11 / 2000
  „Hoppauf Hakoah“: 2:0 gegen Sturm Graz
 
Anlässlich der Rückgabe der Grazer Synagoge an die Kultusgemeinde bringt KORSO Impressionen zum jüdischen Leben in Graz, verfasst vom Grazer Historiker Heimo Halbrainer. In der Oktoberausgabe haben wir das Schicksal des Pförtners Adolf Stengl beleuchtet, der die Welt über die Schrecken des Grazer Pogroms informieren wollte und dafür zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde; in der vorliegenden Ausgabe geht’s um den Lokalrivalen von GAK und Sturm Graz, die jüdische Hakoah, die dem heutigen zweifachen österreichischen Meister in der Saison 28/29 einmal beide Punkte abtrotzte.

Als im März 1938 die Nationalsozialisten mit der Zerstörung der Grazer jüdischen Gemeinde begannen und in der Folge alle jüdischen Vereine auflösten, war dies auch das Ende des Sportklubs Hakoah. Mit der Verfolgung, der Vertreibung und Ermordung ihrer Mitglieder endete eine Tradition des jüdischen Sportes in Graz, die 1904 mit der Gründung des Jüdischen Turnvereins Makkabi Graz durch dreißig jüdische Turner begonnen hatte. Aus diesem war in Graz im März 1919 der Allroundsportklub Hakoah, die Kraft, wie die wörtliche Übersetzung aus dem Hebräischen lautet, hervorgegangen. In Wien gehörte die dortige bereits Jahre früher gegründete Hakoah zu den bekanntesten Sportteams Österreichs; die Fußballer von Hakoah Wien wurden 1925 österreichischer Meister. 

Die Gründung eines jüdischen Turnvereins zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist auf den damals allgemein feststellbaren wachsenden Drang nach sportlicher Betätigung, vor allem aber auch auf das wachsende jüdisch-nationale Selbstbewusstsein und das Anwachsen des Antisemitismus zurückzuführen.
Organisierte sportliche Betätigung war zu dieser Zeit noch weit gehend unbekannt und lediglich die Deutsche Turnerschaft bot die Möglichkeit zu gemeinsamen sportlichen Aktivitäten. Für Juden war es unmöglich, in dieser überwiegend deutschnational bis völkisch, antidemokratisch und antisemitisch orientierten Organisation, die zudem auch bald per Statut den „Arierparagraphen“ einführte, mitzuturnen. So kam es 1897 in Wien zur Gründung des „Ersten Wiener jüdischen Turnvereins“, dem sieben Jahre später der Grazer folgen sollte.

Eine jüdisch-nationale Sammlungsbewegung
Als im März 1919 die Grazer Hakoah gegründet und in verschiedene Sektionen (Schwimmen, Fechten, Leichtathletik, Handball, Schach und Fußball) unterteilt wurde, hieß dies einerseits Sammlung aller jüdischen Sportler, denen die Aktivität in anderen Vereinen durch versteckten oder offenen Antisemitismus unmöglich war. Andererseits sollte durch die Schulung bzw. Stählung der Körper die Wehrfähigkeit und das Nationalbewusstsein der Juden gefördert und damit der Öffentlichkeit – der jüdischen wie nichtjüdischen bzw. antisemitischen – gezeigt werden, dass Juden in der Körperkraft und in der Fähigkeit zum allseitig gebildeten Menschen anderen Teilen der Bevölkerung nicht nachstehen. Auf dieser Basis entwickelte sich die Hakoah Graz innerhalb von zwei Jahren zu einem Klub mit rund 500 Mitgliedern, wobei die Fußballsektion die größte war.

Sportliche Erfolge gegen die Deutschnationalen
Die Fußballer von Hakoah Graz hatten neben dem massiven Antisemitismus anfangs auch mit Platzschwierigkeiten zu kämpfen, da die anderen Klubs sich weigerten, sie auf ihren Plätzen spielen zu lassen. Als schließlich in der Engelgasse ein eigener Platz gemietet werden konnte und die Spieler, die zwischenzeitlich zum sozialdemokratischen VAS abgewandert waren, wieder zur Hakoah zurückkehrten, ging es mit ihr steil berauf bis in die oberste Grazer und später steirische Liga, wo man u.a. den Teams von GAK bzw. Sturm Graz gegenüberstand.
Neben den Ligaspielen – damals gab es noch keinen Europacup – unternahm die Hakoah ausgedehnte Auslandsturnierfahrten nach Polen, Jugoslawien oder Griechenland, wo so manches Team besiegt werden konnte. 
 

Die Grazer Hakoah ging aus dem Turnverein Makkabi hervor, der 1913
immerhin 122 aktive Mitglieder in 8 altersmäßig und nach Geschlechtern getrennten Abteilungen umfasste.

Während man in Graz die Mannschaften von „Germania“ (nur in Freundschaftsspielen) bzw. „Ostmark“ regelmäßig mit Ergebnissen wie beim Kegeln deklassierte, waren die Teams von GAK und Sturm Graz zumeist eine Nummer zu groß. Zwar gelang es der Hakoah im Juli 1929 dem Meister GAK im Kampf um den Brücklmeier-Pokal eine 3:2 Niederlage zuzufügen und der Sturmmannschaft ein Unentschieden abzuringen, doch in der Meisterschaft hatte man regelmäßig das Nachsehen. Daher bedeutete der 2:0-Sieg in der dritten Runde der Saison 1928/29 über Sturm Graz den ganz großen Triumph, wie auch aus der Berichterstattung der „Grazer Sport-Zeitung“ hervorgeht: „Eine sensationelle Überraschung in der Meisterschaft, da es der Hakoah gelang, Sturm beide Punkte abzunehmen. Die ungekünstelte und vor allem schnelle Spielweise der Blau-Weißen trug ihnen den wertvollen Sieg ein.“ 
Es sollte für Sturm – den Herbstmeister dieser Saison – die einzige Niederlage sein; für die Hakoah bedeutete dies Platz drei in der Herbsttabelle. Ein Platz besser als am Ende der Meisterschaft. 

Durch den Antisemitismus in den Untergang getrieben
Bald danach sollte es mit der Hakoah aber bergab gehen, was nicht nur daran lag, dass ihr die Pacht für den Fußballplatz 1933 nicht verlängert wurde. War es in den Jahren zuvor schon auf Grund massiver antisemitischer Vorurteile schwierig gewesen, in der steirischen Provinz Mannschaften zu finden, die gegen die jüdische Grazer Mannschaft antreten wollten, so war dies Ende der 20er-Jahre fast unmöglich geworden. Hakoahner, die ins steirische Team berufen wurden, wurden von ihren Mitspielern regelmäßig ignoriert. Die Ab- und Auswanderung führender Fußballer beschleunigten zudem den Abstieg der Hakoah. Unter dem immer stärker werdenden Antisemitismus hatten aber nicht nur die Fußballer zu leiden, sondern auch die Handball- und Schachsektion – immerhin 1933 steirischer Meister.

Das endgültige Aus für den jüdischen Sportklub bedeutete allerdings der März 1938. Mit ihm ging in Graz eine über dreißig Jahre dauernde sportliche Alternative zu den politischen Sportklubs zu Ende.

 

 
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