korso Wissenschaft & Forschung
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
06/2004
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    Wasser-Liberalisierung: Nur ein bisserl Pelz-Waschen ohne Nassmachen? Bei einem Pressetermin in Graz versuchten Vertreter der EU-Kommission die bestehenden Befürchtungen vor einer von oben verordneten Privatisierung der Wasserwirtschaft zu zerstreuen.


Wasser ist ein essentieller Wirtschaftszweig in der Union. Der geschätzte Jahresumsatz liegt bei 80 Milliarden Euro und toppt somit den Jahresumsatz des überaus lukrativen Erdgassektors. Kein Wunder, dass hier die Begehrlichkeiten wachsen. Zumindest ein Verkauf von Wasser ins Ausland sei nicht realistisch, versucht Tom Diderich, Europäische Kommission – GD Binnenmarkt zu beruhigen: „Weite Lieferstrecken sind schon allein aus hygienischen Gründe nicht interessant“. Außerdem lägen die Entscheidungen bei den einzelnen Mitgliedsstaaten, „hier finden wir sehr unterschiedliche Organisationsformen vor.“ Laut Diderich beabsichtige die Europäische Kommission nicht, Vorschläge für eine Änderung der Besitz- und Rechtsverhältnisse im Wasserbereich vorzulegen oder gar durchzusetzen.

„Eine erzwungene Ausschreibung von Wasserdienstleistungen entspricht nicht den Vorstellungen der östereichischen Bevölkerung.“
Für DI Wolfgang Malik, Vorstandsdirektor der Grazer Stadtwerke AG, hat im Mittelpunkt aller Überlegungen zu neuen Strukturen die Aufrechterhaltung und der Ausbau der einzigartigen Wasserqualität Österreichs zu stehen. „Wir wollen Versorgungssicherheit garantieren und die kostbare Ware Wasser nicht am Markt verschleudern“, so Malik. Bestimmte EU-Vorgaben seien positiv zu werten, so müssten sämtliche Bleirohr-Hausanschlüsse bis 2007 ausgetauscht werden. Eine erzwungene Ausschreibung von Wasserdienstleistungen entspreche aber nicht den Vorstellungen der österreichischen Bevölkerung, die Sicherstellung der Daseinsfürsorge habe Priorität.

Kein Aufkauf durch die „Großen“
„Die Ängste der kleinen Wasserversorger, dass die „Großen“ sie schlucken werden, sind unberechtigt“, meint SR DI Hans Sailer, Leiter der MA 31 – Wiener Wasserwerke, abgesehen von den Qualitätsproblemen seien weite Transporte derzeit angesichts des Verhältnisses zwischen Fixkosten und Gewinnspanne unrealistisch. Die Wasserversorgung sei daher nicht mit der Energieversorgung gleichzusetzen. Die Durchsetzung des freien Wettbewerbs im Wassersektor sei international umstritten, und zudem dürfe dieser laut Diderich nicht mit einer Privatisierung der Wasserversorgung verwechselt werden.

– Claudia Windisch –

Entscheidungshoheit über Wasser soll bei der Bevölkerung bleiben
Gegen die Tendenz, „Österreich solle sein Wasser so bewirtschaften, wie die Ölscheichs das Öl bewirtschaften“, zieht der SPÖ-Listenführer bei der Europawahl, Hannes Swoboda, mit aller Vehemenz zu Felde.

EU-Parlamentarier Hannes Swoboda (re) agitierte – unterstützt von Grazer SP-Gemeinderatsklubchef Karl Heinz Herper (li) – in der Steiermark gegen die Wasser-Privatisierung

Wasser müsse aus allen ökonomischen Überlegungen herausgehalten werden. Die Entscheidungshoheit über den „Grundstoff aller Lebensgrundstoffe“ müsse allein bei der Bevölkerung liegen. Auch wenn derzeit eher beschwichtigt werde, lägen die Wünsche einer Reihe transnationaler Konzerne klar auf dem Tisch: Ihre Absicht sei es, Wasser aus seinem faktischen Status eines „Grundrechtes“ herauszulösen und zum unmittelbaren Unternehmens- und damit in weiterer Folge Spekulationsgegenstand zu machen.

 

 

  Wasser-Wissen wird zum steirischen Export-Artikel


Die gewaltigen Wasservorkommen in der Steiermark haben naturgemäß zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem lebensspendenden Nass auch auf der Ebene der Wissenschaft und der Technologie geführt. Fast folgerichtig entstand hier das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im Jänner 2004 genehmigte und von der steirischen Forschungsgesellschaft Joanneum Research gemanagte Kompetenzzentrum „Wasserressourcen und deren Bewirtschaftung“, das schon vier Monate nach seiner Geburt einen kräftigen Wachstumsschub erfahren hat: Am 19. Mai unterzeichneten die Bevollmächtigten der Republik Kroatien, der italienischen Provinz Pordenone (Region Friuli Venezia Giulia) und der Republik Slowenien den Fördervertrag des Netzwerkes. Forschungs-Landesrat Leopold Schöggl äußerte anlässlich des feierlichen Aktes den Wunsch, dass „die Bewältigung der Wasser-Problematik in unseren regionalen Grenzen zur Bewältigung dieses brisanten Themas weltweit beitragen möge.“ Die anwesende Vertreterin des Ministeriums, Dr. Ulrike Unterer, betonte, dass das Netzwerk mit 35 Wirtschafts- und 22 Forschungspartnern das erste wirklich internationale Kompetenzzentrum sei; das Ministerium trägt 40% der Kosten, die beteiligten in- und ausländischen Gebietskörperschaften 20%, den Rest steuern die Wirtschaftspartner bei.

MRin Ulrike Unterer > < Forschungslandesrat Leopold Schöggl: Freude über die Internationalisierung desWasserkompetenzzentrums

Univ.-Prof. Dr. Hans Zojer (TU / Joanneum Research) nannte eine breite Palette anstehender Forschungsvorhaben – von der für den Tourismussektor vitalen ökologisch verträglichen Produktion von Kunstschnee bis hin zur Lösung der Bewässerungsprobleme in den Karstgebieten Italiens und Kroatiens. Ein wichtiger Partner im Netzwerk sind die Grazer Stadtwerke, deren Know-how betreffend die Optimierung der Wasserqualität und der Distribution international gefragt ist.

– cs –

 

 

  Girls crack it – wer wagt, gewinnt!


Weiblicher Kurs auf technische Berufe: die Entwicklungspartnerschaft „Girls crack it“ forciert die so genannten „nicht-traditionellen“ Berufe für Frauen und versucht über geschlechtssensible Berufsorientierung junge Mädchen für die Welt der Technik zu begeistern. Die transnationale Konferenz von „Girls crack it“ und „EQUALVOICES“ in Graz zeigte Wege auf, wie Gender Mainstreaming im Berufsentscheidungsprozess von Mädchen an Bedeutung gewinnen kann.

„Girls crack it“ will Skepsis von Mädchen gegenüber technischen Berufen überwinden

Mädchen sind technisch genauso talentiert wie Burschen.
Doch die Entwicklung einer gewissen Selbstverständlichkeit, mit der sich Mädchen auch für einen technischen oder technologischen Beruf entscheiden, braucht noch Zeit und Förderung“, so Landesrätin Kristina Edlinger. „Gleichstellung beginnt bei der Berufswahl.“ Noch sieht die Realität anders aus: In der Steiermark ist der Arbeitsmarkt nach wie vor zum Großteil in „Männer-“ und „Frauenberufe“ geteilt. Mädchen greifen bei ihrer Berufsentscheidung noch immer auf ein relativ eingeschränktes Berufsfeld zurück. Die vielen Initiativen, Projekte und Einrichtungen zum Thema Gleichstellung kommen nur in kleinen Schritten vorwärts. Das mit September 2000 im Rahmen der europäischen Gemeinschaftsinitiative EQUAL gestartete Projekt „Girls crack it“ soll diese Entwicklung beschleunigen.

Auf vielen Wegen zur Gleichstellung
Durch Sensibilisierung, Information und zielgruppenspezifisches Marketing versucht „Girls crack it“ jene Rahmenbedingungen zu verbessern, welche für Mädchen und junge Frauen wichtig sind, um erfolgreich eine Berufsausbildung im Bereich Technik und neue Technologien absolvieren zu können. An diesem Ziel arbeiten die an der transnationalen Partnerschaft EQUALVOICES beteiligten Projekte – mit unterschiedlichsten Ansätzen in den Bereichen Forschung, Praxis und Politikgestaltung will man die Einkommensschere und Segregation am Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit aufheben. Im Rahmen der transnationalen Konferenz „Gender Mainstreaming und Gleichstellung in Schulen und Unternehmen“ diskutierten die Hauptakteure von „Girls crack it“ und EQUALVOICES ihre bisherige Aktivitäten, Resultate und Zukunftsvisionen.

Gender Mainstreaming international. Aase Rieck Sorensen,
Dänemark, Projektmanagerin von YOUTH, GENDER & CAREER, und ihr Team beschäftigen sich u. a. mit „Gender Blindness“, d. h. den blinden Flecken bei LehrerInnen und BerufsberaterInnen, wenn es um die Karrierechancen von Mädchen geht. Aufbauend auf ihren Analysen wurden im dänischen Partnerprojekt Kurse für Eltern und BerufsberaterInnen entwickelt und durchgeführt, um die klassischen Ansätze der derzeitigen Form der Berufsorientierung zu dekonstruieren. „Wir gehen mit unseren Projekten auch in die Schulen, denn die klassischen Rollenbilder müssen früh genug aufgebrochen werden“, so Sorensen. In Spanien läuft erstmals eine landesweite PR-Kampagne zur Chancengleichheit von Männern und Frauen, das britische „GERI PROJECT“ vertreibt Web- und Multimedia-Informationssysteme für mehr Chancengleichheit bei der Karriereplanung und im Berufsleben und auch das finnische EQUAL-Projekt „MIRROR“ unter der Leitung der ehemaligen Managerin von Nokia, Kirsti Miettinen, versucht mit acht Sub-Projekten im ganzen Land den Frauenanteil in der Technologiebranche anzuheben. „Ich möchte alle Mädchen ermutigen“, so Edlinger, „sich eine unkonventionelle Berufsausbildung ernstlich zu überlegen.“

– Claudia Windisch –

Info/Kontakt: Mag. Djamila Rieger | Equalprojekt „Girls crack it“ | T (0316) 33 73 00 –32 | www.girls-crack-it.org

 

 

  Transnationale Konferenz zur Gleichstellung in Schulen und Unternehmen


Im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „Girls crack it“ findet am 14. Mai von 09.30 bis 18.00 im großen Saal der Landesbuchhaltung, Burggasse 13, 8010 Graz, eine international besetzte Konferenz zum Thema „Gender Mainstreaming und Gleichstellung in Schulen & Unternehmen - Forschung, Praxis, Politikgestaltung“ statt. Forschungsergebnisse und Praxisbeispiele aus Österreich, Dänemark und Finnland geben Einblicke in europaweite Problemlagen und nationale Handlungsansätze. Es referieren u.a. LRin Kristina Edlinger-Ploder, Roswitha Tschenett (BMBWK) und Silvia Buchinger von HP Austria.

Nähere Information: www.girls-crack.it.org

 

 

Gemeinsam forschen und entwickeln: TU Graz und JOANNEUM RESEARCH Als offizielles „Verlobungs-Siegel“ für die neu ausgerichtete strategische Partnerschaft der TU Graz und JOANNEUM RESEARCH gilt der Kooperationsvertrag vom 28. Mai 2004. Die beiden Unternehmen werden in Zukunft Forschungs- und Entwicklungsprojekte gemeinsam durchführen.


Zwei starke Partner haben sich zusammengetan und werden nunmehr als gemeinsame Plattform auftreten: die TU Graz als wichtiger Knotenpunkt im europäischen Forschungs- und Bildungsnetzwerk und JOANNEUM RESEARCH, eine der größten außeruniversitären Forschungsunternehmen Österreichs. Im Rahmen dieser strategischen „Verlobung“ sollen die Kompetenzen der beiden Unternehmen gebündelt werden, denn: „Heute sind nur mehr größere Einheiten imstande, international schlagkräftig zu sein“, betont Hon. Prof. Dr. Bernhard Pelzl, wissenschaftlicher Leiter der steirischen Forschungsgesellschaft.
Forschung bringt Arbeitsplätze
„Graz soll die Forschungshauptstadt der Alpen Adria Region werden“, wünscht sich Landeshauptmann-Stv. DI Leopold Schöggl, „solch ein hoch gestecktes Ziel kann man aber nur unter bestimmten Voraussetzungen erreichen, nämlich durch Vernetzung, Kooperation und den öffentlich bekundeten Willen zur Zusammenarbeit.“ Und: Forschung sei eine unabdingbare Voraussetzung für die Arbeitsplätze von morgen. Bereits bisher gab es verschiedenste Formen der Zusammenarbeit: So werden sechs Institute der JOANNEUM RESEARCH in Personalunion von Professoren der TU Graz geleitet, die Einrichtungen führen zusammen das Christian-Doppler-Labor „NanoTecCenter Weiz“ und engagieren sich stark in Netzwerken wie dem NANONET Styria.

Jetzt geht‘s um die großen Fische
„Künftige Projekte des JOANNEUM RESEARCH werden nur mehr in strategischer Abstimmung mit der Leitung der TU in Angriff genommen. Das Rückgrat einer Universität ist unbedingt notwendig“, so Pelzl. Univ.-Prof. Dr. DI Hans Sünkel, Rektor der TU Graz, weist darauf hin, dass durch diese Verknüpfung von universitärer und außeruniversitärer Einrichtung wesentlich größere Projekte an Land gezogen werden können als bisher – schon allein aufgrund der 10%-igen Beteiligung der großen holländischen Forschungsorganisation TNO bei Joanneum Research (90 Prozent hält das Land Steiermark). Basierend auf dem neuen Kooperationsvertrag wird es künftig auch leichter sein, Spitzenleute an Graz zu binden, da der Vertrag es ermöglicht, Wissenschafter bei beiden Institutionen anzustellen. Mag. Edmund Müller, Geschäftsführer der JOANNEUM RESEARCH, zeigt das einheitliche Motto der Vertragspartner auf: „Lokal kooperieren und sich gemeinsam im globalen Wettbewerb messen.“ In einem weiteren Schritt wird auch eine Beteiligung der TU Graz an der JOANNEUM RESEARCH angestrebt.

– CW –

 

 

  Kinder, die es gar nicht gibt Menschenhandel ist nach wie vor ein Tabuthema in den westlichen Gesellschaften, der Opferschutz ist unterentwickelt, die eigentlichen Täter strafrechtlich kaum zu belangen: Das ist die pessimistische Bilanz einer Diskussionsveranstaltung zum Thema, die von der OMEGA-Gesundheitsstelle, Verein für Opfer von Gewalt & Menschenrechtsverletzungen, im Rahmen des EU-Projekts „Forum Human Rights & Rehabilitation Program for Children“ organisiert wurde.


„Weltweit werden jährlich 1,2 Millionen Kinder gehandelt“, so Mag. Helmut Sax vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte, „die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher liegen.“ Die Ausbeutung der Kinder reicht von Kinderprostitution und Kinderpornografie über Kinderarbeit, Zwangsheirat, Adoption bis hin zum Einsatz als Kinder-Drogenkurier.

1,2 Millionen Kinder fallen jährlich dem Menschenhandel zum Opfer

Misstrauen gegen die Opfer
„Ich vermisse ein Maßnahmenpaket seitens der Politik“, moniert NAbg. Mag. Terezija Stoisits, Menschenrechtssprecherin der Grünen, „besonders vernachlässigt wird die Rückkehrberatung und -unterstützung.“ Laut Stoisits sind rund 80% der Opfer von Menschenhandel weiblich – die „Zufuhr“ von Prostituierten spielt eine wesentliche Rolle. „Es hat oft nur den Anschein, dass diese Frauen freiwillig mitmachen“, weiß Stoisits. Sie sieht ein wesentliches Problem in den ungenügenden strafrechtlichen Möglichkeiten gegen die Täter vorzugehen bzw. dem unbefriedigenden Zeugenschutz in Österreich. „Opfer von Menschenhandel müssen ein humanitäres Aufenthaltsrecht erhalten, damit sie dann ohne Angst vor Abschiebung gegen ihre Peiniger aussagen können“, verlangt auch Dr. Helga Konrad, Vorsitzende des Stabilitätspakts „Task Force gegen Menschenhandel“ der OSZE: „Den Opfern wird noch immer ein tiefes Misstrauen entgegengebracht, zwischen Menschenhandel und freiwilliger Prostitution wird selten unterschieden, Zeugenschutzprogramme finden kaum Anwendung – es sind meist die Kriminellen, die geschützt werden.“ Befreite Opfer können kaum mehr ein normales Leben führen, ein humanitäres Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel wird sehr selten bewilligt.

Schmuggel identitätsloser Kinder
Das größte Problem für Hilfsorganisationen stellen derzeit die nach Österreich geschmuggelten zweiten und dritten Kinder aus China dar, welche es im eigenen Land aufgrund der gesetzlichen Geburtenregelung theoretisch gar nicht gibt und die zum Teil von der eigenen Familie verkauft wurden. „Für sie gibt es kaum eine Lösung, denn sie besitzen definitiv kein einziges Papier, welches über ihre Existenz etwas aussagt“, erklärt Gerhard Wallner, Leiter des Kompetenzzentrums für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Fragen des Aufenthaltsrechts. Eine andere Gruppe sind afrikanische Kinder bzw. Jugendliche, deren Altersangaben oft falsch sind und die mit falschen Versprechungen über Arbeitsmöglichkeiten nach Europa gelockt werden. Allein die Fahrt mit Schleppern kostet pro Person bis zu 7000 Dollar. „Die afrikanischen Mädchen landen fast alle auf dem Straßenstrich, weil sie die Kosten für die „Schlepper-Reise“ verdienen müssen und ihre Familien im Heimatland oft als Geiseln genommen werden. Die Buben hingegen rutschen in den Drogenhandel“, so Wallner, „die neuesten Entwicklungen in Österreich sind, dass nun auch sehr junge Mädchen aus der Mongolei von Erwachsenen beim Bundesasylamt „abgegeben“ werden – wir wissen noch nicht, warum sie da sind.“

Ausbildungsmöglichkeiten für Zurückgekehrte
Der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität, Major Gerald Tatzgern, berichtet von 21.000 aufgegriffenen Personen pro Jahr. Mit Schlepperei würden jährlich 7 Mrd Euro erwirtschaftet: „Das ist längst ein eigener Wirtschaftszweig, teilweise als Reisebüros getarnt, mit Kommunikationsstellen in allen Ländern.“ Tatzgern warnt davor, Schlepper und Fluchthelfer zu verwechseln: „Fluchthelfer, die Menschen, teilweise unter Lebensgefahr aus Kriegsgebieten heraushelfen, tun dies, ohne daran zu verdienen.“ Im abschließenden Referat von Anelise Gomes de Araujo von IOM-Austria, international organisation for migration, wurden Hilfsangebote für Rückkehrwillige beschrieben: Von NGOs vor Ort organisierte Projekte in Rumänien und Bulgarien stellten eine Brücke zur Wiedereingliederung auf einem höheren Niveau dar, etwa indem für zurückgekehrte Kinder eine Ausbildungsmöglichkeit bereitgestellt wird.

– Claudia Windisch –

 

 

  Drogen: Neue Hilfe für die Helfer VIVID, die Fachstelle für Suchtprävention Steiermark, wirkt seit Mitte Mai mit einem umfassenden Arbeitsset, dem so genannten Praxispackage „High genug?“, den Informationsdefiziten der MitarbeiterInnen in der außerschulischen Jugendarbeit entgegen.


Im Jahr 2003 startete VIVID unter 30 steirischen Jugendeinrichtungen eine Umfrage mit dem Ergebnis, dass sich bei allen Institutionen ein hoher Bedarf nach Informations- und Arbeitsmaterialien zu den Themen Sucht, Suchtvorbeugung und Drogenkonsum zeigte. Außerdem stellte sich im Rahmen dieser Umfrage heraus, dass viele der MitarbeiterInnen der außerschulischen Jugendarbeit Unsicherheiten und Informationsdefizite im Umgang mit suchtgefährdeten Jugendlichen aufweisen.

VIVID-GFin Gabriele Mairhofer-Resch, LOGO-GF Stefan Perschler: Ein neues „Praxispackage“ soll Info-Defizite bei JugendbetreuerInnen beheben, die mit drogengefährdeten Jugendlichen zu tun haben.

Higher and Higher – keine Grenze in Sicht!?
Zur Kompensation dieser Informationslücken entwickelte VIVID in Kooperation mit dem steirischen Dachverband der offenen Jugendarbeit ein „Praxispackage“ unter dem Titel „High genug?“ „Dieser provokante Titel wurde bewusst gewählt – er soll einen Nachdenkprozess einleiten“, so Mag. Gabriele Mairhofer-Resch, Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention, „das Besondere am Inhalt des Koffers ist eine Infosammlung, die auf sieben Jahren Erfahrung in der Arbeit mit Suchtkranken beruht und rund 20 modellhafte Projektbeispiele aus dem deutschsprachigen Raum aufzeigt, die dazu anregen sollen, im eigenen Arbeitsumfeld suchtpräventive Aktivitäten umzusetzen.“ „High genug – das ist eine Frage der Relation bzw. eine Frage der Grenzen“, meint Stefan Perschler, Geschäftsführer der LOGO jugendmanagement g.m.b.h.: „Wie weit sind Jugendliche bereit zu gehen und wo holt man sie ab?“

Praktische Tipps zum Thema Suchtvorbeugung, Anregungen und verschiedene Sichweisen in einem „Rezeptbuch“ zusammengefasst, das ADDICT-ionary, eine Infobroschüre über mögliche Schädigungen bzw. (Neben)wirkungen der gängigsten legalen und illegalen Drogen u. v. m. sind die wesentlichsten Inhalte dieses Praxispackages, das um Euro 25,- bei VIVID (Hans-Sachs-Gasse 12/II | 8010 Graz | T (0316) 82 33 00 - DW 82 | www.vivid.at) erhältlich ist.

– cw –

 

 

  Kindliche Entwicklung: Gene spielen nur geringe Rolle


Oft werden wesentliche Aspekte der frühkindlichen Entwicklung von ehrgeizigen Eltern fälschlicherweise „übergangen“. Der international tätige Hirnforscher Gerald Hüther zeigte bei einem Vortrag im Rahmen der Initiative Kind(er)leben neue Erkenntnisse und die gröbsten Missverständnisse in der Frühförderung auf.

„Kinder brauchen Wurzeln“ – unter diesem Motto stand die gelungene Fachtagung am 12. Mai 04 der Initiative KINDerLEBEN. In der Eröffnung wies Landeshauptmann Waltraud Klasnic auf die große Verantwortung hin, Kindern ausreichend Liebe und Geborgenheit zu vermitteln, „... denn das sind die Grundsäulen, auf welchen ein Kind „Wurzeln schlagen“ kann.“ Landesrat Dr. Kurt Flecker sieht die Basis in der Kindererziehung vor allem im Transport ethischer Werte. „Die Gesellschaft hat die Aufgabe Werte zu formen und Sicherheit zu geben, sonst hilft das beste Milieu nichts. Einer der wichtigsten Werte ist Toleranz … das muss auch vorgelebt werden!“

(von links): Moderatorin, Gemeinderätin Sissy Potzinger (Katholischer Familienverband), Landesrat Dr. Kurt Flecker, Landeshauptmann Waltraud Klasnic, Prof. DDr. Gerald Hüther, Dr. Ernst Burger. Foto Stuhlhofer

Das Umfeld, das die steirischen Kinder vorfinden, zeigte Landesstatistiker Dr. Ernst Burger auf: „2001 lebten in der Steiermark rund 192.000 Kinder im Alter von unter 15 Jahren, ca. 189.000 davon in Familien. Davon haben etwa 80 Prozent von Geburt weg eine Vollfamilie, das heißt beide Elternteile. 20% der Kinder werden fast ausschließlich von Müttern allein großgezogen. Zudem verzeichnen wir seit 30, 40 Jahren einen drastischen Geburtenrückgang. Die Jetztgeborenen wachsen in modifizierte Familienformen und in eine alternde Gesellschaft hinein. An eine ,vaterlose Gesellschaft‘ haben wir uns schon gewöhnt, jetzt kommt die ,kinderlose Gesellschaft‘.“ Von Scheidungen bzw. Auflösungen elterlicher Gemeinschaften betroffen ist auf steirischer Ebene ca. jedes 7. Kind unter 14.

Die Ohnmacht der Gene
Wie essentiell emotionale Sicherheit für eine gesunde Hirnentwicklung von Kleinstkindern ist, zeigt Neurobiologe Univ.-Prof. DDr. Gerald Hüther von der Universität Göttingen auf. In den ersten Lebensjahren werden die prägenden Verhaltensmuster im Gehirn festgelegt, die Bedeutung des Umfeldes setze bereits im Mutterleib ein, wobei laut jüngsten Untersuchungen nicht in erster Linie die Gene, sondern das Verhalten der Mutter ausschlaggebend ist, sodass die Entwicklung sogar stärker von einer Leih- im Vergleich zur biologischen Mutter bestimmt werde. Dementsprechend negativ wirken sich fehlende Geborgenheit und Nestwärme in den ersten Lebensjahren auf die Hirnentwicklung aus.

Zur Veranschaulichung der Bedeutung der Umwelt-Faktoren: Weißen Mäusen, welche in ihren Eigenschaften sehr lernfähig, überaus neugierig und lebendig sind, wurden die Embryonen von schwarzen Mäusen eingesetzt und umgekehrt. Die schwarzen Mäuse, im Verhalten ängstlich und passiv, gebaren also weiße Mäusebabys, welche der Logik ihrer Gene folgend neugierig und lebendig hätten werden sollen, aber sich von Anfang an – den Mustern ihres Umfelds folgend – überaus ängstlich und passiv verhielten.

Falscher Ehrgeiz behindert gesunde Entwicklung
„Der Mensch hat das formbarste und anpassungsfähigste Gehirn aller Lebewesen“, so Hüther, „damit sich in den ersten Lebensjahren die richtigen Verschaltungsmuster im Gehirn aufbauen können, sind sichere Bindungsbeziehungen und emotionelle Sicherheit notwendig. Jede Phase in der frühkindlichen Entwicklung ist wichtig: viele Eltern glauben ihrem Kind möglichst früh die Sprache beibringen zu müssen. Dabei vergessen sie, dass die Phase des „Nichtsprechens“ deshalb für ihr Kind so notwendig ist, weil sie sich in dieser Phase die nonverbale Kommunikation aneignen, d. h. im Gesicht zu lesen, ob z. B. die Zuwendung eines Menschen auch wirklich ernst gemeint ist.“ Das Gleiche gilt für die vorzeitige Förderung des Laufenlernens. „Das Krabbeln muss deshalb eingeübt werden, damit sich die rechte und linke Gehirnhälfte gut miteinander verbinden können“, erklärt der Hirnforscher. Aber: „Veränderung ist immer möglich – bis ins hohe Alter kann der Mensch neue Strategien der Lebensbewältigung erlernen!“

– Claudia Windisch –

 

 

Volkshilfe Steiermark: 10 „starke“ Jahre
< Ein neues Logo für den steirischen Sozial-Leitbetrieb Volkshilfe präsentieren GF Franz Ferner und Vorsitzende LAbg. Barbara Gross


Innerhalb eines Jahrzehnts hat die Volkshilfe Steiermark den Wandel hin zu einem modern organisierten und auch als Arbeitgeber gewichtigen Anbieter sozialer Dienstleistungen vollzogen.

Professionalisierung. Als vor 10 Jahren LAbg. Barbara Gross den ehrenamtlichen Vorsitz der Volkshilfe Steiermark übernahm, handelte es sich bei dieser noch um einen „traditionellen“ Wohlfahrtsverein mit einem bescheidenen Etat von umgerechnet knapp 5 Mio EURO und wenigen hundert Mitarbeitern, darunter viele ehrenamtliche. Seit die Geschicke des Vereines in ihren Händen liegen, hat sich der Umsatz im Zuge durchgreifender inhaltlicher und betriebswirtschaftlicher Reformen auf weit über 40 Mio EURO gesteigert, neben den 550 ehrenamtlichen Helfern sind derzeit rund 1600 angestellte Mitarbeiter beschäftigt.

Bedarfsnahes Angebot
In einer Bilanz der abgelaufenen zehn Jahre resümieren Barbara Gross und Geschäftsführer Franz Ferner die Folgerichtigkeit des beschrittenen Weges: Priorität hatte stets der konsequente Ausbau des Angebotsspektrums in den Kernbereichen Kinderbetreuung, Mobile Dienste und Seniorenzentren. Diese werden nach Barbara Gross auch in Zukunft gesellschaftlich akzeptierte Erfordernisse darstellen. Ihr Credo für die Seniorenbetreuung lautet: „Ein Mensch muss das Recht haben in Würde alt zu werden, aber auch selbstbestimmt alt zu werden.“

Die finanzielle Basis muss gesichert bleiben
Die freiwillige ISO-Zertifizierung aller angebotenen Dienstleistungen stellt darüber hinaus einen wichtigen Schritt dar, um den wachsenden Qualitätsansprüchen im Europa von morgen gerecht zu werden. Die Leistungen der Volkshilfe werden von den Partnern auf Landesebene und vor allem in den Gemeinden durchgehend positiv bewertet.

Aber eine erfolgreiche Weiterführung der Aktivitäten ist in Zukunft nur zu gewährleisten, wenn eine langfristig planbare und gerechte Finanzierungsbasis gegeben ist. Franz Ferner zu dieser Problematik: „Bis Ende 2004 muss in der Frage der Erhöhung der Tagsätze für Pflegeheime eine Entscheidung fallen, sonst werden manche Leistungen nicht mehr erfüllt werden können - Leistungs- und Personalabbau drohen.“

Ein Drittel mehr Kinderbetreuungseinrichtungen
In den Jahren von 1998 bis 2004 ist es nämlich nur zu einer einmaligen Erhöhung der Tagsätze von rund 2,5% im Pflegeheimbereich gekommen. Betroffen davon sind in zunächst die Beschäftigten, die auf eine Anpassung ihrer Gehälter warten müssen, aber bald auch die Betreuten, wenn es zu qualitativen Einbußen kommen sollte. Barbara Gross und ihr Team haben sich trotz alledem bis Ende 2006 dennoch viel vorgenommen: U.a. will man die Anzahl der Pflegebetten in Seniorenzentren von derzeit 900 auf 1.400 Betten ausbauen und zu den derzeit 45 stationären weitere 15 ganzjährige und ganztägig geöffnete Kinderbetreuungseinrichtungen initiieren und den Sektor Tagesmütter ausbauen.

 

 

  Psychische Belastungen am Arbeitsplatz steigen
Pro mente bietet Hilfe für Betriebe und ArbeitnehmerInnen bei arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen.


„Psychische Erkrankungen von ArbeitnehmerInnen verursachen gleich hohe Kosten wie Arbeitsunfälle“, weiß die Leiterin des Bundessozialamtes Steiermark, Dr. Margareta Steiner. Und DSA Andrea Zeitlinger von pro mente, Leiterin des Projekts „Zwischen 8 und 5“, konkretisiert: „Vor 10 Jahren fielen pro 1000 Beschäftigen 307 Krankenstandstage aufgrund psychischer Erkrankungen an, heute sind es schon 460.“ 10% aller Berufstätigen leiden an einer psychischen Erkrankung, 30% befinden sich wegen psychomatischer Erkrankungen in Behandlung.

Margareta Steiner (BSB) > < Andrea Zeitlinger (pro mente): Die Initiative „Zwischen 8 und 5“ bietet Unterstützung bei psychischen Erkrankungen von ArbeitnehmerInnen

Die Initiative „Zwischen 8 und 5“ hat sich – unterstützt durch das Bundessozialamt – zum Ziel gesetzt, betroffene Mitarbeiter und Betriebe so zu begleiten, dass einerseits die Arbeitsabläufe im Unternehmen geringstmöglich gestört werden und andererseits die Betroffenen nicht um ihren Arbeitsplatz bangen müssen. Die Unterstützungsmöglichkeiten reichen von Supervisionsangeboten für Vorgesetzte über Beratungsgespräche und Information über Therapieangebote für betroffene ArbeitnehmerInnen bis zur Hilfestellung für KollegInnen bei der Kompensation von Ausfällen eines Team-Mitglieds. Zeitlinger nennt mehrere konkrete Fälle, die positiv für alle Beteiligten gelöst werden konnten.

Der Grund für die Zunahme psychischer Erkrankungen, die direkt auf die Arbeitssituation zurückzuführen sind, liegt laut Untersuchungen in Personalreduktionen, verstärkter Personalselektion, neuen prekären Arbeitsformen wie Teilzeitarbeit, Zeitdruck, Arbeitsplatzunsicherheit, aber auch widersprüchlichen Anweisungen. Steiner: „Unserer Erfahrung nach sind besonders frisch privatisierte Unternehmen betroffen, wo der Druck auf die ArbeitnehmerInnen oft gewaltig ansteigt und sie gleichzeitig über ihr zukünftiges Schicksal im Unklaren gelassen werden.“

Info: pro mente steiermark | T (0316) 71 42 45 | www.promente.com

 

 

  Spital der Zukunft: „Haus der Gesundheit “ für alle statt ausgrenzender Mauern Am 26. Mai fand im Minoritensaal unter dem Titel „Das Spital (in) der Zukunft“ eine Enquête der Steirischen Ärztekammer statt. Mit ein Beweggrund für diese Veranstaltung war zweifellos das Bestreben der Ärzteschaft – nach der erst kürzlich abgewendeten Privatisierung der KAGes – konstruktive Diskussionsbeiträge für die Zukunft unserer Spitäler zu leisten.


Bereits im einleitenden Statement zeigte Ärztekammerpräsident Dietmar Bayer einige der akuten Problemfelder auf: die Sorge, das Niveau der Ärzteausbildung könnte sinken, die ungünstige demografische Entwicklung und die Behauptung einer ethischen Position gegenüber dem ökonomischen Diktat in einer Zeit allumfassender Rationalisierung. Unter Bezugnahme auf das Symbol der Tagung, einen Ziegelstein, rief er dazu auf „nicht neue Mauern zu errichten, sondern in konstruktiver Zusammenarbeit aller Beteiligten am Krankenhaus der Zukunft mitzubauen.“

Ärztekammer-Präsident Dietmar Bayer > baut am Spital der Zukunft

Vision Gesundheitscluster
Der Kurienobmann der Spitalsärzte, Herwig Lindner, ging in seinem Beitrag näher auf die demografische Situation ein, die bis zum Jahr 2040 für einen stetigen Anstieg des Anteils der über 60-Jährigen verantwortlich sein wird. Trotz dieses Szenarios schätzt er die Entwicklung für die kommenden Jahre nicht pessimistisch ein: „Die Versorgung in Österreich ist sehr gut und sogar besser als in vielen angeblichen ‚Musterstaaten‘ wie Holland. Nach einer Analyse des World Health Report hält unser Land den 9. Rang hinsichtlich der Qualität der medizinischen Versorgung, während es bei den Kosten an 6. Stelle liegt.“ Lindner enttarnt auch das „Märchen“ von der Kostenexplosion im Gesundheitswesen: Die Ausgaben für Gesundheit liegen seit Jahren stabil bei ca. 7,7% des BIP, eine dramatische Steigerung dieses Anteils ist bei gleichbleibendem wirtschaftlichem Umfeld seiner Meinung nach nicht zu befürchten. Große Chancen ortet er dafür in der steigenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen von Seiten der EU-Bürger, die seit einiger Zeit Leistungen frei innerhalb des EU-Raums wählen und konsumieren können. Gerade in einem Bundesland mit einem hohen Anteil von ca. 19% der Beschäftigten im Gesundheitssektor und seinem Umfeld wäre die Verwirklichung eines „Gesundheitsclusters“ ein hoffnungsträchtiges Projekt.

Umstrittene Gesundheitsagenturen
DI Harald Gaugg, Sektionschef im Gesundheitsministerium, informierte über die geplante Einführung der „Gesundheitsagenturen“, über die bereits im Vorfeld eine heiße Debatte geführt wird. Gleich zu Beginn versucht Gaugg vorhandene Einwände zu zerstreuen: „Die Agenturen werden nicht zur Monopolisierung der Nachfrage, etwa als ‚Einkaufsgemeinschaften‘, dienen, sondern in erster Linie der Integration von Finanzen und Verantwortung.“ Durch dieses Modell sollen die bislang getrennt laufenden Finanzierungen von Landesfonds, Sozialversicherungen und Landgemeinden zusammengeführt werden. Dabei kommt der Vernetzung in Bezug auf Planung, Patientenbetreuung und Daten eine integrative Rolle zu.

Ein Problem ortet der Referent allerdings in der mit der Finanzmittelaufteilung verbundenen Machtfrage: „Vertreter der Länder und der Sozialversicherungen werden sich darüber einigen müssen, aber Verhandlungen und Koordination zwischen diesen Instanzen waren ja auch schon vorher notwendig.“

Die wichtigsten Aufgaben der neuen Gesundheitsbehörden sieht Gaugg in der Planung eines Angebotsspektrums mit durchgängig hoher Qualität und großer Transparenz, die erst durch den freien Datenfluss gewährleistet wird. Umgesetzt soll die neue Struktur auf zwei Ebenen werden, einerseits den Schwerpunktkrankenanstalten und andererseits den lokalen Gesundheitszentren. Diese können als Bezirkskrankenhäuser, Praxisgemeinschaften oder Tageskliniken in den verschiedensten Formen auftreten. Da mit steigenden Kosten im Gesundheitswesen (auf 8–9,5% des BIP) zu rechnen sei – so Gaugg im Gegensatz zu Lindner –, komme in Zukunft der Gesundheitsökonomie und entsprechenden Informationssystemen eine hohe Bedeutung zu, die auch gesetzlich zu regeln sein werden.

Alternativen sollen immer mitgedacht werden
Der Rechtsethiker Jürgen Wallner von der Universität Wien verdeutlichte die moralischen Problemzonen in einem Referat über „ethische Benchmarks“, die gewissermaßen als „Orientierungspunkte im ethischen Nirwana“ dienen sollen. Er verglich in Art einer Fabel das gegenwärtige Gesundheitssystem mit der Errettung von Ertrinkenden aus einem reißenden Fluss, ohne dass man sich darüber Gedanken mache, wo die Menschen in den Fluss fallen bzw. wie das zu verhindern sei. Notwendig ist seiner Ansicht nach eine bedürfnisorientierte Versorgungsstruktur, die um Transparenz, Nachhaltigkeit und auch um die Suche nach Alternativen bemüht ist. Die Entstehung von Definitionsmonopolen müsse dagegen unbedingt vermieden werden. Im Idealfall resultiert so aus einer ethischen Betrachtungsweise eine umfassende, „best-practice“-Versorgung des Patienten.

Größere Rolle für private Beratungsunternehmen
Die beiden neuen Vorstandsdirektoren der KAGes Ernst Hecke und Christian Kehrer gaben einen Ausblick auf ihre Ziele bis Ende 2007. In einem vorangestellten Resümee verwiesen sie auf durchaus positive Entwicklungen bei der KAGes seit deren Gründung im Jahr 1985: Die Zahl der Arztstellen ist seit damals von 1000 auf über 1600 gestiegen und einem Abbau der Betten von 9000 auf 6300 steht eine deutlich verkürzte Aufenthaltsdauer der Patienten gegenüber, nicht zuletzt bedingt durch verbesserte Operationstechniken. An den bestehenden 19 chirurgischen Abteilungen in der Steiermark soll festgehalten werden, trotzdem sollen im Zeitraum 2005 bis 2008 die Umsatzerlöse um 50% steigen.

Die Trennung zwischen strategischer und operativer Ebene, sprich zwischen Verwaltungs- und Servicebereichen, soll den einzelnen Standorten ein selbstständigeres Agieren in budgetärer Hinsicht ermöglichen: Erträge und Rücklagen bleiben zur eigenverantwortlichen Verwendung in den einzelnen Krankenhäusern. Angestrebtes Ziel ist eine betriebswirtschaftliche Rationalisierung, die aber, so Hecke, „nicht in einer Zwei-Klassen-Medizin resultieren darf.“

Eine wichtige Rolle bei der Umsetzung moderner Managementkonzepte soll in Hinkunft externen Beraterfirmen zukommen. Der Anteil an Beratung und externen Kooperationen werde auch in den kommenden Jahren steigende Tendenz aufweisen, „um die bestehenden Personalressourcen zu schonen bzw. für andere Aufgaben frei zu machen“, so die beiden KAGes-Vorstände. Der Aufgabenbereich der externen Berater liege nicht nur in der Erarbeitung von Konzepten, sondern auch in deren Umsetzung bzw. Begleitung. Vorrangig stehen hier in nächster Zeit die Finalisierung der Angebotsplanung, die Zusammenarbeit mit der Med-Uni Graz und die Strukturreform „KAGes neu“ an.

Probleme der Praxis
Der Spitalsalltag kam in zwei Referaten von betroffenen Ärzten zur Sprache: Ulrike Moser vom LKH Feldbach schilderte die Schwierigkeiten des Daseins als Ärztin, Mutter und Ehefrau: Überstunden, die vielen Nacht- und Wochenenddienste führen in vielen Fällen zum Burn-Out-Syndrom und belasten das Familienleben. Der Anästhesist Gerhard Prause sprach in seinem Beitrag das Problem der Vielfachbelastung am LKH Graz an: Die Inanspruchnahme durch den „normalen“ Dienst und eklatanter Personalmangel führen zu dramatischen Engpässen bei Forschung und Lehre.

Am Nachmittag bestand die Möglichkeit wichtige Problemfelder in einer dynamischen Großgruppe zu diskutieren, u. a. die Fragen Finanzierung, Standortprobleme, Führungsebenen, Patientensicht etc. In einer ersten Runde wurden Visionen zu den jeweiligen Themen entworfen. In einer zweiten Runde, für welche die Teilnehmer das Panel wechseln mussten, galt es mögliche Lösungsansätze und-hebel zu erarbeiten und anschließend vor dem Plenum zu präsentieren. Die engagierte Diskussion und das in nahezu allen Debattenbeiträgen zu Tage tretende Bemühen ums Gemeinwohl in der Gesundheitsversorgung strafte jedenfalls all jene Lügen, die den Widerstand der Ärzteschaft gegen Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen gern als primär standespolitisch motiviert denunzieren.

– Josef Schiffer –

 

 

  „Wir zielen auf eine verträgliche Lösung“


Ab 2005 stehen Land und Steiermärkische KrankenanstaltenGesmbH unter besonderem finanziellen Druck: Vom Landeszuschuss der letzten vier Jahre wurde nur ein Drittel vom Land direkt bezahlt, den Rest musste die KAGes selbst über Kredite auftreiben, die jetzt zurückgezahlt werden müssen. KORSO bat die Ressortzuständigen LR Wolfgang Erlitz und LRin Kristina Edlinger-Ploder um ein Kurzstatement:

Erlitz: „Um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, hat der ÖVP-Finanzreferent in den letzten vier Jahren zwei Drittel des Landeszuschusses zu unseren steirischen Spitälern auf Pump gegeben, unterm Strich damit rund 880 Millionen Euro Schulden gemacht. Offiziell musste diese Kredite die KAGes aufnehmen. Weil sie diese aber als nicht gewinnbringender Betrieb ohnehin nicht bekommen hätte, musste man den bei den Banken erst recht eine Erklärung abgeben, dass ja doch das Land diese Kredite bedienen wird. Und die werden ab 2005 samt Zinsen fällig. Wenn dann aber jemand erneut versucht, unsere Spitäler als Problem darzustellen, kracht’s. Das Problem ist die schwarzblaue Budgetschummlerei der letzten Jahre und mit der muss endlich Schluss sein!“

Edlinger-Ploder: „Die Finanzierung der Darlehen ist durch Regierungsbeschlüsse sicher gestellt, das liegt ja klar im Interesse des Landes Steiermark. Für 2005 gibt es eine Zusage, die Form und die Höhe wird Sache von Verhandlungen sein. Wir zielen auf eine verträgliche Lösung sowohl für das Landesbudget als auch für die KAGes.“

 

 

  Forschungsschwerpunkte des Zukunftsfonds


Auf Antrag von LH Waltraud Klasnic beschloss die Steiermärkische Landesregierung die Freigabe von rund 1,35 Millionen Euro für vier neue Forschungsvorhaben, die aus dem „Zukunftsfonds Steiermark“ unterstützt werden. Eine Million Euro ist für die Errichtung eines Lehrstuhls für Pflegewissenschaften an der Universität Graz bestimmt, die Ausbildung wird ab dem Wintersemester 2004/2005 angeboten. 300.000 Euro sind für die Nanotechnologie-Initiative „NANONET Styria“ bestimmt.

Insgesamt stehen über den „Zukunftsfonds Steiermark“ heuer 10,6 Millionen Euro zur Finanzierung von 70 Projekten aus den Bereichen Gesundheit, Medizinische Forschung, Biotechnologie, Internet-Technologie, Verkehr- und Fahrzeugtechnik, Landwirtschaft, Bildung, Kunst und Kultur bereit.

 

 

  ISOP-Tagung: ... die im Dunkeln sieht man nicht ...


„ ... Analphabet ist eine Person, die sich nicht beteiligen kann an all den zielgerichteten Aktivitäten ihrer Gruppe und Gemeinschaft, bei denen Lesen, Schreiben und Rechnen erforderlich ist, und an der weiteren Nutzung dieser Kulturtechniken für ihre eigene Entwicklung und die ihrer Gemeinschaft.“ Der Verein ISOP veranstaltet am 24. Juni ab 08.30 Uhr eine internationale Konferenz zum funktionalen Analphabetismus in Europa und ISOTOPIA präsentiert das „Kursbuch Grundbildung für Erwachsene“.

Im Pädagogischen Zentrum Graz-Eggenberg | Georgigasse 85 - 89.
Weitere Informationen unter www.ibap.at und www.alphabetisierung.at

 

 

Neue Hörberatungsstelle des Landes Steiermark
< Landesrat Kurt Flecker beim ersten Pinselstrich für ein gemeinsames Benefizbildwerk


Mit der Eröffnung der Hör- und Sprachberatungsstelle neu am Rosenberggürtel 12 wurde eine gemeinsame Anlaufstelle für Hörbehinderte und Gehörlose aller Altersstufen geschaffen. Ein multiprofessionelles Team unter der Leitung von Ernesta Puntigam und koordiniert von Gertraut Wisniewski bietet medizinisch-diagnostische Befundung, Sozialberatung sowie eine Informations- und Bildungsdrehscheibe. Angeboten werden auch genetische Diagnose, Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes, Mütterberatungen, Vermittlung von Frühförderung, Hilfestellungen für Tinnitus-Patienten u.v.a. Landesrat Kurt Flecker eröffnete die neue Beratungsstelle und betonte die Wichtigkeit eines gezielten Einsatzes professioneller Hilfestellungen für die Erlangung der Selbstständigkeit trotz Behinderung.

Kontakt: T 0316-877-3552, – 5890 oder – 4801 | Bildtelefon: 0316-32 71 48 | Mobiltel. 0676-86 66 35 52 | M ernesta.puntigam@stmk.gv.at

 

 

  Ausbildungsstiftung PflegehelferInnen: Never ending Success-Story Der hohe Bedarf an Pflegepersonal hat Landesrat Dr. Kurt Flecker vergangenes Jahr veranlasst, die „Ausbildungsstiftung Pflegeberufe“ zu initiieren. Der Erfolg kann sich sehen lassen – alle 161 AbsolventInnen haben im Handumdrehen einen Arbeitsplatz gefunden – und wird nun „weitergepflegt“ – der zweite Durchgang des Kurses hat soeben begonnen.


Steiermarkweit befinden sich derzeit rund 10.000 Menschen in stationärer Pflege, Flecker sieht den Bedarf an Pflegefachkräften aufgrund der bekannten demografischen Faktoren weiterhin ansteigen: „Die Altersgruppe der Über-60-Jährigen wird in den kommenden 10 Jahren um rund 10% ansteigen.“ Das Angebot an Arbeitskräften hinkt der Nachfrage notorisch hinterher, besonders beim diplomierten Personal. In Folge einer Initiative des Soziallandesrates hat das Arbeitsmarktservice in Kooperation mit dem bfi und dem Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung (FAB) eine neue Ausbildungsform entwickelt. Nun startet die ‚Ausbildungsstifung PlegehelferInnen‘ nach dem äußerst erfolgreichen ersten Durchgang mit 133 TeilnehmerInnen in die zweite Runde.

„Unsere Erwartungen wurden bisher bei weitem übertroffen“, zeigt sich Flecker ebenso zufrieden wie AMS-Chef Karl Heinz Snobe und die Vorsitzende der ARGE der steirischen Heim- und PflegedienstleiterInnen, Susanna Dellanoi.

Hauptsponsor Land Steiermark
Dass es beim ersten Durchgang nur einen Ausfall gab, obwohl die TeilnehmerInnen in 11 Monaten ein Pensum von je 800 Theorie- und Praxisstunden absolvieren mussten, führt der Landesrat auf die intensive Beratungs- und Selektionsphase zu Ausbildungsbeginn zurück. Der Finanzierungsbedarf des Kurses liegt bei rund 720.000 Euro – davon bezahlt das Land 600.000 Euro. Der Kostenbeitrag der Betriebe, wo die praktische Ausbildung erfolgt, beträgt monatlich 218 Euro. „Während des Programms erhalten die TeilnehmerInnen vom AMS entweder ihr bisheriges Arbeitslosengeld oder eine Mindestsicherung von 17,50 Euro täglich plus einem Stipendium in der Höhe von 36,34 Euro pro Monat“, erklärt Snobe.

Unternehmer–„Patenschaften“ gesucht
Alfred Strassegger, Geschäftsführer des bfi Steiermark, betont, dass diese Implacementstiftung die höchste Performance in ganz Österreich hat, weist aber auf eine Lücke hin: „Im letzen Jahr haben 57 Kooperationsbetriebe die Ausbildungspatenschaft übernommen. Für den zweiten Durchgang suchen wir noch Unternehmen.“ Derzeit sind 166 Pflegestellen unbesetzt, die Chancen für die neuen 133 „KandidatInnen“ stehen somit gut, im Anschluss an ihre Ausbildung schnell einen Job zu bekommen.

– Claudia Windisch –

 

 

  Herwig Lindner: Gesundheitsstandort Österreich soll EU-weit beworben werden


Am Rande der Tagung „Das Spital (in) der Zukunft“ führte KORSO Interviews mit Mag. Jürgen Wallner vom Institut für Ethik und Recht der Medizinuniversität Wien und Dr. Herwig Lindner, dem Obmann der angestellten Ärzte in der steirischen Ärztekammer.

KAGes-Berater Christian Köck empfiehlt die Schließung von zumindest vier chirurgischen Abteilungen in der Steiermark … Es war auch schon von sieben die Rede – de facto kommen jeden Tag neue Meldungen. Das verunsichert die Betroffenen. Besser wäre es, wenn endlich ein Konzept auf dem Tisch läge, über das man diskutieren kann.

Als Argument wird ins Treffen geführt, dass Chirurgen, die seltener operieren, qualitativ schlechter sind.

Dafür gibt es keine Beweise. Die KollegInnen in den kleinen Häusern haben die gleiche Ausbildung wie die Chirurgen an den großen Spitälern und ebenso langjährige Erfahrung. Um diesem Argument aber den Wind aus den Segeln zu nehmen, haben wir selbst ein Rotationskonzept entwickelt. In der Ausbildung gibt es das schon – warum sollen nicht auch Oberärzte von den peripheren Spitälern in die Bezirkshauptstädte oder nach Graz rotieren? Die Mürzzuschlager Kollegen haben die Idee schon positiv aufgegriffen und Kontakt mit dem LKH Bruck aufgenommen.

Ist die medizintechnische Ausstattung der kleineren Spitäler ausreichend?

Da wurde überall modernisiert, von daher kann es keine Bedenken geben. Wichtig wäre die Orientierung auf ein patientennahes Angebot: Es gibt in der Steiermark derzeit Defizite, z.B. in den Bereichen Urologie, Wirbelsäulenchirurgie und da und dort auch in der Unfallchirurgie. Da drängt sich eine Spezialisierung der betroffenen Häuser geradezu auf, wie sie etwa auf der Stolzalpe bereits vollzogen wurde.

Welche Perspektiven stehen den öffentlichen Spitälern angesichts des steigenden Kostendrucks noch offen?

Was die Einnahmenseite betrifft, so muss man sich darum bemühen, den Gesundheitsstandort Österreich – immerhin verfügen wir laut WHO über das neuntbeste Gesundheitswesen der Welt – auch EU-weit bekannt zu machen. Andere Staaten wie etwa Großbritannien haben ihr öffentliches Gesundheitswesen durch Deregulierung so heruntergefahren, dass die Behandlungskapazitäten nicht mehr ausreichen – man müsste etwa Werbung dafür betreiben, dass britische PatientInnen bei uns ihr Hüftgelenk operieren lassen können. Was die Ausgabenseite angeht, gebe ich Landesrat Erlitz Recht, wenn er sagt, dass wir in die Spitäler investieren müssen. Die Versorgungssicherheit muss schon allein aus sozialen Gründen gewährleistet bleiben. Wenn der ökonomische Druck zunimmt, wird es unweigerlich zu Rationierungen kommen.

Herwig Lindner > „Wenn der ökonomische Druck steigt, wird es unweigerlich zu Rationierungen kommen.“

 

 

  Jürgen Wallner: „Wichtig ist, dass die Allokations-debatte transparent geführt wird“


Der Druck auf das Gesundheitswesen, sich stärker ökonomischen als medizinischen Kriterien zu unterwerfen, wird stärker – das führt zur Befürchtung, dass medizinische Leistungen in Hinkunft als knappes Gut rationiert werden könnten. Wäre das vom ethischen Standpunkt aus rechtfertigbar?

Ethik und Ökonomie müssen gemeinsam eine Lösung finden. Knappheit hat eine ökonomische und eine anthropologische Seite – unser Leben ist in vielfacher Weise begrenzt. Man kann nicht alles in gleicher Intensität betreiben, sondern muss Prioritäten setzen. Das gilt auch für das Gesundheitswesen: Wenn man mehr Mittel dafür bereitstellen will, muss klar sein, dass dann für andere Bereiche weniger Geld zur Verfügung steht.

Jürgen Wallner > „Die Definition von Gesundheit als unerlässlichem Gut diskriminiert Menschen mit Behinderung“

Gibt es neben dem gesamtgesellschaftlichen Allokationsproblem nicht auch ein dem Gesundheitswesen inhärentes?

Ja. Natürlich lässt es sich medial besser verkaufen, wenn mittels Einsatzes modernster Technik ein Menschenleben gerettet werden kann, als wenn mit einer unspektakulären Public-Health-Kampagne die Lebenserwartung vieler Menschen gehoben wird. Wichtig ist, dass die Allokationsdebatte transparent geführt wird. Man könnte etwa auch zum Schluss gelangen, Patienten mit bestimmten Krankheiten bevorzugt zu behandeln.

Während die aktuelle Tendenz eher in Richtung unterschiedlicher Behandlung nach sozialen Kriterien geht.

Die medizinische Versorgung ist für die Verteilung sozialer Chancen eher sekundär. Ich teile die Ansicht, dass die Gesellschaft für Chancengleichheit sorgen muss; Arbeitsplatz- und Wohnsituation und Bildungsvoraussetzungen sind da aber viel maßgeblicher als die Frage, ob und wie das Gesundheitswesen in Anspruch genommen wird. Man muss den Menschen aber die Möglichkeit geben, sich Medizin leisten zu können und ihre Prioritäten zu setzen. Ich persönlich möchte zum Beispiel nicht viel Geld für medizinische Versorgung ausgeben. Ich finde es problematisch, wenn versucht wird, das Glück des Menschen kollektiv zu definieren und die Gesundheit als oberstes Gut und absolut unerlässlich fürs persönliche Glück zu definieren. Das diskriminiert ja auch Menschen mit Behinderung.

Und hängt vielleicht damit zusammen, dass Gesundheit nach wie vor für die meisten von uns Grundvoraussetzung für die Teilnahme am Produktionsprozess und damit fürs persönliche Überleben ist.

Es darf natürlich niemand von der Möglichkeit zur Teilhabe an der medizinischen Versorgung ausgeschlossen werden. Diese Möglichkeit zur Teilhabe ist dann aber doch ein kollektives Ziel? Es kann nur das Ziel geben, alle an der Entscheidungsfindung zu beteiligen und niemanden auszuschließen.

Das setzt aber auch voraus, dass Minderheiten – zum Beispiel die der Diabeteskranken – nicht nur an der Entscheidungsfindung beteiligt sind, sondern ihre Bedürfnisse jedenfalls zur Geltung kommen müssen.

Das muss in der Tat gewährleistet sein, und zwar reell und nicht nur formal, d.h. bei schwachen Gruppen auch in Form von Ombudsleuten, Patientenanwaltschaften usw.

Wie könnte man gewährleisten, dass diese Allokationsdebatte so geführt wird, dass niemand a priori davon ausgeschlossen wird?

Es gibt historisch gewachsene Interessengruppen wie die Sozialpartner, es gibt die Konsultationsmechanismen zwischen Bund und Ländern – man kann nicht alles neu erfinden. Meine Hoffnung ist, dass diese Debatte so an den bestehenden Institutionen anknüpft, dass damit eine möglichst breite Beteiligung erreicht wird.

Die aktuelle Debatte dreht sich aber eher darum, wie man den Anteil des öffentlichen Gesundheitswesens am BIP senken könnte.

Das ist eine falsche Debatte, es sollte über Allokationen, über Datenerhebungen, über Gesundheitszustandsanalysen gesprochen und davon ausgehend Entscheidungen getroffen werden. Letztendlich gibt es ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder finden sich maßgebliche Politiker, die den Mut haben, diese Fragen zur Diskussion zu stellen, oder man führt eine defensive Debatte, um die Probleme zu kaschieren – dann kommt es zum Crash.

 

 

  Umfrageergebnisse aus dem Modellprojekt Jugendgesundheitsförderung


Der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) ist seit 1998 als bundesweite Plattform für die Gesundheitsförderung tätig. Einen der jüngsten Schwerpunkte des FGÖ bildet die Thematik „Kinder und Jugendliche im außerschulischen Bereich“. Dieser Lebensbereich der Jugendlichen stellt ein ganz besonderes „Setting“ (Milieu) dar, denn er ist in der Regel weitaus schwieriger zugänglich als die schulische Situation und von einem dichten Geflecht formeller und informeller Gruppenaktivitäten gekennzeichnet.

Ziel: Erhöhung der Lebensqualität
Um das Informationsdefizit auf diesem Gebiet zu beheben, wurde im vergangenen Jahr nach einer EU-weiten Ausschreibung ein Modellprojekt für den ländlichen Raum initiiert. Die beiden Organisationen „ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus“ und styria vitalis sind für die Umsetzung des Projekts „Jugendgesundheitsförderung auf dem Land“ verantwortlich: in zwei Regionen der Steiermark mit insgesamt 17 Partnergemeinden sollen die gemeinsamen Ziele umgesetzt werden. Diese laufen auf eine Integration der Erfahrungen bei der Jugendarbeit und die Erhöhung der Lebensqualität und des Wohlbefindens der Jugendlichen hinaus. Auch soll die Identifikation mit der eigenen Gemeinde gestärkt werden bzw. die Anregung zu einer positiven Mitgestaltung des ländlichen Lebensraumes erfolgen.

Jugendliche leben gerne in ihrer Gemeinde
Die Projektverantwortlichen haben nun die Ergebnisse einer Befragung von 807 Jugendlichen zwischen 11 und 15 Jahren, die im vergangenen Winter in den Modellregionen erhoben wurde, vorgelegt. Die Fragen bezogen sich dabei sowohl auf das soziale Umfeld und die Freizeitaktivitäten sowie auf gesundheitliche Themen. Die Ergebnisse belegen, dass ein Großteil der Jugendlichen gerne in ihren Gemeinden lebt (95%) und immerhin die Hälfte mit dem Freizeitangebot vor Ort sehr oder eher zufrieden ist. Auch das Verhältnis zu den Erwachsenen wird überwiegend als positiv erlebt, während andererseits doch etwa 40% mehr an der Festlegung von Regeln beteiligt sein möchten.

Schlankheitswahn
Ihren Gesundheitszustand schätzt die überwältigende Mehrheit (93%) als ausgezeichnet oder gut ein, während die Häufigkeit von Befindlichkeitsstörungen wie Müdigkeit oder Erschöpfung Anlass zur Sorge gibt: 8% geben an täglich darunter zu leiden, immerhin 13% mehrmals bzw. 24% fast jede Woche. Alarmierend ist auch der Schlankheitswahn in dieser Altersgruppe: Obwohl nur ca. 5% tatsächlich übergewichtig sind (47% haben sogar Untergewicht!), stufen sich 24% der Mädchen bzw. 14% der Burschen als zu dick ein und jeder zehnte Befragte unterzieht sich gerade einer Diät. Auch legale Suchtgifte spielen eine nicht zu verharmlosende Rolle: rund 17% der 15-Jährigen rauchen täglich, etwa 15% derselben Altersgruppe konsumieren regelmäßig alkoholische Getränke. Jugendliche, die mit ihrem Leben zufrieden sind, trinken häufiger keinen Alkohol.