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Kein Geld für
psychisch Kranke?
Die steirischen PsychotherapeutInnen schlagen Alarm: Laut steirischem
Gesundheitsbericht 2000 hat die Steiermark nach Finnland die zweithöchste
Selbstmordrate Europas.
Während der EU-Schnitt bei 12 Suiziden je 100.000 EinwohnerInnen
liegt, ist er in der Steiermark doppelt so hoch. Weitere Zahlen aus dem
steirischen Gesundheitsbericht belegen, dass 260.000 SteirerInnen an psychischen
Schädigungen leiden, 25% davon entwickeln ausgeprägte Störungen.
Etwa 48.000 SteirerInnen werden als alkoholkrank, etwa 130.000 als alkoholgefährdet
eingeschätzt. Österreichweit haben 55% der PatientInnen praktischer
ÄrztInnen mindestens ein vorrangig psychisch bedingtes Symptom, die
durchschnittliche unspezifische Behandlungszeit bei psychosomatischen Erkrankungen
liegt bei 7 Jahren (ÖBIG-Studie). 28% der durch Behinderung eingeschränkten
Lebensjahre gehen laut Weltgesundheitsorganisation auf psychische und neurologische
Belastungen zurück.
Keine Therapie auf Krankenschein
Trotz dieser erschreckenden Zahlen scheint ein Vertrag zwischen PsychotherapeutInnen
und den Kassen für eine Therapie auf Krankenschein nicht in Sicht.
Derzeit belaufen sich die Ausgaben der Kassen für Psychotherapie auf
rund 1% der Gesamtausgaben für ärztliche Hilfe und gleichgestellte
Leistungen. Eine 40-stündige Psychotherapie (40 Stunden sind für
die Behandlung einer psychischen Erkrankung eine geringe Stundenanzahl
und reichen für schwere Störungen nicht aus) kostet 2.500 bis
2.900 Euro, davon werden von der Krankenkasse 872 Euro Zuschuss geleistet.
Bereits heute nehmen Depressionen bezogen auf die volkswirtschaftlichen
Kosten nach Herzkrankheiten den zweiten Platz ein. Im Jahr 2030 werden
die krankheitsbedingten Kosten infolge Depressionen nach einer WHO-Studie
mehr als 6% der volkswirtschaftlichen Gesamtausgaben ausmachen. Laut dem
Wiener Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Max Friedrich leiden bis
zu 2,5% der Kinder und bis zu 8,3% der Jugendlichen an Depressionen.
Die Wartezeit auf einen Therapieplatz in Vereinen der Plattform Psyche,
einer Koordinationsstelle, die jenseits der Krankenanstalten flächendeckend
Beratung, Betreuung und Hilfestellung in der Steiermark zu gewährleisten
versucht, kann nach Auskunft der steirischen Psychiatriekoordinatorin Dr.
Susanna Krainz bis zu einem halben Jahr betragen. Im Jahr 2000 zählte
die Plattform Psyche 50.000 Kontakte, 8000 Personen wurden in die Betreuung,
die von den Krankenkassen bezahlt wird, aufgenommen. Krainz sieht den Auftrag
der Plattform auch darin, gesellschaftliche Akzeptanz für die Betroffenen
zu schaffen: "So selbstverständlich, wie sich jemand mit Magenproblemen
zum Internisten und ins Krankenhaus begibt, so sehr versucht man psychische
Erkrankungen herunter zu spielen und teilweise sogar zu ignorieren."
Verhandlungen gescheitert
Bereits 1993 hat der Gesetzgeber den Hauptverband der Sozialversicherungsträger
beauftragt, einen Gesamtvertrag für die psychotherapeutische Versorgung
in Österreich zu verhandeln. Im Februar 2000 hatte der Bundesverband
für Psychotherapie einem ausverhandelten Vertrag zugestimmt. Dieser
hätte u.a. beinhaltet, dass die Kassen die vollen Therapiekosten nur
dann übernehmen, wenn der/die TherapeutIn mindestens ein Jahr in einem
psychiatrischen Krankenhaus praktiziert hat, was nur bei einem Drittel
von ihnen der Fall ist. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger
lehnte den Vertrag, dem der Berufsverband der PsychotherapeutInnen bereits
zugestimmt hatte, jedoch im April 2000 wieder ab.
Daraufhin wurden die Länderkassen beauftragt, Länderlösungen
zu finden. In einem ersten Gespräch im März 2002 forderte die
GKK eine pauschale Zustimmung zu radikalen Zugangsbeschränkungen als
Bedingung für weitere Verhandlungen.
Die sind nun laut Auskunft des Leiters der Vertragspartnerabteilung
der GKK Dr. Siegfried Marchel neuerlich auf Eis gelegt. Man will
zunächst abwarten, was Gespräche auf Bundesebene, die nun wieder
aufgenommen werden sollen, bringen werden.
Psychotherapie auf Krankenschein hätte
auch einen wichtigen symbolischen Wert
"Vielen Betroffenen fällt es nämlich nach wie vor schwer,
sich zu ihrer Erkrankung zu bekennen", weiß Ingrid Dampfhofer,
Gründerin der Selbsthilfe-Gruppe "Traumfänger". Auch für
den systemischen Psychotherapeuten Erich Schenk, Vorstandsmitglied
des Landesverbandes für Psychotherapie, geht es darum, den Menschen
die Schwellenangst vor Psychotherapie zu nehmen. "Wenn man depressiv ist,
Ängste hat oder irgendein organisches Leiden – psychische Problemstellungen
wirken sich nämlich sehr häufig körperlich aus, die Menschen
haben Probleme mit der Wirbelsäule, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Magenleiden
etc. – braucht man Psychotherapie, eine Auseinandersetzung mit dem
Leiden. Deswegen ist man nicht geisteskrank." Einen Grund für die
Zunahme von depressiven Erkrankungen sieht Schenk im Wellness-Boom und
der Übermacht der Ökonomie: man muss erfolgreich und top-fit
sein. "Hier wird suggeriert, dass man selber schuld ist, wenn man etwas
nicht schafft. Depressive sind ja auch deshalb depressiv, weil sie glauben,
nicht in der Lage zu sein, das Leben zu meistern. Der Fitness-Trend verstärkt
diese Einstellung noch. Depression ist aber eine Krankheit und nichts,
woran man selber schuld wäre."
Wenn das eigene Repertoire an Strategien nicht mehr ausreicht, um aus
einer negativen Grundstimmung wieder herauszukommen, sollte therapeutische
Hilfe in Anspruch genommen werden.
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Krainz: Psychische Erkrankungen werden heruntergespielt
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Dampfhofer: Vielen Betroffenen fällt es schwer,
sich zu ihrer Erkrankung zu bekennen
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Schenk: Wellness-Boom suggeriert, dass man selber
schuld ist, wenn man etwas nicht schafft
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Depression wird oft lange nicht bemerkt
"Bei einer Depression ist das Schwierigste der Rückzug, Depression
ist ein stilles Leiden, d.h., es fällt den Betroffenen und auch der
Umgebung oft gar nicht auf", erklärt Erich Schenk. Auch bei vielen
ÄrztInnen fehlt noch das Bewusstsein, dass die Ursache für eine
körperliche Symptomatik oder für ein extremes Verhalten in einer
psychischen Erkrankung liegen könnte.
Es kann oft Jahre dauern, bis die Betroffenen erkannt haben, dass sie
Hilfe brauchen und bereit sind, etwas an ihrer Situation zu ändern.
Auch Ingrid Dampfhofer begann nach zahlreichen stationären Aufenthalten
im psychiatrischen Krankenhaus eine Gesprächstherapie. "Heute weiß
ich, dass diese Zeit sehr wichtig war und ich da gelernt habe, mein Leben
in die Hand zu nehmen und das daraus zu machen, was mir entspricht. Man
muss die Menschen abholen, wo sie bereit sind abgeholt zu werden. In der
Therapie erarbeitet man sich Werkzeuge, wie man mit sich selbst wieder
umgehen kann."
Psychotherapie für Kassen auf Dauer billiger
Erich Schenk, der im Verhandlungsteam des Verbandes der PsychotherapeutInnen
sitzt, weiß, dass die Kassen mittlerweile akzeptieren, dass eine
Psychotherapie auf Dauer billiger kommt, als die Leute von einem Arzt zum
nächsten zu schicken. Die Kriterien, die im letztlich nicht zustande
gekommenen Vertrag von Seiten des Hauptverbandes ausgearbeitet wurden,
waren einigermaßen absurd: In der Psychotherapie-Ausbildung sind
1200 Stunden Krankenbehandlung vorgeschrieben. "Der Hauptverband forderte
aber, dass man außerdem ein Jahr in der Psychiatrie gearbeitet haben
musste, um einen Vertrag mit der Kasse zu bekommen, egal in welcher Funktion
– theoretisch auch als Putzfrau! Noch dazu machen psychiatrische Fälle
in der freien Praxis lediglich 1 bis 2% aus. Das Ganze war also nichts
als eine Maßnahme zur Zugangsbeschränkung."
Mit der letzten ASVG-Novelle hat der Gesetzgeber eine sehr präzise
Formulierung getroffen und die Gesprächsvorbereitungen mit dem Sozialministerium
sind nach Auskunft von Schenk viel versprechend. "Trotzdem versuchen wir
auch auf Länderebene weiter zu verhandeln."
Kontakt zur Selbsthilfegruppe "Traumfänger"
bei Ingrid Dampfhofer, 8264 Hainersdorf 34, Tel. 0699-11 80 50 16
Die Sinnhaftigkeit des neuen Schnelltests zur Erkennung von Drogenkonsum
im Straßenverkehr (Drugwipe), wird von Experten bezweifelt. "Die
Überprüfbarkeit der Fahrtüchtigkeit ist durch die Testergebnisse
nicht gewährleistet, denn bis dato existiert beim Konsum von Drogen
keine festgelegte Grenze, wie bei Alkohol", so die SPÖ-Jugendsprecherin
und LAbg. Michaela Halper. "Durch die mangelhafte Schulung der Polizisten
ist mit der Einführung von Drugwipe ein sinnloses Herumtesten an bestimmten
Personengruppen und deren Stigmatisierung zu befürchten."
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