korso Wissenschaft & Forschung
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
02/2004
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  Gesundheitsförderung beginnt im Konferenzzimmer


Es steht nicht zum Besten um die Gesundheit unserer Kinder. Nach dem Wiener Gesundheitsbericht 2002 sind bereits 10% aller 6-bis 10-Jährigen übergewichtig. Schon 37% der VolksschülerInnen haben Haltungsschäden, zumindest ein Viertel aller 15-jährigen Mädchen rauchen täglich, bei den Burschen sind’s immerhin 20%. Diese Zahlen erschrecken: Schließlich wurden noch nie so viele gesundheitsbezogene Studien erstellt, noch nie so viele Vorsorgeprojekte umgesetzt wie heute.
Nur mehr ein Viertel der Kinder isst täglich Obst
150.000 SteirerInnen sind an Bluthochdruck erkrankt, 50.000 leiden an Diabetes, 5000 erkranken jährlich an Krebs. Jeder 3. Krebsfall, nahezu 40% der Herz-Kreislauferkrankungen und ein sehr hoher Prozentsatz der Diabetes-II-Erkrankungen könnten durch gesunde Ernährungverhindert werden, viele Herzerkrankungen auch durch angemessene Bewegung.

Die Erkenntnis, dass gesunde Ernährung einen wichtiger Faktor in der Gesundheitsvorsorge darstellt, hat nur mehr geringen Neuigkeitswert – und dennoch entwickelt sich das Ernährungsverhalten gegenläufig:1990 haben laut WHO-Daten noch 83%der elfjährigen österreichischen SchülerInnen täglich Obst gegessen, 2001 waren es nur mehr 46%. Bei den 15-Jährigen ist der Anteil von 70 auf 26% gefallen: Nur mehr ein Viertel dieser Altersgruppe isst täglich Obst.

Für Verkehrserziehung ist jetzt McDonalds zuständig
Diese Widersprüche finden zumindest teilweise eine Erklärung, wenn wir einen Blick auf die Schulrealität werfen. Im Leitbild einer großen Schule im Süden von Graz ist sinngemäß das „Sich-Wohlfühlen in einer gesunden Umwelt “ verankert. Aber: Im Schulbuffet gibt’s hauptsächlich verschiedene stark gezuckerte Mehlspeisen zu kaufen, Wurst-und Leberkäsesemmeln, Schokoriegel, Zuckerln aller Art, Eislutscher, fette Schnitzelsemmeln, Donuts, kaum Obst. Der Getränkeautomat spendet bekannte Softdrinks, die auch auf einer Video-Wall beworben werden – die Schule braucht Geld und hat einer Werbeagentur den Standplatz dafür vermietet. Der Buffetier hat – wie üblich – einen mehrjährigen Vertrag mit dem Landesschulrat abgeschlossen.

Die knappen Finanzmittel von Schulen und Kindergärten machen diese von Sponsoren abhängig. Ein Unternehmen, das hier immer wieder gerne einspringt, ist die Fast-Food-Kette McDonalds: So wird deren Maskottchen Ronald McDonald unter dem Titel „Verkehrserziehung “ in Kindergärten und Schulen eingeladen, um die Kids gleichermaßen über die Gefahren des Straßenverkehrs und die Menüfolge eines „Happy Meal “ aufzuklären; der Fast-Food-Clown verteilt auch gerne bei „Wirtschaftspartner “-Meetings wie jüngst an einer Grazer Schule Süßigkeiten an Schüler und Lehrer. Sogar eine – inzwischen eingestellte – Anti-Drogen-Kampagne des Landes Steiermark fand unter der Patronanz von McDonalds statt, Diskussionsveranstaltungen mit Jugendlichen wurden im McDonalds-Drive-in abgehalten.

Fakten, die Politik und Bildungs-Verantwortlichen wenig Glaubwürdigkeit attestieren, was ihre Sorge um die Gesundheit unserer Kinder betrifft: Während Gesundheitsförderungs-Projekte wie die „Gesunde Volksschule “ von Styria Vitalis mit relativ geringen Finanzmitteln versuchen, Gesundheitsbewusstsein zu schaffen, öffnet man auf der anderen Seite die Schultore für einen Junk-Food-Konzern, dem ungleich höhere Mittel für seine Produktwerbung zur Verfügung stehen.

(v.l.n.r.) Gesundheitslandesrat Wolfgang Erlitz: „Nicht nur Verhalten, auch Verhältnisse müssen geändert werden“ – Public-Health-Expertin Gudrun Schlemmer: „Klassische Prävention funktioniert kaum“ – Karin Reis-Klingspiegl, Projektleiterin „Gesunde Volksschule“: „Wertschätzung, Anerkennung und ein gutes Schulklima sind die wichtigsten Präventions-Faktoren“

„Die Verhältnisse ändern"
Angesichts der alarmierenden Statistiken über den Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen geht Gesundheitslandesrat Wolfgang Erlitz in die Offensive: Es gebe genügend Screenings und Studien, nun müsse gehandelt werden: „Ich fordere die Einrichtung eines Fachs ,Gesundheitsförderung ‘an den Schulen.“ Es habe auch ein entsprechendes Ersuchen an Bundesministerin Elisabeth Gehrer gerichtet. Erlitz ’für das steirische Schulwesen zuständige Regierungskollegin Kristina Edlinger-Ploder sieht die Initiative positiv und verweist in diesem Zusammenhang auch auf von ihr unterstützte Projekte. Mitarbeit kündigt auch die steirische Ärztekammer an: Ihr Vize-Chef Dr. Norbert Meindl kann sich etwa die Entsendung von ReferentInnen vorstellen und nennt drei grundlegende Bereiche der Gesundheitsprävention, für die sich die Ärzteschaft zuständig fühlt, nämlich Ernährung, Bewegung und sexuelle Aufklärung.

Erlitz ist allerdings klar, dass über ein neues Fach hinausgehende Maßnahmen für eine grundlegende Verbesserung der Gesundheitssituation nötig sind: „Es geht nicht nur darum, verhaltensändernde Schritte zu setzen, man muss auch die Verhältnisse selbst ändern, die mangelndes Gesundheitsverhalten bewirken.“

Klassische Prävention funktioniert nicht
Mit der Forderung nach „Änderung der Verhältnisse“ findet sich der Landesrat in Übereinstimmung mit den Ergebnissen einer aktuellen US-amerikanischen Untersuchung, die für Aufsehen gesorgt haben: Neun Jahre lang wurden im Rahmen der so genannten „Hutchinson“-Studie über 4000 SchülerInnen in Seattle nach allen Regeln der Kunst – vom Aufklärungsunterricht bis zur Hilfe zur Selbsthilfe – gegen das Rauchensensibilisiert; eine gleich große Kontrollgruppe erhielt keine solchen Hilfestellungen. „Das Ergebnis hat Fachleute und Öffentlichkeit gleichermaßen bestürzt“, berichtet Mag. Gudrun Schlemmer, Public-Health-Expertin und Mitarbeiterin am Institut für Sozialmedizin der Medizin-Uni Graz: „Die SchülerInnen, die Zielgruppe der intensiven und teuren Anti-Rauch-Kampagne waren, zeigten genau das gleiche Rauchverhalten wie die Kontrollgruppe.“ Bei der Auswertung habe man aber sehr wohl zwei Parameter gefunden, die Auswirkungen darauf haben, ob Kinder und Jugendliche zu rauchen beginnen oder nicht: „Rauchende LehrerInnen haben eine starke negative Vorbildwirkung. Und: Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem psychosozialen Klima an der Schule und dem Rauchverhalten der SchülerInnen.“

Die aktuelle Kampagne des Gesundheitsministeriums, die gesundheitsbewusstes Verhalten über die Bekämpfung des „ISCH “ (des „Inneren Schweinehunds) erreichen will, wirkt im Licht dieser Erkenntnisse eher abstrus.

Eine gesundheitsförderliche Organisationskultur
Mag. Karin Reis-Klingspiegl, bei Styria Vitalis zuständig für das Projekt „Gesunde Volksschulen“, begrüßt die Initiative des Gesundheitslandesrates. Sie kann die Diagnose der Hutchinson-Studie aus ihrer langjährigen praktischen Projekt-Erfahrung nur bestätigen: „Gesundheitsförderung in Schulen muss beim System selbst ansetzen – sie fängt sozusagen im Konferenzzimmer an. Es gilt vor allem, ein Schulklima zu schaffen, in welchem den SchülerInnen Wertschätzung und Anerkennung entgegen gebracht werden: SchülerInnen, die für ihre Bemühungen und Leistungen keine Anerkennung bekommen, sind deutlich krankheitsanfälliger.“ LehrerInnen müssten sich darüber im Klaren sein, dass sie vor allem von jüngeren SchülerInnen nach wie vor stark als Vorbilder wahrgenommen werden – „das betrifft das Rauchen ebenso wie den Stellenwert, den sie gesundem Essen einräumen. Einzelinterventionen seien wenig effizient, Ziel müsse eine „gesundheitsförderliche Organisationskultur“ sein: „Es bringt nichts, wenn den SchülerInnen die Bedeutung gesunder Ernährung in der Theorie erläutert wird, beim Schulfest aber Frankfurter und Cola angeboten werden.“

 

 

CLINICIP – ein medizintechnisches High-End-Projekt aus Graz


Vor etwa zwei Jahren berichtete KORSO über den Start eines von Joanneum Research koordinierten medizintechnischen Forschungs- und Entwicklungsgroßprojekts „künstliche Bauchspeicheldrüse“. Innerhalb einer generellen Neudefinition des Therapiefeldes bei Diabetes Mellitus soll dieser Mechanismus eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Insulinzufuhr bereitstellen. Im Rahmen dieser Forschungen wurde festgestellt, dass über die Kontrolle des Blutzuckerspiegels bei Unfallopfern oder schwer kranken Patienten die Sterblichkeitsrate um bis zu 42% gesenkt werden kann.

Mit dosierter Kontrolle des Blutzuckerspiegels via CLINICIP könnte die Sterblichkeitsrate bei bestimmten Erkrankungen um 42% gesenkt werden.

Unter dem Namen CLINICIP (Closed Loop Insulin Infusion for Critically Ill Patients) wurde nun ein Projekt-Spinout der künstlichen Bauchspeicheldrüse in Angriff genommen, der zum Ziel hat, entsprechende Behandlungserfolge in Zukunft zu garantieren und die aufwändige Behandlung von Intensivpatienten zu erleichtern.

Joanneum Research ist Koordinator dieses mit elf Millionen Euro budgetierten Forschungsprojekts (7,5 Mio davon kommen von der EU), an dem neben der TU und der Medizinuni Graz zahlreiche internationale Forschungseinrichtungen teilnehmen. TU-Rektor Univ. Prof. Hans Sünkel bescheinigt dem Standort Steiermark für derartige Forschungen hervorragende Voraussetzungen, die hierzulande nicht vom Prinzip der „Konkurrenz über den Gang plus Kooperation über den Teich“ gekennzeichnet sind. Projektkoordinator Univ. Prof. Thomas Pieber (Joanneum Research) vergleicht die Bedeutung von CLINICIP mit der Tragweite der Entwicklung der Antibiotika in den 1950er-Jahren.

Info: Joanneum Research Forschungsgesellschaft mbH | Steyrergasse 17, 8010 Graz | T (0 316) 876 11 50 | www.joanneum.at

 

  Im Kampf gegen Suchtfolgen: „Wiener Modell“ auch für die Steiermark? Das Wiener Modell der Substitution – die Abgabe von opiathältigen Ersatzstoffen an Suchtkranke – hat nachweislich zur Schadensreduktion beigetragen, trotzdem wird die opiatgestützte Behandlung von vielen als Katalysator illegalen Handelns angesehen. Mit Verspätung greift die Diskussion nun auch auf die Steiermark über. Bei einer Veranstaltung des Sozialmedizinischen Zentrums Liebenau wurde vehement eine Ausweitung des Substitutionsangebotes gefordert.


Einer der Pioniere der Substitutionsbehandlung in Österreich ist Univ.-Prof. Dr. Alfred Springer, Psychiater, Psychotherapeut und Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Suchtforschung in Wien. Durch das Wiener Modell der Substitution sei ein breiter schadensreduzierender Ansatz gefunden, erklärt Springer: „Abhängige haben gute Chancen aus ihrer Abhängigkeit herauszureifen, wenn man ihre Überlebenschancen verbessert. Die Prognose von Abhängigkeitskranken hängt ganz wesentlich davon ab, dass sie ihre manchmal außerordentlich lange und belastende Suchtperiode so unbeschadet wie möglich überstehen.“

Krankheit kann man nicht verbieten
Immer stärker werden schadensreduzierende Methoden im Kampf gegen die Auswirkungen des illegalen Drogengebrauchs eingesetzt, denn durch die opiatgestützte Behandlung von Suchtkranken, welche für den Einzelnen oft Überlebenshilfe bedeutet, entstehen auch für die Gemeinschaft weniger Folgeschäden und in weiterer Folge weniger Kosten. „Krankheit kann man nicht verbieten und Abhängige sind kranke Menschen“, so Springer, „Vorstellungen, dass dem Drogengebrauch und seinen Auswirkungen nur mittels repressiver Maßnahmen begegnet werden kann und die Auffassung, dass Schadensreduktion ein Katalysator illegalen Handelns sei, behindern sozialmedizinisches Handeln.“

Steiermark: Kein ausreichendes Angebot
Inzwischen erfasst die Substitutionsbehandlung einen immer größer werdenden Anteil der chronisch Opiatabhängigen. 5.000 Personen bekommen in Österreich derzeit im Sinne der Substitution Opiate verordnet. Insgesamt obliegen aber laut Schätzungen bis zu 40.000 Menschen „problematischem Drogenkonsum“ – davon konsumiert allerdings nur ein Teil Opiate; und nur an jene richtet sich die Substitutionsbehandlung. In der Steiermark sei die „Szene“ zwar nicht so groß wie in Wien, aber allein in Graz werden über 500 Menschen substituiert, berichtet Dr. Rainer Possert vom Sozialmedizinisches Zentrum – „das ist aber bei weitem nicht ausreichend.“ Possert und sein SMZ-Kollege Dr. Gustav Mittelbach fordern die Umsetzung von steirischen Konzepten zur Verbesserung der Versorgung von Opiatabhängigen.

Dr. Gustav Mittelbach und Dr. Rainer Possert (SMZ Liebenau) und Univ.-Prof. Dr. Alfred Springer, Wien: „Mehr Substitution könnte Leben retten.“

Ein „Ganslwirt“ für Graz?
Als noch immer vorbildlich gilt das Wiener Sozialprojekt „Ganslwirt“, welches als erste niedrigschwellige Einrichtung 1990 ins Leben gerufen wurde. Diese Institution verfügt über ein Tages- und Nachtzentrum, eine Ambulanz und über Schlafplätze und ist Zentralstelle für die Abgabe bzw. den Tausch sterilen Injektionsbestecks. Hauptaufgabe des „Ganslwirts“ ist die medizinische und psychosoziale Hilfe für junge Risikopersonen und Suchtkranke. 2001 wurde die Einrichtung von ca. 55 Personen pro Tag aufgesucht, d.h. es fanden in einem Jahr rund 20.000 Kontakte statt. 135 Opiatabhängige pro Tag nahmen im gleichen Jahr das Bestecktauschprogramm in Anspruch, und es wurden 4.686 Übernachtungen verzeichnet. Einrichtungen dieser Art fehlen in der gesamten Steiermark: Mitschuld hat die offizielle Drogenpolitik, welche sich am Abstinenzparadigma orientiert und diese Einstellung mittels des Suchtmittelgesetzes umsetzen möchte.

Substitution allein ist nicht alles
Seit Mitte 2002 dürfen in ganz Österreich Substitutionsklienten sowohl in Facheinrichtungen wie auch von praktischen Ärzten und Fachärzten in gleicher Weise versorgt werden. Was fehlt, insbesondere in der Steiermark, sind laut Ulf Zeder lebenspraktische Zusatzmaßnahmen. „Oft wird der Arzt als Dealer gesehen“, so Dr. Ulf Zeder, Suchtkoordinator der Stadt Graz, „Bettel ich ein bissi, krieg ich meinen Stoff, meinen viele, wir haben jedoch eine Bringschuld Abhängigen ein vielfältiges, lebensnahes Zusatzangebot zu schaffen.“ Zumindest psychotherapeutische Maßnahmen müssen begleitend verstärkt eingesetzt werden, da sind sich alle Experten einig, Mittelbach fordert daher auch „mehr Qualitätssicherung und eine kontinuierliche Weiterbildung“ für ÄrztInnen. Und Manfred H. Geishofer, Geschäftsführer des steirischen Vereins für Suchtkrankenhilfe b.a.s. (Betrifft: Alkohol und Sucht), verlangt ein „für den jeweiligen Betroffenen maßgeschneidertes Bündel an Maßnahmen – von überlebenssichernden Schritten wie Wohnversorgung über die Sicherstellung der grundlegenden somatischen und sozialen Stabilität“. Er resümiert: „Substitutionsbehandlung ist aus der Drogentherapie nicht mehr wegzudenken. Zu hinterfragen ist nicht das Ob, sondern das Wie. Das so genannte Wiener Modell besticht vor allem durch eine gut gewachsene Versorgungsstruktur, die durch ihre breite Angebotsfächerung vielfältige Zugänge und Behandlungsmöglichkeiten bietet. Und genau das braucht es neben medizinischen Leistungen: umfassende soziale und psychotherapeutische Maßnahmen, die Integration in ein individualisiertes Behandlungskonzept und die entsprechende Vernetzung und Koordination.“

b.a.s.-Geschäftsführer Manfred H. Geishofer > „Nötig ist ein Bündel an Maßnahmen – von der Wohnversorgung über die Substitution bis zur psychotherapeutischen Behandlung.“

Primar Dr. Joachim Berthold von der Landesnervenklinik Sigmund Freud äußert sich vorsichtig skeptisch: „Das Wiener Modell ist eine große Chance Qualität und klare Strukturen in die Behandlung von Substitutionspatienten zu bringen, aber wir dürfen eines nicht vergessen: Wir leben von der Krankheit der Patienten und müssen uns fragen, wie weit wir ihre Krankheit durch Substitution nur lindern statt den Patienten aus seiner Abhängigkeit herauszuholen – Selbstreflexion ist notwendig!“

Weniger Drogentote in Wien
Das Wiener Modell beinhaltet neben dem „Ganslwirt“ zahlreiche andere Sozialprojekte: Ein großes Netz an Streetworkern, den Krankenhausverbindungsdienst „Contact“, „Fix und Fertig“ – ein Sozialprojekt, das auf soziale Integration und berufliche Rehabilitation abzielt, die „Wiener Berufsbörse“, „Needles or Pins“ u.v.m. Für all dies gibt es in der Steiermark noch keine Entsprechung, obwohl das Wiener Modell äußerst erfolgreich dasteht. „Als Indikator für die Effizienz schadensreduzierender Maßnahmen kann die statistische Entwicklung der drogenbezogenen Todesfälle herangezogen werden“, so Springer, „in Wien erreichte die Anzahl der Todesfälle ihren Höhepunkt im Jahre 1994 und sank dann kontinuierlich ab.“ Das Wiener Drogenkonzept sollte damit eigentlich auch Vorbild für die Steiermark sein. Zumindest diskutiert wird bereits darüber: „Wir arbeiten seit Juni an einem Modell für die Steiermark“, erklärt Klaus Peter Ederer, Drogenkoordinator des Landes Steiermark, „in wenigen Monaten werden wir es präsentieren, aber im Moment kann ich nicht mehr sagen, denn: über ungelegte Eier sollte man nicht reden.“

Claudia Windisch

 

 

 

  Gleichbehandlung: Anwältin gefragt! Aktuelle Ereignisse zeigen: Diskriminierung bis hin zur sexuellen Belästigung ist tägliche Realität. In der Steiermark steht mit Dr. Elke Lujanski-Lammer eine kompetente Gleichbehandlungsanwältin den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite.


Gleichbehandlung ist in der Arbeitswelt keine Selbstverständlichkeit: Zu dieser Erkenntnis gelangt man, wenn man den Berichten der steirischen Gleichbehandlungsanwältin folgt, die kürzlich bei einer Veranstaltung des Forums Politische Bildung einem interessierten Publikum Rede und Antwort stand. 300 Fälle und über 1300 Kontakte hatte das relativ junge Beratungsbüro des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen im vergangen Jahr zu verzeichnen, die Anfragen kamen zu 90% von Frauen. „Aber …“, so Lujansky-Lammer, „wir beraten auch Männer, die aufgrund ihres Geschlechts am Arbeitsplatz benachteiligt werden.“

Gleichbehandlungsanwältin Dr. Elke Lujanski-Lammer > 1300 Beratungen im Jahr, 90% davon waren Frauen

Zu gehen ist der falsche (Aus-)weg
„Laut einer Befragung ist jede zweite Frau mindestens einmal während ihrer Berufslaufbahn mit sexueller Belästigung konfrontiert“, erklärt Lujansky-Lammer, „diese gilt gesetzlich als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.“ Die Gleichbehandlungsanwältin empfiehlt in jedem Fall sofort Beratung und Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Viele Frauen schweigen so lange, bis die Situation derartig unerträglich wird, dass sie früher oder später ihren Arbeitsplatz ,freiwillig‘ verlassen.“

Enthüllung bei der Weihnachtsfeier
Üblicherweise unbeachtet bleibt eine andere Form der geschlechtlichen Diskriminierung: Wenn ein Arbeitnehmer des anderen Geschlechts, der die gleiche bzw. eine gleichwertige Tätigkeit verrichtet, dafür mehr bezahlt bekommt, so kann man/frau einen Anspruch auf Nachzahlung der Entgeltdifferenz und Angleichung in Zukunft stellen. Lujansky-Lammer: „Leider wissen Frauen oft nicht über die Ungleichbezahlung . Oft sind es dann Weihnachtsfeiern, wo man(n) ins Gespräch kommt und diese eklatante Ungerechtigkeit aufgedeckt wird.“ Ansprüche müssen derzeit innerhalb von drei Jahren geltend gemacht werden.

Wenn „Mobber“ angeklagt werden
Eine untragbare Belastung für die Betroffenen sind die für Außenstehende kaum sichtbaren Mobbingprozesse, wobei hier meist erst aufgedeckt werden muss, wer der oder die tatsächlichen „Mobber“ sind. „Es sind oft vorgesetzte Frauen, welche Frauen diskriminieren“, so die Gleichbehandlungsanwältin, „wir versuchen zu helfen, indem wir zuerst das Selbsthilfepotenzial bei der Betroffenen eruieren, ihr Umfeld prüfen und dann die Gespräche coachen. Wir sind ausschließlich im vorgerichtlichen Bereich tätig, d. h. unsere ,Macht‘ reicht bis zur Beschwerde an die Gleichbehandlungskommission, welche in weiterer Folge eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht nach sich ziehen kann.“ Die Beratungen sind kostenlos und vertraulich. Die Gleichbehandlungsanwältin wird auch präventiv tätig: Bei Anfragen von Unternehmen begleitet und unterstützt sie die Entwicklung und Umsetzung von Gleichstellungsprogrammen.

Claudia Windisch

Infos/Kontaktaufnahme: T (0316) 72 05 90 | graz.gaw@bmgf.gv.at

 

 

  Jugendwohlfahrt auf neuen Schienen Die Zahl der in der Steiermark durch Intervention der öffentlichen Hand betreuten Jugendlichen hat sich von 1998 auf 2003 von über 3500 auf über 7000 mehr als verdoppelt. Nicht nur wegen dieses dramatischen Anstiegs hat sich Soziallandesrat Kurt Flecker eine Neuordnung der Jugendwohlfahrt vorgenommen.


Im Sozialressort führt man den Anstieg auf zwei Faktoren zurück: Zum einen werde das soziale Umfeld der Jugendlichen problematischer, zum anderen habe sich die Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Unterstützung erhöht. Flecker: „Die Gesellschaft lässt immer mehr Menschen allein; die Politik richtet sich nur mehr am genormten ,tüchtigen‘ Menschen aus; dieses System sozialisiert seine Kosten und bürdet sie der öffentlichen Hand auf.“ Parallel zur Zunahme der Zahl der Betreuten stieg auch jene der Betreuungseinrichtungen von 30 auf 53 und die Zahl der Plätze in diesen Einrichtungen von 540 auf 875 – was einen Kostenzuwachs von 45% von 27,7 auf 40,2 Mio mit sich brachte.

Planung und Rahmenverträge, mehr mobile Betreuung
Die neue Regelung soll eine Verlagerung von Kapazitäten von den ambulanten und stationären Einrichtungen hin zu mobilen bringen; die Steuerung soll durch Rahmenverträge des Landes mit den privaten Dienstleistern erfolgen, die bestimmte Qualitätskriterien, eine Absicherung des regionalen Angebotes und gleiche Preise für gleiche Angebote gewährleisten sollen. Der Kinder- und Jugendanwalt des Landes Steiermark, Mag. Christian Theiss, hofft durch diese Neuregelung auf „mehr Transparenz und Versorgungssicherheit.“

Bessere psychotherapeutische Versorgung
Bei der Pflegeelternschaft soll es zu Vereinfachungen kommen. Im Fall der Notwendigkeit psychotherapeutischer Intervention soll die Jugendwohlfahrt künftig rasch und unbürokratisch Zuschüsse leisten. Theiss: „Wir haben uns dafür stark gemacht, dass Jugendliche zu leistbaren Kosten psychotherapeutische Betreuung in Anspruch nehmen können – das erscheint nun endlich gewährleistet.“

Aussonderungsgesellschaft strapaziert Sozialbudgets
Was die Entwicklung der Kosten betrifft, hofft der Soziallandesrat auf einen effizienteren Mitteleinsatz vor allem durch die Vergrößerung des Anteils mobiler Betreuung und eine damit einhergehende Senkung der Fallkosten, aber: „die quantitative Steigerung können wir so natürlich nicht auffangen.“ Auch die Prävention habe ihre Grenzen, wenn die gesellschaftlichen Bedingungen nicht stimmten. Flecker: „Wir leben in einer Aussonderungsgesellschaft, die Leistung mit Geschwindigkeit verwechselt, gefördert wird dies durch eine Bundesregierung, die sich als Lobby der Globalisierung versteht.“

 

 

 

  Behindertengesetz: Grüne kritisieren Selbstbehalte Auch nach dem Beschluss des neuen steirischen Behindertengesetzes durch ÖVP und SPÖ lassen die Grünen nicht in ihrer Kritik daran locker. Zentraler Punkt ist der Selbstbehalt.


Während SPÖ-Sozialsprecherin Barbara Gross von einem „Meilenstein in der steirischen Sozialpolitik“ spricht und versichert, dass es „keine Härtefälle geben wird“, errechnet die grüne Klubobfrau Ingrid Lechner-Sonnek anhand mehrerer angenommener Beispiele Mehrbelastungen bis über 350 Euro pro Monat: „Die Selbstbehalte, die das Behindertengesetz nun vorsieht, treffen die Menschen härter als jene in der Sozialhilfe, weil keine Aufwände in Abzug gebracht werden können.“ Es sei kein Zufall, dass in keinem anderen Bundesland solche Selbstbehalte existierten“. Unterhaltsberechtigte Behinderte – also Personen bis zum 27. Lebensjahr – müssten nach den neuen Bestimmungen die zumutbare Unterhaltsleistung, von der bei Unterbringung in einer vollstationären Einrichtung 80% einbehalten werden, von den Eltern einklagen, wenn diese nicht zahlungswillig seien.

 

 

 

Familienpass und Jugend-Card: Bigger, better, more Die 12. Auflage des steirischen Familienpasses bietet wieder beachtliche Familien-Ermäßigungen in Freizeit, Sport, Kultur, Bildung und bei der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel. Um neue „Funktionen“ wurde auch die Jugend-Card „checkit“ erweitert.


Die Highlights des Familienpasses 2004:
Das Landesmuseum Joanneum gewährt Gratiseintritte an Sonn- und Feiertagen in seine ständigen Ausstellungen, die Bühnen Graz bieten eine Reduktion von 30% auf ihre Abo-Preise für Erwachsene und 50% auf das Kinder-Abo – und der Verkehrsverbund Gratis-Fahrten für Kinder bis 15, die in Begleitung ihrer Eltern unterwegs sind. Die Eltern selbst fahren zum halben Preis. Zum ersten Mal gewähren heuer 50 steirische „Urlaub-am-Bauernhof“-Anbieter 10% Ermäßigung für InhaberInnen des Familienpasses, berichtet NAbg. Ridi Steibl, Leiterin des Referats Familie-Frau-Gesellschaft. Landesrätin Mag. Kristina Edlinger-Ploder bemüht sich um Ausweitung der Familienpass-Ermäßigungen – u.a. auf die Sonderausstellungen des Landesmuseums – und wird eine Evaluierung einleiten.

Auf Initiative der Jugend-Landesrätin wurde auch die steirische Jugendkarte um wesentliche Funktionen erweitert. Richtig zum Einsatz wird die Karte bei der Gemeinderatswahl 2005 kommen, wo sie als offizieller Ausweis der Erstwähler dienen soll. Bis jetzt war die Altersgrenze mit dem 18. Lebensjahr beschränkt, nunmehr gilt die checkit.card für Jungendliche von 12 – 20 Jahren. Neu ist die inkludierte Gratis-Freizeithaftpflichtversicherung – ermöglicht durch die Kooperation mit dem ARBÖ.

Der Familienpass kann nun auch online über www.steiermark.at/referat-ffg oder schriftlich beim:
Referat Frau-Familie-Gesellschaft, Stempfergasse 7, 8010 Graz angefordert werden.

Alle Infos zur Jugend-Card finden sich unter www.checkit.at

 

 

  Krankheits-Prävention am Arbeitplatz Ein neues Beratungsangebot des Vereins PASCH soll jugendlichen ArbeitnehmerInnen Hilfe zur Selbsthilfe bei Stress, Überforderung oder Konflikten mit Vorgesetzten bieten.


„Gesund am Arbeitsplatz“ ist der Name eines Projektes, das PASCH mit Unterstützung durch das Gesundheitsressort des Landes durchführt. PASCH-Geschäftsführer Hannes Körbler: „Bei unserer arbeitsmarktpolitischen Beratung für Jugendliche werden wir immer wieder mit krank machenden Arbeitssituationen konfrontiert.“ 28% aller Beschäftigten klagten über Stress, in der Steiermark gebe es damit 120.000 Betroffene. Und Dr. Elisabeth Valentek, Leiterin der PASCH-Beratungsstelle, konkretisiert die für Jugendliche zutreffenden Gründe: „Sie erhalten widersprüchliche Arbeitsaufgaben, die Aufträge sind oft nicht transparent, es fehlt an sozialer Anerkennung; an erster Stelle unter den Stressfaktoren steht natürlich drohender Arbeitsplatzverlust.“ Die Folgen: Depressionen, Schlaflosigkeit und Angstzustände. Das Ziel der Beratung ist Hilfe zur Selbsthilfe – die Handlungsmöglichkeiten der Betroffenen sollen erweitert werden, selbstsicheres Auftreten und selbstbewusste Gesprächsführung erlernt werden. Mag. Beate Atzler von der Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaus: „Es geht um ,Empowerment‘, die Betroffenen sollen in die Lage versetzt werden, ihre eigene Gesundheit zu managen.“

Empowerment schützt vor psychostressbedingten Krankheiten

Für Gesundheitslandesrat Mag. Wolfgang Erlitz, der das Projekt mit 36.000,– Euro aus seinem Budget unterstützt, gilt es, nicht nur „das Gesundheits-Verhalten der Menschen, sondern auch die krank machenden Verhältnisse zu ändern.“ Zu diesem Zweck seien Arbeitgeber ebenso wie ArbeitnehmerInnen anzusprechen: „Schließlich geht durch stressbedingte Gesundheitsprobleme 1,4% des BIP verloren – in der Steiermark sind das 317 Mio Euro im Jahr.“

Infos: PASCH | T (0316) 84 84 86 | www.pasch.or.at