 60% des Medianeinkommens (das arithmetische Mittel, das die Einkommensbezieher in zwei gleich große Gruppen teilt) gelten als armutsgefährdet. Das entspricht einem monatlichen Einkommen von 785 Euro pro Person, weitere Haushaltsmitglieder werden geringer gewichtet: So stellt für eine fünfköpfige Familie ein Nettoeinkommen von 1885 Euro die Grenze zur Armutsgefährdung dar. Innerhalb Europäischen Union liegt die österreichische Armutgefährdungsquote zwar noch etwas unter dem EU-Schnitt – zielgerichtete sozialpolitische Maßnahmen, um soziale Gegensätze zu entschärfen und eine gerechtere Verteilung innerhalb einer reichen Gesellschaft anzustreben, werden dennoch unumgänglich sein.

Verfestigte Armut bekämpfen
Betroffen von der „Vorstufe“ zur akuten Armut sind in überproportionalem Ausmaß Frauen und ältere Menschen, bei den allein lebenden Pensionistinnen beträgt die Quote sogar schockierende 26%. In Österreich beziehen 200.000 Personen nur die Mindestpension, jeder sechste Pensionistenhaushalt ist akut von Armut bedroht. Auch die klassische Erwerbsarbeit ist entgegen der Appelle an „die Tüchtigen und Fleißigen im Lande“, dass es genug Arbeit für alle gäbe, keine verlässliche Sicherungsinstanz mehr im Kampf gegen den schleichenden Abstieg in die Armut: In Haushalten mit maximaler Erwerbsintensität – d.h. alle Personen zwischen 20 und 64 Jahren stehen in Arbeit – ist die Armutsgefährdung zwar deutlich geringer als im Durchschnitt, allerdings lebt in diesen Haushalten trotzdem beinahe ein Viertel aller Armutsgefährdeten, das sind 235.000 Menschen. Die Arbeitslosigkeit ist auf dem höchsten Stand seit 1945 angelangt, die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich in fünf Jahren schwarz-blauer Regierung verfünffacht.

Für die Erfassung von Armutslagen zog die Studie zusätzlich auch verschiedene nichtmonetäre Indikatoren heran, die wichtige Parameter für die konkrete Definition von Armutsgefährdung darstellen. Erhoben wird dabei, ob sich jemand grundlegende Bedürfnisse, wie Kleidung, Heizung etc., und so genannte erstrebenswerte Güter, wie PKW, Geschirrspülmaschine, finanziell leisten kann. Daneben werden die gesundheitliche Verfassung, die Wohnungssituation und das Wohnumfeld bewertet. Bei insgesamt 5,9% der Bevölkerung ist so durch die Kombination von niedrigem Einkommen und mangelnder sozialer Teilhabe eine „verfestigte Armutslage“ zu konstatieren. Die trockenen Zahlen des Reports vermögen die triste Situation hunderttausender Menschen in Österreich nur unzureichend zu beschreiben. Zur erfolgreichen Bekämpfung von Armut ist eine Ausweitung der sozialstaatlichen Leistungen für die sozial schwächsten Schichten dringend erforderlich. Ein weiterer Anstieg der Armutszahlen kann nur durch tief greifende strukturelle Maßnahmen, die Integration und Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt schaffen, verhindert werden.

Josef Schiffer

 

LR Kurt Flecker:
„Verankerung von Ansprüchen statt Almosen!“

    Die Zahlen des soeben erschienenen Österreichischen Sozialberichts waren alarmierend: Seit dem Jahr 2000 hat insbesondere die Zahl der in akuter Armut lebenden Personen in Österreich von 290.000 auf 467.000 zugenommen, das ist ein Anstieg von 61 Prozent. Die Zahl der armutsgefährdeten Menschen stieg im gleichen Zeitraum von 930.000 auf 1.044.000 – ein neuer Rekordwert. Das Damoklesschwert des sozialen Abstiegs schwebt insbesondere über Frauen und Familien mit zwei oder mehr Kindern: Besonders betroffen sind allein erziehende Mütter mit einer enormen Armutsgefährdungsquote von 31%, ebenfalls stark angestiegen (mit einer Zunahme um 26,8% auf 95.000) ist die Zahl der NotstandshilfebezieherInnen.
Diese bedrohliche Entwicklung war Anlass für eine Dringliche Anfrage der SPÖ im Steiermärkischen Landtag. Soziallandesrat Kurt Flecker analysierte in seiner Stellungnahme nicht nur die Ursachen für die dramatische Zunahme von Armut in den vergangenen Jahren, sondern forderte insbesondere wirksame politische Maßnahmen für eine gerechtere Verteilung des Wohlstands innerhalb unserer Gesellschaft ein.

Neoliberale Ideologie verschärft gesellschaftliche Gegensätze
Flecker geißelt in scharfer Form das hartnäckige Ignorieren dieses Prozesses durch die Bundesregierung: „Die Aufspaltung der Gesellschaft in zwei oder drei Wohlstandsklassen wird zur Realität. Wer geglaubt hat, dass diese Entwicklung vor unserer Haustür halt machen wird, wurde nun durch die Zahlen des Armutsberichts eines Besseren belehrt.“

Die Kluft zwischen den sozialen Schichten weitet sich zusehends: Während die Erwerbseinkommen kontinuierlich sinken, wachsen die Vermögen der Reichen an. Die 60.000 Österreicher an der Spitze der Vermögenspyramide besitzen mehr als die unteren 90 Prozent der der Bevölkerung. Wenn die politisch Verantwortlichen weiterhin die Augen vor diesen Tatsachen verschließen und regulierende Eingriffe unterlassen, ist das der Ausdruck eines krassen „sozialpolitischen Fehlverhaltens“, verleiht Flecker seinem Unbehagen mit dem herrschenden politischen Klima Ausdruck, „die Armutsstatistik ist unmissverständlicher Beweis für die Auswirkungen einer neoliberalen und den Grundkonsens der Zweiten Republik negierenden Politik.“

Belastungen treffen vor allem Einkommensschwache
Flecker nennt eine lange Liste von Beispielen für die zunehmende Belastung der einkommensschwachen Schichten durch die in den vergangenen Jahren herrschende Sozialgesetzgebung: Pensionskürzungsmaßnahmen bzw. Anpassungen unter der Inflationsrate, mehrfache Erhöhungen der Rezeptgebühr, die drastisch erhöhten Selbstbehalte auf Heilbehelfe, Abschaffung von Mitversicherungen, Kürzungen beim Krankengeld und vieles mehr. „Auch die jüngst erfolgte Steuerreform, die von der Regierung als Erfolg gepriesen wurde, hat nicht der Bekämpfung von Armut gedient, sondern vor allem steuerliche Entlastungen für Großunternehmen gebracht“, kritisiert Flecker.

Mit verantwortlich für die alles andere als rosige Lage ist nicht zuletzt die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Der Soziallandesrat rügt hier insbesondere die Senkung der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik, die eindeutig das neuerliche Hinaufschnellen der Arbeitslosenziffern begünstigt hat: „Mit 364.000 Arbeitslosen haben wir die höchste Zahl seit 1945 – ein trauriges Resultat von Aderlässen wie der Entnahme von AMS-Mitteln in Milliardenhöhe zur Budgetverbesserung.“
Heruntergebrochen auf die Steiermark erweist sich die Lage leider um nichts weniger beklagenswert als die bundesweite, wie Flecker anhand von konkreten Zahlen demonstriert: „In unserem Bundesland sind zurzeit rund 160.000 Menschen in etwa 60.000 Haushalten von Armut gefährdet. Über 70.000 Menschen sind unter die Armutsgrenze gefallen, 9.000 von ihnen trotz aktiver Erwerbstätigkeit. Die Situation ist eher schlimmer als österreichweit gesehen, da die Steiermark im Kaufkraftvergleich mittlerweile gemeinsam mit Kärnten und dem Burgenland die rote Laterne trägt.“

Soziale Gerechtigkeit neu definieren!
Flecker bemüht sich mit Hilfe einer Vielzahl von Maßnahmen soziale Härten zu mildern und Reintegrationsbemühungen zu unterstützen: Immer mehr einmalige Beihilfen werden genehmigt, um Menschen in schwierigen Lebenslagen zu helfen. In diesem Winter wurden mehr als 18.000 Personen Heizkostenzuschüsse gewährt – erstmals ohne Beteiligung des Bundes oder des Ressorts von Landeshauptfrau Waltraud Klasnic.

Das Equal-Projekt IDA zur Integration von Sozialhilfebeziehern ist in drei steirischen Bezirken gelaufen und wird nach seiner positiven Evaluierung aus Mitteln des Sozialressorts weitergeführt. Das Projekt war in der Pilotphase überaus erfolgreich, jeder vierte Teilnehmer konnte mittlerweile Arbeit finden. Kurt Flecker will das Projekt hinkünftig auf die ganze Steiermark ausweiten: „Damit wäre die Steiermark österreichweit Vorreiter bei der Reintegration von Langzeitarbeitslosen.“ Von ähnlichen Ambitionen ist das Projekt Erfa zur Beschäftigung von jugendlichen Langzeitarbeitslosen getragen. Zahlreiche Vereine wie PASCH (Beratung von Arbeit suchenden Jugendlichen) und die integrativen Betriebe Reha-Druck und Team Styria erhalten Fördermittel, um ihre Aufgaben besser erfüllen zu können. Gemeinsam mit dem AMS wurde die Implacementstiftung zur Integration von Langzeitarbeitslosen in Pflegeberufe ins Leben gerufen, daneben wird eine Aufschulung von Pflegehelfern zu diplomierten Personal angeboten. Als weiterer Baustein wurde die Schuldnerberatung in der Steiermark neu organisiert und ausgebaut, denn Verschuldung ist ein entscheidender Faktor in der Armutsgefährdung.

Flecker will aber vor allem den Begriff sozialer Gerechtigkeit neu definiert wissen: „In Zukunft sollten wir in der Gesetzgebung vom Grundsatz ausgehen, den Menschen gesetzlich fundierte Ansprüche einzuräumen, statt Almosen zu gewähren.“

 

 

„Keinen Menschen fallen lassen“: Sozialressort und Caritas eröffnen neue Chancen für Langzeitarbeitslose

 

    Wenn Effizienz (oft ohne Hinterfragung ihres Sinngehaltes) zum gesellschaftlichen Fetisch wird, bleiben all jene auf der Strecke, die aus verschiedenen Gründen nicht die geforderten hundertfünfzig Prozent Leistung erbringen können. Wenn dann auch noch – wie derzeit der Fall – die Mittel für eine offensive Arbeitsmarktpolitik gekürzt werden, droht das Abgleiten in die Randbereiche sozialer Existenz und in die Armut. Ein neues Betreuungsangebot der Caritas und des Landes Steiermark wendet sich nun an jene Menschen, für die sich die herrschende Arbeitsmarktpolitik nicht mehr zuständig fühlt.

Hinter dem Kürzel IDA (Integration durch Arbeit) verbirgt sich ein erfolgreiches Projekt zur Reintegration so genannter „arbeitsmarktferner“ Personen, das von der CARITAS im Rahmen der EU-Entwicklungs-partnerschaft EQUAL betrieben wird. Mehr als 20% der ca. 300 IDA-TeilnehmerInnen – Langzeitarbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen – konnten trotz schlechtester Ausgangschancen wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Nach dem Willen von Soziallandesrat Dr. Kurt Flecker soll IDA nun mit Unterstützung durch das Land flächendeckend in der gesamten Steiermark weitergeführt werden. Flecker: „Der Armutsbericht der Bundesregierung hat gezeigt, dass in Österreich ein Paradigmenwechsel von der Integrations- zur Aussonderungsgesellschaft vollzogen wird, dem wollen wir entgegentreten.“ Wichtig sei ein individueller Betreuungsansatz, der die vielfältigen Probleme der Betroffenen berücksichtigt.

Die Menschen nicht allein lassen
Für Caritas-Präsident Franz Küberl ist klar: „Die beste Existenzsicherung ist eine Arbeit, von der man leben kann.“ Dennoch sei Reintegration mehr als nur die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit: „Wir bemühen uns, die Menschen ganzheitlich zu reintegrieren, dass sie Sport betreiben, kulturelle Interessen entwickeln, lernen, sich zu bewerben – ganz wichtig ist auch, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein gelassen werden.“ Denn: Das gesellschaftliche Interesse an den Ausgegrenzten sei gering, das zeige sich auch daran, dass es schwierig sei in Erfahrung zu bringen wie viele Personen in der Steiermark Sozialhilfe beziehen. „Wir rechnen aber mit einigen tausend TeilnehmerInnen.“

Caritas-Präsident Franz Küberl: Das Ziel heißt ganzheitliche Integration.


Ein flächendeckendes Angebot
Ebenso wie IDA wird das neue Projekt ein stundenweises Beschäftigungsangebot, Qualifizierung und Beratung auf freiwilliger Basis beinhalten, erläutert Mag. Albert Trattner vom Consulting-Unternehmen ÖSB, das die Initiative begleitet. „Das Arbeitsangebot kommt von Kommunen, Pfarren und hoffentlich auch von einer zunehmenden Zahl von Unternehmen. Diese entrichten einen Betrag von 9 Euro pro Stunde, an die Beschäftigten werden 5 Euro pro Stunde ausbezahlt.“ Der Differenzbetrag kommt dem Projekt zugute.
Insgesamt werden die Kosten für die Initiative 2,5 Mio Euro jährlich betragen, 50% der Kosten sollen selbst erwirtschaftet werden, der Zuschuss durch die öffentliche Hand soll ca. 1,25 Mio Euro im Jahr für 500 bis 700 TeilnehmerInnen betragen. Für die Durchführung sollen regionale Zentren eingerichtet werden, die in Hartberg, Voitsberg, Knittelfeld, Liezen und Graz eingerichtet werden; mobile Beratungsstrukturen gehören ebenso zum Konzept wie der Einsatz auch von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Das Ziel sei, so Landesrat Flecker, bis 2008/2009 jeden und jede steirische/n SozialhilfebezieherIn in die Betreuung aufzunehmen – mit dem Bestreben, möglichst vielen davon den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Landesrat Kurt Flecker: „Wir dürfen keinen Menschen fallen lassen – bis 2008/09 sollen alle steirischen Langzeitarbeitslosen und SozialhilfebezieherInnen in das neue Betreuungsangebot aufgenommen werden.“

Keinen Menschen fallen lassen
Nicht nur in der Schulpolitik, auch im Bereich der Integration von Langzeitarbeitslosen und SozialhilfeempfängerInnen hat Finnland höchst erfolgreiche Modelle vorzuweisen. Nach einer Fact-finding-Mission bei finnischen Sozialeinrichtungen sieht sich Flecker in seiner „kundenzentrierten“ Einstellung bestätigt: „In Finnland haben SozialhilfeempfängerInnen das Recht, die Dienste eines Beratungsteams in Anspruch zu nehmen, das Fachleute aus dem sozialen, dem psychosozialen und dem Gesundheitsbereich umfasst und ein maßgeschneidertes, umfassendes und individuelles Angebot zur Lebensplanung erarbeitet; Jugendliche unter 25 haben schon nach drei Monaten Arbeitslosigkeit Anspruch auf ein solches Betreuungsangebot.“

ÖSB-Geschäftsführer Albert Trattner: Betreuung ist flächendeckend konzipiert.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen seien den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen angepasst und reichten von Qualifikationsmaßnahmen zur raschen Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt über eventuell nötige Entzugstherapien bis hin zur Beschäftigungstherapie für Menschen mit schwersten psychosozialen Beeinträchtigungen. Flecker sieht in diesem Modell seinen Leitsatz verwirklicht: „Wir dürfen keinen Menschen fallen lassen. Darum möchte ich mittelfristig einen Gesetzesentwurf vorlegen, der vorsieht, dass in der Steiermark alle von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen und alle SozialhilfeempfängerInnen einen Anspruch auf dieses Betreuungsangebot haben.“ Die Beratungsteams sollen bei den Sozialämtern und Bezirkshauptmannschaften angesiedelt werden, Flecker will auch das Arbeitsmarktservice mit ins Boot holen und dessen einschlägige Kursangebote nützen.

Christian Stenner

 

 

Ausgegrenzte Armut

 

   

Armut und soziale Deprivation haben in Österreich viele Facetten, die im Bewusstsein einer reichen und am persönlichen Erfolg orientierten Gesellschaft oft ausgeblendet bleiben – eine davon ist die bedrückende materielle Situation der in diesem Land lebenden MigrantInnen und AsylwerberInnen. Als eine von wenigen Organisationen in der Steiermark bemüht sich die MigrantInnenberatungsstelle des Grazer Vereins ZEBRA seit vielen Jahren mit Engagement um die ganz konkreten Anliegen und Probleme dieser Menschen. ZEBRA-Geschäftsführerin Mag. Edith Glanzer erklärt zur tristen sozialen Realität vieler ausländischer Mitbürger: „Die Armutsgefährdung von MigrantInnen wird in den Statistiken wie dem Sozialreport Österreich nicht korrekt abgebildet, da sie in der Stichprobe nicht repräsentativ vertreten sind.“ Ein präziseres Bild liefert da der 2003 erschienene „Österreichische Migrations- und Integrationsbericht“, der konstatiert, dass fast ein Drittel aller akut armen Menschen in Österreich in einem Haushalt leben, dessen Vorstand eine nicht österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Armutsgefährdung ist mit etwa 21% für Nicht-EU-Bürger ebenfalls etwa doppelt so groß wie für Inländer. Abgesehen von ihrer höheren Armutsquote sind NichtösterreicherInnen in vielen Fällen im Hinblick auf ihre niedrigere Schulausbildung und Wohnausstattung benachteiligt.

Zebra-GF Edith Glanzer: „Strukturen für eine bessere Integration von MigrantInnen müssen endlich von Seiten der Politik geschaffen werden."

Besonders schwierig ist die Lage der Asylwerber, die oft viele Jahre lang auf einen Abschluss ihres Verfahrens warten müssen. Edith Glanzer bringt das Problem auf den Punkt: „Solange Asylwerber noch im Verfahren sind, haben sie praktisch keine Möglichkeit legal zu arbeiten.“ Aber auch die Anerkennung ihres Flüchtlingsstatus, pro Jahr werden nur etwa 1.500 positive Bescheide erteilt, verbessert ihre schwierige Situation oft nur marginal, denn „viele haben aufgrund ihres Alters oder wegen rassistischer Ressentiments schlechte Karten auf dem derzeit von Überangebot geprägten Arbeitsmarkt. An ihrer faktischen Schlechterstellung kann selbst eine Einbürgerung, die den anerkannten Flüchtlingen in der Regel nach wenigen Jahren gewährt wird, nur wenig ändern.“

Mangelnde Integrationsmaßnahmen
Seit den sechziger Jahren sind immer wieder Wellen von ImmigrantInnen als „Gastarbeiter“ nach Österreich gekommen – um ihre Integration zu fördern wurde von Seiten des Staates wenig unternommen. Glanzer sieht die Verantwortung bei „einer unvernünftigen Integrationspolitik, die durch einen restriktiv-bürokratischen Zugang viele der MigrantInnen vom Arbeitsmarkt ausschließt.“ Österreich ist eines der wenigen Länder, wo an eine Aufenthaltsgenehmigung nicht die sofortige Arbeitsbewilligung gekoppelt ist. Nachkommende Angehörige, in vielen Fällen Frauen und Kinder, haben dadurch keine Möglichkeit im Berufsleben Fuß zu fassen. „Letztlich wird damit nur eine Zunahme von Schwarzarbeit erreicht und Integration erschwert, weil der Spracherwerb darunter leidet. Andere europäische Länder wie Holland oder Großbritannien haben hier ein viel pragmatischeren Zugang, der nicht wie hierzulande von ideologischen Grabenkämpfen geprägt ist.“ Dies trifft laut Glanzer auch auf die Bildungspolitik zu: „In Österreich gibt es eine lange Tradition der Ignoranz, dass sich Menschen aus anderen Ländern hier permanent aufhalten. Es wurde daher nur wenig überlegt, wie man Migrantenkinder fördern könnte.“

Frau und Ausländerin: Mit der Ausgrenzung wächst das Armutsrisiko

Von den Eltern wird oft nicht erkannt, wie wichtig eine gute Schulbildung für den sozialen Aufstieg ist, denn man ist bestrebt, dass die Kinder schnell selbst Geld verdienen. Es gibt aber auch solche Eltern, die ein ausgeprägtes Ausbildungsbewusstsein haben und über die Behandlung ihrer Kinder in den Schulen zu Recht empört sind. „Die Nostrifizierung von ausländischen Zeugnissen ist in Österreich äußerst kompliziert und auch finanziell für viele Migranten nicht erschwinglich“, bemängelt Glanzer die österreichische Bildungspolitik. Darüber hinaus haben viele Einwanderer Versorgungspflichten für ihre Familien, die sich noch im ihren Heimatländern aufhalten und für die sie oft einen beträchtlichen Teil ihres Einkommens aufwenden müssen.

„Die Integrationsdebatte wird leider immer noch als Defizitdebatte bezogen auf die Ausländer geführt und es wird kaum darauf geschaut, was an strukturellen Änderungen erforderlich ist, um die Integration zu fördern. Die Strukturen müssen endlich aufgebrochen werden“, mahnt Glanzer, „und das ist nicht zuletzt Aufgabe der Politik.“

Josef Schiffer

Infos und Kontakt:
Verein Zebra, Schönaugürtel 29, A-8010 Graz
T +43/316/83 56 30 – 0 | F +43/316/83 56 30 – 50 | M zebra@zebra.or.at | www.zebra.or.at

 

 

IKU – Interkulturelle Arbeit mit Kindern gegen Rassismus

 

   

„IKU“ ist ein Wort aus der Benin-Sprache (Nigeria) und steht für „Spielend Erleben“. Der Ausgangspunkt dieses ISOP-Projekts ist die Tatsache, dass rassistische Vorurteile sich schon in frühester Kindheit entwickeln können. Daher sollte deren Entstehung schon im frühesten Kindesalter entgegengewirkt werden. Wichtig sind in diesem Zusammenhang positive Begegnungen mit Personen, die Identifikationsmöglichkeiten zulassen.

In spielerischer Form kommen sich die Kulturen näher

Der Leiter des Projektes; Fred Ohenhen, gebürtiger Nigerianer, kann auf eine langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zurückblicken: 1998 wurde zunächst der Kontakt mit Kindergärten in Graz hergestellt; seit 1998/99 sind MitarbeiterInnen des Projekts nicht nur in Kindergärten, sondern auch in Volks- und Hauptschulen, allgemein bildenden höheren Schulen sowie in Berufsschulen im Einsatz.
Mit IKU sollen die Vorurteile und rassistische Denk- sowie Verhaltensmuster abgebaut beziehungsweise an ihrer Entstehung verhindert werden. Den Kindern soll die Möglichkeit geboten werden, sich auf spielerische und lustbetonte Art dem Fremden zu nähern und den interkulturellen Lernprozess in einem angst- und vorurteilsfreien Raum zu erleben.

Ein wichtiger Aspekt von IKU ist auch, dass die in Österreich lebenden AsylwerberInnen in das Projekt miteinbezogen werden sollen. Dies geschieht, indem sie als Begleitpersonen in die Kindergärten und Schulen mitkommen und so zu österreichischen Kindern und Jugendlichen – aber auch zu Erwachsenen – einen näheren Kontakt aufbauen können.

Das Projekt IKU wird gemeinsam vom Land Steiermark und dem Arbeitsmarktservice finanziert. Die Kindergärten und Schulen bezahlen für das Projekt, das meist eine Woche dauert, 15 Euro pro Kind.

Infos: ISOP Innovative Sozialprojekte GmbH, Projekt IKU, Annenstraße 27/1, 8020 Graz
T 0316/ 72 10 53 | M iku@isop.at | www.isop.at/iku


ISOP-Weltnacht 2005 GRENZENLOS
    Ein Signal gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus zu setzen, das ist das Anliegen der ISOP-Weltnacht, die sich als ein interkulturelles Kaleidoskop versteht, das die Entgrenzung der Gesellschaft widerspiegelt, wo Literatur, Musik und Kulinarisches ineinander übergehen.

LIVE: DOBREK BISTRO

Es war Liebe auf den ersten Takt. Als sich der polnische Akkordeonist Krzysztof Dobrek und der russische Violinist Aliosha Biz bei den Proben zu „Anatevka“ im Theater an der Wien das erste Mal trafen, schien klar, dass der folgende künstlerische Weg ein gemeinsamer sein würde. Um die Jahrtausendwende war Dobrek Bistro aus der Taufe gehoben, das der Berliner Jazzkontrabassist Achim Tang und der brasilianische Multiperkussionist Luis Ribeiro zu einem unkonventionellen Quartett komplettierten. Die Bezeichnung des französischen Lokals kommt vom russischen „bystro“ (schnell). Das Quartett bezieht sich mit seinem Namen also sowohl auf die virtuose Rasanz ihrer Darbietungen als auf die melancholische Eleganz, die Dobrek, der für alle Kompositionen verantwortlich zeichnet, beim Pariser Musette-Walzer so liebt. Musette, lateinamerikanische Formen wie Salsa, Tango und Bossa Nova, Jazz, Gypsy Swing, klassische Einflüsse, die Musik des Balkans und Orients, der Roma und Juden Osteuropas sowie slawische Volksmusik sind die Zutaten dieser Stilmelange.

Weiteres Programm:
Die braven Buben - Balkandisco!
Lesung mit Birgit Doll
Theatergruppe DAS KUNST
Lesung mit Texten von Kelly Achi
Musik mit Pascal Lopongo und Mixed Music

Die Einnahmen kommen der Unterstützung von Flüchtlingen und ZuwanderInnen bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zugute.

Karten: 15.- (Vorverkauf 11.-)
Vorverkauf: ISOP, Dreihackengasse 2, 8020 Graz, Tel 0316/76 46 46
Zeit: Fr., 20.5.05, 20.00 Uhr
Ort: Volkshaus, Lagergasse 98a, 8020 Graz

Infos:
ISOP – INNOVATIVE SOZIALPROJEKTE, Mag. Jutta Zniva, ISOP, Dreihackengasse 2, 8020 Graz
T 0316/76 46 46-15 | www.isop.at

 

 

Carla – Wiederverwenden statt Wegwerfen

 

   

Seit 8. April 2005 gibt es in der Petersgasse in Graz einen neuen Carla-Laden, das fünfte Geschäft dieser Art in Graz. Derzeit betreibt die Caritas in der Steiermark neun Läden, in denen soziale Verantwortung groß geschrieben wird. Hier werden gut erhaltene Sachspenden günstig an Personen weitergegeben, die sich keine neuen Kleider, Haushaltsgegenstände oder Möbel leisten können. Andererseits kommen zu Carla auch viele junge Leute, die hier originelle Klamotten und Accessoires aufspüren. 10.000 Kunden pro Jahr zeigen, dass die Nachfrage nach gut erhaltenen Second-Hand-Waren riesig ist.

Eine kleine Modenschau mit SchülerInnen überzeugte auch Caritas Präsident Franz Küberl von der Vielfalt der Auswahl bei CARLA

Die Abholung, Sortierung und Reparatur der Waren erfolgt durch Menschen, die es am Arbeitsmarkt schwer haben und bei Carla – mit Förderungen des AMS – den „Wiedereinstieg“ ins Berufsleben schaffen können.
Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, werden mit Hilfe der Sachspenden mit dem Allernötigsten versorgt. Ein großer Teil der Kleiderspenden geht an bedürftige Familien in Süd-Osteuropa. Gespendete Möbel und Einrichtungsgegenstände finden auch in den Caritas-Einrichtungen eine Wiederverwendung (Stühle, Schreibtische, Aktenschränke etc.). Somit können Kosten für die Infrastruktur gespart werden. (Büros mit Geschichte).

Was können Sie spenden?
Neue und gebrauchte Sachgüter, wie Möbel, Geschirr, Kleider, Bücher, Spielzeug, Fahrräder, Bilder, Elektrogeräte, etc. Besonders willkommen sind auch Restposten aus der Überproduktion von Betrieben.
Alle Waren können in den Carla Secondhandläden abgegeben werden, sperrige und schwere Güter bitte zu folgenden Adressen bringen:

Carla Warenhalle: Lindengasse 18, 8045 Graz- Andritz (Ende Grabenstraße)
Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 9.00 bis 17.30 Uhr ; Samstag 9.00 bis 12.30 Uhr, T 0316 / 68 62 79

Caritas Zentrale: Raimundgasse 16, nach Möglichkeit nur Waren in Kleinmengen (speziell Kleider)

Adressen der Carla-Standorte:

Kapfenberg:
Beschäftigungsmosaik Leoben, Grazerstraße 12 , 8061 Kapfenberg, T 03862/27 079
Graz:
8010, Grabenstraße 39a, 0316/67 99 36
8020, Griesplatz 6, 0664/54 87 615
8020, Karl Morré Straße 0316/57 17 20
8045, Lindengasse 18a 0316/68 62 79
Leoben: Beschäftigungsmosaik Leoben, Franz Josefstraße 23, 8700 Leoben, T 03842/46147
Liezen: 8940, Grimminggasse 18
Trieben: Paltentaler Beschäftigungs Mosaik, Schoberpassbundesstrasse 53, 8784 Trieben, T 03615/28 0 62

 

 

Prekäre Beschäftigungsverhältnisse: Arm durch Arbeit

 

   

Der eben erschienene „Bericht über die soziale Lage“ des Sozialministeriums widmet einen eigenen Abschnitt dem Zusammenhang zwischen Erwerbsarbeit und Armut. Fazit: Arbeit schützt vor Armut nicht – vor allem dann, wenn es sich um ein prekäres Beschäftigungsverhältnis handelt.

Mag. Marcel Kirisits, Arbeiterkammer Steiermark: „Atypische Beschäftigung muss man sich leisten können.“

19 Prozent der Mitglieder von Haushalten, in denen kein Familienmitglied erwerbstätig ist, sind armutsgefährdet. Ist zumindest ein Haushaltsmitglied länger als 12 Monate arbeitslos, so steigt die Armutsgefährdung auf 36%. Wer in einem Facharbeiter-Haushalt lebt, hat mit nur 7% ein relatives geringfügiges Armutsrisiko; Teilzeitarbeit eines Haushaltsmitgliedes bis 35 Stunden lässt das Armutsrisiko nur unwesentlich auf 9% ansteigen, was damit zusammenhängt, dass Teilzeitarbeit zumeist von Frauen zum Zwecke des „Zuverdienstes“ geleistet wird. Aber: Unregelmäßige Beschäftigung, vor allem in Form von freien Dienstverträgen oder Werkverträgen, lässt das Armutsrisiko steil auf 17% ansteigen. Der Grund: Diese Arbeitsverhältnisse weisen zumeist eine verringerte Jahresarbeitszeit auf, sie sind schlechter entlohnt als unbefristete Vollzeitstellen, zudem ist der sozial- und arbeitsrechtliche Schutz reduziert. Dazu heißt es im „Bericht über die soziale Lage“ wortwörtlich: „In Anbetracht der strukturellen Veränderungen des Arbeitsmarktes […] werden immer mehr Menschen in Zukunft von derartigen prekären Arbeitsverhältnissen abhängig und dies kann das Risiko steigern, zumindest zeitweilig unter die Einkommensgefährdungsschwelle zu rutschen.“

Hohes Armutsgefährdungs-Risiko vor allem bei AlleinverdienerInnen
Allein in der Steiermark waren im Jahr 2003 – je nach Berechnungsmethode – zwischen 69.900 und 83.900 Personen teilzeit- und 33.199 geringfügig beschäftigt (der überwiegende Anteil davon Frauen), die Zahl der „freien“ DienstvertragsnehmerInnen lag bei 3254, jene der WerkvertragsnehmerInnen bei knapp 3000.
Mag. Marcel Kirisits von der wirtschaftspolitischen Abteilung der Arbeiterkammer Steiermark und Autor der Studie „Schein und Sein der neuen Arbeitswelt“: „Atypische Beschäftigung muss man sich leisten können. Ein prekäres Arbeitsverhältnis kann für Mitglieder von Haushalten, in welchen ein anderes Mitglied voll erwerbstätig ist, ein willkommenes Zubrot bringen; für AlleinverdienerInnen birgt es immer ein hohes Armutsgefährdungs-Risiko.“ Daher fordert die AK, den Arbeitnehmerbegriff so zu definieren, dass die Betroffenen in den Genuss der üblichen ArbeitnehmerInnenrechte kommen – von der Bezahlung nach Kollektivvertrag über den Anspruch auf bezahlten Urlaub, auf Weihnachtsgeld, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zum Anspruch auf Arbeitslosengeld. Kirisits: „Das ist umso gerechtfertigter, als die Arbeitsrechts-ExpertInnen der Kammer immer wieder feststellen müssen, dass es sich vor allem bei Werkverträgen um eine bloße Umgehung normaler Anstellungsverhältnisse handelt, durch die sich Arbeitgeber einfach die Lohnnebenkosten sparen wollen.“

Arbeiterkammer Steiermark, Hans-Resel-G. 8-14, 8020 Graz
T 05/77 99-0 | M info@akstmk.at | www.akstmk.at


Demokratie hat ihr Ende bei den Armen
von Caritas-Präsident Franz Küberl

   

Wir wissen, dass, bevor jemand um Hilfe bittet, sich die betroffenen Personen lange alleine anstrengen und bemühen, aus dem Schlamassel herauszukommen. Fehlen der familiäre Rückhalt, der Freundeskreis oder die existentiellen Grundlagen, dreht sich die Spirale manchmal jedoch zu schnell weiter, um ohne die Hilfe anderer etwas zu verändern. Und diese Spirale dreht sich derzeit besonders schnell. Der aktuelle Bericht zur sozialen Lage in Österreich untermauert, was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas auch in unserem Bundesland tagtäglich feststellen: Die alte Armut ist auch die neue Armut. Sie hängt unmittelbar mit dem Grad an Sicherheit der Lebensverhältnisse zusammen. Sie nimmt daher in dem Maße zu, in dem Beschäftigungsverhältnisse nicht stabil, sondern labil sind und Erwerbsarbeit unerreichbar wird. Überdurchschnittlich sehen wir uns mit den Folgen von materieller und emotionaler Armut bei Frauen mit und ohne Kinder konfrontiert. Genau hier ist dann die Caritas besonders gefordert: Probleme erkennen und benennen, Menschen so annehmen können, wie sie sind, das heißt: Respekt haben, auch wenn jemand ganz unten ist; zuhören, gemeinsam nachdenken und dann entsprechend handeln, konkrete unbürokratische Hilfe leisten, die das gesamte Umfeld mit einbezieht.

Der Schritt heraus aus der Verzweiflung ist nur dann möglich, wenn finanzielle Überbrückungshilfen und professionelle Beratung zusammenspielen. Dazu zählt vor allem auch die enge Kooperation mit öffentlichen Stellen und Ämtern, deren MitarbeiterInnen die Pflicht überantwortet bekommen haben, das soziale Netz nicht auseinander reißen zu lassen. Es muss unbestritten bleiben, dass das Recht und die Chance auf eine glückende Zukunft jeder und jedem in unserem Land in gleicher Weise zugestanden wird.

Sätze von Seiten des Sozialamtes wie „Sie haben zwei gesunde Hände, gehen Sie doch arbeiten“, sind völlig realitätsfern und menschenunwürdig. Vielmehr hat die öffentliche Hand die Pflicht, reale Gegebenheiten wahrzunehmen - es gibt einfach Menschen, die gar nicht die Möglichkeit haben, einen bezahlten Job zu bekommen, auch wenn sie das noch so gerne möchten. Ganz einfach deswegen, weil der Arbeitsmarkt längst nicht mehr allen eine Anstellung bieten kann, die sehr wohl dazu fähig wären, eine regelmäßige Tätigkeit auszuüben. Das scheinbare Argument, „wer eine Arbeit will, der findet eine“, hat in Regionen, in denen Unternehmen zusperren oder Betriebe abwandern, ganz sicher keinen realistischen Boden. Anderslautende Aussagen spiegeln einen Sarkasmus wider, der Frauen und Männer, die eine Familie erhalten müssen, nur noch mehr vor den Kopf stößt.

Wir wissen aufgrund der Quote der Nichtinanspruchnahme von Sozialhilfe, dass es eine Menge von Leuten gibt, die sich gar nicht zum Amt hintrauen, um ihre rechtlichen Ansprüche geltend zu machen. Ein wichtiges Ziel wäre daher die Einführung von standardisierten Verfahren, wie Menschen zu ihren Rechten kommen. Dazu gehört, dass sich Ämter mehr als Servicestellen verstehen.

Wir haben von Seiten der Caritas durch unsere Organisationsstruktur den Querblick zu anderen Bundesländern und einen internationalen Vergleich, wie die Handhabung in den sozialen Hilfen verbessert werden kann.

Wir brauchen daher eine viel schärfere Wahrnehmung von den Ursachen von Notlagen und den daraus resultierenden Lösungsansätzen. Anstelle einer Haltung, die die Schuld bei den betroffenen Personen sucht, müssen wir die Frage stellen, was zu tun ist, damit Menschen in Notlagen in ihrer gesamten sozialen Situation „generalsaniert“ werden. Dabei will und muss die Caritas in den sozialen Hilfen für den Einzelnen ein gehöriges Maß an Erfindungsgeist an den Tag legen. Gegenüber öffentlichen Stellen ist die Caritas darüber hinaus ein produktives Gegenüber im Sinne der uns anvertrauten Personen. Erfahrungsgemäß hat die Demokratie ihr Ende bei den Armen. Hier funktioniert nicht mehr, was im Staat oberstes Prinzip sein soll: Dass der einzelne Bürger der Souverän dieses Staates ist. Die Caritas versucht daher notwendige Beiträge zu leisten, dass sich die Gesellschaft auf ihre Gesamtverantwortung besinnt. Sie überwindet die Anonymität der Hilfe des Staates, weil sie Hilfe von Gesicht zu Gesicht leistet. Sie überwindet den Markt, weil sie auch jenen hilft, die eben nicht marktfähig sind.

Eine wesentliche Herausforderung ist, das, was gut läuft genauso im Blick zu behalten wie die Schwachstellen, die man sich zuerst noch eingestehen muss. Auf dieser Haltung aufbauend, können private Organisationen und öffentliche Stellen gemeinsam Schlüsse ziehen, wie wir künftig besser und Ziel führend Menschen dazu befähigen, auf ihren eigenen Beinen zu stehen und ihr Leben gut zu bewältigen.

 

 

Armut ist weiblich

 

    Armut ist in Österreich zu einem überproportional großen Maß weiblich – das Risiko „arm zu werden“ ist für Frauen um mindestens 35% größer als bei Männern. Mehr als 700.000 Frauen sind armutsgefährdet bzw. akut arm. Die Hauptursache ist ihre Schlechterstellung beim Einkommen! Den jüngsten Auswertungen der Armutskonferenz zufolge leben in Österreich 571.000 Frauen von einem monatlichen Einkommen von unter 785 Euro. Außerdem sind Frauen nicht nur häufiger von Einkommensarmut betroffen als Männer, sondern bleiben auch diesen Benachteiligungen viel länger ausgesetzt.

Armut macht krank
Für Brigitte Hinteregger, Frauenbeauftragte der Stadt Graz, ist Armut kein Schicksal, sondern die Folge der bestehenden Eigentumsverhältnisse. Sie weist auf die drastisch gestiegene Zahl von SozialhilfeempfängerInnen hin: „Vor zehn Jahren waren es 31.467 – im Jahr 2002 verzeichnete das Sozialamt 67.211! Inzwischen ist ihre Zahl weiter gestiegen – auch aufgrund der Langzeitarbeitslosen, betroffen sind vor allem Frauen“, erklärt Hinteregger und betont: „Mit zunehmender Dauer der Beschäftigungslosigkeit verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Betroffenen, steigt Perspektivenlosigkeit, während das Selbstwertgefühl sinkt.“

Hinteregger: „Nur wenige Frauen fördernden Maßnahmen greifen.“

Die eigentliche Aufgabe der Sozialhilfe, Armut zu vermeiden bzw. Menschen aus ihrer Armut herauszuholen, scheint fehlgeschlagen zu sein: Einer aktuellen Studie zufolge sind Arme doppelt so oft krank wie Nicht-Arme, 32% leben in Wohnungen mit undichtem Dach, Schimmelbefall oder feuchten Wänden und 13% in überbelegten Wohnungen. Hinteregger weist auf ein weiteres Problem hin: „Die Dunkelziffer jener Frauen, die eigentlich Anspruch auf Sozialhilfe hätten, diese aber aus Angst davor, dass sie sie einmal zurückzahlen müssen, nicht in Anspruch nehmen, ist sehr hoch. Zu 90% sind allein erziehende Mütter und sehr viele Pensionistinnen betroffen – allein in Österreich leben 700.000 armutsgefährdete Frauen.“

Arbeit schützt vor Armut nicht
200.000 österreichische Frauen leben in akuter Armut. Davon wird dann gesprochen, wenn neben finanzieller Schlechterstellung große Einschränkungen in den grundlegenden Lebensbedürfnissen spürbar sind, z. B. beim Beheizen der Wohnung oder beim Kauf von Lebensmitteln. Auf die Steiermark bezogen wurden bislang 29.400 Frauen erfasst. 14.170 Frauen sind derzeit ohne jegliche Arbeit. „In all diesen Statistiken ist das so genannte ‚working poor system‘ gar nicht mitgerechnet, d. h. geringfügig Beschäftigte oder Immigrantinnen kommen gar nicht vor“, so Hinteregger, „Zugenommen haben vor allem komplexe Problemlagen und: Laut Arbeitsmarktservice ist man mit 45 Jahren bereits „zu alt“, am Arbeitsmarkt ist man das schon mit 35!“ „Die Zahlen des Wirtschaftsministeriums zeigen eine Einkommensschere von 33% bei gleicher Position und gleicher Tätigkeit“, empört sich Hinteregger, „im Handel beläuft sich diese Einkommensschere sogar auf 40%! Jene Frauen, welche in Teilzeitjobs arbeiten, leisten tatsächlich viele zusätzliche Arbeitsstunden, nur aus Angst, den Job zu verlieren und so ist es leider oft der Fall, dass ein 20-Stunden-Halbtagsjob plötzlich zu einem 30 Stunden Job mutiert.“

Ankunft an der „gläsernen Decke“
Als einen Grund, warum Frauen soviel weniger verdienen als Männer, nennt Hinteregger die Berufsunterbrechung wegen Kinderbetreuung: „Der Einkommensknick nach der Karenz kann im gesamten Erwerbsleben nicht mehr aufgeholt werden. Karenzierte Arbeitnehmerinnen verlieren durchschnittlich 10% ihres Ausgangsbezuges.“ Hinzu kommen Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg, oft auf einen schlechter bezahlten Job. „Frauen starten meist grundsätzlich schon mit einem niedrigeren Einstiegsgehalt“, berichtet die Frauenbeauftragte, „das beruht jedoch vor allem auf Vorurteilen seitens der Arbeitgeber und auf fehlenden informellen Netzwerken bei Lohnbildungsprozessen.“ Dies bestätigt auch Lisa Rücker vom Café Palaver, einer Initiative des Grazer Frauenservice, und betont: „Frauen haben weitaus geringere Aufstiegschancen als Männer und stoßen sehr rasch an die so genannte gläserne Decke – das trifft auch Frauen ohne Kinder.“ Laut Rücker herrschen immer noch die Klischeebilder: „Mutter = gute Frau, Karrierefrau = böse Frau …dabei heißt Karriere nichts anderes als Entwicklung“, so Rücker, „das Kindergeld war ein Schuss nach hinten. Der Trend zur Teilzeitarbeit steigt stark an, viele Frauen bekommen nicht einmal die Chance auf eine Vollzeitarbeit.“

Rücker: „Viele Frauen bekommen nicht einmal die Chance auf eine Vollzeitarbeit.“

Ohne Pensionsanspruch in die Pension …
„Nur wenige der Frauen fördernden Maßnahmen greifen“, so Hinteregger, „sonst würde es nicht seit circa 10 Jahren die gleichen Zahlen geben. Das AMS fördert zwar Qualifizierung, bietet aber zugleich keine Kursprogramme, die mit einer Grundsicherung verknüpft sind. Auf Präventivmaßnahmen gegen Frauenarmut wird kaum gesetzt!“ Rücker bekrittelt, dass die Qualifizierungsmaßnahmen nur eine kleine Zielgruppe ansprechen: „Es muss dringend ein situationsbezogenes Grundsicherungsmodell entwickelt werden und auch Männer müssen künftig verpflichtet werden, so wie z.B. in Schweden das Modell erfolgreich läuft. Hier müssen auch Männer einige Monate, verbunden mit einem Lohnausgleich, in Karenz gehen.“ Auch steuerpolitisch sieht Rücker einigen großen Änderungsbedarf, zudem plädierte sie für ein solidarisches Kranken- und Pensionsversicherungssystem. „Derzeit (über-)leben rund 150.000 Frauen in Österreich ohne Pension oder Fremdpension – sie haben Null Anspruch!“ so Rücker, „Davon sind viele Betroffene nicht einmal Sozialhilfeempfänger.“ Auch Hinteregger sieht hier dringenden Handlungsbedarf: „Aufgrund der Pensionsharmonisierung sind die Durchrechnungszeiträume mit 40 Jahren jetzt noch höher – die Tendenz zu Frauenarmut steigt dadurch immens, schließlich fallen z.B. Geringfügigkeit oder Teilzeitarbeit in die Berechnung und drücken den letztendlichen Pensionsanspruch extrem nach unten, auch wenn die Frau in den letzen 15 Jahren sehr gut verdient hat.“

Hinteregger fordert konkrete Maßnahmen für die Gleichstellung von Frauen in allen Bereichen, „… wobei hier an ihren tatsächlichen Lebensbedingungen angeknüpft werden muss!“ Im derzeitigen Tempo würde es noch bis Mitte dieses Jahrtausends dauern, bis Frauen in Führungspositionen endlich gleichberechtigt vertreten sein werden ...

Claudia Windisch

Infos
Die Frauenbeauftragte der Stadt Graz und ihr Team bietet kostenlose und anonyme Beratung in allen Fragen an: T 0316/872-4660, Fax 0316/872-4669 und im Internet www.frauenbeauftragte.at

 

„Sucht führt zur Verarmung“
< Geishofer:
„Das Ziel der Suchtberatung und -therapie ist die Herstellung der Fähigkeit zur Lebensbewältigung“
   

Als Geschäftsführer der steirischen Gesellschaft für Suchtfragen b.a.s. (betrifft abhängigkeit und sucht), die ihre Beratungs- und Therapiestellen steiermarkweit betreibt, verfügt Manfred H. Geishofer über eine Menge Datenmaterial zu den Hintergründen von Sucht und Abhängigkeit. „Wenn in unserer Klientel Arbeitlose mit 20% überproportional repräsentiert sind, so hängt dies eher damit zusammen, dass wir einschlägige Projekte mit dem AMS durchgeführt haben, um Menschen wieder jobfit zu machen, als dass Armut und Arbeitslosigkeit die Gründe für Alkoholismus und andere Suchterkrankungen darstellten.“ Gerade Alkoholkranke kämen, so Geishofer, aus allen sozialen Schichten – „vom Arzt über den Hochschulassistenten bis zum Arbeitslosen“. Daher sei auch ein Ansatz, der davon ausgehe, dass die Beseitigung materieller Sorgen zu einem Ende der Suchterkrankung führe, wenig Erfolg versprechend.
Aber: „Alle unsere Erfahrungen zeigen, dass umgekehrt Sucht in vielen Fällen auf dem Weg über den Jobverlust zur Verarmung führt – wie etwa das Beispiel eines Lehrers zeigt, dessen Alkoholikerkarriere ihn bis zur Caritas-Schlafstelle führte.“



Darum sei auch die Arbeit der Suchtberatung und -therapie nicht primär von dem Ziel geleitet, der Sucht ein Ende zu setzen: Geishofer: „Die Intervention muss ganzheitlich sein, es geht darum, Lebensziele zu formulieren. Den meisten ist natürlich wichtig, dass sie ihren Job behalten – dann arbeiten wir genau darauf hin. Das Ziel ist immer die Fähigkeit zur Lebensbewältigung. Neben der persönlichen Wertschätzung für den betroffenen Menschen, die sich in dieser Zielsetzung ausdrückt, wird damit auch die Gesellschaft entlastet, die sich Geld für Sozialhilfe und Behandlungskosten spart.“
C.S.

b.a.s.-Beratungsstellen
Graz: Dreihackengasse 1, 8020 Graz, T (0316) 821199 | M office@bas.at

Die Adressen der b.a.s.-Beratungsstellen in Deutschlandsberg, Feldbach, Hartberg, Kapfenberg, Leibnitz, Liezen, Mürzzuschlag, Schladming, Voitsberg und Weiz finden Sie unter www.bas.at!

 

Alte Menschen: Über 16% sind armutsgefährdet
oder „Der Neoliberalismus als basisdemokratische Verarmungsveranstaltung“ (Nikolaus Dimmel)
< Prof. Nikolaus Dimmel: „Das Drei-Säulen-Modell der Pensionen geht an den Bedürfnissen der tatsächlich schlecht Versorgten vorbei.“
   

Die Referate des vierten Workshops der diesjährigen vom Arbeitsmarktservice Steiermark veranstalteten Denkwerkstätte am 13. April 2005 beschäftigten sich mit „Bastelbiographien und sozialen Risiken im Alter“ (Nikolaus Dimmel) und „der Matrix der sozialen Frage im Cyberkapitalismus“ (Klaus Firlei). Der folgende Artikel stützt sich in erster Linie auf das Referat von Prof. DDr. Nikolaus Dimmel vom Institut für Grundlagenwissenschaften der juridischen Fakultät der Universität Salzburg.

Das Bild einer alten Luxus- und Fun-Generation hält einem Vergleich mit der Wirklichkeit nicht stand.

Acht Prozent von akuter Armut betroffen
Unterschiedlichste sozialstrukturelle Variablen haben Einfluss auf die Armutsgefährdung. Das Alter ist einer dieser Einflussfaktoren. Alte Menschen und Kinder sind besonders stark betroffen, wobei die Armutsgefährdungsquote der über 65-Jährigen mit 16,4% im Vergleich der Altersgruppen die höchste ist. Ein großer Teil der übrigen bekannten Einflüsse wirkt im Alter weiter. Um Altersarmut analysieren zu können, ist es nötig auch innerhalb der alten Menschen zu differenzieren. Besonders alte Frauen leiden unter Armut. 8% der Menschen dieser Gruppe sind von akuter Armut betroffen. Das bedeutet, dass sie im Winter nicht genug Geld für die Heizung haben, abgetragene Kleider nicht austauschen können, nicht einmal einmal pro Monat jemand zum Essen zu sich nach Hause einladen können. Die Verteilung der Einkommen der Alten spiegelt die Erwerbsbiografie. Nur ein Teil der PensionistInnen bekommt existenzsichernde Eigenpensionen. Der Rest ist von Ausgleichszulagen und bedarfsgeprüften Renten abhängig, um auf die Mindestpension zu kommen. Diese sichert mit 663 Euro für Alleinstehende bzw. 1.030 Euro für Ehepaaregerade das Überleben.

Armut in der Pension beginnt im Erwerbsleben
Stellt man die Frage, wie Altersarmut zustande kommt, lassen sich vier Hauptfaktoren erkennen, die bereits lange vor der Pensionierung wirksam werden: 1.) Fehlender oder eingeschränkter Arbeitsmarktzugang bzw. Zugang zu Vollzeitbeschäftigung, 2.) Zu kurze Beitragszeiten in der Pensionsversicherung, bedingt durch Unterbrechungen in der Erwerbsbio­grafie, 3.) Niedrige Eigenpensionen aufgrund niedriger Aktivbezüge, 4.) Scheidungsfolgen nach Beendigung von Versorgungsehen. Diese erklären auch, warum Frauen besonders stark von Altersarmut betroffen sind. So sind es im Normalfall gerade sie, die Teilzeitjobs ausüben, einige Jahre bei den Kindern zu Hause bleiben und im Falle von Scheidungen, selbst wenn sie wieder Zugang zum Arbeitsmarkt finden, meist nur schlecht bezahlte Arbeit finden. Doch mit der Ausbreitung von prekären und atypischen Arbeitsverhältnissen und den immer größeren Pensionskürzungen im Falle von Frühpensionierungen hat sich der Trend insofern verändert, als auch immer mehr Männer von Altersarmut betroffen sind. Das Alter ist also eine Phase der Vertiefung sozialer Ungleichheit als Folge kumulativer Ungleichheit im Erwerbsleben.

Das Drei-Säulen-Modell geht an den Bedürfnissen der tatsächlich schlecht Versorgten vorbei.
Anstatt Maßnahmen zur Reduzierung der Altersarmut zu ergreifen, agieren Arbeitsmarkt- und Pensionspolitik in prozyklischer Weise. Etwa ein Drittel der unselbstständig Erwerbstätigen arbeitet atypisch. Von diesen atypisch Beschäftigten arbeiten ca. 20% Teilzeit, 7,2% geringfügig. Atypische Arbeit steigert nicht nur das aktuelle Armutsrisiko, sondern auch das Risiko im Alter arm zu sein. Der Bedarf nach Sozialhilfe steigt bereits im Erwerbsalter. Doch während immer mehr ältere Menschen immer früher aus dem Erwerbsprozess ausgeschlossen werden, wird ihnen auch die Möglichkeit genommen, alternative Betätigungen auszuüben oder in die Pension auszuweichen.

Besonders klar erkennbar wird die armutsproduzierende Politik angesichts der Pensionsreform. Während in Deutschland schon darüber nachgedacht wird, 2006 reale Pensionskürzungen durchzuführen, sind die Maßnahmen in Österreich zurzeit noch subtiler. Die Pensionsreform 2003 war der vorläufige Gipfelpunkt dieser Entwicklung. Sie brachte folgende Maßnamen:

  • Erhöhung der Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt
  • „Hackler“ müssen mit 12% Pensionsverlust (3% pro Jahr) bei Pensionsantritt mit 55/60 Jahren rechnen
  • Senkung des Steigerungsbetrages von 2% (Anspruch auf 80% der Bemessungsgrundlage nach 40 Arbeitsjahren) auf 1,78% (80% nach 45 Versicherungsjahren)
  • Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes von den 15 bzw. 18 besten Jahren auf 40 Jahre
  • Verschiebung der Pensionsanhebung
  • Erhöhung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate
  • Reduktion des Durchrechungszeitraumes pro Kind um 3 Jahre
  • Deckelung der Verluste auf 10% bis zum Pensionsantritt 2028

Außer den letzten drei führen all diese Maßnahmen zu Prekarisierung der Lebensverhältnisse alter Menschen, die schon in jüngeren Jahren zur Mittel- und Unterschicht gehört haben. Das stark propagierte Drei-Säulen Modell der Pensionssicherung mit staatlicher, betrieblicher und privater Pensionsvorsorge geht an den Bedürfnissen der tatsächlich schlecht Versorgten vorbei. Wer wenig verdient, wird kaum Geld übrig haben, um in eine private Pensionsvorsorge einzuzahlen. Dazu kommt, dass sowohl private als auch betriebliche Pensionen zwar stark von Staat subventioniert sind, jedoch keine Sicherheit bieten. Bei beiden Arten der Vorsorge kann die Pension tausender Menschen innerhalb eines Tages Aktienkursverlusten zum Opfer fallen, sodass die Betroffenen vor dem Nichts stehen.

Multiplikation der Belastungen
Ein großes Problem liegt in der Einführung von Selbstbehalten und der regelmäßigen Erhöhung der Rezeptgebühr. Beides führt zu einer Multiplikation der Belastungen. Sowohl Armut als auch Alter erhöhen das Krankheitsrisiko. Selbstbehalte führen dazu, dass immer weniger medizinische Hilfe in Anspruch genommen wird, was wiederum dazu führt, dass bei rechtzeitiger Behandlung ungefährliche Krankheiten schlimme Folgen haben können. In dem Ausmaß, in dem sich der Staat aus seiner sozialen Verantwortung zurückzieht, geht der Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen verloren. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfe auf der einen und Hilfe durch private Charity-Organisationen auf der anderen Seite lindert zwar akute materielle Not, verstärkt aber die psychosozialen Auswirkungen von Armut. Hilfe im Sinne von Almosen ist daran geknüpft, dass die Hilfsbedürftigen zu Bittstellern werden, die beweisen müssen, dass sie tatsächlich gar nichts mehr haben. Es entsteht eine Dynamik nach unten. Es gibt eine sehr hohe Non-take-up-Rate: Personen, die Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen könnten, tun dies aus Scham nicht. Zusätzlich führen Scham und eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten zu immer weniger Sozialkontakten und schließlich zur Vereinsamung.

Rhetorik um den Generationenkonflikt und Empirie
Immer wieder wird in den Medien, aber auch in der interessierten Fachwelt der Generationenkonflikt beschworen. Immer mehr alte Menschen würden die jüngere Generation ausbluten. Aber: Beitragsleistungen und Konsum teilen sich tatsächlich sozialstrukturell differenziert auf. Auf der einen Seite stehen zum Beispiel manuell Beschäftigte, die auf Grund der durchgehaltenen Arbeitsbelastungen im Schnitt mit knapp über 60 Jahren sterben, also nur wenige Jahre Pensionen konsumieren. Auf der anderen Seite stehen gut verdienende Kopfarbeiter, die viele Jahre lang hohe Pensionen konsumieren. Das Bild einer alten Luxus- und Fun-Generation hält einem Vergleich mit der Wirklichkeit nicht stand. Dazu kommt, dass MigrantInnen, die Pensionsbeiträge zahlen, meist nicht in die Berechnungen einbezogen werden. Realistische Berechnungen zeigen, dass der Bundesbeitrag zum Pensionssystem bis 2010 kontinuierlich sinken wird, um dann bis 2015 auf das Niveau von 2004 anzusteigen. Das heißt, dass wir tatsächlich weit entfernt von einem Pensionschaos sind.

Johanna Muckenhuber

 

Steirische Schuldnerberatung – professionelle Begleitung aus der Schuldenfalle
< Christoph Lösch von der Schuldnerberatung Steiermark: „Vor allem auf dem Land wird das Problem Schulden oft noch tabuisiert.“

 

   

Es müssen nicht immer die klassischen Statussymbole unserer modernen Konsumgesellschaft sein, wie teure Autos, trendige Handys oder schicke Designerklamotten – oft führen ganz „banale“ Umstände wie der Verlust des Arbeitsplatzes, längere Krankheit oder einfach nur unerwartete Ausgaben (etwa für Reparaturen) direkt in die Schuldenfalle. Das Konto ist schnell einmal überzogen und einen weiteren Kredit zu bekommen, durch den die Finanzierung der heiß begehrten oder der bitter benötigten Güter wieder „problemlos“ machbar ist, scheint heutzutage geradezu ein Kinderspiel zu sein – allerdings oft mit bösen Folgen. Einmal in der Schuldenfalle gefangen, gelingt es den Betroffenen und ihren Angehörigen oft nur mit größter Mühe, erfolgreich einen Weg heraus aus dem finanziellen Debakel zu finden und ihr Leben von Grund auf neu zu organisieren.

Seit 1995 gibt es für unselbstständig Beschäftigte (Nicht-UnternehmerInnen bzw. ehemalige UnternehmerInnen) die Möglichkeit, den so genannten Privatkonkurs anzumelden. Das Ziel dieses speziell auf Privatpersonen zugeschnittenen Verfahrens ist es, dem grundsätzlich zahlungswilligen Schuldner die Chance auf einen wirtschaftlichen Neubeginn zu geben. Dieser soll durch die Festsetzung einer bestimmten Rückzahlungsquote der Schuldensumme, die den Einkommensverhältnissen des Schuldners entspricht und mit Hilfe eines Zahlungsplanes die realistische Chance bekommen, sich mit eigener Kraft aus seiner finanziellen Notlage zu befreien. Seit dieser Zeit gibt es in allen Bundesländern bevorrechtete Schuldnerberatungen, die als gemeinnützige Institutionen nicht nur das Recht haben, den Schuldner vor Gericht zu vertreten, sondern die auch bei der Erstellung eines außergerichtlichen Ausgleichs kostenlos Unterstützung geben.

Die steirische Schuldnerberatung, bis dahin vom Verein „Rettet das Kind“ getragen, wurde mit Jänner 2002 auf Initiative von Soziallandesrat Kurt Flecker völlig neu aufgezogen. In Zusammenarbeit von Sozialressort des Landes Steiermark, AMS, Caritas und BFI wurde ein landesweit flächendeckendes Angebot an Beratungsstellen geschaffen, durch das im Bedarfsfall eine schnelle und kompetente Beratung zur Verfügung gestellt wird. Von den beiden Zentralen Graz und Kapfenberg aus werden Sprechtage in weiteren 13 Bezirksstädten angeboten und durch die rasche telefonische Erstabklärung werden die oft langen Wartezeiten der Vergangenheit vermieden. Die Finanzierung der Organisation, die rund 20 Mitarbeiter beschäftigt, erfolgt zu knapp drei Viertel von Seiten des Landes, das restliche Viertel wird vom AMS getragen; die Gesellschafter der Schuldnerberatung GmbH sind je zur Hälfte die Caritas und das BFI.

Mit Christof Lösch, dem Geschäftsführer der Schuldnerberatung Steiermark GmbH, sprach Korso Sozialforum über die vielfältigen Aufgaben der Schuldnerberatung und die Entwicklungen, die sich in den vergangenen Jahren im Schuldnerbereich abgezeichnet haben:

Was kann man als Betroffener zunächst einmal tun, wenn man bemerkt, dass man sich in einer kritischen Überschuldungssituation befindet?

Es ist in einer solchen Situation sicher sinnvoll, auf jeden Fall zunächst einmal die Steirische Schuldnerberatung zu kontaktieren, bevor man sich in die Hände oft recht dubioser kommerzieller „Schuldenberater“ begibt oder gar in schicksalsergebener Untätigkeit verharrt. Am besten meldet man sich bei uns zu einer telefonischen Erstabklärung an. Nach sehr kurzer Wartezeit – im Durchschnitt sind es zwei Arbeitstage – werden die Betroffenen dann von unseren BeraterInnen zurückgerufen. Ein beträchtlicher Teil der Fälle kann so bereits im Vorfeld erfolgreich abgeklärt werden. Das hatte in den vergangenen Jahren u.a. zur Folge, dass die Anzahl der betreuten KundInnen zwar eine weiterhin steigende Tendenz aufweist, aber die Zahl der Erstabklärungen sich im selben Zeitraum (2001 bis 2003) nahezu verdoppelt hat. Der Anstieg ist jedoch nicht in erster Linie Ausdruck einer sich drastisch verschlechternden Situation, sondern auch darauf zurückzuführen, dass wir seit der Neuorganisation unserer Strukturen wesentlich effizienter agieren.

Wie sieht nach dieser Erstberatung Ihre Hilfe im Weiteren aus?

Zunächst muss vorausgeschickt werden, dass die gesamte Beratung im Rahmen unserer Institution kostenfrei ist. Den ersten Schritt setzt der Kunde durch die Kontaktaufnahme zu uns aktiv, das dokumentiert mithin auch seinen ernsthaften Willen, sein Leben selbstverantwortlich zu ändern. Die Schuldnerberatung, die wir den von Überschuldung betroffenen Menschen anbieten, ist Teil einer umfassenden Lebensberatung, Wir betrachten Schulden nicht isoliert von der sozialen und psychischen Situation der Betroffenen, unsere Lösungen bauen auf diesen ganzheitlichen Sichtweise auf.

Zunächst, als ersten Schritt, gilt es aber sich einen Überblick über die Ist-Situation zu verschaffen, d.h. sämtliche Schulden und Außenstände unserer KundInnen sowie ihre derzeitige Einkommenssituation müssen möglichst genau abgeklärt und erfasst werden. Danach gilt es den Ursachen der Verschuldung an die Wurzeln zu gehen: Schulden sind meist Ausdruck von Problemen in anderen Lebensbereichen, etwa in der Familie, am Arbeitsplatz oder die Folge eines Suchtverhaltens, z.B. Alkohol, Glücksspiel oder Kaufsucht. Wir bieten mit unserem Team von Fachleuten – und darüber hinaus in Zusammenarbeit mit den anderen steirischen Sozialeinrichtungen - Hilfe an, damit die Betroffenen ihre Probleme in den Griff bekommen können. Daran schließt sich die härteste Phase: Mit viel Ausdauer und Beständigkeit müssen unsere KundInnen den Rückzahlungsplan erfüllen, um wieder den Weg in ein normales Leben zu finden.

Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Ursachen für eine Verschuldung?

Das Problem der Privatverschuldung ist von dem der Armut gewissermaßen entkoppelt zu sehen, auch Personen mit hohem Einkommen und sehr guter Ausbildung können in eine Überschuldungssituation geraten. Die Möglichkeiten für Schuldenanhäufung (Handy, Internetversandhandel ...) sind auf jeden Fall vielfältiger geworden und der gesellschaftliche wie auch von der Werbung ausgehende Druck ist riesengroß. Eine leicht verfügbare „Einstiegsdroge“ bildet oft das Gehaltskonto, über das heute generell ein großzügiger Überziehungsrahmen angeboten wird.

Statistisch gesehen kommen in den letzten Jahren mehr junge Menschen zu uns, die Ursachen für Schulden sind dort oft im Konsumverhalten zu suchen. Daneben zählen in allen Altersgruppen missglückte Selbstständigkeit oder Jobverlust zu den häufigsten Ursachen. Ein geringerer Anteil entsteht aus Scheidungen bzw. Trennungen, dafür sind die Summen, um die es geht, weitaus höher. In diesen Fällen kommt es auch oft dazu, dass insbesondere Frauen infolge Bürgschaft oder Haftung die Schulden des Partners übernehmen müssen.

Hat sich die Mentalität der Menschen in der Auseinandersetzung mit dem Problem Überschuldung verändert?

Es lässt sich feststellen, dass es in manchen Regionen wesentlich leichter ist mit den Betroffenen zu sprechen, etwa in den Industrieregionen der Obersteiermark, als in den ländlichen Bezirken der östlichen und südlichen Steiermark. Dort besteht oft noch eine sehr große Zurückhaltung, das Problem „Schulden“ offen zu thematisieren. Hier beginnt sich nur langsam ein gewisser Wandel in der Einstellung abzuzeichnen, aber ich hoffe, dass wir es zustande bringen, in der Zukunft auch in diesen Regionen vor allem mit den Jugendlichen einen offenen Dialog zu führen und so zur Enttabuisierung der vermeintlichen Schande beizutragen.

Josef Schiffer

Kontakt: Schuldnerberatung Steiermark GmbH, T (0316) 37 25 07 | M office@schuldnerInnenberatung.at
Öffnungszeiten: Mo bis Do 8.00 bis 17.00 | Freitag 8.00 bis 14.00