04 / 2002
  Aufklärung statt medialer Drogenskandale

Machen die Medien rationale Strategien gegen Drogen zunichte? Dieser Frage ging eine Veranstaltung im Sozialmedizinischen Zentrum Liebenau nach, zu der zahlreiche Experten – Mediziner, Sozialarbeiter, Journalisten –  erschienen. 
 

Fehlende Lösungsansätze in den Medien
Dr. Rainer Possert, praktischer Arzt, Obmann des SMZ-Liebenau und Gastgeber der Veranstaltung eröffnete die Diskussion mit der Kernfrage "Werden in den Medien Lösungsansätze präsentiert oder wird die Angst der Bevölkerung geschürt?" DSA Klaus Peter Ederer, Drogenkoordinator des Landes Steiermark, zeigte sich besorgt: "Die Medienberichterstattung mit ihren Skandalberichten macht mir meine Arbeit nicht leicht. Die Medien pushen viel zu viel und machen die Versachlichung von Informationen nicht mehr möglich." Mag. Christian Ehetreiber von der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus kritisierte, dass Jugendliche in Form negativer Berichterstattung skandalisiert werden. "Ich werfe den Medien die Unterlassungssünde vor: Denn über Lösungsansätze in der Drogenproblematik wird so gut wie gar nicht diskutiert. Aufklärung beginnt aber erst mit dem Blick hinter die Kulissen." Den Einwurf von Walter Baustädter, Vertreter der Kronenzeitung, der die vielen Skandalberichte damit zu rechtfertigen versuchte, "dass wir mit weitaus mehr Negativmeldungen als positiven Berichten versorgt werden," kommentierte ein Zuhörer aus dem Publikum lapidar mit der Frage: "Wie wäre es einmal mit Recherchieren?"
 

Possert: Präsentieren Medien Lösungsansätze?
Zeder: Konsumenten illegaler Drogen werden immer jünger
Ederer: Medien pushen zu viel und machen Versachlichung unmöglich

Schwierigkeiten bei der Überführung von Dealern
Mag. Anton Lehr, seit 8 Jahren Leiter der kriminalpolizeilichen Abteilung Graz, kritisierte die fehlende Sachlichkeit in der Drogendiskussion und zeigte die derzeitig größten Probleme in der Polizeiarbeit auf: "Momentan haben wir vor allem durch das offensive Dealen mit Drogen Schwierigkeiten. Die Szene hat sich auf einige Lokale in Graz konzentriert, ausländische kriminelle Organisationen sind im Vormarsch." Die problematische Schnittstelle im Erfassen von Dealern liege vor allem darin, dass nur über die Drogenkonsumenten an die Drogendealer heranzukommen sei. "Wir sind also verpflichtet, auch den Konsumenten anzuzeigen. Deshalb haben wir eine Anonymberatung eingerichtet und versuchen auf diesem Weg, die Spur zu den Dealern aufzunehmen." Laut Lehr sei die Entwicklung der offenen Drogenszene in Graz auf über 500 dealende Schwarzafrikaner zurückzuführen. Ehetreibers Entgegnung, dass nicht nur schwarze Asylbewerber mit Drogen dealen, sondern auch weiße Trofaiacher, wurde von Possert mit dem Statement bekräftigt: "Wenn wir über Drogen dealende Schwarzafrikaner in Graz reden, so müssen wir den gesamten Kontext, aus dem sich solche Fakten ergeben, unbedingt mitdiskutieren, sonst wird die ganze Diskussion rassistisch!"

Warum greifen Jugendliche zu Drogen?
"Graz kann zwar keineswegs als Drogenhauptstadt bezeichnet werden," meinte Dr. Ulf Zeder, Drogenbeauftragter der Stadt Graz, "Konsumenten illegaler Drogen werden aber immer jünger und auch die Begleitkriminalität hat in den letzten Jahren sichtlich zugenommen." In Graz gibt es geschätzte 1000 Konsumenten illegaler Drogen. Dazu kommen 300 Grazer, welche sich derzeit in einem Substitutionsprogramm befinden. "Ein schnelles 10-Punkte-Programm gegen Drogen gibt es aber nicht." Für den praktischen Arzt Dr. Gustav Mittelbach ist es nicht allein "der Kick oder ein besonderer Ekstasezustand, welcher inzwischen sogar schon 10-jährige Kinder zu Drogen greifen lässt. Die Ursachen liegen im sozialen und psychischen Konkurrenzdruck der Gesellschaft, welcher kaum mehr ertragen wird, Müdigkeits- oder Angstzustände, Einsamkeit und die daraus entstehende Verzweiflung sind oft Auslöser." Auch für OA Dr. Dietmar Wachter ist ein Grund für jugendliche Einsamkeit das Verleugnen von Schwächen und die alleinige Hervorkehrung von Stärken in der Leistungsgesellschaft. 
 

Mittelbach: Ursachen liegen im sozialen und psychischen Konkurrenzdruck der Gesellschaft
Ehetreiber: Über Lösungsansätze wird in Medien nicht diskutiert
Friedl: Echte Auseinandersetzung der Gesellschaft mit Suchtkranken fehlt

Falscher Umgang mit Drogenabhängigen
Eine echte Auseinandersetzung der Gesellschaft mit Suchtkranken fehlt, nicht das Herumschieben von Schuldigen, sondern ein "grundsätzliches Informieren" wünscht sich der Psychiater und Neurologe Dr. Werner Friedl. Im derzeitigen System können viele Abhängige nicht behandelt werden – es fehlen Betten, es gibt zu wenige Ambulanzen. 

Richtige Aufklärung dringend gefragt
Für Mag. Harald Schmied, Chefredakteur des Megaphon, liegt eine Möglichkeit zur Suchtprävention im Erlernen der Fähigkeit zum bewussten Genuss. Und: "Um Drogenhandel zu verhindern muss Ausländern der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichet werden." Vizebürgermeister Dr. Peter Weinmeister sieht einen Lösungsansatz in der Mobilisierung von Freiwilligen, welche eine Jugendlobby gründen sollen. "Das Wissen muss auch verstärkt in die Schulen gebracht werden", so Weinmeister, und: "Drogen werden ein Wahlkampfthema sein." 
Anton Lehr betonte in seinem Schlussstatement, dass "Medien zwar nicht selbst Lösungsansätze bieten können, bestehende jedoch verstärkt aufzeigen müssen". Und er fügte hinzu: "In Zukunft muss unbedingt mehr Geld in den Sozialbereich investiert werden – mindestens ebenso viel wie in die Verbrechensbekämpfung!"

Claudia Windisch
 
APRIL-AUSGABE
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG