korso Wissenschaft & Forschung
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
02/2003
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„Ohne Universitäten lässt sich die außeruniversitäre Forschung nicht aufrecht erhalten“
KORSO im Gespräch mit Hon.-Prof. Dr. Bernhard Pelzl, Geschäftsführer des Joanneum Research

 

Die Forschungspolitik des Landes Steiermark soll auf neue Beine gestellt werden …

Zur Klarstellung: Es geht nicht um eine Neustrukturierung der Forschung, sondern um eine Prioritätenfestlegung, bei der wir die Politik beraten. Wir orientieren uns dabei am Technologiekonzept des Landes von 1996. Letztendlich geht es darum festzustellen, in welchem Sektor welche Mittel einzusetzen sind, damit maximale Standort- und Arbeitsplatzwirksamkeit erzielt wird. Und natürlich kann eines der Ergebnisse darin bestehen, dass auch ein Bedarf nach Ausbildungsplätzen in einem bestimmten Bereich festgestellt wird – wie dies etwa schon im Bereich des Chip-Design der Fall war, als die damit befasste Strategiegruppe einen Mangel an entsprechend qualifizierten Fachleuten erkannte und die TU Graz daraufhin einen entsprechenden Lehrgang ins Leben rief. Die Leistung, die wir als Joanneum Research im Rahmen dieser Prioritätenfestlegung anbieten, ist das Management des Prozesses, wir bereiten die politische Entscheidung vor.

Joanneum Research ist nicht nur selbst im F&E-Bereich tätig und berät die Politik bei der Schwerpunktsetzung in diesem Bereich, Sie haben auch – etwa mit den jüngsten Mariazeller Gesprächen über die durch die Gentechnologien ermöglichte „Menschenzucht“ – in die Debatte um die ethischen Grundlagen der Forschung eingegriffen.

Das Ziel solcher Veranstaltungen ist es, einmal innezuhalten und die Bedingungen der eigenen Forschungsarbeit zu reflektieren, wir halten zwei- bis viermal im Jahr wissenschaftstheoretische Seminare zu ähnlichen Themen ab.

Eine Widerlegung der Aussage, die kürzlich bei einer Veranstaltung zur Forschungspolitik des Landes fiel, wonach sich die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften oftmals der Anwendung entzögen …

Ein Satz, der natürlich nicht von mir stammt. Allerdings meine ich auch, dass die Geisteswissenschaften nicht Teil einer Forschungsstrategie sein können, sondern den zunehmenden gesellschaftlichen Orientierungsbedarf befriedigen sollten. Ich halte auch die säuberliche Trennung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften für wenig sinnvoll – letztendlich geht es ja in beiden Bereichen um die Frage des Menschen nach sich selbst.

Dennoch bleibt das Faktum, dass im naturwissenschaftlichen oder betriebswirtschaftlichen Bereich kontinuierlich umsetzungsorientierte Kompetenzzentren geschaffen werden, während die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften diesbezüglich ein Schattendasein fristen.

Ich könnte mir sehr gut die Einrichtung eines Kompetenzzentrum vorstellen, das von der öffentlichen Hand als Bedarfsträger finanziert wird und das der Reflexion gesellschaftlicher Fragestellungen und Werte dient.

Zurück zu den Leistungen Ihres Hauses – auf welche davon sind Sie besonders stolz?

Da fallen mir spontan drei Punkte ein: Die Konzeption und Realisierung des Nanonet Styria, die Leistungen des Instituts für medizinische Systemtechnik und Gesundheitsmanagement und die Nachhaltigkeitsforschung. Und natürlich mein persönliches Liebkind: Das Joanneum Research Handbuch der Anwendungsorientierten Forschung. Dass auch alle anderen unserer Institute Hervorragendes leisten, versteht sich von selbst.

Ihr Wunsch für die Zukunft der außeruniversitären Forschung?

Dass die universitäre Forschung erhalten bleibt – ohne die Grundlage der an den Universitäten geleisteten Arbeit lässt sich nämlich keine anwendungsorientierte Forschung aufrecht erhalten. Schließlich kommt ja auch der Großteil unseres wissenschaftlichen Personals von den Universitäten.

 

 

Fernseharchive über Internet Der ORF und fünf weitere europäische TV-Anstalten werden online Material aus den frühen Fernsehtagen anbieten.

<< BIRTH: Projekt zur Erhaltung des Filmmaterials aus der Frühzeit des Fernsehens

 

Material aus der Zeit, als das Medium Fernsehen noch in den Kinderschuhen steckte, ist einerseits durch die Form der Speicherung gefährdet und andererseits keiner breiten Öffentlichkeit zugänglich. Um dieses kulturelle Erbe Europas zu bewahren und die ersten Bilder, die über den Bildschirm flimmerten, breit zugänglich zu machen, wurde das Projekt BIRTH (Building an Interactive Research and delivery network for Television Heritage) ins Leben gerufen. Zusammen mit fünf anderen Projekten wurde BIRTH im Rahmen des MEDIA PLUS Programms der Europäischen Gemeinschaft aus fünfzig eingereichten Projektvorschlägen zur Durchführung auserkoren.

„Die Dokumente aus der frühen Zeit des Fernsehens in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts sind zum Großteil in Form von Filmmaterial vorhanden. Denn bis zum Anfang der 60er Jahre gab es keine Möglichkeit, Sendungen direkt auf Magnetband aufzunehmen, und so hat man die Sendungen einfach abgefilmt“, erklärt Georg Thallinger vom Institut für Informationssysteme und Informationsmanagement der JOANNEUM RESEARCH.

„Das kulturelle Erbe, das in Form von TV-Material aus den Kindertagen des Fernsehens vorliegt, ist zum einen durch die Form der bisherigen Speicherung gefährdet, zum anderen ist es Professionisten nicht gut und der breiten Öffentlichkeit kaum zugänglich“, schilderte der Grazer Projektverantwortliche Georg Thallinger die Zielsetzung >>

Koordiniert von der österreichischen Forschungsgesellschaft JOANNEUM RESEARCH beteiligen sich sechs Fernseharchive an der Sicherung des Archivmaterials durch digitale Speicherung und an einem gemeinsamen Internetauftritt, der 2006 realisiert werden wird. Damit wird Material aus der frühen Fernsehgeschichte multimedial aufbereitet und mehrsprachig präsentiert – und zwar nicht nur Filmmaterial, sondern auch Sendepläne, Texte und Fotos.

Am Pilotprojekt BIRTH beteiligen sich folgende Fernseharchive:

  • BBC (UK)
  • Nederlands Instituut voor Beeld en Geluid (NL)
  • ORF(A)
  • Radio-Télévision Belge de la Communauté Française (B)
  • Südwestrundfunk (D) und
  • Telewizja Polska (PL)

Technische Partner sind die belgische Firma Streamcase und die österreichische Forschungsgesellschaft JOANNEUM RESEARCH. Mit BIRTH wird nicht nur wertvolles Material gesichert, sondern professionellen Nutzern und der wissenschaftlichen Gemeinde zugänglich gemacht sowie erstmals auch einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt - ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des kulturellen Erbe Europas.

 

 

  Gesundheitsförderung und Prävention Noch immer hat im Gesundheitssektor Schadensbekämpfung Vorrang vor Schadensverhütung. Investiert wird erst, wenn der „Versicherungsfall“ akut ist – angesichts der Defizite der Krankenkassen werden die Stimmen immer lauter, die hier einschneidende Änderungen verlangen.

 

Präventionsziel: Gesund älter werden.
In ganz Europa stellt sich dasselbe Problem: Das Gesundheitswesen ist einseitig auf die Reparatur gesundheitlicher Schäden ausgerichtet. Investiert wird auch in Krankenhausbetten, in die Technik und in neue Behandlungsformen. Die Mittel für Gesundheitsförderung und Prävention sind dem gegenüber verschwindend gering. Dennoch sollen wir möglichst lange Sozialversicherungsbeiträge einzahlen und erst spät eine Pension beziehen – wir müssen also künftig länger gesund bleiben.

Vorsorge statt medikamentalisierter Kultur
Bernhard Badura, Professor für Sozialepidemiologie an der Universität Bielefeld, geht das Problem fundamental an: „Es geht nicht nur darum zu fragen, ob wir das, was wir tun, auch richtig tun, sondern wir müssen uns zuerst einmal fragen: Tun wir überhaupt das Richtige?“ Als Beispiel nennt Badura die Bereiche, in welche Krankenkassen investieren. Da steht das Krankenhaus mit 32,4% an erster Stelle, gefolgt von ärztlichen Behandlungen mit 15,9%. 5,7% wird in zahnärztliche Behandlung investiert und 1,9% in Kuren. Gesundheitsförderung und Prävention tauchen in keiner der Statistiken auf – 2001 gaben die gesetzlichen Kassen in Deutschland pro Versichertem zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren ca. 0,25 – 1,25 Euro aus – in Österreich dürften die Zahlen nicht viel anders aussehen. „Wir haben eine total medikamentalisierte Kultur“, sagt Badura. „Die steigenden Aufwendungen für die Krankenversorgung machen Gesundheitsförderung und Prävention jedoch zu immer aktuelleren Themen, da man sich davon kostensenkende Effekte verspricht.“ << Prof. Bernhard Badura: Gesundheit ist eine Fähigkeit, die wir erlernen können.

Kompetente Führung hält Mitarbeiter gesund
Badura, einer der Pioniere der Public-Health-Bewegung im deutschen Sprachraum, sieht den Begriff Gesundheit aus einer ganz anderen Perspektive: „Gesundheit ist eine Fähigkeit, die wir erwerben können. Gesund zu sein bedeutet schadensfrei mit Problemen umzugehen und ein positives Selbstwertgefühl entwickeln zu können. Die Grundbedingungen für Gesundheit sind, dass der Mensch die Welt, in der er lebt, als sinnvoll erachtet, beeinflussbar empfindet und sie auch versteht.“ Modernes Gesundheitsmanagement zeichnet sich so auch dadurch aus, dass das Sozialkapital eines Unternehmens als Basis für Präventionsmaßnahmen gesehen wird. Professionell betriebenes Management steigert langfristig die Produktivität sämtlicher Mitarbeiter.

Ärztekammerfunktionäre Pruckner, Routil und Millauer    präsentieren die neue Vorsorge-Initiative der steirischen Ärzte

Steirische Ärztekammer engagiert sich für Vorsorge
Dem Trend zur Prävention tragen nun auch die steirischen Ärzte Rechnung: Mit dem kürzlich ins Leben gerufenen „Mir geht´s gut“-Programm wird die klassische Gesundenuntersuchung künftig um sechs neue Module ergänzt, welche die Bereiche Herz-Kreislauf, Bewegungsapparat und Ernährung, aber auch Reise- und Sportmedizin umfassen. „Ein Investitionsschub in den Vorsorgebereich ist schon lange vonnöten“, konstatiert Ärztekammerpräsident Wolfgang Routil. „Da wir darauf nicht ewig warten wollen, sind wir jetzt selbst initiativ geworden.“ Die neuen Module werden privat angeboten und kosten den/die PatientIn zwischen 38 und 50 Euro. An der neuen Initiative beteiligen sich bereits 263 steirische ÄrztInnen, so Dr. Jörg Pruckner, Obmann der niedergelassenen Ärzte. Mittelfristig ist eine statistische Auswertung geplant, um allgemeine Aussagen für die Volksgesundheit treffen zu können. Die Patienten werden zudem eine Befundmappe mit für den Laien gut verständlichen Erklärungen in die Hand bekommen, damit soll das Wissen über Krankheitsrisiken und so auch die Bereitschaft zunehmen, für die eigene Gesundheit mehr Verantwortung zu übernehmen. Denn: „Vorsorge hat das Ziel, Risiken so rechtzeitig zu erkennen, dass der Ausbruch schwerer Erkrankungen verhindert werden kann – dafür genügt oft nur eine kleine Änderung im Lebensstil“, erklärt Dr. Martin Millauer, Vorsorgereferent der Ärztekammer. Unter www.mirgehtsgut.at findet man all jene ÄrztInnen, welche die neuen Gesundenuntersuchungsmodule anbieten.

Claudia Windisch

 

 

  Jahr der Behinderten als Chance für Veränderungen

 

2003 ist nicht nur Kulturhauptstadtjahr, sondern auch Jahr der Behinderten. Grund genug, um in der Steiermark ein Projekt voranzutreiben, das schon seit Jahren der Verwirklichung harrt: Das Behindertengesetz soll endlich beschlossen werden. Seit dem Gesetzesentwurf im Jahre 2001 haben sich der Dachverband der Behindertenvereine und zahlreiche Experten mit Vorschlägen eingebracht. Die übergeordnete Zielsetzung besteht darin, dass Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und daraus sich ergebenden unterschiedlichen Bedürfnissen gleiche Chancen in den Bereichen Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung erhalten sollen. Laut Soziallandesrat Kurt Flecker würde mit diesem Gesetz der Rechtsanspruch auf verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten, die behinderten Menschen ein menschenwürdiges Leben garantieren sollen, festgeschrieben werden. „Rund jeder Zehnte muss mit einer größeren oder kleineren Behinderung leben. Es ist zu hoffen, dass dieses Gesetz noch 2003 beschlossen wird und im Budget 2004 umgesetzt werden kann.“ Im Vordergrund wird der Anspruch auf individuelle Hilfestellungen stehen, stationäre Unterbringung – die sowieso am teuersten ist – soll zugunsten von betreutem Wohnen in Wohngemeinschaften zurückgedrängt werden. Anspruch auf Eingliederungshilfen am Arbeitsmarkt mittels Arbeitsassistenz wird ebenso im Gesetz verankert sein wie Entlastungsangebote für Betreuungspersonen. Flecker: „Bis 2010 sollen alle öffentlichen Gebäude des Landes barrierefrei zugänglich gemacht werden. Und die Gemeinden sollen ermuntert und unterstützt werden, in ihren Bereichen mitzuziehen.“ << Soziallandesrat Kurt Flecker: „Das Jahr 2003 kann und soll die Zukunft für Menschen mit Behinderungen verändern.“

Eine konkrete Initiative hat auch der grüne Landtagsklub gestartet. Alle Kindergärten und Schulen der Steiermark sollen innerhalb von drei Jahren barrierefrei werden, sodass zumindest in diesem Bereich keine Ausgrenzung mehr stattfindet. Als Anreiz werden positive Beispiele auf der Homepage der Steirischen Grünen dargestellt und prämiert. LAbg. Ingrid Lechner-Sonnek: „Behinderte sind keine Schützlinge, sondern Menschen mit gleichen Rechten. Alles, was Menschen mit Beeinträchtigungen rechtlich und im alltäglichen Leben schlechter stellt, muss behoben werden!“

LAbg. Ingrid Lechner-Sonnek: „Behinderte sind Menschen mit gleichen Rechten >>

Auch Theresia Rosenkranz von der Initiative Soziale Integration wünscht sich eine möglichst rasche Beschlussfassung des neuen Behindertengesetzes, fürchtet aber, dass „nach Jahren des Herumdokterns“ vieles von den ursprünglichen guten Ansätzen verwässert wurde. „Im Sozialplan 2000 steht alles drinnen: Recht auf Familienentlastung, auf Arbeitsbegleitung auch über längere Zeiträume, Möglichkeiten einer Teilqualifizierungslehre, flexibler, individueller Einsatz mobiler Dienste und vor allem: keine Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Land, zwischen denen der einzelne Behinderte dann hin- und hergeschoben wird.“

Gerti Muckenhuber

 

 

Hilfe für minderjährige Flüchtlinge
<< Anelise Araujo-Forlot von IOM: Der „Handel“ mit Jugendlichen für die Sex-Industrie der westlichen Länder nimmt dramatisch zu

 

Ein vom Verein OMEGA veranstaltetes Symposium „Children’s Rights vs Violence“ gab Einblick in die internationalen Bemühungen, die Lage der unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlinge (UAMs- UnAccompanied Minors) zu verstehen und zu verbessern. Erfahrungen mit den Themenbereichen Therapie, Gewalt, Anforderungen an Betreuungseinrichtungen etc. in Projekten in Kroatien, den Niederlanden, Dänemark und Österreich wurden verglichen. Anelise Araujo-Forlot von der internationalen Flüchtlingshilfsorganisation IOM referierte über die Situation der UAMs vor allem aus der Balkanregion. Im letzten Jahr nahm die Zahl der jugendlichen Opfer von Menschenhandel für die Sexindustrien der westlichen Welt enorm zu, weibliche und genauso männliche Jugendliche werden Opfer von Verschleppungen und verschwinden teilweise ohne Spuren. IOM hat für die Balkanstaaten Programme ausgearbeitet, um diese Verbrechen zu verhindern und den Opfern Hilfestellungen zu geben. Eine Verbesserung der sozioökonomischen Faktoren für die Jugendlichen in ihrer Heimat und Auffangmöglichkeiten für verschleppte, ausgebeutete Jugendliche in den Ländern, in denen sie ankommen bzw. aufgegriffen werden, sollen die Geschäftsmöglichkeiten der Schlepper verringern. Annemarie Miörner-Wagner berichtete über die Mitarbeit von OMEGA in Daphne-Arbeitsgruppen, die am Aufbau internationaler Hilfs-Netzwerke zusammenarbeiten.

Gerti Muckenhuber

OMEGA betreut in seinen Integrationsprojekten jugendliche Flüchtlinge und bietet auch Schulen Workshops über Kinderrechte an | Kontakt: 0316/77 35 54