korso Wirtschaft / Arbeit / Bildung
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
12/2004
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  Alternative Modelle zur Privatisierung von kommunaler Abfall- und Abwasserentsorgung Unter dem Zwang zur Kostenreduktion, den sich die öffentliche Hand selbst auferlegt hat, werden zunehmend Aufgaben der Daseinsvorsorge ausgegliedert, wobei unterschiedliche Modelle zur Anwendung kommen, deren Spektrum von eigenständig wirtschaftenden Unternehmen im öffentlichen Eigentum bis hin zur vollen Privatisierung reichen. In Graz, wo schon mehrere Umstrukturierungsschritte im Bereich der Abfallwirtschaft gesetzt wurden, bilanzierte das Forum Abfallwirtschaft 2004 im Rahmen einer Fachtagung die bisherigen Erfahrungen von Privatisierungsprozessen in der kommunalen Abfall- und Abwasserwirtschaft – mit dem Ziel, kreative Impulse für die Situation in Graz zu finden. Veranstalter der Fachtagung „Alternative Modelle zur Privatisierung von kommunaler Abfall- und Abwasserentsorgung?“, die am 30. Oktober 2004 im Minoritensaal stattfand, war die AEVG, die fachliche und organisatorische Beratung erfolgte durch die ARGE Müllvermeidung.


„Die AEVG ist ein bewährtes Modell“
Die Veranstaltung wurde von Gemeinderat a. D. Kommerzialrat Heinz Musker, Aufsichtsrat der AEVG und vom Gemeinderat (und früher für die Müllwirtschaft zuständigen Stadtrat) Hans Pammer eröffnet. Musker bezeichnete die AEVG als bewährtes Modell und wies darauf hin, dass es um die bestmögliche Erfüllung der Aufgaben der Stadt Graz gehe. „Den BürgerInnen ist es gleich, ob das Unternehmen öffentlich oder privat geführt ist. Ausschlaggebend für sie ist das Preis-/Leistungsverhältnis. Bei aller Schärfe der Auseinandersetzungen wird der Erfolg von der Frage der Gesprächsfähigkeit abhängen, an der festgehalten werden soll“, betonte Musker. Gemeinderat Pammer dankte im Namen der Eigentümervertreter für die im Rahmen der Veranstaltungsreihe zur Abfallwirtschaft geleistete Gedankenarbeit und lobte die Entwicklung der AEVG, die zu 51% im Eigentum der Stadt und zu 49% in jenem der Stadtwerke steht, zu einem Vorzeige-Unternehmen.

Weitere Privatisierung und/oder Liberalisierung der Entsorgung? Bei der abfallwirtschaftlichen Tagung der AEVG gab es darauf differenzierte Antworten

Lieber mehr privat oder doch lieber mehr Staat?
Die bei der Tagung gehaltenen Referate zeigten das breite Spektrum der Positionen je nach Herkunft und Interessenlage der ReferentInnen: Der Wiener Finanzwissenschafter Univ.-Prof. Wilfried Schönbeck erläuterte die fünf Möglichkeiten einer Einbeziehung privater Unternehmen in öffentliche Aufgaben (Betriebsführungsmodell, Kooperationsmodell, Kooperationsmodell mit Betriebsführung, Betreibermodell, volle Privatisierung), DI Bernhard Sagmeister (Kommunalkredit Public Consulting GmbH, Wien) sieht vor allem in Private-Public-Partnership-Projekten Vorteile wegen der rascheren Realisierungsmöglichkeit von Projekten (die aber, wie er zugab, teilweise durch längere Vorbereitungszeiten kompensiert wird) und in der klareren Zuordenbarkeit von Kosten; dem stehe die Befürchtung gegenüber, dass private Partner ihrem Versorgungsauftrag nicht im angestrebten Umfang nachkommen könnten, weil sie durch kurzfristiges Gewinnstreben motiviert seien. Mag. Daniela Kletzan vom Wirtschaftsforschungsinstitut referierte über die Möglichkeiten von Privatisierung und Liberalisierung in der Siedlungswasserwirtschaft und äußerte sich diesbezüglich sehr skeptisch: Wegen der Leitungsgebundenheit sei die Leistung durch einen Anbieter günstiger zu erbringen als durch Wettbewerb, der Regulierungsbedarf sei sehr hoch, wegen der nötigen hohen Investitionen müssten die Verträge lange Laufzeiten aufweisen, was wiederum hinderlich für den Wettbewerb sei. Und: Für alle Privatisierungen von Leistungen der Daseinsvorsorge gelte, dass Transaktions- und Kontrollkosten oft zu wenig berücksichtigt würden. Ähnliche Positionen – aus der Praxis – vertrat Bürgermeister Ing. Josef Moser, Vorsitzender des Oberösterreichischen Landes-Abfallwirtschaftsverbandes, der feststellte: „Private arbeiten nicht billiger als die öffentliche Hand.“ So verursache die privatwirtschaftlich organisierte Verpackungs-Sammlung bei nur 10% Anteil an der Gesamtmasse des Haushaltsmülls 25% der Kosten. Mag. Susanne Bauer (Arbeiterkammer) referierte über Liberalisierungs-Trends aus Sicht der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen und konstatierte: „Der Systembruch hin zur Privatisierung schafft neue Kosten, Überkapazitäten und leere Leitungen.“ Dr. Hans Jaklitsch von der Wirtschaftskammer hält umgekehrt staatliche Lösungen für verantwortlich für mehr Bürokratie und Wohlstandsverluste; Privatisierungen hätten zudem den Vorteil der Abschaffung von Quersubventionierungen (etwa von öffentlichen Schwimmbädern durch Überschüsse aus dem Stromverkauf). Für KR Hans Roth (Fa. Saubermacher) sind Public-Private-Partnership-Modelle sinnvoll für Gemeinden über 50.000 Einwohner; in kleineren Orten solle die Entsorgung an Private abgegeben werden.

Dr. Helmut Stadler (Stadt Salzburg) verwehrte sich schließlich gegen ideologische Herangehensweisen in der Diskussion: Der Kundennutzen müsse ausschlaggebend für die Wahl des Entsorgungsmodelles sein. Gefahren sieht er in einer zwangsweisen Privatisierung der Abfallwirtschaft, da die Müllentsorgung nicht den üblichen Marktregeln unterliege: Die Privatisierung ermögliche die Herausbildung von privaten Monopolen und Oligopolen, Vorhaltekosten blieben bestehen, bereits vorfinanziertes Anlagevermögen werde obsolet.

– ds / sh / cs –

Eine ausführliche Dokumentation kann von der Homepage der AEVG (www.aevg.at) heruntergeladen werden!

 

TOP-Fonds der Steiermärkischen erringen Dachfonds-Awards


Die beiden Wirtschaftszeitschriften „Wirtschaftsblatt“ und „Option“ haben heuer schon zum vierten Mal die östererichischen Dachfonds-Awards vergeben. Damit werden die erfolgreichsten Dachfonds in verschiedenen Kategorien – vom risiko- und ertragsarmen Anleihenfonds bis hin zu reinen Aktionsfonds mit hohem Ertrags-, aber auch hohen Verlustmöglichkeiten. Die Steiermärkische gewann in fünfKategorien Spitzenplätze. Die beiden erfolgreichen Fonds-Managerinnen Mag. Eva Gatschelhofer und Mag. Claudia Frieser: „Im Gegensatz zu vielen Dachfonds anderer großer Banken, die zu einem hohen Anteil mit hauseigenen Fonds besetzt sind, entscheiden wir in der Fondsauswahl objektiv und unabhängig. Nicht zuletzt war es die Fondsauswahl, die uns speziell im Bereich der Schwellenländermärkte gute Erträge lieferte.“

 

 

  Lernen macht mobil - „Europrix Top Talente Award 2004“


Der klobige PC wird als Wissensvermittler schon in naher Zukunft an Bedeutung verlieren und durch so genannte „Smartphones“, die in jeder Hosen- oder Jackentasche Platz finden, ersetzt werden. Das lebenslange Lernen, die berufliche Weiterbildung oder die schulische Ausbildung lässt sich somit effektiv und effizient in das Alltagsleben integrieren. Doch das ist nicht alles: Der Begriff des „vernetzten Lernens“ bleibt dank neuer Technologien kein Schlagwort, sondern wird zum Inbegriff zukünftigen Wissenserwerbs.

Matthias Meisenberger entwickelte die Mobile Learning Engine

Die „Mobile Learning Engine“, die der FH-Absolvent Matthias Meisenberger im Rahmen seiner Diplomarbeit entwickelte, ist keineswegs nur ein weiteres Produkt unter vielen anderen im Bereich des mobilen und virtuellen Lernens der letzten Zeit. Davon zeugt vor allem die Entscheidung der Jurys des Europrix Top Talente Award 2004 – Mobile Content und des österreichischen „Innovationspreises 2004“, die Meisenbergers Lernanwendung mit dem 1. Preis auszeichneten. „Beide Auszeichnungen zeugen von der Qualität und Vielseitigkeit des Produkts“, kommentiert Betreuer Alexander Nischelwitzer die Preise für MLE. „Zusätzlich überzeugt MLE durch seine Plattformunabhängigkeit und die Programmierung in XML, der zukunftsweisenden Programmiersprache des Webs“.

 

 

 

Bald lesen wir wie die Finnen Der Schreck ist groß: Die PISA-Studie 2003 hat enthüllt, dass die Lesefähigkeiten der österreichischen SchülerInnen ebenso wie ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse unter dem OECD-Durchschnitt liegen, in Mathematik und allgemeiner Problemlösungsfähigkeit nur knapp darüber. Ministerin Gehrer gab zunächst den Eltern die Schuld. Seriöse Bildungspolitiker und Pädagogen analysieren die Gründe anders – ihre Vorschläge, die bis jetzt ungehört verhallten, haben unter dem „PISA-Schock“ vielleicht mehr Chancen gehört zu werden. In der Tat scheint am Minoritenplatz ein erstes Umdenken einzusetzen.


Zu frühe Selektion, Stundenreduktion, didaktische Mängel

Der Pädagoge Prof. emeritus Dr. Helmut Seel ist ein Urgestein sozialdemokratischer Bildungspolitik, er war einer der Architekten der pädagogischen Ausbildung für Mittelschullehrer und Vorkämpfer für die Gesamtschule.

SP-Bildungsexperte Seel > VP-Bildungsexperte Schnider > Weitgehende Übereinstimmung in der Diagnose des österreichischen Schulwesens

Er bescheinigt der Studie „hohe Seriosität“ und sieht seine Position durch die Ergebnisse bestätigt. Während beim überlegenen Sieger Finnland alle Kinder und Jugendlichen bis zur 9. Schulstufe – also bis zum 16. Lebensjahr! – eine gemeinsame Grundschule besuchen, „ist das österreichische Schulwesen das einzige, das an der frühen Selektion festhält.“ Als Beweis für die Überlegenheit der Gesamtschule führt er ins Treffen, dass mehr als die Hälfte der österreichischen MaturantInnen die Sekundarstufe I in der Hauptschule absolviert hat, die im ländlichen Bereich „der Idee einer Gesamtschule mit innerer Differenzierung nahe kommt.“ Darüber hinaus macht Seel die Reduktion der Unterrichtsstunden für die Verschlechterung der Leistungen verantwortlich: „Die SchülerInnen wurden ja dadurch nicht entlastet, weil die Menge des Lehrstoffs gleich geblieben ist – es ging ja in Wirklich nur darum, Lehrerstunden einzusparen.“ Der dritte Grund sei in didaktischen Fehlern zu suchen: „Unter anderem findet keine Verschriftlichung des Gelesenen mehr statt; der Grundfehler liegt aber wohl darin, dass das Lesen nicht mehr als Instrument dafür eingesetzt wird, einen lebenslangen Lernprozess in Gang zu halten.“

Innere statt sozialer Differenzierung
Kaum anders sind die Positionen des Landesgeschäftsführers der steirischen ÖVP, Dr. Andreas Schnider, der mit seiner Initiative für eine Bildungsenquete des Bundesrates, die am 24. November stattfand, die politischen EntscheidungsträgerInnen mit den Erkenntnissen der pädagogischen Wissenschaft konfrontiert hat. „Natürlich wurden dort auch Ganztagsschule und Gesamtschule zur Diskussion gestellt – da gibt es halt noch immer ideologische Verhärtungen. Ich habe aber breite Zustimmung dafür geerntet, dass Schule binnendifferenzierter, autonomer, individueller und heterogener werden muss.“ Zudem möchte Schnider „am Schnittpunkt zwischen Kindergarten und Schulalter“ ansetzen: „Es war ein Fehler, die Vorschule abzuschaffen.“ Kinder sollten eineinhalb Jahre vor der Schulreife zur Schule angemeldet werden, dabei könnten ihre Sprachkenntnisse festgestellt und nach Bedarf ein freiwilliges Förderjahr angeboten werden. Schnider: „Dieses Jahr muss nicht zwangsläufig an der Schule stattfinden, es könnte je nach Bedarf und örtlichem Angebot ebenso gut in den Kindergarten integriert werden.“ Auf allen Stufen gehe es darum, die innere Differenzierung nach dem individuellen Förderbedarf und nicht die äußere soziale Differenzierung in den Vordergrund zu stellen, formuliert er vorsichtig.

Im KORSO-Gespräch hatte Schnider noch spürbar resigniert gemeint: „Die Frau Minister will keine Systemänderung“. Inzwischen scheint am Minoritenplatz doch die Erkenntnis Platz zu greifen, dass die Krise von heute nicht mehr mit den Konzepten von gestern auszusitzen ist. Nach der Konsultation eines finnischen Schulexperten äußerte die Bildungsministerin laut APA-Meldung den historischen Satz: „Wenn es richtig ist, dass man in einer gemeinsamen Schule mit Individualisierung mehr erreicht, dann müssen wir daran arbeiten.“

– cs –

 

 

  Wie Konzerne den Staat ausplündern
KORSO präsentierte in Kooperation mit dem Verlag Kiepenheuer & Witsch und der Grünen Akademie „eines der aufregendsten Bücher seit langem“ (Alfred Worm): „Asoziale Marktwirtschaft – Insider aus Politik und Wirtschaft enthüllen, wie die Konzerne den Staat ausplündern“ von Ernst Schmiederer und Hans Weiss.


Gleich vorweg: Die von über 100 Personen besuchte Buchpräsentation mit anschließender Diskussion mit Autor Dr. Ernst Schmiederer, Dr. Hans Jaklitsch (Wirtschaftskammer Steiermark) und Dr. Gerhard Wohlfahrt (Institut für Volkswirtschaftslehre, Uni Graz), moderiert von KORSO-Herausgeber Christian Stenner dauerte mehr als drei Stunden – und auch dann harrten noch einige Statements und Fragen aus dem Publikum der Beantwortung und Diskussion; ein Beweis dafür, welch hohes Interesse zur Zeit Fragen der Verteilungsgerechtigkeit entgegengebracht wird.

Unter der Moderation von KORSO-Herausgeber Mag. Christian Stenner diskutierten (v.l.n.r.) Dr. Ernst Schmiederer (Autor), Dr. Hans Jaklitsch (Wirtschaftskammer) und Dr. Gerhard Wohlfahrt (Institut für Volkswirtschaftslehre) die Frage, ob und wie Konzerne den Staat ausplündern

Der Staat unterstützt seine Steuerflüchtlinge
In seinem Einleitungsreferat legte Schmiederer dar, dass Kapitalgesellschaften keinen wesentlichen Beitrag zur Staatsfinanzierung leisten. „Der Staat ist unterfinanziert und kann seine Ausgaben nicht mehr aufbringen, während vor allem die großen Konzerne auf der anderen Seite Gewinne machen und kaum Steuern zahlen.“ Laut Schmiederer duldet der Staat (und unterstützt zum Teil sogar aktiv), dass Unternehmen immer neue Schlupflöcher finden um Steuern zu vermeiden. So wird im Buch das Beispiel eines kleinen Ortes an der Nordseeküste genannt, wo keine Kommunalabgaben zu zahlen waren, was dazu führte, dass unzählige Konzerne wie zum Beispiel die Deutsche Bank oder die Lufthansa Scheinfirmen dort ansiedelte, über die sie sich enorme Summen an Steuerleistungen ersparten. Schmiederers Lösungsansätze beginnen mit konkreten Forderungen. So würde dem Staat jeder zusätzlich eingestellte Steuerprüfer 15 mal mehr Einnahmen bringen, als er kostet. Und enden mit einem Appell an die KonsumentInnen, ihr Machtpotenzial auszunutzen und so Druck auf die Unternehmen auszuüben.

Die Politik muss für soziale Gerechtigkeit sorgen
In seinem anschließenden Statement bezeichnete Dr. Jaklitsch die Marktwirtschaft als nicht asozial, räumte aber die Möglichkeit ein, dass das Steuersystem asozial sein könnte. Der Vertreter der Wirtschaftskammer nahm die Unternehmen mit dem Hinweis in Schutz, dass das Erreichen von sozialer Gerechtigkeit nicht Ziel und Aufgabe von Unternehmen, sehr wohl aber der Politik seien: „Der Staat hat die Aufgabe, die Regeln vorzugeben.“ Dem wurde aus dem Publikum entgegengehalten, dass vor allem große Unternehmen kraft ihrer Mittel über Lobbying Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben – auch zum Nachteil der kleinen Unternehmen, die eigentlich von der Wirtschaftskammer vertreten werden sollten.

Der Volkswirt Dr. Gerhard Wohlfahrt vertrat schließlich die Ansicht, dass die derzeitige Steuerpolitik nichts mit Wettbewerb zu tun hätte, sondern vielmehr Steuerdumping sei. Wohlfahrt kritisierte weiter, dass die Unternehmen zwar Leistungen vom Staat in Anspruch nehmen – Infrastruktur, die Ausbildung von Arbeitskräften – die von allen BürgerInnen zu zahlen seien, sich aber mit sinkendem Engagement an den Kosten beteiligten.

Die weitere Entwicklung werde notgedrungen zu einer noch stärkeren Verschiebung der Steuerlast von den Unternehmen zu den ArbeitnehmerInnen stattfinden wird – ein Trend, der sich an der Steuerstatistik der letzten sechs Jahre schon deutlich ablesen lasse: Im Zeitraum seit 1999 sank das Einkommensteuer-Aufkommen jährlich um durchschnittlich 3,1%, das Lohnsteuer-Aufkommen hingegen steig um 2,4% - trotz sinkender Lohnquote und steigender unselbstständiger Beschäftigung. Fazit: Die ArbeitnehmerInnen müssen bei sinkendem Realeinkommen mehr Steuern zahlen, während die Unternehmen bei zurückgehender Steuerlast größere Gewinne erzielen.

– Johanna Muckenhuber –

Hans Weiss & Ernst Schmiederer, Asoziale Marktwirtschaft, Kiepenheuer & Witsch, 2004, 352 S., Eur 20,50

 

 

  Profit ist alles – oder doch nicht?


In einer dreiteiligen Veranstaltungsreihe thematisiert das Forum für politische Bildung die aktuelle gesellschaftspolitische Entwicklung im neoliberalen System. Während im ersten Teil nach dem Wert und nach der Würde des Menschen bzw. nach der sozial-ethischen Verantwortung gefragt wurde, ging es in der jüngsten Veranstaltung darum, ob Unternehmen „mit dem Zahlen der Steuern ihre Schuldigkeit getan“ haben. Im Hofcafé, das seit fünf Jahren Kulisse für politische „Stammtisch-Diskussionen mit Qualität“ nach Wiener Vorbild (Café Central) ist, referierten Mag. Thomas Spann, Direktor der Wirtschaftskammer Steiermark und Mag. Christian Ehetreiber, Geschäftsführer der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus. Mit dabei waren aufgrund der aktuellen Lehrstellenmisere zahlreiche betroffene Jugendliche, die sich derzeit in einer von Bund und Land finanzierten Schulungsmaßnahme befinden. Ziel der Veranstaltung sei es, so Peter Scheibengraf vom Forum Politische Bildung, Polarisierungen entgegenzuwirken, indem ein Bewusstsein für eine notwendige Kooperation von Politik und Wirtschaft geschaffen wird.

Thomas Spann, Moderator Peter Scheibengraf, Christian Ehetreiber: Vertritt die Wirtschaftskammer noch die Interessen der kleinen Unternehmer?

Gesellschaftliche Verantwortung
Dass die Standpunkte der jeweiligen Referenten kontrovers ausfielen, überraschte in diesem Kontext nicht. Spann verdeutlichte, dass die steirischen Unternehmen neben der volkswirtschaftlichen Funktion in einem hohen Maße gesellschaftspolitische Verantwortung tragen: „Bei dieser provokanten Frage denken Konsumenten zunächst an Giganten. Tatsache ist allerdings, dass das steirische Unternehmertum sehr klein strukturiert ist. Von 46.000 haben nur 500 mehr als 100 MitarbeiterInnen. Momentan haben wir 20.000 Einzelunternehmen. Unternehmer tragen ein hohes Risiko, denn es gibt keine Versicherung gegen den Misserfolg. Ihre Verantwortung geht weit über das Steuerzahlen hinaus. Sie sichern Arbeitsplätze und die 46.000 Unternehmer in der Steiermark bringen das System überhaupt erst zum Laufen. Aufgrund des Wettbewerbs sind sie gefordert, nach innovativen Lösungen zu suchen.“ Weiters, so Spann, sei die Wirtschaftskammer selbst von der Umstrukturierung betroffen, denn sie hätte 80 Leute eingebüßt. Das nahm Ehetreiber zum Anlass, einen Abgesang auf das „Hohe Lied der Rationalisierung“ anzustimmen. Das System der entfesselten Marktwirtschaft zerstöre zunehmend die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die einen hohen Prozentsatz der Arbeitsplätze stellen und ihre Steuern zahlen, während die Konzerne tendenziell Arbeitsplätze wegrationalisieren. „Politiker verlagern ihre Macht zunehmend auf die Konzerne“, so Ehetreiber. Sein Appell: Die Wirtschaftskammer solle als „Robin Hood“ für die Interessen der Klein- und Mittelbetriebe auf die Barrikaden steigen.

– Gerlinde Knaus –

 

 

  KonsumentIn und Internet im regionalen Markt


Nach dem euphorischen Hype der Millenniums-Wende ist es in letzter Zeit etwas stiller um das „Marketing-Paradies“ Internet geworden, das ja oft genug mit allzu überschwänglichen Erwartungen begrüßt wurde. Nicht weiter verwunderlich, ist es doch mittlerweile für die meisten ein vertrautes Medium, das alltäglich mit der allergrößten Selbstverständlichkeit benutzt wird – natürlich auch, um Einkäufe zu tätigen. Anlass genug für KORSO, um die Chancen und Risiken für KonsumentInnen, aber auch die Entwicklungsmöglichkeiten für regional verankerte Unternehmen im weltweiten Netz unter die Lupe zu nehmen. Das geschah im Rahmen eines Mini-Symposiums, das in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer Steiermark – und mit Unterstützung durch die Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung – am 30. November im Festsaal der AK abgehalten wurde.

Doris Kiendl-Wendner > und Christian Eigner > durchleuchteten Entwicklungen der Netz-Wirtschaft mit Relevanz für KonsumentInnen und Unternehmen

Konsumentenschutz und Internet
Die Rechtsexpertin und FH-Professorin Dr. Doris Kiendl-Wendner sprach zum Thema „Konsumenten und Internet“. Online-Shopping ist populärer denn je, man kann Angebote bequem vergleichen und das Gewünschte spontan bestellen. Doch das hat auch seine Tücken: Die Ware kann nicht begutachtet werden und unvollständige Angaben oder gar betrügerische Absicht des Verkäufers werden zu Fallstricken für den Konsumenten. Diesen und anderen Gefahren wird durch gesetzliche Regelungen begegnet, die ihn bei Einkäufen übers Internet schützen sollen. „Deshalb ist es besonders wichtig“, erläuterte die Juristin, „darauf zu achten, dass der Anbieter der Informationspflicht nachkommt und seine Homepage alle relevanten Daten enthält.“ Der Verbraucher hat zudem das Recht, binnen sieben Tagen ab Lieferung der Ware ohne Angabe von Gründen vom Kauf zurückzutreten. Ein spezieller Fall sind die in jüngster Zeit stets beliebter werdenden Internet-Auktionen, z.B. von ebay: Ist der Verkäufer nicht gewerblich tätig, kommt das Konsumentenschutzgesetz nicht zur Anwendung, d.h. dass Gewährleitungsansprüche ausgeschlossen werden können. In der von AK-Konsumentenschützer Dr. Peter Kiesswetter moderierten Fragerunde wurden zahlreiche Probleme aus der Praxis des Internet-Shoppens behandelt, welche die vielfältigen Risiken in diesem Bereich verdeutlichten.

Internet und Raum
Im zweiten Vortrag des Abends beschäftigte sich der Autor Mag. Christian Eigner mit dem Spannungsverhältnis zwischen Internet und Raum im gegenwärtigen Wirtschaftssystem. Seiner Auffassung nach haben enttäuschte Hoffnungen zu einer Abkehr vom „virtuellen Marktplatz“ geführt und die von Amerika ausgehende Renaissance des Raumes (z.B. The „Spatial Economy“ von M. Fujita/P. Krugman) eingeleitet. Die Welt ist demnach nicht wie in der New Economy oft postuliert – ein einziger großer Marktplatz, sondern besteht aus einer Vielzahl miteinander in Beziehung stehender und kulturell verschiedenartiger sozialer Lebenswelten. Nur die großen Konzerne können sich über diese Diskrepanz – oft genug mit unlauterer Hilfe von Seiten der Politik – hinwegsetzen und agieren gleichsam als „Springer“ weltweit gleichzeitig. Dem weitaus überwiegenden Teil der Marktteilnehmer (in der EU etwa 90% der Betriebe mit 95% der ArbeitnehmerInnen), den Klein- und Familienunternehmen, bleibt diese Möglichkeit verschlossen: Sie sind dazu gezwungen, sich als „Schwimmer“ durch ihre regionalen Räume zu bewegen und Wachstum durch eine Verdichtung ihrer Kommunikationsnetze zu erzielen. „Das Internet kann hierzu nur eine Hilfestellung geben; es hebt aber nicht die Raumgebundenheit der Wirtschaft selbst auf“, fasste Eigner seine Ausführungen zusammen.

An die beiden Referate schloss sich eine angeregte Diskussion über Fragen der Net-Economy und des globalen Warentransfers, die anschließend in entspannter Atmosphäre beim (von der AK gestifteten) Buffet ausklang.

– Josef Schiffer –

Infos: www.probekauf.at (KonsumentInnenschutz) www.tzw.biz (Netz & Wirtschaft)

 

 

  Grundsteinlegung für gemeinsamen Standort der PVA in GrazAnstelle der bisherigen drei Standorte der Pensionsversicherungsanstalten der Arbeiter und Angestellten in Graz wird es ab 2006 einen gemeinsamen, zentral gelegenen Standort geben. Am 23.11. 2004 erfolgte auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände der Graz-Köflach Eisenbahn (GKE) die Grundsteinlegung eines neuen sechsgeschossigen Bürokomplexes für 350 MitarbeiterInnen.


Die mehr als 370.000 Versicherten und etwa 200.000 PensionsbezieherInnen werden dann vor Ort nicht nur die Verwaltung, sondern auch eine moderne fachärztliche Begutachtungsstation mit einem Labor und einer Röntgenabteilung vorfinden.

(v.l.n.r.) Wilhelm Auf (BA/CA), Karl Haas (PVA), Horst Pöchackker (PORR), Ewald Wetscherek (PVA), Franz Weintögl (GKB), Stefan Gillich (PORR), GR Bernd Schönegger, LR Kurt Flecker bei der Grundsteinlegung

Die Porr AG als Generalunternehmer – für die Projektentwicklung zuständig zeichnet DI Andreas Mairitisch - sowie die BA-CA Leasing als Investor werden den Bürokomplex innerhalb von etwa 13 Monaten Bauzeit fertig stellen. Die Errichtung des neuen PVA-Gebäudes wird der erste Bauabschnitt auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände der GKB sein. Auf dem 20.000 m² großen Areal werden in den nächsten Jahren mehr als 40.000 m² Fläche für Büros und Nahversorgungsbetriebe errichtet werden.

www.porr.at