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KORSO: Ende September wurde in der Landesregierung ein SPÖ-Antrag
gegen
Studiengebühren abgelehnt. Wie schätzen Sie die politische
Situation in der Steiermark ein: wird es hier eine breitere Ablehnung eben?
Kahr: Die Ablehnung von Studiengebühren geht weit über
den Kreis der GegnerInnen
von schwarz/blau hinaus. Trotzdem ist bei Einschätzung der politischen
Situation Vorsicht geboten. Erfolge sind nur dann möglich, wenn der
Angriff gegen Arbeitslose, Arbeiter, Pensionisten, Hausfrauen, Studierende
in seiner Gesamtheit gesehen wird und wenn es gelingt, gemeinsam mit Organisationen
der Arbeiterbewegung und aktiven Gruppen umfassende Proteste zu initiieren.
Die Einführung der Studiengebühren ist die Konsequenz der schleichenden
Privatisierung der Universitäten unter dem Deckmantel der "Vollrechtsfähigkeit".
Leider gibt es in diesem Spiel mit Ausnahme des Finanzministers nur Verlierer.
Dass von den erwarteten zwei Milliarden Schilling die Hälfte wieder
an die Universitäten und die Studierenden zurückfließen
wird, darf mit gutem Recht bezweifelt werden. Außerdem nützt
diese Milliarde den Studierenden, die sich ihr Studium dann nicht mehr
leisten können, nicht.
KORSO: Welche Strategien hat die KPÖ, um die von Ihnen ungewünschte
Einführung von Studiengebühren doch noch zu verhindern und wie
werden die Proteste der Studierenden unterstützt?
Kahr: Wir nehmen an den Protestaktionen solidarisch teil, informieren
die Öffentlichkeit und halten Kontakt mit fortschrittlichen Studierenden.
Alibiaktionen - wie sie von Peter Schachner-Blazizek in der Landesregierung
geboten worden sind - lehnen wir ab. Der Protest soll sich selbstverständlich
auch mit dem Stimmzettel ausdrücken. Entscheidend sind
aber Aktionen an der Basis.
KORSO: Als Argument gegen die Einführung der Gebühren
wird eine Senkung der
AkademikerInnenrate befürchtet. Diese ist jedoch bereits jetzt
im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich. Warum?
Kahr: Der Staat funktioniert in Österreich als Herz-Lungen-Maschine
für das Großkapital. Deshalb ist das öffentliche Bildungswesen
schon seit Jahren krass unterdotiert. Hier könnte man Dutzende Beispiele
dafür anführen. Mit der Einführung von Studiengebühren
wird darüber hinaus die soziale Hemmschwelle für Unterschichtkinder
gegenüber dem Universitätsstudium
erhöht. Die materielle Barriere wirkt (trotz angekündigter
Abfederung) in Familien, bei denen formale Bildung kein hoher Wert ist,
stärker als in der sogenannten Mittelschicht. Deshalb werden in Zukunft
mehr intelligente Kinder aus Arbeiterfamilien (vor allem Mädchen)
vom Studium ausgeschlossen.
KORSO: Die ÖVP argumentiert, dass das Bildungssystem vor
allem auch durch den angeblichen "Mißbrauchs der Inskription" und
den hohen Anteil von Studierenden, die keine Prüfungen ablegen (in
Graz im letzten Jahr angeblich mehr als 50%) unleistbar wäre. Welche
Kosten verursacht diese Personengruppe tatsächlich?
Kahr: Wenn die Zahl der Scheinstudenten wirklich so hoch ist,
dann muss man fragen, wie hoch die Kosten für das dann auszuzahlende
Arbeitslosengeld wäre, wenn diese Personen nicht inskribiert wären.
Man muss eine Milchmädchenrechnung auch eine Milchmädchenrechnung
nennen. Das gleiche gilt für die idiotischen Vergleiche auf der ÖVP-Homepage.
KORSO: Die ÖVP vergleicht den Betrag für die Studiengebühr
mit den Kosten für den Führerschein, einen Wifi-Kurs bzw. einer
Tunesien-Pauschalreise. Wieso ist die KPÖ der Ansicht, dass das Studium
bzw. eine akademische Ausbildung weiterhin gebührenfrei bleiben sollte?
Kahr: Es gibt zwei Konzeptionen des Bildungswesens, eine elitäre
bzw. kapitalistische , an den Verwertungsbedingungen und dem Markt orientierte,
und eine demokratische. In Österreich sind seit den Siebzigerjahren
im Gefolge der Studentenbewegung und des Amtsantrittes der Regierung Kreisky
Elemente dieser demokratischen Konzeption in das Bildungssystem
eingeflossen. Ein wichtiger Bestandteil davon war die Abschaffung der
Studiengebühren. Die Einführung der Studiengebühren 2001
bedeutet den endgültigen Übergang zu einem profitorientierten
Bildungswesen. In unserer Gesellschaftskonzeption spielen Gesamtschule
und ein kostenfreies. Demokratisch organisiertes Hochschulsystem eine große
Rolle. Wenn die
Wissenschaft zur Magd der großen Industrie verkommt, trifft das
- durch die Austrocknung der geisteswissenschaftlichen Disziplinen - auch
die Demokratie.
KORSO: Welche strukturellen Verbesserungen wünschen Sie
sich für die Universitäten und woher sollten die dafür nötigen
Mittel stammen?
Kahr: Der Bildungsbereich ist finanzierbar. Wenn etwa die Steuerschulden
der Unternehmer eingehoben (brächte 70 Mrd. S); wenn Profite und Vermögen
wie im EU-Durchschnitt besteuert; wenn die Privatstiftungen der Milliardäre
zur Kassa gebeten; wenn Spekulationsgewinne an den Börsen endlich
besteuert würden oder wenn der Spitzensteuersatz angehoben werden
würde.
KORSO: Wir danken für das Gespräch.
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