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korso
Wissenschaft & Forschung |
Das
Informationsmagazin
der Steiermark
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06/2004
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Wasser-Liberalisierung:
Nur ein bisserl Pelz-Waschen ohne Nassmachen?
Bei einem Pressetermin in Graz versuchten Vertreter der EU-Kommission
die bestehenden Befürchtungen vor einer von oben verordneten Privatisierung
der Wasserwirtschaft zu zerstreuen. |
Wasser ist ein essentieller Wirtschaftszweig in der Union. Der geschätzte
Jahresumsatz liegt bei 80 Milliarden Euro und toppt somit den Jahresumsatz
des überaus lukrativen Erdgassektors. Kein Wunder, dass hier die
Begehrlichkeiten wachsen. Zumindest ein Verkauf von Wasser ins Ausland
sei nicht realistisch, versucht Tom Diderich, Europäische
Kommission – GD Binnenmarkt zu beruhigen: „Weite Lieferstrecken
sind schon allein aus hygienischen Gründe nicht interessant“. Außerdem
lägen die Entscheidungen bei den einzelnen Mitgliedsstaaten, „hier
finden wir sehr unterschiedliche Organisationsformen vor.“ Laut
Diderich beabsichtige die Europäische Kommission nicht, Vorschläge
für eine Änderung der Besitz- und Rechtsverhältnisse im Wasserbereich
vorzulegen oder gar durchzusetzen.
„Eine erzwungene Ausschreibung von Wasserdienstleistungen entspricht
nicht den Vorstellungen der östereichischen Bevölkerung.“
Für DI Wolfgang Malik, Vorstandsdirektor der Grazer Stadtwerke
AG, hat im Mittelpunkt aller Überlegungen zu neuen Strukturen die
Aufrechterhaltung und der Ausbau der einzigartigen Wasserqualität
Österreichs zu stehen. „Wir wollen Versorgungssicherheit garantieren
und die kostbare Ware Wasser nicht am Markt verschleudern“, so Malik.
Bestimmte EU-Vorgaben seien positiv zu werten, so müssten sämtliche
Bleirohr-Hausanschlüsse bis 2007 ausgetauscht werden. Eine erzwungene
Ausschreibung von Wasserdienstleistungen entspreche aber nicht den
Vorstellungen der österreichischen Bevölkerung, die Sicherstellung
der Daseinsfürsorge habe Priorität.
Kein Aufkauf durch die „Großen“
„Die Ängste der kleinen Wasserversorger, dass die „Großen“ sie schlucken
werden, sind unberechtigt“, meint SR DI Hans Sailer, Leiter
der MA 31 – Wiener Wasserwerke, abgesehen von den Qualitätsproblemen
seien weite Transporte derzeit angesichts des Verhältnisses zwischen
Fixkosten und Gewinnspanne unrealistisch. Die Wasserversorgung sei
daher nicht mit der Energieversorgung gleichzusetzen. Die Durchsetzung
des freien Wettbewerbs im Wassersektor sei international umstritten,
und zudem dürfe dieser laut Diderich nicht mit einer Privatisierung
der Wasserversorgung verwechselt werden.
Claudia Windisch
Entscheidungshoheit über Wasser soll bei der Bevölkerung bleiben
Gegen die Tendenz, „Österreich solle sein Wasser so bewirtschaften,
wie die Ölscheichs das Öl bewirtschaften“, zieht der SPÖ-Listenführer
bei der Europawahl, Hannes Swoboda, mit aller Vehemenz zu Felde.
EU-Parlamentarier Hannes Swoboda (re) agitierte
– unterstützt von Grazer SP-Gemeinderatsklubchef Karl Heinz Herper
(li) – in der Steiermark gegen die Wasser-Privatisierung
Wasser müsse aus allen ökonomischen Überlegungen herausgehalten
werden. Die Entscheidungshoheit über den „Grundstoff aller Lebensgrundstoffe“
müsse allein bei der Bevölkerung liegen. Auch wenn derzeit eher
beschwichtigt werde, lägen die Wünsche einer Reihe transnationaler
Konzerne klar auf dem Tisch: Ihre Absicht sei es, Wasser aus seinem
faktischen Status eines „Grundrechtes“ herauszulösen und zum unmittelbaren
Unternehmens- und damit in weiterer Folge Spekulationsgegenstand
zu machen.
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Wasser-Wissen
wird zum steirischen Export-Artikel |
Die gewaltigen Wasservorkommen in der Steiermark haben naturgemäß
zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem lebensspendenden
Nass auch auf der Ebene der Wissenschaft und der Technologie geführt.
Fast folgerichtig entstand hier das vom Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit im Jänner 2004 genehmigte und von der steirischen Forschungsgesellschaft
Joanneum Research gemanagte Kompetenzzentrum „Wasserressourcen und
deren Bewirtschaftung“, das schon vier Monate nach seiner Geburt
einen kräftigen Wachstumsschub erfahren hat: Am 19. Mai unterzeichneten
die Bevollmächtigten der Republik Kroatien, der italienischen Provinz
Pordenone (Region Friuli Venezia Giulia) und der Republik Slowenien
den Fördervertrag des Netzwerkes. Forschungs-Landesrat Leopold
Schöggl äußerte anlässlich des feierlichen Aktes den Wunsch,
dass „die Bewältigung der Wasser-Problematik in unseren regionalen
Grenzen zur Bewältigung dieses brisanten Themas weltweit beitragen
möge.“ Die anwesende Vertreterin des Ministeriums, Dr. Ulrike
Unterer, betonte, dass das Netzwerk mit 35 Wirtschafts- und
22 Forschungspartnern das erste wirklich internationale Kompetenzzentrum
sei; das Ministerium trägt 40% der Kosten, die beteiligten in- und
ausländischen Gebietskörperschaften 20%, den Rest steuern die Wirtschaftspartner
bei.
MRin Ulrike Unterer >
< Forschungslandesrat Leopold Schöggl: Freude über die Internationalisierung
desWasserkompetenzzentrums
Univ.-Prof. Dr. Hans Zojer (TU / Joanneum Research) nannte
eine breite Palette anstehender Forschungsvorhaben – von der für
den Tourismussektor vitalen ökologisch verträglichen Produktion
von Kunstschnee bis hin zur Lösung der Bewässerungsprobleme in den
Karstgebieten Italiens und Kroatiens. Ein wichtiger Partner im Netzwerk
sind die Grazer Stadtwerke, deren Know-how betreffend die Optimierung
der Wasserqualität und der Distribution international gefragt ist.
cs
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Girls crack
it – wer wagt, gewinnt! |
Weiblicher Kurs auf technische Berufe: die Entwicklungspartnerschaft
„Girls crack it“ forciert die so genannten „nicht-traditionellen“
Berufe für Frauen und versucht über geschlechtssensible Berufsorientierung
junge Mädchen für die Welt der Technik zu begeistern. Die transnationale
Konferenz von „Girls crack it“ und „EQUALVOICES“ in Graz zeigte
Wege auf, wie Gender Mainstreaming im Berufsentscheidungsprozess
von Mädchen an Bedeutung gewinnen kann.
„Girls crack it“ will Skepsis von Mädchen gegenüber technischen
Berufen überwinden
Mädchen sind technisch genauso talentiert wie Burschen.
Doch die Entwicklung einer gewissen Selbstverständlichkeit, mit
der sich Mädchen auch für einen technischen oder technologischen
Beruf entscheiden, braucht noch Zeit und Förderung“, so Landesrätin
Kristina Edlinger. „Gleichstellung beginnt bei der Berufswahl.“
Noch sieht die Realität anders aus: In der Steiermark ist der Arbeitsmarkt
nach wie vor zum Großteil in „Männer-“ und „Frauenberufe“ geteilt.
Mädchen greifen bei ihrer Berufsentscheidung noch immer auf ein
relativ eingeschränktes Berufsfeld zurück. Die vielen Initiativen,
Projekte und Einrichtungen zum Thema Gleichstellung kommen nur in
kleinen Schritten vorwärts. Das mit September 2000 im Rahmen der
europäischen Gemeinschaftsinitiative EQUAL gestartete Projekt „Girls
crack it“ soll diese Entwicklung beschleunigen.
Auf vielen Wegen zur Gleichstellung
Durch Sensibilisierung, Information und zielgruppenspezifisches
Marketing versucht „Girls crack it“ jene Rahmenbedingungen zu verbessern,
welche für Mädchen und junge Frauen wichtig sind, um erfolgreich
eine Berufsausbildung im Bereich Technik und neue Technologien absolvieren
zu können. An diesem Ziel arbeiten die an der transnationalen Partnerschaft
EQUALVOICES beteiligten Projekte – mit unterschiedlichsten Ansätzen
in den Bereichen Forschung, Praxis und Politikgestaltung will man
die Einkommensschere und Segregation am Arbeitsmarkt in absehbarer
Zeit aufheben. Im Rahmen der transnationalen Konferenz „Gender Mainstreaming
und Gleichstellung in Schulen und Unternehmen“ diskutierten die
Hauptakteure von „Girls crack it“ und EQUALVOICES ihre bisherige
Aktivitäten, Resultate und Zukunftsvisionen.
Gender Mainstreaming international. Aase Rieck Sorensen,
Dänemark, Projektmanagerin von YOUTH, GENDER & CAREER, und ihr Team
beschäftigen sich u. a. mit „Gender Blindness“, d. h. den blinden
Flecken bei LehrerInnen und BerufsberaterInnen, wenn es um die Karrierechancen
von Mädchen geht. Aufbauend auf ihren Analysen wurden im dänischen
Partnerprojekt Kurse für Eltern und BerufsberaterInnen entwickelt
und durchgeführt, um die klassischen Ansätze der derzeitigen Form
der Berufsorientierung zu dekonstruieren. „Wir gehen mit unseren
Projekten auch in die Schulen, denn die klassischen Rollenbilder
müssen früh genug aufgebrochen werden“, so Sorensen. In Spanien
läuft erstmals eine landesweite PR-Kampagne zur Chancengleichheit
von Männern und Frauen, das britische „GERI PROJECT“ vertreibt Web-
und Multimedia-Informationssysteme für mehr Chancengleichheit bei
der Karriereplanung und im Berufsleben und auch das finnische EQUAL-Projekt
„MIRROR“ unter der Leitung der ehemaligen Managerin von Nokia, Kirsti
Miettinen, versucht mit acht Sub-Projekten im ganzen Land den
Frauenanteil in der Technologiebranche anzuheben. „Ich möchte alle
Mädchen ermutigen“, so Edlinger, „sich eine unkonventionelle Berufsausbildung
ernstlich zu überlegen.“
Claudia Windisch
Info/Kontakt: Mag. Djamila Rieger | Equalprojekt „Girls
crack it“ | T (0316) 33 73 00 –32 | www.girls-crack-it.org
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Transnationale
Konferenz zur Gleichstellung in Schulen und Unternehmen |
Im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „Girls crack it“ findet
am 14. Mai von 09.30 bis 18.00 im großen Saal der Landesbuchhaltung,
Burggasse 13, 8010 Graz, eine international besetzte Konferenz zum
Thema „Gender Mainstreaming und Gleichstellung in Schulen & Unternehmen
- Forschung, Praxis, Politikgestaltung“ statt. Forschungsergebnisse
und Praxisbeispiele aus Österreich, Dänemark und Finnland geben
Einblicke in europaweite Problemlagen und nationale Handlungsansätze.
Es referieren u.a. LRin Kristina Edlinger-Ploder, Roswitha
Tschenett (BMBWK) und Silvia Buchinger von HP Austria.
Nähere Information: www.girls-crack.it.org
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Gemeinsam
forschen und entwickeln: TU Graz und JOANNEUM RESEARCH Als
offizielles „Verlobungs-Siegel“ für die neu ausgerichtete strategische
Partnerschaft der TU Graz und JOANNEUM RESEARCH gilt der Kooperationsvertrag
vom 28. Mai 2004. Die beiden Unternehmen werden in Zukunft Forschungs-
und Entwicklungsprojekte gemeinsam durchführen. |
Zwei starke Partner haben sich zusammengetan und werden nunmehr
als gemeinsame Plattform auftreten: die TU Graz als wichtiger Knotenpunkt
im europäischen Forschungs- und Bildungsnetzwerk und JOANNEUM RESEARCH,
eine der größten außeruniversitären Forschungsunternehmen Österreichs.
Im Rahmen dieser strategischen „Verlobung“ sollen die Kompetenzen
der beiden Unternehmen gebündelt werden, denn: „Heute sind nur mehr
größere Einheiten imstande, international schlagkräftig zu sein“,
betont Hon. Prof. Dr. Bernhard Pelzl, wissenschaftlicher
Leiter der steirischen Forschungsgesellschaft.
Forschung bringt Arbeitsplätze
„Graz soll die Forschungshauptstadt der Alpen Adria Region werden“,
wünscht sich Landeshauptmann-Stv. DI Leopold Schöggl, „solch
ein hoch gestecktes Ziel kann man aber nur unter bestimmten Voraussetzungen
erreichen, nämlich durch Vernetzung, Kooperation und den öffentlich
bekundeten Willen zur Zusammenarbeit.“ Und: Forschung sei eine unabdingbare
Voraussetzung für die Arbeitsplätze von morgen. Bereits bisher gab
es verschiedenste Formen der Zusammenarbeit: So werden sechs Institute
der JOANNEUM RESEARCH in Personalunion von Professoren der TU Graz
geleitet, die Einrichtungen führen zusammen das Christian-Doppler-Labor
„NanoTecCenter Weiz“ und engagieren sich stark in Netzwerken wie
dem NANONET Styria.
Jetzt geht‘s um die großen Fische
„Künftige Projekte des JOANNEUM RESEARCH werden nur mehr in strategischer
Abstimmung mit der Leitung der TU in Angriff genommen. Das Rückgrat
einer Universität ist unbedingt notwendig“, so Pelzl. Univ.-Prof.
Dr. DI Hans Sünkel, Rektor der TU Graz, weist darauf hin,
dass durch diese Verknüpfung von universitärer und außeruniversitärer
Einrichtung wesentlich größere Projekte an Land gezogen werden können
als bisher – schon allein aufgrund der 10%-igen Beteiligung der
großen holländischen Forschungsorganisation TNO bei Joanneum Research
(90 Prozent hält das Land Steiermark). Basierend auf dem neuen Kooperationsvertrag
wird es künftig auch leichter sein, Spitzenleute an Graz zu binden,
da der Vertrag es ermöglicht, Wissenschafter bei beiden Institutionen
anzustellen. Mag. Edmund Müller, Geschäftsführer der JOANNEUM
RESEARCH, zeigt das einheitliche Motto der Vertragspartner auf:
„Lokal kooperieren und sich gemeinsam im globalen Wettbewerb messen.“
In einem weiteren Schritt wird auch eine Beteiligung der TU Graz
an der JOANNEUM RESEARCH angestrebt.
CW
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Kinder, die
es gar nicht gibt Menschenhandel ist nach wie
vor ein Tabuthema in den westlichen Gesellschaften, der Opferschutz
ist unterentwickelt, die eigentlichen Täter strafrechtlich kaum zu
belangen: Das ist die pessimistische Bilanz einer Diskussionsveranstaltung
zum Thema, die von der OMEGA-Gesundheitsstelle, Verein für Opfer von
Gewalt & Menschenrechtsverletzungen, im Rahmen des EU-Projekts „Forum
Human Rights & Rehabilitation Program for Children“ organisiert wurde. |
„Weltweit werden jährlich 1,2 Millionen Kinder gehandelt“, so Mag.
Helmut Sax vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte,
„die Dunkelziffer dürfte noch weitaus höher liegen.“ Die Ausbeutung
der Kinder reicht von Kinderprostitution und Kinderpornografie über
Kinderarbeit, Zwangsheirat, Adoption bis hin zum Einsatz als Kinder-Drogenkurier.
1,2 Millionen Kinder fallen jährlich dem Menschenhandel zum
Opfer
Misstrauen gegen die Opfer
„Ich vermisse ein Maßnahmenpaket seitens der Politik“, moniert NAbg.
Mag. Terezija Stoisits, Menschenrechtssprecherin der Grünen,
„besonders vernachlässigt wird die Rückkehrberatung und -unterstützung.“
Laut Stoisits sind rund 80% der Opfer von Menschenhandel weiblich
– die „Zufuhr“ von Prostituierten spielt eine wesentliche Rolle.
„Es hat oft nur den Anschein, dass diese Frauen freiwillig mitmachen“,
weiß Stoisits. Sie sieht ein wesentliches Problem in den ungenügenden
strafrechtlichen Möglichkeiten gegen die Täter vorzugehen bzw. dem
unbefriedigenden Zeugenschutz in Österreich. „Opfer von Menschenhandel
müssen ein humanitäres Aufenthaltsrecht erhalten, damit sie dann
ohne Angst vor Abschiebung gegen ihre Peiniger aussagen können“,
verlangt auch Dr. Helga Konrad, Vorsitzende des Stabilitätspakts
„Task Force gegen Menschenhandel“ der OSZE: „Den Opfern wird noch
immer ein tiefes Misstrauen entgegengebracht, zwischen Menschenhandel
und freiwilliger Prostitution wird selten unterschieden, Zeugenschutzprogramme
finden kaum Anwendung – es sind meist die Kriminellen, die geschützt
werden.“ Befreite Opfer können kaum mehr ein normales Leben führen,
ein humanitäres Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel wird
sehr selten bewilligt.
Schmuggel identitätsloser Kinder
Das größte Problem für Hilfsorganisationen stellen derzeit die nach
Österreich geschmuggelten zweiten und dritten Kinder aus China dar,
welche es im eigenen Land aufgrund der gesetzlichen Geburtenregelung
theoretisch gar nicht gibt und die zum Teil von der eigenen Familie
verkauft wurden. „Für sie gibt es kaum eine Lösung, denn sie besitzen
definitiv kein einziges Papier, welches über ihre Existenz etwas
aussagt“, erklärt Gerhard Wallner, Leiter des Kompetenzzentrums
für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Fragen des Aufenthaltsrechts.
Eine andere Gruppe sind afrikanische Kinder bzw. Jugendliche, deren
Altersangaben oft falsch sind und die mit falschen Versprechungen
über Arbeitsmöglichkeiten nach Europa gelockt werden. Allein die
Fahrt mit Schleppern kostet pro Person bis zu 7000 Dollar. „Die
afrikanischen Mädchen landen fast alle auf dem Straßenstrich, weil
sie die Kosten für die „Schlepper-Reise“ verdienen müssen und ihre
Familien im Heimatland oft als Geiseln genommen werden. Die Buben
hingegen rutschen in den Drogenhandel“, so Wallner, „die neuesten
Entwicklungen in Österreich sind, dass nun auch sehr junge Mädchen
aus der Mongolei von Erwachsenen beim Bundesasylamt „abgegeben“
werden – wir wissen noch nicht, warum sie da sind.“
Ausbildungsmöglichkeiten für Zurückgekehrte
Der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität,
Major Gerald Tatzgern, berichtet von 21.000 aufgegriffenen
Personen pro Jahr. Mit Schlepperei würden jährlich 7 Mrd Euro erwirtschaftet:
„Das ist längst ein eigener Wirtschaftszweig, teilweise als Reisebüros
getarnt, mit Kommunikationsstellen in allen Ländern.“ Tatzgern warnt
davor, Schlepper und Fluchthelfer zu verwechseln: „Fluchthelfer,
die Menschen, teilweise unter Lebensgefahr aus Kriegsgebieten heraushelfen,
tun dies, ohne daran zu verdienen.“ Im abschließenden Referat von
Anelise Gomes de Araujo von IOM-Austria, international organisation
for migration, wurden Hilfsangebote für Rückkehrwillige beschrieben:
Von NGOs vor Ort organisierte Projekte in Rumänien und Bulgarien
stellten eine Brücke zur Wiedereingliederung auf einem höheren Niveau
dar, etwa indem für zurückgekehrte Kinder eine Ausbildungsmöglichkeit
bereitgestellt wird.
Claudia Windisch
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Drogen: Neue
Hilfe für die Helfer VIVID, die Fachstelle
für Suchtprävention Steiermark, wirkt seit Mitte Mai mit einem umfassenden
Arbeitsset, dem so genannten Praxispackage „High genug?“, den Informationsdefiziten
der MitarbeiterInnen in der außerschulischen Jugendarbeit entgegen.
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Im Jahr 2003 startete VIVID unter 30 steirischen Jugendeinrichtungen
eine Umfrage mit dem Ergebnis, dass sich bei allen Institutionen
ein hoher Bedarf nach Informations- und Arbeitsmaterialien zu den
Themen Sucht, Suchtvorbeugung und Drogenkonsum zeigte. Außerdem
stellte sich im Rahmen dieser Umfrage heraus, dass viele der MitarbeiterInnen
der außerschulischen Jugendarbeit Unsicherheiten und Informationsdefizite
im Umgang mit suchtgefährdeten Jugendlichen aufweisen.
VIVID-GFin Gabriele Mairhofer-Resch, LOGO-GF Stefan Perschler:
Ein
neues „Praxispackage“ soll Info-Defizite bei JugendbetreuerInnen
beheben, die mit drogengefährdeten Jugendlichen zu tun haben.
Higher and Higher – keine Grenze in Sicht!?
Zur Kompensation dieser Informationslücken entwickelte VIVID in
Kooperation mit dem steirischen Dachverband der offenen Jugendarbeit
ein „Praxispackage“ unter dem Titel „High genug?“ „Dieser provokante
Titel wurde bewusst gewählt – er soll einen Nachdenkprozess einleiten“,
so Mag. Gabriele Mairhofer-Resch, Geschäftsführerin der Fachstelle
für Suchtprävention, „das Besondere am Inhalt des Koffers ist eine
Infosammlung, die auf sieben Jahren Erfahrung in der Arbeit mit
Suchtkranken beruht und rund 20 modellhafte Projektbeispiele aus
dem deutschsprachigen Raum aufzeigt, die dazu anregen sollen, im
eigenen Arbeitsumfeld suchtpräventive Aktivitäten umzusetzen.“ „High
genug – das ist eine Frage der Relation bzw. eine Frage der Grenzen“,
meint Stefan Perschler, Geschäftsführer der LOGO jugendmanagement
g.m.b.h.: „Wie weit sind Jugendliche bereit zu gehen und wo holt
man sie ab?“
Praktische Tipps zum Thema Suchtvorbeugung, Anregungen und verschiedene
Sichweisen in einem „Rezeptbuch“ zusammengefasst, das ADDICT-ionary,
eine Infobroschüre über mögliche Schädigungen bzw. (Neben)wirkungen
der gängigsten legalen und illegalen Drogen u. v. m. sind die wesentlichsten
Inhalte dieses Praxispackages, das um Euro 25,- bei VIVID (Hans-Sachs-Gasse
12/II | 8010 Graz | T (0316) 82 33 00 - DW 82 | www.vivid.at)
erhältlich ist.
cw
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Kindliche
Entwicklung: Gene spielen nur geringe Rolle |
Oft werden wesentliche Aspekte der frühkindlichen Entwicklung von
ehrgeizigen Eltern fälschlicherweise „übergangen“. Der international
tätige Hirnforscher Gerald Hüther zeigte bei einem Vortrag im Rahmen
der Initiative Kind(er)leben neue Erkenntnisse und die gröbsten
Missverständnisse in der Frühförderung auf.
„Kinder brauchen Wurzeln“ – unter diesem Motto stand die gelungene
Fachtagung am 12. Mai 04 der Initiative KINDerLEBEN. In der Eröffnung
wies Landeshauptmann Waltraud Klasnic auf die große Verantwortung
hin, Kindern ausreichend Liebe und Geborgenheit zu vermitteln, „...
denn das sind die Grundsäulen, auf welchen ein Kind „Wurzeln schlagen“
kann.“ Landesrat Dr. Kurt Flecker sieht die Basis in der
Kindererziehung vor allem im Transport ethischer Werte. „Die Gesellschaft
hat die Aufgabe Werte zu formen und Sicherheit zu geben, sonst hilft
das beste Milieu nichts. Einer der wichtigsten Werte ist Toleranz
… das muss auch vorgelebt werden!“
(von links):
Moderatorin, Gemeinderätin Sissy Potzinger (Katholischer Familienverband),
Landesrat Dr. Kurt Flecker, Landeshauptmann Waltraud Klasnic, Prof.
DDr. Gerald Hüther, Dr. Ernst Burger. Foto Stuhlhofer
Das Umfeld, das die steirischen Kinder vorfinden, zeigte Landesstatistiker
Dr. Ernst Burger auf: „2001 lebten in der Steiermark rund
192.000 Kinder im Alter von unter 15 Jahren, ca. 189.000 davon in
Familien. Davon haben etwa 80 Prozent von Geburt weg eine Vollfamilie,
das heißt beide Elternteile. 20% der Kinder werden fast ausschließlich
von Müttern allein großgezogen. Zudem verzeichnen wir seit 30, 40
Jahren einen drastischen Geburtenrückgang. Die Jetztgeborenen wachsen
in modifizierte Familienformen und in eine alternde Gesellschaft
hinein. An eine ,vaterlose Gesellschaft‘ haben wir uns schon gewöhnt,
jetzt kommt die ,kinderlose Gesellschaft‘.“ Von Scheidungen bzw.
Auflösungen elterlicher Gemeinschaften betroffen ist auf steirischer
Ebene ca. jedes 7. Kind unter 14.
Die Ohnmacht der Gene
Wie essentiell emotionale Sicherheit für eine gesunde Hirnentwicklung
von Kleinstkindern ist, zeigt Neurobiologe Univ.-Prof. DDr. Gerald
Hüther von der Universität Göttingen auf. In den ersten Lebensjahren
werden die prägenden Verhaltensmuster im Gehirn festgelegt, die
Bedeutung des Umfeldes setze bereits im Mutterleib ein, wobei laut
jüngsten Untersuchungen nicht in erster Linie die Gene, sondern
das Verhalten der Mutter ausschlaggebend ist, sodass die Entwicklung
sogar stärker von einer Leih- im Vergleich zur biologischen Mutter
bestimmt werde. Dementsprechend negativ wirken sich fehlende Geborgenheit
und Nestwärme in den ersten Lebensjahren auf die Hirnentwicklung
aus.
Zur Veranschaulichung der Bedeutung der Umwelt-Faktoren: Weißen
Mäusen, welche in ihren Eigenschaften sehr lernfähig, überaus neugierig
und lebendig sind, wurden die Embryonen von schwarzen Mäusen eingesetzt
und umgekehrt. Die schwarzen Mäuse, im Verhalten ängstlich und passiv,
gebaren also weiße Mäusebabys, welche der Logik ihrer Gene folgend
neugierig und lebendig hätten werden sollen, aber sich von Anfang
an – den Mustern ihres Umfelds folgend – überaus ängstlich und passiv
verhielten.
Falscher Ehrgeiz behindert gesunde Entwicklung
„Der Mensch hat das formbarste und anpassungsfähigste Gehirn aller
Lebewesen“, so Hüther, „damit sich in den ersten Lebensjahren die
richtigen Verschaltungsmuster im Gehirn aufbauen können, sind sichere
Bindungsbeziehungen und emotionelle Sicherheit notwendig. Jede Phase
in der frühkindlichen Entwicklung ist wichtig: viele Eltern glauben
ihrem Kind möglichst früh die Sprache beibringen zu müssen. Dabei
vergessen sie, dass die Phase des „Nichtsprechens“ deshalb für ihr
Kind so notwendig ist, weil sie sich in dieser Phase die nonverbale
Kommunikation aneignen, d. h. im Gesicht zu lesen, ob z. B. die
Zuwendung eines Menschen auch wirklich ernst gemeint ist.“ Das Gleiche
gilt für die vorzeitige Förderung des Laufenlernens. „Das Krabbeln
muss deshalb eingeübt werden, damit sich die rechte und linke Gehirnhälfte
gut miteinander verbinden können“, erklärt der Hirnforscher. Aber:
„Veränderung ist immer möglich – bis ins hohe Alter kann der Mensch
neue Strategien der Lebensbewältigung erlernen!“
Claudia Windisch
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Volkshilfe
Steiermark: 10 „starke“ Jahre
< Ein neues Logo für den steirischen Sozial-Leitbetrieb
Volkshilfe präsentieren GF Franz Ferner und Vorsitzende LAbg. Barbara
Gross |
Innerhalb eines Jahrzehnts hat die Volkshilfe Steiermark den Wandel
hin zu einem modern organisierten und auch als Arbeitgeber gewichtigen
Anbieter sozialer Dienstleistungen vollzogen.
Professionalisierung. Als vor 10 Jahren LAbg. Barbara Gross
den ehrenamtlichen Vorsitz der Volkshilfe Steiermark übernahm, handelte
es sich bei dieser noch um einen „traditionellen“ Wohlfahrtsverein
mit einem bescheidenen Etat von umgerechnet knapp 5 Mio EURO und
wenigen hundert Mitarbeitern, darunter viele ehrenamtliche. Seit
die Geschicke des Vereines in ihren Händen liegen, hat sich der
Umsatz im Zuge durchgreifender inhaltlicher und betriebswirtschaftlicher
Reformen auf weit über 40 Mio EURO gesteigert, neben den 550 ehrenamtlichen
Helfern sind derzeit rund 1600 angestellte Mitarbeiter beschäftigt.
Bedarfsnahes Angebot
In einer Bilanz der abgelaufenen zehn Jahre resümieren Barbara Gross
und Geschäftsführer Franz Ferner die Folgerichtigkeit des
beschrittenen Weges: Priorität hatte stets der konsequente Ausbau
des Angebotsspektrums in den Kernbereichen Kinderbetreuung, Mobile
Dienste und Seniorenzentren. Diese werden nach Barbara Gross auch
in Zukunft gesellschaftlich akzeptierte Erfordernisse darstellen.
Ihr Credo für die Seniorenbetreuung lautet: „Ein Mensch muss das
Recht haben in Würde alt zu werden, aber auch selbstbestimmt alt
zu werden.“
Die finanzielle Basis muss gesichert bleiben
Die freiwillige ISO-Zertifizierung aller angebotenen Dienstleistungen
stellt darüber hinaus einen wichtigen Schritt dar, um den wachsenden
Qualitätsansprüchen im Europa von morgen gerecht zu werden. Die
Leistungen der Volkshilfe werden von den Partnern auf Landesebene
und vor allem in den Gemeinden durchgehend positiv bewertet.
Aber eine erfolgreiche Weiterführung der Aktivitäten ist in Zukunft
nur zu gewährleisten, wenn eine langfristig planbare und gerechte
Finanzierungsbasis gegeben ist. Franz Ferner zu dieser Problematik:
„Bis Ende 2004 muss in der Frage der Erhöhung der Tagsätze für Pflegeheime
eine Entscheidung fallen, sonst werden manche Leistungen nicht mehr
erfüllt werden können - Leistungs- und Personalabbau drohen.“
Ein Drittel mehr Kinderbetreuungseinrichtungen
In den Jahren von 1998 bis 2004 ist es nämlich nur zu einer einmaligen
Erhöhung der Tagsätze von rund 2,5% im Pflegeheimbereich gekommen.
Betroffen davon sind in zunächst die Beschäftigten, die auf eine
Anpassung ihrer Gehälter warten müssen, aber bald auch die Betreuten,
wenn es zu qualitativen Einbußen kommen sollte. Barbara Gross
und ihr Team haben sich trotz alledem bis Ende 2006 dennoch viel
vorgenommen: U.a. will man die Anzahl der Pflegebetten in Seniorenzentren
von derzeit 900 auf 1.400 Betten ausbauen und zu den derzeit 45
stationären weitere 15 ganzjährige und ganztägig geöffnete Kinderbetreuungseinrichtungen
initiieren und den Sektor Tagesmütter ausbauen.
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Psychische
Belastungen am Arbeitsplatz steigen
Pro mente bietet Hilfe für Betriebe und ArbeitnehmerInnen bei arbeitsbedingten
psychischen Erkrankungen. |
„Psychische Erkrankungen von ArbeitnehmerInnen verursachen gleich
hohe Kosten wie Arbeitsunfälle“, weiß die Leiterin des Bundessozialamtes
Steiermark, Dr. Margareta Steiner. Und DSA Andrea Zeitlinger
von pro mente, Leiterin des Projekts „Zwischen 8 und 5“, konkretisiert:
„Vor 10 Jahren fielen pro 1000 Beschäftigen 307 Krankenstandstage
aufgrund psychischer Erkrankungen an, heute sind es schon 460.“
10% aller Berufstätigen leiden an einer psychischen Erkrankung,
30% befinden sich wegen psychomatischer Erkrankungen in Behandlung.
Margareta Steiner (BSB) >
< Andrea Zeitlinger (pro mente): Die Initiative „Zwischen 8 und
5“ bietet Unterstützung bei psychischen Erkrankungen von ArbeitnehmerInnen
Die Initiative „Zwischen 8 und 5“ hat sich – unterstützt durch
das Bundessozialamt – zum Ziel gesetzt, betroffene Mitarbeiter und
Betriebe so zu begleiten, dass einerseits die Arbeitsabläufe im
Unternehmen geringstmöglich gestört werden und andererseits die
Betroffenen nicht um ihren Arbeitsplatz bangen müssen. Die Unterstützungsmöglichkeiten
reichen von Supervisionsangeboten für Vorgesetzte über Beratungsgespräche
und Information über Therapieangebote für betroffene ArbeitnehmerInnen
bis zur Hilfestellung für KollegInnen bei der Kompensation von Ausfällen
eines Team-Mitglieds. Zeitlinger nennt mehrere konkrete Fälle, die
positiv für alle Beteiligten gelöst werden konnten.
Der Grund für die Zunahme psychischer Erkrankungen, die direkt
auf die Arbeitssituation zurückzuführen sind, liegt laut Untersuchungen
in Personalreduktionen, verstärkter Personalselektion, neuen prekären
Arbeitsformen wie Teilzeitarbeit, Zeitdruck, Arbeitsplatzunsicherheit,
aber auch widersprüchlichen Anweisungen. Steiner: „Unserer Erfahrung
nach sind besonders frisch privatisierte Unternehmen betroffen,
wo der Druck auf die ArbeitnehmerInnen oft gewaltig ansteigt und
sie gleichzeitig über ihr zukünftiges Schicksal im Unklaren gelassen
werden.“
Info: pro mente steiermark | T (0316) 71 42 45 | www.promente.com
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Spital der
Zukunft: „Haus der Gesundheit “ für alle statt ausgrenzender Mauern
Am 26. Mai fand im Minoritensaal unter dem Titel „Das Spital (in)
der Zukunft“ eine Enquête der Steirischen Ärztekammer statt. Mit ein
Beweggrund für diese Veranstaltung war zweifellos das Bestreben der
Ärzteschaft – nach der erst kürzlich abgewendeten Privatisierung der
KAGes – konstruktive Diskussionsbeiträge für die Zukunft unserer Spitäler
zu leisten. |
Bereits im einleitenden Statement zeigte Ärztekammerpräsident Dietmar
Bayer einige der akuten Problemfelder auf: die Sorge, das Niveau
der Ärzteausbildung könnte sinken, die ungünstige demografische
Entwicklung und die Behauptung einer ethischen Position gegenüber
dem ökonomischen Diktat in einer Zeit allumfassender Rationalisierung.
Unter Bezugnahme auf das Symbol der Tagung, einen Ziegelstein, rief
er dazu auf „nicht neue Mauern zu errichten, sondern in konstruktiver
Zusammenarbeit aller Beteiligten am Krankenhaus der Zukunft mitzubauen.“
Ärztekammer-Präsident Dietmar Bayer >
baut am Spital der Zukunft
Vision Gesundheitscluster
Der Kurienobmann der Spitalsärzte, Herwig Lindner, ging in
seinem Beitrag näher auf die demografische Situation ein, die bis
zum Jahr 2040 für einen stetigen Anstieg des Anteils der über 60-Jährigen
verantwortlich sein wird. Trotz dieses Szenarios schätzt er die
Entwicklung für die kommenden Jahre nicht pessimistisch ein: „Die
Versorgung in Österreich ist sehr gut und sogar besser als in vielen
angeblichen ‚Musterstaaten‘ wie Holland. Nach einer Analyse des
World Health Report hält unser Land den 9. Rang hinsichtlich der
Qualität der medizinischen Versorgung, während es bei den Kosten
an 6. Stelle liegt.“ Lindner enttarnt auch das „Märchen“ von der
Kostenexplosion im Gesundheitswesen: Die Ausgaben für Gesundheit
liegen seit Jahren stabil bei ca. 7,7% des BIP, eine dramatische
Steigerung dieses Anteils ist bei gleichbleibendem wirtschaftlichem
Umfeld seiner Meinung nach nicht zu befürchten. Große Chancen ortet
er dafür in der steigenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen
von Seiten der EU-Bürger, die seit einiger Zeit Leistungen frei
innerhalb des EU-Raums wählen und konsumieren können. Gerade in
einem Bundesland mit einem hohen Anteil von ca. 19% der Beschäftigten
im Gesundheitssektor und seinem Umfeld wäre die Verwirklichung eines
„Gesundheitsclusters“ ein hoffnungsträchtiges Projekt.
Umstrittene Gesundheitsagenturen
DI Harald Gaugg, Sektionschef im Gesundheitsministerium,
informierte über die geplante Einführung der „Gesundheitsagenturen“,
über die bereits im Vorfeld eine heiße Debatte geführt wird. Gleich
zu Beginn versucht Gaugg vorhandene Einwände zu zerstreuen: „Die
Agenturen werden nicht zur Monopolisierung der Nachfrage, etwa als
‚Einkaufsgemeinschaften‘, dienen, sondern in erster Linie der Integration
von Finanzen und Verantwortung.“ Durch dieses Modell sollen die
bislang getrennt laufenden Finanzierungen von Landesfonds, Sozialversicherungen
und Landgemeinden zusammengeführt werden. Dabei kommt der Vernetzung
in Bezug auf Planung, Patientenbetreuung und Daten eine integrative
Rolle zu.
Ein Problem ortet der Referent allerdings in der mit der Finanzmittelaufteilung
verbundenen Machtfrage: „Vertreter der Länder und der Sozialversicherungen
werden sich darüber einigen müssen, aber Verhandlungen und Koordination
zwischen diesen Instanzen waren ja auch schon vorher notwendig.“
Die wichtigsten Aufgaben der neuen Gesundheitsbehörden sieht Gaugg
in der Planung eines Angebotsspektrums mit durchgängig hoher Qualität
und großer Transparenz, die erst durch den freien Datenfluss gewährleistet
wird. Umgesetzt soll die neue Struktur auf zwei Ebenen werden, einerseits
den Schwerpunktkrankenanstalten und andererseits den lokalen Gesundheitszentren.
Diese können als Bezirkskrankenhäuser, Praxisgemeinschaften oder
Tageskliniken in den verschiedensten Formen auftreten. Da mit steigenden
Kosten im Gesundheitswesen (auf 8–9,5% des BIP) zu rechnen sei –
so Gaugg im Gegensatz zu Lindner –, komme in Zukunft der Gesundheitsökonomie
und entsprechenden Informationssystemen eine hohe Bedeutung zu,
die auch gesetzlich zu regeln sein werden.
Alternativen sollen immer mitgedacht werden
Der Rechtsethiker Jürgen Wallner von der Universität Wien
verdeutlichte die moralischen Problemzonen in einem Referat über
„ethische Benchmarks“, die gewissermaßen als „Orientierungspunkte
im ethischen Nirwana“ dienen sollen. Er verglich in Art einer Fabel
das gegenwärtige Gesundheitssystem mit der Errettung von Ertrinkenden
aus einem reißenden Fluss, ohne dass man sich darüber Gedanken mache,
wo die Menschen in den Fluss fallen bzw. wie das zu verhindern sei.
Notwendig ist seiner Ansicht nach eine bedürfnisorientierte Versorgungsstruktur,
die um Transparenz, Nachhaltigkeit und auch um die Suche nach Alternativen
bemüht ist. Die Entstehung von Definitionsmonopolen müsse dagegen
unbedingt vermieden werden. Im Idealfall resultiert so aus einer
ethischen Betrachtungsweise eine umfassende, „best-practice“-Versorgung
des Patienten.
Größere Rolle für private Beratungsunternehmen
Die beiden neuen Vorstandsdirektoren der KAGes Ernst Hecke
und Christian Kehrer gaben einen Ausblick auf ihre Ziele
bis Ende 2007. In einem vorangestellten Resümee verwiesen sie auf
durchaus positive Entwicklungen bei der KAGes seit deren Gründung
im Jahr 1985: Die Zahl der Arztstellen ist seit damals von 1000
auf über 1600 gestiegen und einem Abbau der Betten von 9000 auf
6300 steht eine deutlich verkürzte Aufenthaltsdauer der Patienten
gegenüber, nicht zuletzt bedingt durch verbesserte Operationstechniken.
An den bestehenden 19 chirurgischen Abteilungen in der Steiermark
soll festgehalten werden, trotzdem sollen im Zeitraum 2005 bis 2008
die Umsatzerlöse um 50% steigen.
Die Trennung zwischen strategischer und operativer Ebene, sprich
zwischen Verwaltungs- und Servicebereichen, soll den einzelnen Standorten
ein selbstständigeres Agieren in budgetärer Hinsicht ermöglichen:
Erträge und Rücklagen bleiben zur eigenverantwortlichen Verwendung
in den einzelnen Krankenhäusern. Angestrebtes Ziel ist eine betriebswirtschaftliche
Rationalisierung, die aber, so Hecke, „nicht in einer Zwei-Klassen-Medizin
resultieren darf.“
Eine wichtige Rolle bei der Umsetzung moderner Managementkonzepte
soll in Hinkunft externen Beraterfirmen zukommen. Der Anteil an
Beratung und externen Kooperationen werde auch in den kommenden
Jahren steigende Tendenz aufweisen, „um die bestehenden Personalressourcen
zu schonen bzw. für andere Aufgaben frei zu machen“, so die beiden
KAGes-Vorstände. Der Aufgabenbereich der externen Berater liege
nicht nur in der Erarbeitung von Konzepten, sondern auch in deren
Umsetzung bzw. Begleitung. Vorrangig stehen hier in nächster Zeit
die Finalisierung der Angebotsplanung, die Zusammenarbeit mit der
Med-Uni Graz und die Strukturreform „KAGes neu“ an.
Probleme der Praxis
Der Spitalsalltag kam in zwei Referaten von betroffenen Ärzten zur
Sprache: Ulrike Moser vom LKH Feldbach schilderte die Schwierigkeiten
des Daseins als Ärztin, Mutter und Ehefrau: Überstunden, die vielen
Nacht- und Wochenenddienste führen in vielen Fällen zum Burn-Out-Syndrom
und belasten das Familienleben. Der Anästhesist Gerhard Prause
sprach in seinem Beitrag das Problem der Vielfachbelastung am LKH
Graz an: Die Inanspruchnahme durch den „normalen“ Dienst und eklatanter
Personalmangel führen zu dramatischen Engpässen bei Forschung und
Lehre.
Am Nachmittag bestand die Möglichkeit wichtige Problemfelder in
einer dynamischen Großgruppe zu diskutieren, u. a. die Fragen Finanzierung,
Standortprobleme, Führungsebenen, Patientensicht etc. In einer ersten
Runde wurden Visionen zu den jeweiligen Themen entworfen. In einer
zweiten Runde, für welche die Teilnehmer das Panel wechseln mussten,
galt es mögliche Lösungsansätze und-hebel zu erarbeiten und anschließend
vor dem Plenum zu präsentieren. Die engagierte Diskussion und das
in nahezu allen Debattenbeiträgen zu Tage tretende Bemühen ums Gemeinwohl
in der Gesundheitsversorgung strafte jedenfalls all jene Lügen,
die den Widerstand der Ärzteschaft gegen Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen
gern als primär standespolitisch motiviert denunzieren.
Josef Schiffer
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„Wir zielen
auf eine verträgliche Lösung“ |
Ab 2005 stehen Land und Steiermärkische KrankenanstaltenGesmbH unter
besonderem finanziellen Druck: Vom Landeszuschuss der letzten vier
Jahre wurde nur ein Drittel vom Land direkt bezahlt, den Rest musste
die KAGes selbst über Kredite auftreiben, die jetzt zurückgezahlt
werden müssen. KORSO bat die Ressortzuständigen LR Wolfgang Erlitz
und LRin Kristina Edlinger-Ploder um ein Kurzstatement:
Erlitz:
„Um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, hat der ÖVP-Finanzreferent
in den letzten vier Jahren zwei Drittel des Landeszuschusses zu
unseren steirischen Spitälern auf Pump gegeben, unterm Strich damit
rund 880 Millionen Euro Schulden gemacht. Offiziell musste diese
Kredite die KAGes aufnehmen. Weil sie diese aber als nicht gewinnbringender
Betrieb ohnehin nicht bekommen hätte, musste man den bei den Banken
erst recht eine Erklärung abgeben, dass ja doch das Land diese Kredite
bedienen wird. Und die werden ab 2005 samt Zinsen fällig. Wenn dann
aber jemand erneut versucht, unsere Spitäler als Problem darzustellen,
kracht’s. Das Problem ist die schwarzblaue Budgetschummlerei der
letzten Jahre und mit der muss endlich Schluss sein!“
Edlinger-Ploder: „Die Finanzierung der Darlehen ist durch Regierungsbeschlüsse
sicher gestellt, das liegt ja klar im Interesse des Landes Steiermark.
Für 2005 gibt es eine Zusage, die Form und die Höhe wird Sache von
Verhandlungen sein. Wir zielen auf eine verträgliche Lösung sowohl
für das Landesbudget als auch für die KAGes.“
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Forschungsschwerpunkte
des Zukunftsfonds |
Auf Antrag von LH Waltraud Klasnic beschloss die Steiermärkische
Landesregierung die Freigabe von rund 1,35 Millionen Euro für vier
neue Forschungsvorhaben, die aus dem „Zukunftsfonds Steiermark“
unterstützt werden. Eine Million Euro ist für die Errichtung eines
Lehrstuhls für Pflegewissenschaften an der Universität Graz bestimmt,
die Ausbildung wird ab dem Wintersemester 2004/2005 angeboten. 300.000
Euro sind für die Nanotechnologie-Initiative „NANONET Styria“ bestimmt.
Insgesamt stehen über den „Zukunftsfonds Steiermark“ heuer 10,6
Millionen Euro zur Finanzierung von 70 Projekten aus den Bereichen
Gesundheit, Medizinische Forschung, Biotechnologie, Internet-Technologie,
Verkehr- und Fahrzeugtechnik, Landwirtschaft, Bildung, Kunst und
Kultur bereit.
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ISOP-Tagung:
... die im Dunkeln sieht man nicht ... |
„ ... Analphabet ist eine Person, die sich nicht beteiligen kann
an all den zielgerichteten Aktivitäten ihrer Gruppe und Gemeinschaft,
bei denen Lesen, Schreiben und Rechnen erforderlich ist, und an
der weiteren Nutzung dieser Kulturtechniken für ihre eigene Entwicklung
und die ihrer Gemeinschaft.“ Der Verein ISOP veranstaltet am 24.
Juni ab 08.30 Uhr eine internationale Konferenz zum funktionalen
Analphabetismus in Europa und ISOTOPIA präsentiert das „Kursbuch
Grundbildung für Erwachsene“.
Im Pädagogischen Zentrum Graz-Eggenberg | Georgigasse 85 - 89.
Weitere Informationen unter www.ibap.at
und www.alphabetisierung.at
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Neue Hörberatungsstelle
des Landes Steiermark
< Landesrat Kurt Flecker beim ersten Pinselstrich
für ein gemeinsames Benefizbildwerk |
Mit der Eröffnung der Hör- und Sprachberatungsstelle neu am Rosenberggürtel
12 wurde eine gemeinsame Anlaufstelle für Hörbehinderte und Gehörlose
aller Altersstufen geschaffen. Ein multiprofessionelles Team unter
der Leitung von Ernesta Puntigam und koordiniert von Gertraut Wisniewski
bietet medizinisch-diagnostische Befundung, Sozialberatung sowie
eine Informations- und Bildungsdrehscheibe. Angeboten werden auch
genetische Diagnose, Vorsorgeuntersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes,
Mütterberatungen, Vermittlung von Frühförderung, Hilfestellungen
für Tinnitus-Patienten u.v.a. Landesrat Kurt Flecker eröffnete die
neue Beratungsstelle und betonte die Wichtigkeit eines gezielten
Einsatzes professioneller Hilfestellungen für die Erlangung der
Selbstständigkeit trotz Behinderung.
Kontakt: T 0316-877-3552, 5890 oder – 4801 | Bildtelefon:
0316-32 71 48 | Mobiltel. 0676-86 66 35 52 | M ernesta.puntigam@stmk.gv.at
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Ausbildungsstiftung
PflegehelferInnen: Never ending Success-Story Der
hohe Bedarf an Pflegepersonal hat Landesrat Dr. Kurt Flecker vergangenes
Jahr veranlasst, die „Ausbildungsstiftung Pflegeberufe“ zu initiieren.
Der Erfolg kann sich sehen lassen – alle 161 AbsolventInnen haben
im Handumdrehen einen Arbeitsplatz gefunden – und wird nun „weitergepflegt“
– der zweite Durchgang des Kurses hat soeben begonnen. |
Steiermarkweit befinden sich derzeit rund 10.000 Menschen in stationärer
Pflege, Flecker sieht den Bedarf an Pflegefachkräften aufgrund der
bekannten demografischen Faktoren weiterhin ansteigen: „Die Altersgruppe
der Über-60-Jährigen wird in den kommenden 10 Jahren um rund 10%
ansteigen.“ Das Angebot an Arbeitskräften hinkt der Nachfrage notorisch
hinterher, besonders beim diplomierten Personal. In Folge einer
Initiative des Soziallandesrates hat das Arbeitsmarktservice in
Kooperation mit dem bfi und dem Verein zur Förderung von Arbeit
und Beschäftigung (FAB) eine neue Ausbildungsform entwickelt. Nun
startet die ‚Ausbildungsstifung PlegehelferInnen‘ nach dem äußerst
erfolgreichen ersten Durchgang mit 133 TeilnehmerInnen in die zweite
Runde.
„Unsere Erwartungen wurden bisher bei weitem übertroffen“, zeigt
sich Flecker ebenso zufrieden wie AMS-Chef Karl Heinz Snobe
und die Vorsitzende der ARGE der steirischen Heim- und PflegedienstleiterInnen,
Susanna Dellanoi.
Hauptsponsor Land Steiermark
Dass es beim ersten Durchgang nur einen Ausfall gab, obwohl die
TeilnehmerInnen in 11 Monaten ein Pensum von je 800 Theorie- und
Praxisstunden absolvieren mussten, führt der Landesrat auf die intensive
Beratungs- und Selektionsphase zu Ausbildungsbeginn zurück. Der
Finanzierungsbedarf des Kurses liegt bei rund 720.000 Euro – davon
bezahlt das Land 600.000 Euro. Der Kostenbeitrag der Betriebe, wo
die praktische Ausbildung erfolgt, beträgt monatlich 218 Euro. „Während
des Programms erhalten die TeilnehmerInnen vom AMS entweder ihr
bisheriges Arbeitslosengeld oder eine Mindestsicherung von 17,50
Euro täglich plus einem Stipendium in der Höhe von 36,34 Euro pro
Monat“, erklärt Snobe.
Unternehmer„Patenschaften“ gesucht
Alfred Strassegger, Geschäftsführer des bfi Steiermark, betont,
dass diese Implacementstiftung die höchste Performance in ganz Österreich
hat, weist aber auf eine Lücke hin: „Im letzen Jahr haben 57 Kooperationsbetriebe
die Ausbildungspatenschaft übernommen. Für den zweiten Durchgang
suchen wir noch Unternehmen.“ Derzeit sind 166 Pflegestellen unbesetzt,
die Chancen für die neuen 133 „KandidatInnen“ stehen somit gut,
im Anschluss an ihre Ausbildung schnell einen Job zu bekommen.
Claudia Windisch
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Herwig Lindner:
Gesundheitsstandort Österreich soll EU-weit beworben werden |
Am Rande der Tagung „Das Spital (in) der Zukunft“ führte KORSO Interviews
mit Mag. Jürgen Wallner vom Institut für Ethik und Recht der Medizinuniversität
Wien und Dr. Herwig Lindner, dem Obmann der angestellten Ärzte in
der steirischen Ärztekammer.
KAGes-Berater Christian Köck empfiehlt die Schließung von zumindest
vier chirurgischen Abteilungen in der Steiermark … Es war auch schon
von sieben die Rede – de facto kommen jeden Tag neue Meldungen.
Das verunsichert die Betroffenen. Besser wäre es, wenn endlich ein
Konzept auf dem Tisch läge, über das man diskutieren kann.
Als Argument wird ins Treffen geführt, dass Chirurgen, die
seltener operieren, qualitativ schlechter sind.
Dafür gibt es keine Beweise. Die KollegInnen in den kleinen Häusern
haben die gleiche Ausbildung wie die Chirurgen an den großen Spitälern
und ebenso langjährige Erfahrung. Um diesem Argument aber den Wind
aus den Segeln zu nehmen, haben wir selbst ein Rotationskonzept
entwickelt. In der Ausbildung gibt es das schon – warum sollen nicht
auch Oberärzte von den peripheren Spitälern in die Bezirkshauptstädte
oder nach Graz rotieren? Die Mürzzuschlager Kollegen haben die Idee
schon positiv aufgegriffen und Kontakt mit dem LKH Bruck aufgenommen.
Ist die medizintechnische Ausstattung der kleineren Spitäler
ausreichend?
Da wurde überall modernisiert, von daher kann es keine Bedenken
geben. Wichtig wäre die Orientierung auf ein patientennahes Angebot:
Es gibt in der Steiermark derzeit Defizite, z.B. in den Bereichen
Urologie, Wirbelsäulenchirurgie und da und dort auch in der Unfallchirurgie.
Da drängt sich eine Spezialisierung der betroffenen Häuser geradezu
auf, wie sie etwa auf der Stolzalpe bereits vollzogen wurde.
Welche Perspektiven stehen den öffentlichen Spitälern angesichts
des steigenden Kostendrucks noch offen?
Was die Einnahmenseite betrifft, so muss man sich darum bemühen,
den Gesundheitsstandort Österreich – immerhin verfügen wir laut
WHO über das neuntbeste Gesundheitswesen der Welt – auch EU-weit
bekannt zu machen. Andere Staaten wie etwa Großbritannien haben
ihr öffentliches Gesundheitswesen durch Deregulierung so heruntergefahren,
dass die Behandlungskapazitäten nicht mehr ausreichen – man müsste
etwa Werbung dafür betreiben, dass britische PatientInnen bei uns
ihr Hüftgelenk operieren lassen können. Was die Ausgabenseite angeht,
gebe ich Landesrat Erlitz Recht, wenn er sagt, dass wir in die Spitäler
investieren müssen. Die Versorgungssicherheit muss schon allein
aus sozialen Gründen gewährleistet bleiben. Wenn der ökonomische
Druck zunimmt, wird es unweigerlich zu Rationierungen kommen.
Herwig Lindner >
„Wenn der ökonomische Druck steigt, wird es unweigerlich zu Rationierungen
kommen.“
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Jürgen Wallner:
„Wichtig ist, dass die Allokations-debatte transparent geführt wird“ |
Der Druck auf das Gesundheitswesen, sich stärker ökonomischen
als medizinischen Kriterien zu unterwerfen, wird stärker – das
führt zur Befürchtung, dass medizinische Leistungen in Hinkunft
als knappes Gut rationiert werden könnten. Wäre das vom ethischen
Standpunkt aus rechtfertigbar?
Ethik und Ökonomie müssen gemeinsam eine Lösung finden. Knappheit
hat eine ökonomische und eine anthropologische Seite – unser Leben
ist in vielfacher Weise begrenzt. Man kann nicht alles in gleicher
Intensität betreiben, sondern muss Prioritäten setzen. Das gilt
auch für das Gesundheitswesen: Wenn man mehr Mittel dafür bereitstellen
will, muss klar sein, dass dann für andere Bereiche weniger Geld
zur Verfügung steht.
Jürgen Wallner >
„Die Definition von Gesundheit als unerlässlichem Gut diskriminiert
Menschen mit Behinderung“
Gibt es neben dem gesamtgesellschaftlichen Allokationsproblem
nicht auch ein dem Gesundheitswesen inhärentes?
Ja. Natürlich lässt es sich medial besser verkaufen, wenn mittels
Einsatzes modernster Technik ein Menschenleben gerettet werden kann,
als wenn mit einer unspektakulären Public-Health-Kampagne die Lebenserwartung
vieler Menschen gehoben wird. Wichtig ist, dass die Allokationsdebatte
transparent geführt wird. Man könnte etwa auch zum Schluss gelangen,
Patienten mit bestimmten Krankheiten bevorzugt zu behandeln.
Während die aktuelle Tendenz eher in Richtung unterschiedlicher
Behandlung nach sozialen Kriterien geht.
Die medizinische Versorgung ist für die Verteilung sozialer Chancen
eher sekundär. Ich teile die Ansicht, dass die Gesellschaft für
Chancengleichheit sorgen muss; Arbeitsplatz- und Wohnsituation und
Bildungsvoraussetzungen sind da aber viel maßgeblicher als die Frage,
ob und wie das Gesundheitswesen in Anspruch genommen wird. Man muss
den Menschen aber die Möglichkeit geben, sich Medizin leisten zu
können und ihre Prioritäten zu setzen. Ich persönlich möchte zum
Beispiel nicht viel Geld für medizinische Versorgung ausgeben. Ich
finde es problematisch, wenn versucht wird, das Glück des Menschen
kollektiv zu definieren und die Gesundheit als oberstes Gut und
absolut unerlässlich fürs persönliche Glück zu definieren. Das diskriminiert
ja auch Menschen mit Behinderung.
Und hängt vielleicht damit zusammen, dass Gesundheit nach
wie vor für die meisten von uns Grundvoraussetzung für die Teilnahme
am Produktionsprozess und damit fürs persönliche Überleben ist.
Es darf natürlich niemand von der Möglichkeit zur Teilhabe an der
medizinischen Versorgung ausgeschlossen werden. Diese Möglichkeit
zur Teilhabe ist dann aber doch ein kollektives Ziel? Es kann nur
das Ziel geben, alle an der Entscheidungsfindung zu beteiligen und
niemanden auszuschließen.
Das setzt aber auch voraus, dass Minderheiten – zum Beispiel
die der Diabeteskranken – nicht nur an der Entscheidungsfindung
beteiligt sind, sondern ihre Bedürfnisse jedenfalls zur Geltung
kommen müssen.
Das muss in der Tat gewährleistet sein, und zwar reell und nicht
nur formal, d.h. bei schwachen Gruppen auch in Form von Ombudsleuten,
Patientenanwaltschaften usw.
Wie könnte man gewährleisten, dass diese Allokationsdebatte
so geführt wird, dass niemand a priori davon ausgeschlossen wird?
Es gibt historisch gewachsene Interessengruppen wie die Sozialpartner,
es gibt die Konsultationsmechanismen zwischen Bund und Ländern –
man kann nicht alles neu erfinden. Meine Hoffnung ist, dass diese
Debatte so an den bestehenden Institutionen anknüpft, dass damit
eine möglichst breite Beteiligung erreicht wird.
Die aktuelle Debatte dreht sich aber eher darum, wie man den
Anteil des öffentlichen Gesundheitswesens am BIP senken könnte.
Das ist eine falsche Debatte, es sollte über Allokationen, über
Datenerhebungen, über Gesundheitszustandsanalysen gesprochen und
davon ausgehend Entscheidungen getroffen werden. Letztendlich gibt
es ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder finden sich maßgebliche Politiker,
die den Mut haben, diese Fragen zur Diskussion zu stellen, oder
man führt eine defensive Debatte, um die Probleme zu kaschieren
– dann kommt es zum Crash.
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Umfrageergebnisse
aus dem Modellprojekt Jugendgesundheitsförderung |
Der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) ist seit 1998 als bundesweite
Plattform für die Gesundheitsförderung tätig. Einen der jüngsten
Schwerpunkte des FGÖ bildet die Thematik „Kinder und Jugendliche
im außerschulischen Bereich“. Dieser Lebensbereich der Jugendlichen
stellt ein ganz besonderes „Setting“ (Milieu) dar, denn er ist in
der Regel weitaus schwieriger zugänglich als die schulische Situation
und von einem dichten Geflecht formeller und informeller Gruppenaktivitäten
gekennzeichnet.
Ziel: Erhöhung der Lebensqualität
Um das Informationsdefizit auf diesem Gebiet zu beheben, wurde im
vergangenen Jahr nach einer EU-weiten Ausschreibung ein Modellprojekt
für den ländlichen Raum initiiert. Die beiden Organisationen „ARGE
Jugend gegen Gewalt und Rassismus“ und styria vitalis sind für die
Umsetzung des Projekts „Jugendgesundheitsförderung auf dem Land“
verantwortlich: in zwei Regionen der Steiermark mit insgesamt 17
Partnergemeinden sollen die gemeinsamen Ziele umgesetzt werden.
Diese laufen auf eine Integration der Erfahrungen bei der Jugendarbeit
und die Erhöhung der Lebensqualität und des Wohlbefindens der Jugendlichen
hinaus. Auch soll die Identifikation mit der eigenen Gemeinde gestärkt
werden bzw. die Anregung zu einer positiven Mitgestaltung des ländlichen
Lebensraumes erfolgen.
Jugendliche leben gerne in ihrer Gemeinde
Die Projektverantwortlichen haben nun die Ergebnisse einer Befragung
von 807 Jugendlichen zwischen 11 und 15 Jahren, die im vergangenen
Winter in den Modellregionen erhoben wurde, vorgelegt. Die Fragen
bezogen sich dabei sowohl auf das soziale Umfeld und die Freizeitaktivitäten
sowie auf gesundheitliche Themen. Die Ergebnisse belegen, dass ein
Großteil der Jugendlichen gerne in ihren Gemeinden lebt (95%) und
immerhin die Hälfte mit dem Freizeitangebot vor Ort sehr oder eher
zufrieden ist. Auch das Verhältnis zu den Erwachsenen wird überwiegend
als positiv erlebt, während andererseits doch etwa 40% mehr an der
Festlegung von Regeln beteiligt sein möchten.
Schlankheitswahn
Ihren Gesundheitszustand schätzt die überwältigende Mehrheit (93%)
als ausgezeichnet oder gut ein, während die Häufigkeit von Befindlichkeitsstörungen
wie Müdigkeit oder Erschöpfung Anlass zur Sorge gibt: 8% geben an
täglich darunter zu leiden, immerhin 13% mehrmals bzw. 24% fast
jede Woche. Alarmierend ist auch der Schlankheitswahn in dieser
Altersgruppe: Obwohl nur ca. 5% tatsächlich übergewichtig sind (47%
haben sogar Untergewicht!), stufen sich 24% der Mädchen bzw. 14%
der Burschen als zu dick ein und jeder zehnte Befragte unterzieht
sich gerade einer Diät. Auch legale Suchtgifte spielen eine nicht
zu verharmlosende Rolle: rund 17% der 15-Jährigen rauchen täglich,
etwa 15% derselben Altersgruppe konsumieren regelmäßig alkoholische
Getränke. Jugendliche, die mit ihrem Leben zufrieden sind, trinken
häufiger keinen Alkohol.
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