Sebastian Berka
Vorsitzender der Hochschülerschaft der Karl Franzens- Universität Graz

Interview
 
KORSO: Landeshauptmann Waltraud Klasnic hat bezüglich einer „steirischen Lösung“ für die Studiengebühren eine eigene Expertenrunde ins Leben gerufen. Neben Vertretern der Wirtschaft, der Rektoren, der Fachhochschulen sind unter den Studierendenvertretern auch Sie. Welchem Auftrag hat nun diese Runde?
Berka: Diese Expertenrunde ist am Freitag, den 29. September 2000 zum ersten Mal zusammengetroffen. Einige Personen, wie die Rektoren Zechlin oder Kolleritsch waren zwar nicht persönlich anwesend, haben aber ihre schriftlichen Statements eingebracht. Der Auftrag lautet: attraktive Alternativmodelle zu erarbeiten im Zusammenhang mit der beschlossenen Einführung von Studiengebühren. Der Bericht der Expertenrunde soll noch vor der Landtagswahl am 15. Oktober fertig gestellt sein.

KORSO: Aber LH Klasnic ist doch nicht prinzipiell gegen die Einführung von Studiengebühren. Ist dann auch die ÖH dafür, wenn es attraktive Alternativmodelle gibt?
Berka: Wir diskutieren nicht über „soziale Abfederung“ oder die Einführung von Studiengebühren. Wir diskutieren über alternative Modelle für die Gestaltung der Universitäten und des Studiums. 

KORSO: Gibt es bereits erste Ergebnisse dieser Expertenrunde?
Berka: Ich kann nur sagen, dass in der Gruppe ein gutes Gesprächsklima geherrscht hat. Es ist einiges vorgebracht worden, auch gegen die Einführung von Studiengebühren. Ansonsten wollen wir vor Ende unserer Arbeit keine Details öffentlich machen.

KORSO: Die ÖVP vergleicht das Ausmass der Studiengebühr mit der Höhe für eine Pauschalreise nach Tunesien ...
Berka: ... das ist eine blödsinnige Aussage. Das Studieren in Österreich wird den StudentInnen bereits heute nicht leicht gemacht. Es stimmt ja nicht, dass das Studieren kostenlos ist. Gerade für jene, die fern ab ihres Heimatortes studieren entstehen enorme Kosten. Studierende sind im Gegenteil bereit, Teile ihres Lebens in einer sozial und finanziell schwächer gestellten Position zu verbringen.

KORSO: Für den steirischen Klubobmann Peinhaupt stellt die Einführung von Studiengebühren eine soziale Gerechtigkeit dar, da er nicht versteht, wie der Großteil der nicht akademisch gebildeten Bevölkerung mit ihren Steuergeldern eine privilegierte Schicht unterstützen solle.
Berka: Dazu kann ich nur sagen, dass jeder Studierende billiger ist als ein/e MittelschülerIn und dass solche Gedanken nur zum sozialen Ausschluss der Studierenden führen sollen.

KORSO: Im Sommer wurden Zahlen publik, nachdem in Graz mehr als die Hälfte der Studierenden keine Prüfungen abgelegt hätte. 
Berka: Das wäre tatsächlich eine sehr hohe Zahl, wenn sie stimmen würde. Sie ist jedoch falsch. 

KORSO: Die ÖVP operiert jetzt mit diesen Zahlen und meint, dass diese „Scheininskribienten“ Unsummen kosten würden.
Berka: Studierende, die keine Prüfungen ablegen, kosten pro Semester gerade mal den Massenposttarif  für die Versendung der Inskriptionsbestätigung. Der Verwaltungsaufwand dabei ist gering, da das meiste bereits automationsunterstützt erfolgt. Es ist lediglich ein Zeichen für die fehlende Argumentationsgrundlage der Bundesregierung zur Einführung von Studiengebühren, dass sie mit solchen falschen Zahlen und fadenscheinigen Argumenten operiert.

KORSO: Wie ist die Situation an den Universitäten? Wenn nur jene 43% der Studierenden, die angeblich Prüfungen ablegen, diese von innen sehen, müsste es doch ausreichend Ressourcen bezüglich Raum und Lehrenden geben?
Berka: Nein, es gibt genügend Beispiele von Studienrichtungen, wie etwa Psychologie oder Jus, wo Studierende aufgrund des Platzmangels Wartezeiten in Kauf nehmen müssen und sich dadurch ihre Studienzeit verlängert.

KORSO: Welche Protestformen wird die ÖH in Zukunft wählen, um die Einführung der Studiengebühren doch noch zu verhindern?
Berka: Wir werden weiterhin auf die Straße gehen und unseren Protest sicher nicht einstellen. Der Unmut unter den Studierenden ist riesig groß. Außerdem gibt es große Unterstützung durch die Lehrenden an der Universität, von welchen sich bereits mehrere gegen die Einführung von Studiengebühren (zumindest in dieser Form) durch Kollegiumsbeschlüsse ausgesprochen haben.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Bundesregierung den Unmut auch selbst in dieser Form hervorgerufen hat. Es wäre sicher einfacher gegangen, wenn sie es besser vorbereitet hat. Aber die nunmehrige Vorgangsweise der Bundesregierung ist gänzlich ungeplant und patschert.

KORSO: Ist auch an ein Vorlesungsstreik oder Ähnliches gedacht?
Berka: Nein, ich halte solche Maßnahmen nicht für zielführend. Denn wir wollen Studierende nicht vom Studium abhalten, wenn die Bundesregierung für dieses Gebühren einheben will.

KORSO: Glauben Sie daran, dass die Studiengebühren noch zu verhindern sind?
Berka: Ich glaube, dass es dafür noch eine durchaus realistische, wenn auch kleine Chance gibt. Die Bundesregierung ist über fast alle Interessensgruppen drüber gefahren. Aber man sieht, dass die geschnürten Maßnahmenpakete doch wieder geöffnet und entschärft werden können. Siehe Stiftungen oder Saisonarbeiterregelung (wo auch aufgrund des Einsatzes eines Landeshauptmanns Änderungen überlegt werden). 
Die Bundesregierung täte gut daran, sich auch bei den Studierenden ihre Maßnahmen nochmals zu überlegen, denn hier wird der Protest auch in Zukunft sehr stark und laut sein.

KORSO: Wir danken für das Gespräch. 
 

 
 
 
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