09 / 1999
  Axl Leskoschek
Die Odyssee: Graz - Rio de Janeiro - Wien
   
 
Anlässlich des 110. Geburtstages und in Vorschau auf die im Herbst 2000 in der Neuen Galerie Graz zu sehenden Ausstellung: "Verfolgung, Widerstand und Exil steirischer Künstlerinnen und Künstler" präsentieren Ihnen KORSO und der Verein CLIO hier nach Herbert Eichholzer und Hubert Hoffmann diesmal einen der bedeutendsten Verfertiger von Holzschnitten und -stichen den Mitbegründer der Sezession Graz, Axl Leskoschek.



Ich habe von Ihrem Wunsch gehört, im Sommer Wien zu besuchen und lade Sie als Stadtrat für Kultur und Volksbildung der Stadt Wien recht herzlich ein, Ihr Vorhaben durchzuführen. Sie und Ihre Kunst haben in Wien und Österreich so viele Freunde, daß Sie mit einer herzlichen Aufnahme in Ihrer Heimat rechnen können. Wir haben Ihren Aufenthalt in Wien auch schon in bescheidenem Maße vorbereitet, indem wir an zwei Stellen der Wiener Volksbildung Ihre Holzschnitte ausgestellt haben und nun in der graphischen Sammlung Albertina eine kleine Schau vorbereiten. Ich hoffe Sie bald in Wien begrüßen zu dürfen und verbleibe mit den besten Grüßen Ihr Stadtrat Viktor Matejka."
Der legendäre Wiener Stadtrat Viktor Matejka war 1948 einer der wenigen Offiziellen in Österreich, der sich um die Rückkehr des im brasilianischen Exil befindlichen Axl Leskoschek bemühte.

Axl Leskoschek (eigentlich Albert von Leskoschek) wurde am 3. September 1889 als Sohn eines Feldmarschallleutnants in Graz geboren. Nach dem Jusstudium war er Fliegerleutnant im Ersten Weltkrieg, aus dem er schwer verwundet zurückkehrte. Durch dieses einschneidende Kriegserlebnis verzichtete er in der Folge auf eine Justizkarriere und begann statt dessen an der Landeskunstschule Graz bei Alfred Schrötter zu studieren. Zwischen 1921 und 1923 setzte er bei Cossmann in Wien an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt sein Studium fort. Gleichzeitig begeisterte Leskoschek sich für die politischen Umwälzungen, die 1917 in Russland ihren Ausgang genommen hatten, und wurde Sozialist. Für die sozialdemokratische Tageszeitung "Arbeiterwille" wirkte er bis 1934 als Kulturredakteur. Bereits 1920 entstand das erste von Axl Leskoschek mit Holzschnitten illustrierte Buch, dem bis zu seinem Tod über 50 weitere Bücher folgen sollten. Die künstlerische Spannweite reichte von Andersens Märchen und Geschichten und den mittelalterlichen Märchen und Legenden aus den Gesta Romanorum über E.T.A. Hoffmann, Christoffel von Grimmelshausen, Heinrich von Kleist, Johann Nestroy, Peter Rosegger und Anzengruber bis zu Illustrationen zu Romanen der Weltliteratur in der Wiener Volksstimme - Victor Hugo, Henry Fielding, Daniel Defoe und Robert Louis Stevenson. Seine Visualisierungen des geschriebenen Wortes begründete auch den Ruf einer der ganz Großen der "Kleinkunst" - der kleinen Holzschnitte und Stiche - dieses Jahrhunderts zu sein. In Brasilien, wohin er 1940 vor den Nationalsozialisten geflohen war, zählt er - der dort neben zeitgenössischen brasilianischen Autoren auch die brasilianische Werkausgabe von Dostojewski und Ulrich Bechers Versbuch Brasilianischer Romanzero illustriert hatte - zu den bedeutendsten Holzschnitzern des Jahrhunderts, was auch durch mehrere Ausstellungen in Rio de Janeiro dokumentiert wurde.

Axl Leskoschek gehörte in Graz zu den Gründern des Werkbunds "Freiland" (1919) und der Sezession (1923), den für das steirische Kunstleben bestimmenden Vereinigungen der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Mit Holzschnitten - so seinen Faust-Illustrationen - und expressionistischen Bildern trat er innerhalb der Sezession von Beginn an in Erscheinung und konnte erste Preise gewinnen. Leskoschek war aber nicht nur als Holzstecher und Schnitzer in all den Jahren tätig, sondern wirkte unter anderem auch zwischen 1928 und 1931 als Bühnenbildner am Stadttheater in Augsburg. Für sein graphisches Werk erhielt er 1925 den Österreichischen Staatspreis. Leskoschek hatte sich daneben aber auch sehr stark innerhalb der Sozialdemokratie engagiert. So nahm er im Februar 1934 an den Kämpfen in Graz teil, was zur Folge hatte, dass er mehrere Monate in Haft war. Wegen des Verdachtes der illegalen politischen Betätigung im Rahmen der Kommunistischen Partei, der er nach den Kämpfen beigetreten war, wurde er 1935 erneut angehalten, konnte aber untertauchen und lebte fortan unter falschem Namen in der CSR und in Wien. 1936 wurde er enttarnt, verhaftet und im Anhaltelager Wöllersdorf interniert, wo eine Reihe von Arbeiten auf grobem Packpapier entstanden. Um seine Freilassung bemühten sich damals unter anderem Franz Theodor Csokor und die Labourparty, die anlässlich des Englandaufenthalts des österreichischen Staatssekretärs für Auswärtige Angelegenheiten diesem eine Liste politischer Häftlinge mit der Bitte um Amnestie überreichte.

In der Folge (1937/38) war er gemeinsam mit Herbert Eichholzer und dem ehemaligen stellvertretenden Redakteur des "Arbeiterwillen", Dr. Kurt Neumann, auch im Rahmen der "Grazer-Gruppe" am Entstehen der ersten und einzigen Nummer der Avantgarde-Zeitschrift Österreichs "Der Plan" führend beteiligt. Die politischen Ereignisse - der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich und die damit verbundenen Verfolgungen österreichischer Antifaschisten - ließen ein weiteres Erscheinen der Zeitschrift nicht mehr zu: Axl Leskoschek und Herbert Eichholzer flohen zudem gemeinsam am 12. März 1938 aus Österreich. Während Herbert Eichholzer vorerst nach Paris ins Exil ging, floh Leskoschek in die Schweiz, wo er mit einer Holzschnittserie begann, die er erst im Jahre 1959 abschließen sollte und die die illustrierte Geschichte seines Lebens darstellt: die Odyssee. Denn die Schweiz war nur die erste Station auf seiner Flucht. Wegen antinationalsozialistischer Tätigkeit verhaftet wurde Leskoschek 1940 aus der Schweiz auf Lebzeiten ausgewiesen. Es gelang ihm über eine kirchliche Hilfsorganisation gemeinsam mit seiner Frau, die er in der Schweiz kennengelernt hatte, weiter nach Brasilien zu fliehen, wo er im Jänner 1941 ankam und bis August 1948 bleiben sollte.
In Brasilien entstand eine Reihe von Ölbildern, Aquarellen, Linol- und Holzschnitten, Pochoirs, Lithographien und Radierungen, die voll vom Zauber und der Exotik der Menschen und der Landschaft Brasiliens sind. Daneben unterrichtete Leskoschek an der Akademie der Bildenden Künste in Rio de Janeiro Holzschnitt und Komposition und wurde so zum Lehrer einen ganzen Generation brasilianischer Künstler. Die Bildhauerin Edith Behring meint etwa:
"Seine kulturelle Bildung und außerordentlichen menschlichen Fähigkeiten haben dem künstlerischen Milieu Rios einen starken Anstoß gegeben, einem Milieu, das damals noch wesentlich kleinstädtischer war. Sein Beispiel als Fachmann sowie die Genauigkeit seiner Lehre beeinflussten sichtlich die Grundausbildung mancher unserer Künstler." Sein Ruf wurde zudem durch seine über 200 Illustrationen zu den Büchern Dostojewski begründet. Auch schuf Leskoschek in Brasilien die besten Holzstiche zu seinem graphischen Hauptwerk, dem autobiographischen Zyklus Odysseus. Aus seinem Exil war Leskoschek 1948 nach Österreich zurückgekehrt und ihm geht es wie dem griechischen Helden, der nach vielen Jahren zurückkehrte und von niemanden erkannt wird außer von seinem Hund. Das bittere Bild im Odysseus - Zyklus "Bettler vor der eigenen Tür" zeigt dies sehr deutlich. In Wien, wo sich Leskoschek nun wieder niederließ, wirkte er als freischaffender Künstler und Kulturredakteur. Viele Illustrationen in Zeitschriften, Zeitungen und Büchern folgten in den kommenden Jahren. So schloss er unter anderem 1959 auch den bereits 20 Jahre zuvor begonnenen Zyklus der Odyssee ab.
Das zweite graphische Hauptwerk (1961-1964), der Kainzyklus - ein elf Farblinolschnitte umfassendes Mappenwerk, hat wie bereits in der Odyssee nicht die historische Figur im Zentrum, sondern den Menschen in seiner Zeit, der kein Mittel unversucht lässt, das Böse in der Welt weiterleben zu lassen und sich dadurch immer mehr selbst in den Abgrund drängt.

Axl Leskoschek wurde nach seiner Rückkehr nach Österreich nicht wirklich heimgeholt und sein Exil setzte erst jetzt richtig ein. Kurz vor seinem Tod 1976 meinte er in einem Rückblick, es sei der größte Fehler seines Lebens gewesen, Brasilien zu verlassen, wo er so viele Freunde und Schüler hatte, um in sein Land zurückzukehren und dort weiterhin unbekannt, fast anonym zu bleiben.
Denn während er in Brasilien bereits in den Vierzigerjahren durch Ausstellungen entsprechend gewürdigt wurde, kam es erst 1971 bzw. 1974 in Graz und Wien zu größeren Ausstellungen, um ihn gleich darauf wieder zu vergessen. Eine zu seinem 100. Geburtstag 1989 geplante Ausstellung wurde unter dem Vorwand des Geldmangels wieder abgesagt.


Virtuelle Austellung Axl Leskoschek (1889 - 1976)

   
   
   


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