|
KORSO: Von Landeshauptmann Klasnic wurde zu einer Expertenrunde
zum Thema Studiengebühren eingeladen. Sind Sie auch dabei?
Kolleritsch: Ja, es wurden alle Grazer Rektoren, also auch ich
dazu eingeladen.
KORSO: Es soll ja bereits innerhalb von zwei Wochen - zumindest
vor den steirischen Landtagswahlen - ein Ergebnis vorliegen.
Kolleritsch: Auch diese kurzfristige Angelegenheit spricht für
den Stil dieser ganzen Thematik rund um die Studierenden, der geprägt
ist von Unprofessionalität. Dies verursacht bei mir den Eindruck,
dass es um etwas anderes geht und das Thema eigentlich irrelevant ist.
Für mich müssen daher zuerst einmal die Reform des universitären
Systems (und etwa des Dienstrechts) angegangen werden, bevor man über
die Einführung von Studiengebühren spricht. Denn erst nach dieser
Reform weiss man dann erst, was die Universität und in diesem Zusammenhang
die Studierenden kosten. In Österreich will man nun Studiengebühren
einführen, die in etwa jenen der Schweiz entsprechen. Aber was niemand
dazu sagt, ist dass etwa die Schweiz bei nur halb so vielen Studierenden
das doppelte Budgets Österreichs besitzt. Hier fehlt es also an Mitteln.
KORSO: Die ÖVP meint, dass das Bildungssystem aber auch
aufgrund vieler „Scheininskribienten“ unfinanzierbar sei.
Kolleritsch: Das ist wieder ein Zeichen für die Unprofessionalität
der Regierung. Sie macht eine einfache Maßnahme zur Entlastung des
Budgets und versucht darüber mit populistischen und demagogischen
Argumenten hinwegzutäuschen.
KORSO: Das heißt, sie sind nicht der Ansicht, dass es so
viele untätige Studierende gäbe, die keine Prüfungen ablegen?
Kolleritsch: Speziell für die Kunsthochschulen ist zu sagen,
dass viele im Diplomprüfungsstadium etwa zwei Jahre keine Prüfungen
machen. Das sind aber oft gerade die guten Studierenden. Und wir raten
ihnen sogar dazu, zuerst die Prüfungen zu machen, damit sie sich dann
auf ihre Abschlussarbeit voll konzentrieren können. Und diese scheinen
dann auch in dieser Statistik auf. Auch die hohe Drop-out-Rate ist äußerst
undifferenziert, da etwa auch jemand gezählt wird, der mit seinem
Zweitfach aufhört, aber ansonsten ganz normal fertig studiert. Zudem
gibt es auch viele erfolgreiche Karriereverläufe von Studienabbrechern.
KORSO: Welche Auswirkungen befürchten Sie durch die Studiengebühren?
Kolleritsch: Ich befürchte, dass hier versucht wird, der
Universität als einen Bereich mit einem kritischen Potential einen
Dämpfer zu versetzen. Heute hat die Universität immer öfters
auf die Interessen der Ökonomie zu reagieren - aber es sind auch die
humanistischen Inhalte der universitären Bildung wichtig, gerade für
die nächste Generation. Man reagiert hier zu sehr auf diese Kritik
der Wirtschaft. Die Industriellenvereinigung etwa ist ein wichtiger Partner
für Denkanstöße für die universitäre Ausbildung,
sie kann aber nie die Rolle eines Endevaluierers einnehmen. Die Brauchbarkeit
der Absolventen für die Wirtschaft kann daher nur eine Komponente
sein. Ich will daher in Zukunft diese Diskussion auch mehr forcieren und
dazu auch Partner in der Wirtschaft gewinnen.
KORSO: Die Universitäten sollen in Zukunft ja ihre Vollrechtsfähigkeit
erhalten.
Kolleritsch: Es ist in Ordnung, dass auch auf den Hochschulen
eine klare Kostenrechnung herrscht (auch wenn das Argument der Volksseele
sicher nicht stimmt, die dann meinen, da man bis jetzt das Geld auf den
Universitäten zum Fenster hinaus geworfen hätten). Aber es braucht
ebenso eine Reform der Gesamtstruktur. Es muss die Funktionstüchtigkeit
gewährleistet sein.
Die Rektorenkonferenz will Subjekt der Reform sein. Aber nun wurde
uns durch die Bundesregierung das Ruder aus der Hand genommen. Aber man
kann erst dann eventuell über Studiengebühren nachdenken, wenn
man weiß, wie diese Universität neu aussehen soll. Dann wissen
die Studierenden auch, was sie auf der Universität erwartet.
KORSO: Eine Milliarde der Einnahmen aus den Studiengebühren
soll ja auch an die Universitäten zurückfließen.
Kolleritsch: Das ganze ist eine Milchmädchenrechnung. Im
Mai 2000 wurden uns 2/3 der Investitionsmaßnahmen durch das Ministerium
gekürzt. Das sollte eine einmalige Maßnahme sein, was ich aber
nicht glaube. Und nun soll Geld, das uns weggenommen wurde, zum Teil wieder
über die Gebühren zurückkommen? Dabei wird alleine schon
die Stipendienneuregelung erhöhte administrative Kosten verursachen.
KORSO: Die ÖVP argumentiert die Unfinanzierbarkeit der Universitäten
auch mit der hohen Rate von Inskribierten, die keine Prüfungen ablegen.
Kolleritsch: Es stimmt sicher, dass die Universitäten lange
Zeit mit den Zahlen der Inskribierten gearbeitet haben, um mehr Personal
und Raum zu bekommen. Bei uns an der Kunsthochschule gibt es ja bereits
Aufnahmeprüfungen. Aber an den anderen Universitäten würde
der Betrieb zusammenbrechen, wenn alle Inskribierten tatsächlich auch
studieren würden. Die von der Regierung verwendeten Zahlen sind jedenfalls
undifferenziert und lächerlich.
KORSO: Glauben Sie, dass die Studiengebühren noch zu verhindern
sind?
Kolleritsch: Ich hoffe es. Es gibt auch eine große Solidarität
der Lehrenden mit den Studierenden. Es wurden von den betroffenen Gruppen
sehr differenziert Argumente dagegen vorgebracht. Im Gegensatz dazu ist
die Vorgangsweise der Bundesregierung erschütternd oberflächlich.
Etwa wenn darauf verwiesen wird, dass es auch in anderen EU-Ländern
Studiengebühren gibt, ohne auf deren Bildungsbudget oder Steueraufkommen
einzugehen.
Für mich sind die Studiengebühren ein Ablenkungsmanöver
im derzeit laufenden Prozess der Vollrechtsfähigkeit und Autonomie
der Universitäten. Ich bezweifle inzwischen sogar schon, dass es der
Bundesregierung ernst ist mit dieser Vollrechtsfähigkeit. Denn
zum einen sollen die Universitäten wirtschaftlich denken, zum anderen
nimmt man ihnen Teile ihres Budgets weg um dann etwas davon über Studiengebühren
wieder zurückzugeben.
KORSO: An Ihrer Hochschule kommen mehr als ein Drittel der Studierenden
aus dem Ausland. Welche Konsequenzen befürchten Sie für diese?
Kolleritsch: Derzeit gibt es für viele dieser Studierenden
einen sogenannten Befreiungstatbestand. Was die nun beabsichtigte Studiengebührenregelung
betrifft, so wurde über diese Gruppe vom Ministerium überhaupt
noch nicht nachgedacht. Sollten aber auch für diese in Zukunft die
Studiengebührenregelung gelten, so gibt es viele, etwa osteuropäische
Studierende, die sich das Studium dann tatsächlich nicht mehr leisten
können.
KORSO: Die Studiengebühren sollen angeblich auch die Qualität
der Universitäten und die Lernfreudigkeit der Studierenden verbessern.
Kolleritsch: Das ist eine klare Bestrafungsideologie, die dahinter
steht, so nach dem Motto: „Wenn die fürs Studium zählen müssen,
dann werden sie schon lernen.“ Das führt dann eben dazu, dass
die, die es sich leisten können, länger studieren.
KORSO: Wir danken für das Gespräch.
|