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Österreichische
Medien: Psycholavendel und Kartellbildung
Ein eher düsteres Bild von der Rolle der österreichischen
Medien in der res publica zeichneten eine Podiumsdiskussion der Akademie
Graz und ein Stammtisch des Forums politische Bildung.
"Wenn ich die österreichische Mediensituation mit jener in Afghanistan,
wo kritischen Journalisten die Kehlen durchgeschnitten werden, oder mit
jener in Berlusconis Italien vergleiche, sehe ich sie wieder in einem günstigeren
Licht", meinte der Politikwissenschafter und ehemalige ÖVP-Nationalratsabgeordnete
Heinrich Neisser in seinem einleitenden Statement bei der Veranstaltung
der Akademie Graz.
Von ähnlicher Resignation geprägt waren die Debattenbeiträge
der anderen Podiumsteilnehmer: Der Meinungsforscher Rudolf Bretschneider
monierte die vorherrschend psychologisierende und personalisierende
Darstellung von Politik in den Medien ("Psycholavendel") und unterstellte
der Mehrheit der Journalisten "Zynismus". Falter-Herausgeber Armin Thurnher
diagnostizierte "fehlende Konkurrenz der Meinungen vor Publikum" und
damit einen Mangel an "funktionierender Öffentlichkeit" – beides sei
auf die späte Überwindung des Feudalismus in Österreich
zurückzuführen. Zudem sähen die politischen Eliten des Landes
die Medien nur als Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen, deliberative
– abwägende – Zeitungen würden zwar in Sonntagsreden gelobt,
aber nicht ernst genommen; stattdessen schiele die Politik auf akklamative
Medien, die durch extrem verkürzende Darstellung von Sachverhalten
der Politik als gestaltender Kraft letztendlich das Wasser abgraben.
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Von links nach rechts: Thurnher, Bretschneider,
Patterer, Neisser
(re: Diskussionsleiter Baloch) lieferten eine Bestandsaufnahme
der tristen österreichischen Mediensituation
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Der stellvertretende Chefredakteur der "Kleinen", Hubert Patterer,
stellte fest, dass es in Österreich im Gegensatz zur Mehrzahl der
anderen EU-Staaten keine Qualitätszeitung gebe, die über die
Grenzen hinaus wirke – und hielt eine Brandrede gegen die Verfilzung des
Konkurrenzblattes mit der politischen Macht.
Es blieb Neisser vorbehalten, die vorwiegend im ideologischen Bereich
angesiedelte Diskussion um ihre ökonomische Dimension zu erweitern:
Die Weigerung Minister Böhmdorfers, gegen die Fusion der News-Gruppe
mit Profil/Kurier kartellrechtlich vorzugehen, habe die Gleichschaltung
weiter vorangetrieben; das einzige offiziell mit einem Bildungsauftrag
versehene Medium, der ORF, werde in Kürze in finanzielle Schwierigkeiten
geraten und einen seiner beiden Kanäle verkaufen müssen.
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Weissel, Moderator Possert, Brugger: Sinnvolle
Medienförderung zur Korrektur des
Marktversagens am Mediensektor
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"Sinnvolle Medienförderung"
Die Gefährdung der Demokratie durch die Medienkonzentration stand
im Mittelpunkt einer Veranstaltung zum Thema "Der mündige Bürger"
des Forums politische Bildung. Der Wiener Ökonom Erwin Weissel
analysierte die Produktion von Informationen aus wirtschaftswissenschaftlicher
Sicht: Um Gewinn bringend zu agieren, müsste der Anbieter eine genaue
Vorstellung vom Informationsbedürfnis seines Kunden haben – da dies
schwierig sei, seien Medien immer versucht, nicht die angebotene Information
dem Konsumenten, sondern letzteren dem Informationsangebot anzupassen oder
"ihn in seinen Vorurteilen schmeichelnd zu bestärken." Der Medienexperte
und Jurist Sepp Brugger forderte ein sinnvolles Medienförderungsgesetz
als Voraussetzung für eine funktionierende Medienlandschaft. "Es ist
unsinnig, die Kronenzeitung zu fördern, die 40% der österreichischen
Medienlandschaft beherrscht."
cs, rs, cw
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