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Private Altersvorsorge: Ende
der Euphorie?
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Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten verschiedene
gesetzliche Maßnahmen getroffen, die auch dem/der NormalverbraucherIn
die private Pensionsvorsorge schmackhaft machen soll. Durch die jüngsten
Einbrüche an den Aktienmärkten haben aber viele Anleger, die
eine Altersvorsorge via Fonds„sparen“ – letztendlich also zumindest zum
Teil via Aktienspekulation – für ebenso sicher wie die öffentliche
Sozialversicherung hielten, eine böse Überraschung erlebt. |
KORSO wurden Klagen über Verluste von bis zu 50% des in den letzten
beiden Jahren eingezahlten Kapitals zugetragen – bei den Banken will man
von Beschwerden allerdings nichts gehört haben. Helmut Schotter
von der Wertpapierabteilung der Raiffeisenlandesbank in Graz: „Ich kann
mich erinnern, wie die Kunden beim Börsencrash 1987 in Viererreihen
in der Bank gestanden sind, um sich zu beschweren. In der Zwischenzeit
gab es an der Börse auch immer wieder Tiefs, wie jetzt wieder seit
rund einem Jahr, doch meldet sich deshalb kaum ein Kunde bei uns.“ Auch
bei der Grazer BAWAG weiß man nichts von Aufregung unter den Verlierern
des großen Börsenspiels. Gerhard Pein von der Wertpapierabteilung:
„Die derzeitige Phase der Aktienverluste dauert ja schon seit einiger Zeit
an, so dass das Wissen darum bereits in den Köpfen der Kunden verankert
ist und diese damit leben können.“
Banken haften für Beratungsfehler
Für Schotter begründet sich die „Kundenzufriedenheit“ auch
in einer verbesserten und genaueren Beratungsleistung der Banken durch
das vor drei Jahren beschlossene Wertpapieraufsichtsgesetz. Schotter: „Man
muss jetzt dem Kunden alles sagen, was passieren kann. Vor 15 Jahren konnte
man noch alles verkaufen.“ Jetzt muss der Kunde sehr genau befragt werden,
um dessen „Riskoprofil“ zu erforschen. Falls sich Kunden, denen von Aktienkäufen
abgeraten wird, trotzdem dafür entscheiden, müssen diese unterschreiben,
dass sie über die Verlustchancen informiert wurden. Schotter: „Das
Schlimme ist nur, dass viele Kollegen in anderen Banken das Gesetz in seiner
ganzen Tragweite noch nicht verstanden haben.“ So ist es nämlich möglich,
dass KundInnen bei Beratungsfehlern die Banken auf Schadenersatzleistung
verklagen und auch die BeraterInnen selbst für eine nachgewiesene
Fahrlässigkeit privat zu einer Verwaltungsstrafe von bis zu 100.000
Schilling verurteilt werden können. Schotter: „Wenn das alle Kollegen
wüssten, dann würden einige den Mund nicht so voll nehmen und
den Kunden so viel versprechen.“
Der Umstand, dass es in Österreich bisher erst drei bis vier Fälle
gab, in welchen Kunden vor Gericht gingen und diese Verfahren auch gewonnen
haben, führt Schotter vor allem darauf zurück, dass die Situation
an den Aktienmärkten in den letzten Jahren (abgesehen von der neueren
Entwicklung) so gut war, dass sich niemand beschweren musste.
Psychotest als Werbemasche
Trotz der strengen gesetzlichen Regelungen ist es für KonsumentInnen
teilweise sehr schwierig, die gewünschte Sicherheit für die Entscheidung
zu gewinnen, ob man sich zur Pensionsvorsorge mit Fondssparen entscheiden
soll. Das zeigt eine Recherche von KORSO auf verschiedenen Internetportalen
österreichischer Banken.
So findet sich etwa auf der Homepage der Raiffeisen-Kapitalanlage-Gesellschaft,
die übrigens als beste Fondgesellschaft Österreichs ausgezeichnet
worden ist, ein Psychotest zur Feststellung des „Fondstyps“ des Kunden.
Beantwortet man die gestellten Fragen in der Art, dass man sich als
absoluter Laie in Wirtschaftsdingen und als überängstlicher Spartyp
darstellt (der im Sparbuch die sicherste Geldanlage sieht und sich bei
Geldanlagen einen sicheren Ertrag bei möglichst geringem Risiko wünscht),
wird man mit Erstaunen feststellen, dass auch solchen Personen empfohlen
wird, sich für eine private Pensionsvorsorge via Fonds zu entscheiden.
Noch erstaunlicher ist, dass man einem Menschen, der laut Psychotest
„keine unliebsamen Überraschungen“ wünscht und sich laut Testergebnis
von einer Geldanlage erwartet, „dass sie unkompliziert ist und den nötigen
Sicherheitspolster für die Zukunft verschafft“ einen „maßgeschneiderten“
Fonds empfiehlt, dessen „Performance“ seit Beginn 2000 (bis zum 3. 4.
2001) ein Minus von 3,6% ausweist. Ob die betroffenen KundInnen sich mit
dem lapidaren Satz „Performancezahlen beziehen sich auf die Vergangenheit
und haben keine Aussagekraft über die künftige Wertentwicklung
eines Fonds“ zufrieden geben, sei dahin gestellt.
Kursverluste bei 90% der Fonds
Auf der Homepage der Hypo-Bank wird ebenfalls versprochen, dass das
„Fondssparen bequem ist wie ein Sparbuch“ und dass „das Risiko durch gezielte
Streuung der Anlagen auf ein Mindestmaß reduziert wird“. Obwohl man
angeblich auch mit kleinen Beträgen ein beachtliches Vermögen
ansparen kann, können von den angeführten 70 Fondstiteln lediglich
rund 10% innerhalb der letzten 12 Monate mit einer positiven Entwicklung
aufwarten. Die eingefahrenen Verluste machen teilweise bis zu 66% des ursprünglichen
Wertes aus. Um hier langfristig noch auf einen attraktiven Durchschnittskurs
von plus 10% zu kommen, der einem bei einer Laufzeit von 10 Jahren und
monatlich eingezahlten 1000 Schilling rund 81.000 Schilling Zinsen (exklusive
Spesen und Steuern) verspricht, müssen die Kurse in Zukunft wohl kräftig
anziehen.
Dazu befragt, meint Peter Galler, Leiter der Abteilung für
Wertpapierhandel der Hypo-Bank in Graz, dass KundInnen durch sinkende Aktienkurse
zum Teil sicher abgeschreckt seien. Andererseits sei es von Vorteil jetzt
einzusteigen. Galler: „Es lässt sich nichts Generelles über Fonds
sagen. Dazu muss man sich immer genau ansehen, was der Kunde geneigt ist
zu riskieren.“ Jedenfalls habe sich, so Galler, der Kundenstock im Bereich
Fonds erhöht, wobei der ansteigende Trend auch durch eine negative
Performance nicht gebrochen werde.
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Sind die Kunden einfach nur zu gierig?
Größere Sorge als die Aktienverluste macht den Anlageberatern
offenbar die angebliche Gier der Anleger. Pein: „Bei der Pensionsvorsorge
und einer langfristigen Vertragsdauer machen diese Kursschwankungen sicher
weniger aus, da man ja permanent ankauft und anspart. Leider denkt der
normale Kunde zu kurzfristig. Bei zu vielen Leuten herrscht die Gier nach
schnellen Gewinnen vor.“ Auch bei der Raiffeisenlandesbank weiß man
von einer Vielzahl solcher Kunden zu berichten. Schotter: „Die logische
Grenze ist eine Mindestvertragsdauer von rund 10 Jahren. Wenn jemand im
Freundeskreis hört, dass einer mit Aktien einen riesigen Gewinn gemacht
hat, dann will er den auch in kürzester Zeit haben. Der kommt dann
mit seiner Gier nach hohen Gewinnen, was aber ein komplett falsches Motiv
für das Fondssparen ist.“
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Banken-Experte Univ.-Ass. Dr. Roland Mestel: „Investmentfonds
können nur eine zusätzliche Säule der Altersvorsorge sein”
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„Pension nicht von Investmentfonds abhängig
machen“
Insofern scheint die Euphorie, sich mittels Fonds „ein Vermögen“
(wie es in Bank-Prospekten heißt) zur Alterssicherung ansparen zu
können, doch etwas übertrieben zu sein. Univ.-Ass. Dr. Roland
Mestel vom Grazer Universitätsinstitut für Banken und Finanzierung:
„Ich persönlich würde meine Pension nicht von einem Investmentfond
abhängig machen.“ Man solle nicht davon ausgehen, dass die private
Altersvorsorge die staatliche ersetzen könne. Auch in Zukunft würden
Investmentfonds lediglich eine zusätzliche Säule der Altersvorsorge
darstellen. Selbst dann sollte man sich nur auf relativ sichere Fonds mit
einem Aktienanteil von maximal 30 bis 40% einlassen. Aber, so Mestel: „Ich
würde jedenfalls eine Fonds-Anlage in meine Altersvorsorge integrieren.“
Die Sicherheit dieser zusätzlichen Vorsorge sei dann zwar nicht für
die Grundversorgung – weder für das Brot allein noch für
die Butter drauf – ausreichend, „sondern für das, was auf die Butter
draufkommt“. Ähnlich wie die von KORSO befragten Bankexperten meint
auch Mestel, dass für den Normalverbraucher Aktien lediglich als langfristige
Anlage mit einer Laufzeit von mehreren Jahren sinnvoll werden. Und: „Wer
sein Geld an einem bestimmten Stichtag braucht, dem ist ebenfalls von dieser
Variante abzuraten. Wenn die Kurse gerade im Keller sind, schaut er durch
die Finger.“
Dabei ist für all jene, die sich erst jetzt als 40-Jährige
für eine private Altersvorsorge via Fonds entscheiden, der Zug beinahe
abgefahren. Schotter: „Wer etwa in sechs Jahren in Pension gehen will,
dem würde ich von Aktien abraten. Die verpasste Zeit lässt sich
nur mit hohen Beträgen aufholen. Als 40-Jähriger komme ich bei
monatlich 1000 Schilling nach 20 Jahren nur mehr auf eine monatliche Rente
von 2900 Schilling. Die Empfehlung ist daher möglichst früh anzufangen
und nie aufzuhören.“
Pensioninvestmentfonds – „ein gänzlich
verhunztes Instrument“
Misslungen scheint jedenfalls der Versuch der Bundesregierung, die
private Pensionsvorsorge durch eine staatliche Förderung von eigenen
„Pensionsinvestmentfonds“ anzukurbeln. Zur neuen Steuerpolitik der österreichischen
Bundesregierung zählt nicht nur die Besteuerung von Unfallrenten oder
die Einführung von Studien- und Ambulanzgebühren, sondern auch
die steuerliche Begünstigung der Börsenspekulation. Neben die
Abschaffung der Börsenumsatzsteuer und der Erbschaftssteuer für
Aktien trat im Rahmen der „Kapitalmarktoffensive“ auch eine staatliche
Prämie für Pensioninvestmentfonds. Daran kann Mag. Karl Snider,
stellvertretender Vorsitzender der steirischen Arbeiterkammer, allerdings
nichts Positives finden: „Kein vernünftig denkender Mensch investiert
in dieses total verhunzte Instrument.“
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AK-Vize Mag. Karl Snider: „Kein vernünftiger
Mensch investiert in
Pensions-Investmentfonds“
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Sniders Meinung wird auch von den Bankexperten geteilt. Schotter: „Die
Pensionsinvestmentfonds sind eine Totgeburt und wir raten den Kunden davon
ab. Zum einen ist die staatliche Vergünstigung äußerst
gering und zum anderen überwiegen die Nachteile für den Kunden.“
Denn während der ganzen Ansparzeit gibt es keinen Zugriff auf das
Kapital, da die versprochene Monatsrente erst mit einem gültigen Pensionsbescheid
oder mit Erreichung des gesetzlichen Mindestpensionsalters genossen werden
kann. Und im Unterschied zu einer freiwilligen Höherversicherung im
Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung haben Kinder keinen Anspruch
auf eine Waisenrente aus dem veranlagten Vermögen, wenn der Anspruchsberechtigte
nach Pensionsantritt verstirbt.
Aktiengewinne zu Lasten von ArbeitnehmerInnen?
Für Markus Koza, Mitglied des Beirates für gesellschafts-,
wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen (kurz BEIGEWUM) zeigt sich
an der Diskussion rund um die Pensionsvorsorge daher „sehr schön der
Paradigmenwechsel von einem neoliberalisierten Wohlfahrtsstaat hin zu einem
neoliberalen Wettbewerbsstaat. Das staatliche Pensionssystem wird vollkommen
krankgeredet und die präsentierte Lösung ist, dass die Pensionsbeiträge
öffentlich nicht mehr erhöht werden dürfen, dafür aber
von den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft verlangt wird, dass sie
eine private Pensionsvorsorge eingehen, die sozusagen als neue Sparform
angepriesen wird.“ Dadurch, so befürchtet Koza, werde der Druck jedoch
lediglich „von den gewinnorientieren Finanzmärkten direkt auf die
ArbeitnehmerInnen weitergegeben. Der Arbeitnehmer versichert sich privat
und damit die Pensionsvorsorge künftighin für ihn noch gewährleistet
werden kann, ist er gezwungen, einerseits mehr Druck am Arbeitsplatz hinzunehmen
und dem Abbau von Sozial- und Arbeitszeitnormen zuzustimmen.“
Sichere Vorsorge durch irrationale Finanzmärkte?
Letztendlich muss jedem, der via Aktienanlagen für die Pension
vorsorgen will, eines klar sein: Er macht damit seine persönliche
soziale Sicherheit im Alter abhängig von der Entwicklung der globalen
Finanzmärkte, die sich schon lange von der Entwicklung der Realwirtschaft
abgekoppelt haben und deren Akteure oft völlig irrational reagieren.
Finanz-Experte Mestel: „Der Wert eines Unternehmens wird davon bestimmt,
wie ein Investmentfondsmanager ihn sieht.“ Und diese Bewertung hat wenig
mit der realen Performance zu tun: Während etwa die „dot.coms“ der
„New Economy“ zum Teil um mehrere hundert Prozent überbewertet waren
(was den Fonds, die massiv in diesen Sektor investiert hatten, jetzt gewaltige
Verluste beschert hat), können gleichzeitig die Aktien von Unternehmen,
die gute Leistungen aufweisen, an Wert verlieren: „Die ErsteBank hat unlängst
das beste Jahresergebnis ihrer Geschichte verkündet; am gleichen Tag
ist der Kurs der Aktie um 3% gefallen.“ Mestel hofft dennoch darauf, dass
es sich bei den jüngsten Einbrüchen um ein „reinigendes Gewitter“
gehandelt habe: „Die überbewerteten Titel der New Economy werden jetzt
auf ihren realen Wert zurückgestutzt, und die Fondsmanager werden
strenger selektieren und sich vermehrt auf bewährte Aktien der Old
Economy stützen, auch wenn diese weniger Rendite versprechen.“
Ein ausführliches Interview mit Mag. Claudia E. Frieser, Leiterin
der Wertpapierabteilung der Steiermärkischen Bank und Sparkassen AG
finden Sie hier.
Joachim Hainzl, Christian Stenner |
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