Univ.Ass. Dr. Gerhard Wohlfahrt
Institut für Volkswirtschaftslehre und -politik, Karl Franzens- Universität Graz

Interview, 28.9.2000
 
KORSO: Welche Auswirkungen wird die Einführung der Studiengebühren haben?
Wohlfahrt: Die AkademikerInnenquote wird sinken. Zwar sind 60.000 oder 70.000 Schilling als Gebühren nicht so hoch, dass ein Rückgang rational begründbar ist. Denn bereits jetzt beträgt der Einkommensverlust für jeden Studierenden pro Jahr an die 200.000 Schilling. Es ist daher sicher etwas überzogen, wenn man davon ausgeht, dass das Studium für viele dann nicht mehr leistbar sei. Viel größer wird sich der psychologisch abschreckende Effekt dieser Maßnahme auswirken.

KORSO: Vom Ministerium wurde heuer eine Erhebung der Prüfungshäufigkeit an den österreichischen Universitäten durchgeführt ...
Wohlfahrt: ... die sicher wichtig ist, um die Mittel für die Universitäten tatsächlich besser berechnen zu können. Denn derzeit wird bei der Budgetverteilung teilweise mit Scheinzahlen operiert. 

KORSO: Die ÖVP meint, dass das Bildungssystem auch aufgrund vieler „Scheininskribienten“ unfinanzierbar sei.
Wohlfahrt: Diese verursachen lediglich minimale Kosten im Verwaltungsbereich. Das sind etwa 100 Schilling im Jahr. Das Argument ist lächerlich.
 

KORSO: Sie haben zusammen mit Univ.Prof. Dr. Richard Sturn (vom Inst. für Finanzwissenschaft) eine sehr umfangreiche Studie zum Thema: "Der gebührenfreie Hochschulzugang und seine Alternativen" verfasst. Wie wurde diese aufgenommen?
Wohlfahrt: Sie ist beim damaligen Minister Einem auf Gegenliebe gestossen und auch mit ihm zusammen im Juni 1999 präsentiert worden. Das damalige Ministerium hatte daraus gelernt. Die derzeitige Bundesregierung handelt jedoch eher nach dem Prinzip: zuerst beschließen, dann überlegen.

KORSO: Wie sehen Sie die beschlossene Einführung der Studiengebühren?
Wohlfahrt: Es ist eine rein politische Entscheidung. Man sollte daher nicht Scheinargumente vorschieben. Es geht darum: die Bundesregierung will eine Bildungssteuer und sie findet gewisse Studierende gut. Das sind die, die schnell studieren. Die nicht guten Studierenden sind dann die, die nicht so schnell studieren. Das trifft etwa auch Berufstätige, die nebenbei studieren und doppelt draufzahlen.

KORSO: Die Regierung erwartet sich positive Anreize für das universitäre Angebot und einen Qualitätsdruck auf die Lehrenden durch die Studierenden, die dann für ihr Geld auch Leistung haben wollen.
Wohlfahrt: Das Universitätsbudget bzw. das Angebot der Universitäten wird durch die Studiengebühren sicher nicht beeinflusst. Es gibt ja nicht mehr Budget für sie. Erst heuer wurde den Universitäten eine Milliarde Schiling weg genommen und die versprochene Hälfte für die Hochschulen aus den Studiengebühren wird sicher viel weniger als die erwartete Milliarde ausmachen. Es entsteht dadurch sicher kein Druck auf die Lehrenden, mehr Qualität anzubieten. Es gibt lediglich mehr Druck für die Studierenden, schneller zu studieren.

KORSO: Die Studiengebühren sollen durch „Begleitmaßnahmen“ wie etwa erhöhte Stipendien „sozial abgefedert“ werden. Wird das nicht die Einnahmen aus den Studiengebühren verringern.
Wohlfahrt: Jedenfalls. Durch die geplanten Begleitmaßnahmen - Erhöhung der Studienbeihilfen und Ausweitung des Bezieherkreises um ca. 10.000 Studierende - wird über ein Viertel der zu erwartenten Einnahmen wieder an die Studierenden zurückverteilt. Zusätzlich ist zu erwarten, daß die Anzahl der Antragsteller, und somit der Verwaltungsaufwand, noch stärker zunehmen als die notwendigen finanziellen Ressourcen für die Stipendienbezieher.

KORSO: Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass die Studiengebühren doch nicht kommen?
Wohlfahrt: Dies ist eine politische Entscheidung, der ich nicht vorgreifen will. 

KORSO: Wir danken für das Gespräch. 

 
 
 
zurück zum Artikel Schwerpunkt Studiengebühren