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Die Ausgangslage
Die österreichische Bundesregierung hat im Ministerrat am Dienstag,
dem 19. September 2000, eine Regierungsvorlage beschlossen, nach der ab
dem Studienjahr 2001/2002 von jeder Studentin und jedem Studenten eine
als Studienbeitrag bezeichnete Studiengebühr von ATS 5000,- pro Semester
(ATS 10.000,- pro Studienjahr) eingehoben werden soll.
Die Regierung, die diese Maßnahme als Teil der Budgetsanierung
beschlossen hat, erwartet sich daraus jährliche Mehreinnahmen in der
Höhe von ATS 2 Milliarden, von denen eine Milliarde für Strukturverbesserungen
an die Universitäten zurückfließen soll. ATS 400 Millionen
sollen dem Vernehmen nach für sogenannte "Abfederungsmaßnahmen"
sozialer Härten direkt aufgewendet werden.
Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft
und Kultur als ein Beitrag zur Strukturreform und zur Verbesserung der
Qualität an den Universitäten bezeichnet und folgend begründet:
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Die Einführung von Studiengebühren sei nur eine Maßnahme
zur umfassenden Reform des Universitätssystems, die zur verbesserten
Qualität und Kundenfreundlichkeit an den Universitäten führen
soll.
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Im Zuge der Umsetzung der erweiterten Autonomie der Universitäten
würden Lehrende stärker als jetzt angehalten sein, gegenüber
den zahlenden Studierenden als Dienstleister zu agieren.
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Ziel sei die bedarfsorientierte Betreuung von Studierenden durch Universitätslehrende,
die Festlegung und Überprüfung der Lehrverpflichtungen sowie
eine umfassende Evaluierung der Lehrtätigkeit mit Konsequenzen, um
die Qualität der Lehre zu steigern.
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Aufgrund der Bereinigung der Studierendenzahlen durch den Wegfall so genannter
"Karteileichen" werde es in Hinkunft möglich sein, Kostenwahrheit
und vor allem Kostentransparenz zu schaffen. Diese Maßnahme fördere
die Weiterentwicklung der Kostenrechnung und der Leistungskennzahlen.
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Studiengebühren könnten aufzeigen, welche Studienfächer
tatsächlich nachgefragt würden, um Engpässe zu beseitigen
und die Lehre qualitativ zu verbessern.
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Studiengebühren würden die Universitäten zu einer Effizienzsteigerung
im Studienangebot zwingen und zum ausreichenden Angebot an Lehrveranstaltungen
verpflichten, um Wartezeiten zu vermeiden.
Diese Begründung wird durch Aussagen in den Medien wie folgt verdeutlicht
und ergänzt:
Durch die Einführung der Studiengebühr sollen
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Studenten, die nur zur Erhaltung sozialer Privilegien inskribieren, abgeschreckt
werden,
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die Drop-out-Rate gesenkt werden,
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die Studiendauer von derzeit durchschnittlich 13 Semester möglichst
rasch verkürzt werden, und damit
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der Anteil der Akademikerquote in Österreich mittelfristig auf EU-Niveau
angehoben werden.
Dabei wird jedoch betont, dass
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mit der Maßnahme einerseits das Signal gesetzt werden solle, dass
sich Leistung lohne, was durch die Ankündigung einer Vermehrung der
Leistungsstipendien belegt werden soll, und
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niemandem aus sozialen Gründen der Zugang zur Universität verweigert
werden dürfe, wofür Maßnahmen zur sozialen "Abfederung"
angekündigt werden.
Das Studiengebührenmodell wurde offensichtlich ohne vorherige Gespräche
mit den Betroffenen beschlossen. Insbesondere wurden die Hochschülerschaften
als gesetzliche Interessensvertretung der Studierenden, die Universitätsleitungen,
die Hochschullehrerverbände und Personalvertretungen, die Rektorenkonferenz,
der Fachhochschulrat und die Fachhochschulträger nicht konsultiert.
Die teils heftigen Proteste aller Betroffenen sind daher nicht verwunderlich,
um so mehr, als der Zusammenhang mit der anstehenden Strukturreform der
österreichischen Universitäten nicht einsichtig erscheint, als
deren Teil sie aber bezeichnet werden.
Das Expertenteam und seine Aufgabe
Wegen dieser Vorgangsweise als auch wegen der Vorwürfe der Betroffenen,
dass die Einführung der Studiengebühren nicht durchdacht und
nur durch Vorurteile begründet sei und nicht der Strukturverbesserung
der Universitäten sondern der Budgetsanierung dienen solle, hat Landeshauptmann
Waltraud Klasnic ein Expertenteam gebeten, ein Positionspapier zur Frage
der Studiengebühren zu erarbeiten. Dieses Positionspapier soll Anregungen
und Diskussionsbeiträge zu folgenden Themen enthalten:
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mögliche Alternativen zu den Studiengebühren,
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den Grundsatz der sozialen Verträglichkeit, und
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mögliche Maßnahmen des Landes Steiermark dazu.
In das Expertenteam wurden eingeladen:
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der Vorsitzende der Hochschülerschaft an der Karl-Franzens-Universität
Graz, Sebastian Berka,
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der Vorsitzende der Hochschülerschaft an der Technischen Universität
Graz, Michael Hausenblas, der Rektor der Technischen Universität
Graz, Univ.-Prof. Dr. Erich Hödl,
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der Rektor der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz,
Univ.-Prof.
Dr. Otto Kolleritsch,
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der Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark, Dr. Michael
Mayer-Rieckh,
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der Wissenschaftliche Direktor der JOANNEUM RESEARCH ForschungsgesmbH,
Graz, und Präsident der FORSCHUNG AUSTRIA, Hon.-Prof. Dr. Bernhard
Pelzl (Moderation),
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der Rektor der Montanuniversität Leoben, Bergrat h.c. Dipl. Ing.
Dr. Wolfgang Pöhl,
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der Präsident des Österreichischen Fachhochschulrates, Univ.-Prof.
Dr. Wolf Rauch,
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der Vorsitzende der Hochschülerschaft an der Montanuniversität
Leoben, Florian Steinhart,
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der Vizepräsident der Österreichischen Industriellenvereinigung
und Sektionschef "Industrie" der Wirtschaftskammer Österreich, Dr.
Werner Tessmar-Pfohl,
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der Vorsitzende der Hochschülerschaft an der Universität für
Musik und Darstellende Kunst Graz, Wolfgang Wengenroth,
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der Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz und Rektor
der Universität Wien, Univ.-Prof. Dr. Georg Winckler
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der Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz, Univ.-Prof. Dr.
Lothar Zechlin.
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Die Experten der Österreichischen Industriellenvereinigung werden
vom Geschäftsführer der Industriellenvereinigung Steiermark,
Dr.
Thomas Krautzer, vertreten.
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Der Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz, Univ.-Prof.
Dr. Georg Winckler, entsandte als Vertreter den Hochschulrechts-Experten
der Rektorenkonferenz, Mag. Heribert Wulz.
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Der Rektor der Universität für Musik und Darstellende Kunst,
Univ.-Prof. Dr. Otto Kolleritsch weilte im Beratungszeitraum des Expertenteams
im Ausland. Die gemeinsame Position des Rektors und der Hochschülerschaft
wurde von deren Vorsitzendem, Wolfgang Wengenroth, eingebracht.
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Der Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz, Univ.-Prof. Dr.
Lothar Zechlin, und der Rektor der Technischen Universität Graz,
Univ.-Prof.
Dr. Erich Hödl haben an den Sitzungen nicht teilgenommen. Mit
ihnen hat es außerhalb der Sitzungen Gespräche gegeben. Der
Rektor der Technischen Universität Graz, Univ.-Prof. Dr. Erich Hödl,
hält fest, dass er den Inhalten des Positionspapiers in den Gründzügen
zustimmt.
Als Protokollführer und an den Diskussionen nahm der Geschäftsführer
des „Modell Steiermark", Mag. Christopher Drexler teil.
Das Expertenteam war sich bewusst, dass aufgrund der Kürze der
Zeit, die durch die Termine der parlamentarischen Behandlung bedingt ist,
mit einem solchen Positionspapier nur ein Anstoß zu einer notwendigen
intensiven Diskussion über das österreichische Bildungs- und
Hochschulsystem gegeben und auf Aspekte aufmerksam gemacht werden kann,
die möglicherweise bisher nicht beachtet wurden.
Leitlinien der Arbeit des Expertenteams
Das Expertenteam unterstützt trotz vielfältiger unterschiedlicher
und kontroversieller Positionen seiner Mitglieder einstimmig die folgenden
von der Bundesregierung genannten Ziele:
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Niemandem darf aus sozialen Gründen der Zugang zur Universität
verschlossen sein,
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die Sicherung und Verbesserung der Leistungen des Hochschulsystems,
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die Verminderung der Drop-out-Rate,
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die Verkürzung der Studiendauer und
-
die Anhebung der Akademikerquote.
Die Studentenvertreter im Expertenteam betonen ausdrücklich die Bereitschaft
der Studierenden, ihren Teil zur Verbesserung der Situation an den Universitäten
beizutragen.
Das Expertenteam kommt zum Schluss, dass durch die von der Bundesregierung
beabsichtigten Maßnahmen die selbst gesetzten Ziele nicht erreicht
werden können.
Es wurde in folgenden von der Vorgangsweise der Bundesregierung abweichenden
Punkten Konsens erzielt:
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Vorrang einer Universitätsreform
Die Universitäten müssen auch die Möglichkeit haben, die
in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Zentrale Teile der Universitätsreform
sind das Dienstrecht, das Haushaltsrecht und das Organisationsrecht. Das
Einzige, was derzeit konkret vorgeschlagen wird, ist eine massive Mehrbelastung
der sozial schwächsten Gruppe an den Universitäten.
Jede Maßnahme einer Hochschulreform muss auf die soziale Verträglichkeit
achten. Keinesfalls darf es zu einem sozialen numerus clausus kommen. Es
ist auf sozial benachteiligte Studierende ebenso zu achten, wie auf Familien
mit mehreren Kindern in Ausbildung, vor allem in universitärer Ausbildung.
Dies erscheint bei den Studiengebühren mit den bisher bekannten "Abfederungsmaßnahmen"
keineswegs sichergestellt.
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"Mehrwert" für Studierende
Die Vertreter der Studierenden lehnen Studiengebühren grundsätzlich
ab. Sollten Studiengebühren jedoch unvermeidbar sein, müsste
deren Einführung positive Auswirkungen für die Studierenden haben.
Nur ein "Mehrwert" für die Studierenden, der sicherzustellen ist und
überprüfbar sein muss, kann Studiengebühren rechtfertigen.
Ein wesentlicher Teil dieses "Mehrwerts" ist, dass das Studium auch tatsächlich
in der Mindestzeit absolviert werden kann. Das derzeit geplante Modell
lässt diesen "Mehrwert" nicht erkennen,
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Reinvestition der Studiengebühren in das Hochschulsystem
Ein leistungsorientiertes Hochschulsystem, von dessen Notwendigkeit das
Expertenteam in Übereinstimmung mit der Bundesregierung zur Sicherung
des Wirtschaftsstandortes überzeugt ist, ist nur möglich, wenn
für die notwendigen Strukturmaßnahmen nicht nur die Einnahmen
aus allfälligen Studiengebühren (gegen die sich die Vertreter
der Studierenden noch einmal ausdrücklich aussprechen) für eine
rasche Umsetzung zur Verfügung gestellt werden.
Die Studierenden sollten im Vertrauen auf die Rahmenbedingungen ihres Studiums
geschützt sein.
Der Vertreter der Österreichischen Rektorenkonferenz schlägt
zumindest eine Verschiebung der Einführung von Studiengebühren
auf einen späteren Zeitpunkt vor. Diese Zeit müsste für
eine dringend notwendige vertiefte bildungspolitische Diskussion, insbesondere
der Studiengebühren-Frage genützt werden.
Der Vertreter der Industriellenvereinigung schlägt bei grundsätzlicher
Bejahung von Studiengebühren ebenfalls eine tiefgreifende Diskussion
der Rahmenbedingungen vor.
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Chancengleichheit der Geschlechter
Es steht zu befürchten, dass durch die Einführung von Studiengebühren
die Frauenquote an den Universitäten sinkt. Wie sozialwissenschaftliche
Studien belegen, haben bei Mehrkind-Familien immer noch Söhne vorrangig
Zugang zu höherer Ausbildung.
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Europäischer Bildungsraum
Die Einführung von Studiengebühren wirkt sich negativ auf die
Mobilität von Studierenden aus. Eine Beschränkung der Mobilität
widerspricht der von Österreich unterzeichneten "Erklärung von
Bologna".
Durch den Vertreter der Österreichischen Rektorenkonferenz wird
dieser Punkt wie folgt ergänzt: Keinesfalls dürfen Studiengebühren
die internationale Mobilität der Studierenden beeinträchtigen.
Nicht nur ausländische Gaststudenten, die im Rahmen eines europäischen
Bildungsprogramms oder eines Partnerschaftsabkommens Teile ihres Studiums
in Österreich absolvieren, müssen von Gebühren befreit sein.
Österreichische Studierende sollten während eines solchen Auslandsstudiums
an ihrer Stammuniversität in Osterreich ebenfalls Gebührenfreiheit
genießen.
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Gleichbehandlung der Universitäten und Fachhochschulen
In der Frage der Studiengebühren dürfen Universitäten und
Fachhochschulen nicht ungleich behandelt werden.
Rechnen sich Studiengebühren überhaupt?
Das Expertenteam bezweifelt übereinstimmend, dass das geplante
Studiengebühren-Modell die von der Regierung erwarteten Einnahmen
und Verbesserungen bringen kann. Schon eine erste Schätzung - welcher
die derzeitigen Zahlen der Studierenden zugrunde gelegt sind, die sich
nach Aussage anderer ausgewiesener österreichischer Experten aber
nach Einführung von Studiengebühren sicher verringern werden
- zeigt, dass dadurch im derzeitigen System ein Beitrag weder zur Verbesserung
der Situation an den Hochschulen noch zur Budgetkonsolidierung geleistet
werden kann.
Vorgeschlagene Maßnahmen
Das Expertenteam schlägt vor, losgelöst sowohl von der Frage
der Budgetkonsolidierung als auch von der Einführung einer Studiengebühr,
folgende Maßnahmen zu prüfen:
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Initiierung einer breiten Diskussion
Im Hinblick auf die hohe Bedeutung der Angelegenheit im Interesse des Wissenschafts-,
Bildungs- und Wirtschaftsstandortes Österreich sind alle Maßnahmen
zu treffen, dass ein breiter und tiefer Dialog über Forschung und
Bildung in Österreich unter Beachtung der Kompatibilität mit
dem europäischen Forschungs- und Bildungsraum geführt wird.
Das Expertenteam erklärt sich bereit, auch in Zukunft seinen
Beitrag dazu zu leisten.
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Vorhandene Spielräume nutzen
Schon jetzt ermöglicht das geltende Universitätsrecht einerseits
Maßnahmen zur Umverteilung von Ressourcen innerhalb der Universität,
andererseits die Erstellung von studierbaren Studienplänen. Diese
Möglichkeiten sind noch nicht voll ausgeschöpft. Hier sind die
Universitäten selbst gefordert.
Darüber hinaus müssen ein adäquates Dienst- und Haushaltsrecht
die Erschließung vorhandener Reserven sicherstellen. Die Universitätsreform
mit dem Ziel der erweiterten Autonomie ist rasch in dieser Richtung voranzutreiben.
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Verstärkung der Maturantenberatung und effiziente Studieneingangsphase
Das Expertenteam schlägt vor, die vorhandenen guten und engagierten
Ansätze zur Maturantenberatung auf Landesebene massiv auszubauen.
Dadurch
kann die Qualität der Entscheidung für ein Studium erhöht
und damit die Drop-out-Rate gesenkt werden.
Die im Gesetz vorgesehene Studieneingangsphase ist in den Studienplänen
zu verankern und soll zu einer besseren Orientierung der Studienanfänger
führen. Dadurch sollten sich die Drop-out-Raten verringern und Studienzeiten
verkürzen lassen.
Der Vertreter der Österreichischen Rektorenkonferenz weist darauf
hin, dass diese Studieneingangsphase beitragsfrei gehalten werden solle.
Der Vertreter der Industriellenvereinigung hält eine Prüfung
über Grundinhalte des jeweiligen Studiums zum Abschluss der Eingangsphase
für erwägenswert.
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Errichtung von Studienfonds
Da ein Studium auch ohne Einführung von Studiengebühren bereits
jetzt eine erhebliche finanzielle Belastung darstellt, sollten verschiedene
Varianten von Studienfonds ausgearbeitet werden, aus denen abhängig
von Sozial- und Leistungsindikatoren Studierende unterstützt werden.
Diese können auf Landes- und Bundesebene eingerichtet werden.
Ähnlich dem Bausparen und ebenfalls unabhängig von einer Einführung
von Studiengebühren sollte ein durch staatliche Prämien attraktives
"Bildungssparen" ermöglicht werden.
Das Expertenteam empfiehlt Frau Landeshauptmann Klasnic an die Kreditwirtschaft
mit der Bitte um die Ausarbeitung entsprechender Modelle heranzutreten.
Werden die angesparten Mittel nicht zur Bildung eingesetzt, sind die Prämien
zurück zu zahlen.
Das Expertenteam kann sich auch geförderte Darlehensmodelle
vorstellen, die ebenfalls vom Land mit den Vertretern der Kreditwirtschaft
entwickelt werden müssten.
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Verstärktes Engagement der Wirtschaft durch zweckgerichteten Mitteleinsatz
Die Errichtung von Stiftungsprofessuren, die gezielte Vergabe von Stipendien
und die Tätigung von Investitionen in den Bildungsbereich sind wünschenswert
und sollen attraktiver werden.
Der Vertreter der Industriellenvereinigung merkt an, dass Sponsoren
ein angemessenes Mitspracherecht bei der Verwendung ihrer den Universitäten
und Fachhochschulen zur Verfügung gestellten Mittel erhalten sollen.
Das Expertenteam empfiehlt Frau Landeshauptmann eine Enquete zu diesem
Thema mit Vertretern der steirischen Wirtschaft zu initiieren und die Instrumente
der steirischen Wirtschaftsförderung in diese Richtung einzusetzen.
Darüber hinaus regt das Expertenteam an, dass Unternehmen für
jene Studienrichtungen, an deren Absolventen sie besonderen Bedarf haben,
eigene Stipendienprogramme entwickeln.
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Strategiegruppe der steirischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen
Als spezielle steirische Maßnahme soll sich zur Sicherung des
Wissenschaftsstandortes Steiermark eine Strategiegruppe der steirischen
Hochschulen und Forschungseinrichtungen konstituieren. Diese Strategiegruppe
sollte die Bildungsangebote und die Forschung zwischen allen steirischen
Bildungs- und Forschungseinrichtungen optimieren.
Dieser Maßnahmenvorschlag wurde vom Rektor der Technischen Universität
Graz, Univ.-Prof. Dr. Erich Hödl, angeregt.
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Studieren als Wert für die Gesellschaft
Das Expertenteam sieht es als seine Verpflichtung, bei dieser Gelegenheit
grundsätzlich auf den Wert des Studierens und die Rolle der Universitäten
und ihrer Studierenden in der Gesellschaft hinzuweisen:
Neben dem Bedarf der Wirtschaft an hochqualifizierte Absolventinnen
und Absolventen zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes ist das Studium
ein "Wert an sich": Es bringt junge Menschen in ein intellektuelles Milieu,
in dem sie - unabhängig von der gewählten Studienrichtung und
der Studiendauer - in einer besonderen Form sozialisiert und mündig
gemacht werden. Es sind vor allem diese jungen Menschen, die gemeinsam
mit ihren Lehrenden den intellektuellen Diskurs auch in Österreich
tragen und gegen eine immer stärker auf Konsumismus ausgerichteten
Gesellschaft die Qualität kritischer Nachdenklichkeit sichern.
Dies zeigt sich in vielerlei ehrenamtlichen Engagements im politischen
wie im sozialen Bereich. Dies zeigt sich aber auch und vor allem in der
materiellen Bescheidenheit der überwiegenden Mehrzahl der Studierenden.
Auch viele Eltern nehmen nicht geringe Opfer für die akademische,
Ausbildung ihrer Kinder bereits jetzt auf sich, jedenfalls bedeutend mehr
als die Familienbeihilfe beträgt. Es sind in erster Linie diese jungen
Intellektuellen, die mit ihren konkreten Leben reflektiert und kritisch
das Bewusstsein von den Gefahren von "McGesellschaft" und "Wohlstandsverwahrlosung"
wach halten.
Diese Bedeutung des Studierens für die Gesellschaft ist unabhängig
vom Alter und gilt für jede Lebensphase. Dies beweist die Gruppe der
engagierten Seniorenstudierenden, von denen nicht wenige bereit wären,
entsprechend ihren Möglichkeiten einen freiwilligen Solidaritätsbeitrag
für die Gemeinschaft der Studierenden und zum Wohl ihrer Universität
zu leisten.
Der Vertreter der Industriellenvereinigung möchte diese Hinweise
auf das Studieren als Wert für die Gesellschaft jedoch nicht als Aufruf
zur Beliebigkeit verstanden wissen.
Schluss
Das Expertenteam hält deshalb die Vorgangsweise der Bundesregierung
und den Inhalt der geplanten Maßnahmen für verfehlt und ist
davon überzeugt, dass dem österreichischen Bildungssystem dadurch
nachhaltiger Schaden zugefügt wird. Das Expertenteam möchte mit
seinem Positionspapier dazu beitragen, die Diskussion um eine umfassende
Reform des Hochschulsystems in Österreich in Gang zu bringen, in der
nicht nur Einzelaspekte beachtet werden.
6.10.2000
Dieses Positionspapier berücksichtigt folgende Literatur:
-
Wilfried Grossmann, Marcus Hudec, Roland Kurzawa: Ergebnisse der empirischen
Studie "Gründe und Ursachen für die langen Studienzeiten in Österreich",
Endbericht, Institut für Statistik, Operation Research und Computerverfahren
der Universität Wien (isoc), Juli 1999
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Richard Sturn, Gerhard Wohlfahrt: Der gebührenfreie Hochschulzugang
und seine Alternativen, Bd, 146 der Juristischen Schriftenreihe, Wien:
Verlag Österreich, 1999
-
Alexander Marinovic, Angela Wrobleski, Martin Unger, Eva Schmutzer-Hollensteiner:
Materialien zur sozialen Lage der Studierenden, Studie des bm:wv und des
Instituts für Höhere Studien (IHS), Wien 1999
-
Sozioökonomische Lage der Studierenden und die Auswirkungen staatlicher
Sparmaßnahmen in Österreich, Ergebnisse einer repräsentativen
empirischen Erhebung im Sommersemester 98, durchgeführt im Auftrag
der Österreichischen Hochschülerschaft vom Institut für
Angewandte Soziologie (IAS), Wien
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Universitäten. Politik & Finanzierung. Ein Beitrag der IV zur
universitätspolitischen Diskus-sion, Broschüre der Österreichischen
Industriellenvereinigung, Wien 1998
-
Hans Pechar, Christian Keber: Abschied vom Nulltarif Argumente für
sozialverträgliche Studiengebühren, Wien: passagen Verlag (Reihe
Wissenschaft und Bildung), 1996
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