korso Wissenschaft & Forschung
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
09/2004
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    Mehr Geld für steirische Forschung


Mit einer Forschungsquote von 2,27% liegt Österreich deutlich über dem EU-Durchschnitt von 1,9%, erklärte Forschungsstaatssekretär Eduard Mainoni bei seinem Antrittsbesuch in der Steiermark. Diese beachtliche Steigerung der F&E-Ausgaben konnte nur durch gemeinsame Anstrengungen erreicht werden, denn die Erhöhung vollzog sich bei den öffentlichen, den privaten, aber auch bei den auslandsfinanzierten F&E-Ausgaben. Angesichts der jüngsten Daten erscheint die Erreichung der angestrebten 2,5% F&E-Quote bis 2006 bzw. das 3%-Ziel bis zum Jahr 2010 realistisch und möglich. Dazu bedarf es jedoch einer Verstärkung des finanziellen Engagements der Wirtschaft und der öffentlichen Hand und des Ausbaues von vorhandenen und offenkundigen Stärken. Im Zusammenwirken Bund/Bundesländer versprach Mainoni mehr Kooperation und Abstimmung. Forschung sei ein wesentlicher Schwerpunkt der Bundesregierung, deshalb werde hier in Zukunft mehr Geld eingesetzt. Auch die Basisfinanzierung der steirischen Forschungsgesellschaft JOANNEUM RESEARCH werde erhöht werden. Künftig wird es Leistungsverträge zwischen Forschungsinstitutionen und Ministerium geben. Mainoni strebt an, dass die Finanzierung der Forschung mittelfristig geregelt wird.

Auf stärkere Vernetzung zwischen Bund und Land setzen Forschungsstaatssekretär Mag. Eduard Mainoni, Landeshauptmann-Stv. DI Leopold Schöggl und JR-Geschäftsführer Dr. Bernhard Pelzl

Im Bereich der Forschung ist ja die Steiermark sehr gut unterwegs, was z.B. sechs vom Technologieministerium genehmigte Kompetenzzentren zeigen. Für diese wurde eine Weiterfinanzierung bis zum Jahr 2010 zugesichert. Neu ist ein Wasserstoff-/Brennzellen-Schwerpunkt, an dem sich auch die Steirer beteiligen. Eine Vorreiterrolle hat österreichweit das steirische „Nanonet Styria“, ein Netzwerk zur Nanotechnologie.

Um den Anteil der Forschungsausgaben am BIP zu steigern, müsse mehr Risikokapital für die Forschung aufgetrieben werden; Forschungs-Hauptquartiere ausländischer Firmen sollen nach Österreich gelockt werden. Mainoni hofft, dass bei den Budgetverhandlungen insgesamt überproportional mehr Geld für die Forschung herausspringt.

 

 

 

  Gleichgeschlechtliche Paare: Rechtlose Kinder? Während die steirische ÖVP die Frage der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare offen diskutiert, kommt aus der Wiener Zentrale ein hartes „Njet“. Obwohl je nach Umfrage 56 bis 64% der ÖsterreicherInnen und mehrheitlich auch die schwarze WählerInnenschaft kein Problem mit der Gleichstellung homo- und heterosexueller Partnerschaften haben: Schüssel & Co bleiben auf Crashkurs.


Ob die sehr engagierten steirischen Schwarzen mit Klubobmann Christopher Drexler und Landesgeschäftsführer Andreas Schnider trotzdem am Ball bleiben, wird sich zeigen. Eine Umfrage der ÖVP bei über 400 SteirerInnen gibt ihnen jedenfalls Recht: 25,5% haben in ihrem Bekanntenkreis homosexuelle Männer oder Frauen und „allgemein herrscht eine hohe Zustimmung zur rechtlichen Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe“.

Knackpunkt Adoption
Nur in einem Rechtsbereich dominiert die Ablehnung klar. Je nach Umfrage sind 54 bis 57% der ÖsterreicherInnen gegen das Adoptionsrecht für homosexuelle Partnerschaften. Was Heinz Schubert, Vorsitzenden der „Rosalila PantherInnen“, nicht verwundert: „Über diesen Rechtsbereich gibt es bisher kaum öffentliche Auseinandersetzung. Der Bevölkerung ist nicht bewusst, dass es dabei in erster Linie um die rechtliche Absicherung der vielen Kinder geht, die bereits jetzt in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften aufwachsen.“ Dass hier differenziert werden muss, zeigt auch die Umfrage der steirischen ÖVP: Knapp die Hälfte der SteirerInnen stimmt einer Adoption zu, wenn der sorgeberechtigte Elternteil stirbt und sein/ihr Partner/in das Kind aufnimmt. Eine Adoption von fremden Kindern durch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften wird von 22% bzw. 31% der SteirerInnen befürwortet, wobei für eine Adoption durch eine Lebensgemeinschaft von zwei Frauen die höhere Akzeptanz besteht.

Wo kommen denn die Kinder her?
„Tatsache ist, dass wesentlich mehr schwule und vor allem lesbische Paare Kinder haben, als man annimmt“, konstatiert PantherInnen-Sprecher Heinz Schubert. Einerseits Kinder aus früheren heterosexuellen Beziehungen („Die Erkenntnis, schwul oder lesbisch zu sein, kann auch mit 30, 40 Jahren kommen!“), andererseits durch Verwirklichung eines Kinderwunsches („ÖVP hin oder her, wenn ein lesbisches Paar wirklich ein Kind will, dann wird es auch eines bekommen.“)

Dass dies keineswegs leere Vermutungen sind, belegen zahlreiche amtliche Statistiken: der deutsche und niederländische Mikrozensus, die Familienstatistiken der skandinavischen Länder, in denen es für Lesben und Schwule die Möglichkeit der „Eingetragenen Partnerschaft“ gibt oder die Volkszählungen der USA. Ergebnis: in Europa haben 9 bis 14% der gleichgeschlechtlichen Paare Kinder, wobei dieser Anteil bei lesbischen Paaren wesentlich höher ist (Niederlande: 18%). Der Statistiker Bernd Eggen konstatiert für Deutschland: „In jeder achten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben Kinder, in jeder zehnten minderjährige Kinder.“

Dieser Befund hat auch einige europäische Staaten veranlasst, auch gleichgeschlechtlichen Paaren zumindest die „Stiefkindadoption“, also die Adoption des leiblichen Kindes der Partnerin oder des Partners, zu ermöglichen: Dänemark, Island, Norwegen und Finnland. Ohne diese Einschränkung ist die gemeinsame Adoption für gleichgeschlechtliche Paare in Schweden, in den Niederlanden, in der spanischen Provinz Navarra und in England & Wales möglich.

Wohl des Kindes
Dass sich die Diskussion über diese Fragen gerade in der „Familienpartei“ ÖVP lohnen würde, liegt auf der Hand. Denn mit dem Adoptionsverbot werden die Rechte des Kindes beschnitten. Einerseits, weil diesen Kindern dadurch Pflichtteilserbanspruch und Unterhaltsverpflichtung durch die „Stiefmutter“ oder den „Stiefvater“ verwehrt wird. Andererseits, weil eine Adoption in solchen Fällen wohl fast immer zum Wohl des Kindes wäre, jedoch gesetzlich ausgeschlossen ist. Die Regenbogenfamilien werden, wenn es nach der ÖVP und ihrem, laut Andreas Schnider in den 50er Jahren stecken gebliebenen Familienbild, geht, auch weiter rechtlos bleiben. Lesben und Schwule müssen politisch auf bessere Zeiten warten.

– Hans-Peter Weingand –

 

 

Sieg der Liebe
Foto: Thomas Koller


Sieg der Liebe Silvia (42) und Gerlinde (35) bauen gerade gemeinsam ein Haus und sind glücklich: „Wir kommen gerade von einem tollen Straßenfest! Es ist schon schön, wenn man so liebe, hilfsbereite und freundliche Nachbarn hat.“ Das Frauenpaar aus Deutschfeistritz hat vor vier Jahren seine Liebe füreinander entdeckt; und ihre Söhne Hans-Jürgen (14) und Marco (16) begreifen sich längst als Brüder. Am Anfang mussten die Jungs in der Schule den MitschülerInnen klarmachen, dass sie zwei Mamis haben. Hans-Jürgen stand aber von Anfang an zu seiner Familie. Mit Aussagen wie „das geht euch nichts an, ich habe moderne Eltern“ hat er sich den nötigen Respekt verschafft. Und schon bald gingen die SchulkollegInnen im Haus der beiden Frauen ein und aus. Und das funktioniert wahrscheinlich eben gerade deshalb so gut, weil Silvia und Gerlinde auch in der Öffentlichkeit zu ihren Gefühlen stehen und jedeR von der „etwas anderen Familie“ weiß. Die beiden Frauen und ihre Söhne – eine der vielen hundert Regenbogenfamilien, die es in Österreich gibt. Niemand würde ihnen in der kleinen steirischen Ortschaft absprechen, eine Familie zu sein. Auch einen gemeinsamen Kredit für den Hausbau aufzunehmen war kein Problem. Für den Staat werden die beiden Frauen jedoch so gesehen, als ob sie zueinander völlig fremde Personen wären.

 

 

  Erlitz: „Gesundheitsbudget muss demografischer Entwicklung angepasst werden“ In der Steiermark wird in den nächsten 20 Jahren die Zahl der über 60-Jährigen von rund einer Viertelmillion auf etwa 340.000 ansteigen. Da im letzten Lebensdrittel eines Menschen zwei Drittel von dessen Bedarf an Gesundheitsversorgung zu tragen kommen, steigt der Bedarf an medizinischer Versorgung mit dem Älterwerden der Bevölkerung.


„Dass wir heute durchschnittlich wesentlich älter werden als unsere Großeltern und das mit Hilfe der besseren medizinischen Versorgung auch noch mit Lebensfreude, ist ganz sicher eine der wesentlichsten Errungenschaften unserer Zivilisation“, betont der steirische Gesundheitslandesrat Wolfgang Erlitz. Und er belegt dies am Beispiel der orthopädischen Versorgung. Eine Studie der Orthopädischen Gesellschaft zeigt, dass das Durchschnittsalter der PatientInnen bei Fuß-, Bein- und Knieoperationen derzeit bei 54 Jahren liegt. Das Durchschnittsalter der PatientInnen, denen künstliche Knie- und Hüftgelenke eingesetzt werden, beträgt 69 Jahre. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass die Steiermark nur über 16 niedergelassene Orthopäden mit Kassenvertrag verfügt. Das ÖBIG gibt den aktuellen Bedarf für die Steiermark mit 29 niedergelassenen Orthopäden an; bis 2021 wird dieser auf 63 steigen. Denselben Berechnungen zu Folge steigt der Bedarf an orthopädischen Betten in den steirischen Spitälern bis 2011 auf 316, der derzeitige Stand ist 275.

LR Wolfgang Erlitz: Steigende Anforderungen ans Gesundheitswesen müssen auch budgetär abgedeckt werden

Darüber hinaus werden zusätzliche Betten in Remobilisationsstationen benötigt werden – und mehr Personal. Die Anforderungen an das steirische Gesundheitswesen, das eines der besten und effizientesten der Welt sei (Erlitz), werden kontinuierlich steigen. Es müsse mehr in die Vorsorge investiert werden, um den Reparaturbedarf so gering wie möglich zu halten. „Wir dürfen uns nicht vom Solidaritätsgedanken entfernen“, der Mensch und nicht die Ökonomie müssten im Mittelpunkt stehen. Bleibt noch offen, ob sich Finanzlandesrätin Kristina Edlinger-Ploder diesen Argumenten anschließt: Um dem steigenden Bedarf an medizinischen Leistungen gerecht werden zu können, müsse das Gesundheitsbudget des Landes 2005 um 6% steigen, fordert Erlitz.

– Doris Schmid –

 

 

Volkshilfe füllt Marktlücke: Magazin für pflegende Angehörige


Rund 70% aller zu pflegenden alten Menschen werden von ihren Angehörigen betreut. Das neue „Österreichmagazin für pflegende Angehörige“ der Volkshilfe Steiermark liefert nun sachgerechte und kompetente Pflegeinfos. Darüber hinaus soll die überaus belastende Arbeit der „PrivatpflegerInnen“ künftig mehr Anerkennung und Unterstützung erfahren.

Ferner (links), Gross (rechts) präsentieren das neue Magazin zur Unterstützung pflegender Angehöriger

Pflegepartner ernst nehmen
Mit Abstand der größte steirische Pflegedienst sind die pflegenden Angehörigen, im Besonderen Frauen. Die Volkshilfe Steiermark hat den derzeitigen Informationsnachholbedarf pflegender Angehöriger erkannt und mit dem in ganz Österreich einzigartigen Magazin für pflegende Angehörige eine Marktlücke entdeckt. „Wir wollen damit Angehörige in ihrer wichtigen Arbeit unterstützen“, so Franz Ferner, Geschäftsführer der Volkshilfe, „vor allem im Bereich der mobilen Dienste sind Angehörige als „Pflegepartner-Innen“ ernst zu nehmen, ihre Kompetenzen und Erfahrungen zu akzeptieren und aktiv in den Pflege- und Betreuungsprozess einzubinden.“ Über Arztpraxen, Verteiler in Krankenanstalten, aber auch persönliche Übergabe der MitarbeiterInnen der mobilen Dienste wurden die ersten 24.000 Stück bereits verteilt. Das von der Grazer Firma RoRo & Zec gestaltete Magazin wurde ohne öffentliche Förderungen finanziert und soll künftig mindestens vierteljährlich erscheinen.

Lobby für pflegende Angehörige
Themenvielfalt ist garantiert: Demenzerkrankung, Inkontinenz, Fragen der Pflegehilfsmittel sollen u.a. Schwerpunkte der nächsten Ausgaben sein. Die ehrenamtliche Vorsitzende der Volkshilfe LAbg. Barbara Gross betont, wie wichtig es sei, pflegende Angehörige zu stärken und ihnen ein Sprachrohr zu geben. „Das Magazin für pflegende Angehörige ist ein Zeichen für deren Wertigkeit“, unterstreicht Gross.

– Claudia Windisch –

Interessierte können das Magazin kostenlos bestellen: T 0316/ 8960 | office@stmk.volkshilfe.at

 

 

  Immer mehr Sucht steigernde Zusatzstoffe in Zigaretten


Der Einstieg ins Rauchen verlagert sich immer weiter ins Kinder- und Jugendalter – und schon nach vier Wochen sind die meisten nikotinsüchtig. In Österreich rauchen derzeit 36% aller 15-jährigen Mädchen und 30% der gleichaltrigen Burschen. Über die gefährlichen Sucht verstärkenden Stoffe in den Zigaretten schweigt sich die Tabakindustrie aus. Kinder und Jugendliche werden aufgrund ihres unausgereiften Nervensystems viel schneller nikotinsüchtig als Erwachsene. Zusätzlich beschleunigen und erleichtern verdeckte Zusatzstoffe wie Vanille, Kakao und Menthol den Einstieg in den gesundheitsschädlichen Zigarettenkonsum. Aus der „coolen Sucht“ gelingt kaum jemand der Ausstieg.

Recht auf Information
Die Grazer ÖAAB-Frauenreferentin Dr. Eva Karisch kritisiert, dass die Konsumenten nichts von den Sucht verstärkenden Stoffen in den Zigaretten erfahren. „Der Konsument hat das Recht darüber informiert zu werden“, so Karisch, „mit Hilfe von Zusatzstoffen wie Zucker, Vanille, speziellen Salzen usw. ist bei den Tabakprodukten ein eigener Kinder- und Jugendmarkt erschlossen worden. Österreich rückt, was rauchende Kinder betrifft, immer mehr ins Spitzenfeld!“ NAbg Barbara Riener betont: „Laut Gesetz ist das Rauchen unter 16 Jahren verboten! Aber: Wir gewöhnen uns an „Zustände“ und gehen mit dem Zigarettenkonsum leichtfertig um.“ Karisch erachtet besonders den Zusatz von Menthol als sehr bedenklich, denn nach Auskunft der WHO wird dieser Stoff nicht nur den so genannten Mentholzigaretten, sondern nahezu allen Zigaretten beigemischt. Folge: tiefere Inhalation, vermehrte Rauchaufnahme und erhöhte Suchtgefährdung, denn: „Menthol macht frisch und kühl und maskiert damit die Reizung durch den Zigarettenrauch“, erklärt Karisch.

ÖAAB-Frauen (li) NAbg. Barbara Riener (re) Frauenreferentin Dr. Eva Karisch fordern ein generelles Verbot Sucht verstärkender Zusatzstoffe in Zigaretten

Ohne Zusatzstoffe: Ekelreaktionen garantiert
Ohne den verbesserten Geschmack der Zigaretten durch die diversen Zusatzstoffe würde es bei jungen Menschen beim „Kosten und Probieren“ fast ausschließlich zu Ekelreaktionen und Hustenreiz kommen – der strenge Tabakgeschmack wird jedoch durch die Beimischung der oben genannten Zusatzstoffe inzwischen fast vollkommen neutralisiert. „Die Industrie operiert mit dem „Besser-Schmecken und sichert sich auf diese Weise den Absatzmarkt bei den ganz Jungen“, so Riener. Die Grazer ÖAAB-Frauen fordern deshalb ein generelles Verbot Sucht steigernder Zusatzstoffe in Tabakprodukten und eine verpflichtende Deklaration aller enthaltenen Zusatzstoffe, zudem eine Einschränkung der Tabakwerbung und den Ausbau rauchfreier Zonen in der Gastronomie mit dem Ziel: Rauchen soll unbequem gemacht werden!

– Claudia Windisch –

 

 

  Österreichbilder jugendlicher MigrantInnen Im Auftrag von Bildungslandesrätin Mag. Kristina Edlinger-Ploder eruierte die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Studie die „Österreichbilder“ von steirischen Migrantenjugendlichen. Fazit: Trotz mancher diskriminierender Erfahrungen genießen ÖsterreicherInnen unten den eingewanderten Jugendlichen hohes Ansehen. Angelehnt an die Studie sprach Korso-Redakteurin Claudia Windisch mit zwei türkischen Migranten über ihre „Österreichsicht“.


Der 21-jährige Ramazan aus der Türkei lebt seit 8 Jahren in Österreich, besucht ein Grazer Gymnasium und spricht fließend Deutsch. Obwohl seine Eltern Moslems sind, hat er seine eigene Weltanschauung entwickelt, welche mit den moslemischen Grundsätzen wenig zu tun hat. „Ich bin Atheist“, lächelt der Gymnasiast, der Mädchen ohne Kopftuch schöner findet, und meint: „Wenn schon ein Kopftuch, dann sollten dies muslimische Männer ebenso tragen – gerechterweise!“ Ramazan fühlt sich aufgrund seiner Herkunft absolut nicht diskriminiert, sondern in Österreich „pudelwohl.“

Ömer (links) und Ramazan (rechts): Unterschiedliche Integration bedingt ein unterschiedliches Österreich-Bild

Wie rassistisch ist Österreich?
„Es gibt für mich keinen Rassismus in dem Sinn“, meint der emanzipierte junge Mann, „denn: Wer ist eigentlich rassistisch – die Österreicher? Wenn ich hier als Türke eine österreichische Frau heiraten würde, dann würde ich von der türkischen Gesellschaft ausgestoßen und isoliert werden – das wäre doch auch rassistisch! Jene MigrantInnen, die Rassismus erleben sind meist selber schuld, weil sie sich nicht anpassen. Verkehrsregeln müssen schließlich auch von allen eingehalten werden!“ Der 23jährige Ömer, Student der Technischen Chemie, lebt seit zweieinhalb Jahren in Graz und ist anderer Auffassung: Man ließe ihn hier seine Herkunft spüren, meint er, wobei seine bruchstückhaften Deutschkenntnisse dabei ein große Rolle spielen würden. Das bestätigt auch die Studie „Österreichbilder von steirischen Migrantenjugendlichen“: je schlechter die Deutschkenntnisse desto stärker die Diskriminierungserfahrungen. Von den 318 befragten Migrantenjugendlichen fühlen sich immerhin 16,4% wegen ihrer Abstammung diskriminiert – Jugendliche aus Afrika und weibliche Befragte sind davon besonders stark betroffen.

Maßgeschneiderte MigrantInnen-Projekte
Insgesamt wurden von MitarbeiterInnen der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus 166 männliche und 152 weibliche Migrantenjugendliche ab dem 14. Lebensjahr mittels Fragebögen befragt, davon 47,7% Muslime und 31% Katholiken. Die Studie ist ein Teil des Jugend- und Bildungsprojekts „Interreligiöser Dialog konkret“. Edlinger-Ploder sieht das Neuland des Projekts vor allem darin, auf beteiligungsorientierte Weise die subjektiven Bilder der Lebenssituation von Migrantenjugendlichen in Österreich bzw. in der Steiermark zu gewinnen. „Genau daraus lassen sich punktgenaue integrationsfördernde Maßnahmen und Projekte ableiten, welche zu mehr Wohlbefinden der Betroffenen und zu mehr interkulturellem Verständnis führen können“, so die Bildungslandesrätin. „Projekte, die das Heimatgefühl von jugendlichen MigrantInnen unterstützen, müssen künftig verdichtet angeboten werden“, so Mag. Christian Ehetreiber, ARGE-Obmann, „Diese Forderung geht nicht nur an die NGOs, sondern vor allem an die Politik.“

Ablehnung von Gewalt
Im Rahmen der Studie wurde u. a. der Stellenwert der Religion Umfeld von jugendlichen MigrantInnen in der Steiermark erhoben. Fast die Hälfte der Befragten waren Moslems. Für 76,1% ist Religion wichtig bzw. sehr wichtig, wobei für Muslime und Evangelische Religion signifikant wichtiger ist als für Katholiken. „Religion muss sich weiterentwickeln und mit der Zeit gehen“, meint Ramazan, „Jeder braucht irgendeine Form des Glaubens, aber Religion kann auch zu einer Droge werden und ein Grund für Rassismus sein.“ Die terroristischen Akte vom 11. September 2001 fanden absolut keine Akzeptanz bei jugendlichen MigrantInnen: 94% der Befragten sprachen sich entschieden gegen Selbstmordattentate aus. „Die stärkste Polarisierung findet man in Bezug auf Araber, welche in der „Beliebtheitsskala“ ganz unten oder ganz oben angesiedelt sind“, so Mag. Dr. Heinz Wassermann vom Projektteam. Weiters wurde festgestellt, dass unter den steirischen Migrantenjugendlichen ÖsterreicherInnen die höchsten Popularitätswerte genießen.

Wiener Schnitzel vermittelt „Österreichisches“
So wie Ömer wollen 18% der Migrantenjugendlichen Österreich sicher wieder verlassen, 43,5% möchten gerne in das Heimatland ihrer Eltern zurückkehren – das sind vor allem jene Jugendliche, welche sich selbst primär als Angehörige einer Religionsgemeinschaft oder einer Volksgruppe begreifen. Österreich hat aber auch als „Durchzugsland“ für viele der Befragten sehr schöne und vor allem ganz typische Seiten: Als typisch „steirisch“ empfindet z.B. Ömer die Lederhose und den Dialekt. Laut Studie liegt für die meisten Migrantenjugendlichen das Wiener Schnitzel an erster Stelle, als „echt steirisch“ wird Arnold Schwarzenegger empfunden, das Kernöl und auch der Stephansdom und die Lipizzaner liegen gut im Rennen des Stereotypenduells besonders „österreichisch“ zu sein. „Jeder findet seine eigene Kultur am besten – es geht aber auch darum, das Gemeinsame von verschiedenen Kulturen zu finden“, so Ramazan, welchem es besonders der Steirische Herbst angetan hat. Der aufgeschlossene Wahlösterreicher sieht im persönlichen Gespräch die größte Chance für eine gegenseitige Akzeptanz zwischen verschiedenen Volksgruppen, frei nach dem Motto: „Lass dich kennen lernen!“

– Claudia Windisch –

 

 

  Neues Selbstwertgefühl für Hostice Die Anstrengungen zur Verbesserung der Situation der Bettler in ihrer eigenen Heimatgemeinde zeigen Wirkung. Hostices Romabürgermeister Ondrej Berki lud am 24. Juli 2004 zum ersten großen Dorffest: Zusammen mit Gästen aus Graz feierte das „Bettlerdorf“ seine ersten Schritte in die Eigenständigkeit.


Die Roma-Bettler in Graz stammen zum Großteil aus dem slowakischen Dorf Hostice. Der Lokalaugenschein von KORSO-Redakteurin Claudia Windisch Anfang März zeigte düstere Zustände auf: Sozialhilfekürzungen um 50%, welche insbesondere die Minderheit der Roma trafen, Armut, Verzweiflung und Abhängigkeit von der dürftigen staatlichen „Fürsorge“. Im Juli lud Ondrej Berki, jener Mann, welcher den Aufstieg vom Bettler zum Bürgermeister geschafft hat, die Grazer Helfer, allen voran Pfarrer Wolfgang Pucher und den ehemaligen Kulturstadtrat Helmut Strobl, zum ersten großen Fest von Hostice ein. Grund zum Feiern gab es genug: Hostice bekam ein eigenes Wappen, eine Dorffahne und vor allem neue Zukunftsperspektiven!

Berührende Begegnung: Ex-Stadtrat Helmut Strobl, Pfarrer Wolfgang Pucher und Hostices Bürgermeister Ondrej Berki

Auslandshilfe trägt Früchte
Das slowakische Dorf Hostice hat mit der unermüdlichen Unterstützung der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg die ersten Schritte in Richtung Eigenständigkeit getan. Trotz all der Hoffnungslosigkeit wegen der hohen Arbeitslosenrate der Roma-Bevölkerung (95%!) hat die individuelle Form der steirischen Auslandshilfe den rund 800 Menschen in Hostice wieder sinnvolle Perspektiven gegeben. „Vinzidom“, jene Einrichtung, welche durch das Engagement von NAbg. Werner Miedl und dem Obdachlosen-Pfarrer Pucher mit Spendengeldern vor über einem Jahr aufgebaut werden konnte, hat sich für die Menschen in Hostice nicht nur zu einem unverzichtbaren Ort der Begegnung entwickelt, sondern bietet inzwischen Raum für alle Arten der Kreativität und geistige Anregung – Computerkurse, Näh- und Strickprojekte, Gymnastikstunden, Bastelgruppen u. v. m.

Die Anwesenheit von Strobl und die „Bürgermeistergrüße aus Graz“ wurden von der Festgemeinschaft mit tosendem Applaus honoriert. Als große Ehre für das Dorf erwies sich auch die gemeinsame Fahnen- und Wappenweihe in der St.-Andreas-Kirche von Hostice. Jeder einzelne Rom fühlte sich an diesem Tag als geschätzter Gastgeber: Anerkennung ist der wichtige erste Schritt aus der Marginalisierung.

– Claudia Windisch –