korso Wirtschaft / Arbeit / Bildung
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
okt. 2002
   
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New Public Management: Sparen und gleichzeitig Effizienz steigern?In Graz wird im Rahmen der „Magistratsreform 2000 +“ eifrig daran gearbeitet, die Leitlinien des New Public Management umzusetzen: Gefordert werden professionelles Management, Leistungsmessung, Dezentralisierung der öffentlichen Verwaltung, Stärkung des Wettbewerbs und der Einsatz privatwirtschaftlicher Managementmethoden. KORSO hat Finanzstadtrat Mag. Siegfried Nagl und seinen Gegenspieler, den obersten Personalvertreter Dr. Wilhelm Techt, zu ihren Positionen bei den Verhandlungen über die Magistratsreform befragt und die Meinungen deutscher und Schweizer Experten dazu eingeholt, die bei einer Veranstaltung in Graz zu Gast waren.


Finanzstadtrat Mag. Siegfried Nagl sieht in der Verwaltungsreform einen wichtigen Schritt, um ,Behördliche Oberhoheiten‘ zu modernen Servicebetrieben umzugestalten: „Aus meiner Sicht ist das eine der wichtigsten Voraussetzungen auf dem Weg zu mehr Bürgernähe und sicher ein wesentlicher Schritt, um aus Verwaltungen wirkliche Dienstleistungsunternehmen zu machen. Moderne Organisationsstrukturen und kürzere Entscheidungs- und Leistungsprozesse gehören heute zu den Standards zeitgemäßer Verwaltungen, auch für die Stadt Graz muss das daher vordringliches Ziel sein. Effizientere Verwaltung bedeutet vor allem, dass die vorhandenen Möglichkeiten besser genutzt werden. Das gilt nicht nur für das Fachwissen und die Fähigkeiten vieler Magistratsmitarbeiter, sondern auch für jene Leistungen und Aufgaben, die künftig von Privaten, Vereinen und Institutionen zu günstigeren Kosten und zugleich besser erfüllt werden.“

„Am Reformprozess mitarbeiten“
Gemeinde-Gewerkschafter Dr. Wilhelm Techt verfolgt die Entwicklungen nicht ganz ohne Sorge – „natürlich birgt eine Verwaltungsreform in der Größenordnung, wie sie in der Stadt Graz geschieht, auch etliche Gefahren“ – aber Aufgabe der Personalvertretung sei es eben, genau aufzupassen, dass sie nicht ihn die falsche Richtung gehe. Deshalb sei es zweckmäßig, als Personalvertretung am Reformprozess mitzuarbeiten, denn nur so habe man alle Informationen und könne rechtzeitig gegensteuern. Und: „Eine Verwaltungsreform – wenn sie mit „Herz und Hirn“ geschieht und den BürgerInnen einen besseren Zugang zur Verwaltung und zu ihren Dienstleistungen bringt – ist auf jeden Fall das Gegenkonzept und die Alternative zu einer Privatisierung, denn dann nimmt man den Privatisierungsbefürwortern alle Argumente aus der Hand.“

Finanzstadtrat Mag. Siegfried Nagl: „Effizientere Verwaltung bedeutet vor allem, dass die vorhandenen Möglichkeiten besser genutzt werden“; ZA-Vorsitzender der Grazer Gemeindebediensteten Dr. Wilhelm Techt: „Verwaltungsreform als Gegenkonzept zur Privatisierung“; Schweizer Gemeinde-Gewerkschafter Jorge Serra: „Durch NPM werden die Parlamente geschwächt“; Berliner Bediensteten-Chef Uwe Januszewski: „In Wirklichkeit ist die Verwaltungsreform von der Finanznot der Kommunen geprägt“; Grazer Unabhängiger Gewerkschafter Robert Egger: „Die Selbstverwaltung der Kommunen ist in Gefahr“ (v. l. n. r.)

Die Politik verzichtet auf die Kontrolle
Das NPM als Wundermittel zur Reform der öffentlichen Dienste? Bereits in den 80er Jahren kam die Methode im anglosächsischen Raum unter Margret Thatcher und Ronald Reagan bei Verwaltungsreformen zur Anwendung, untermauert durch die mit dem Neoliberalismus einhergehenden Thesen über die Ineffizienz des Staates. Aber: Entsprechend den langjährigen Erfahrungen mit dem NPM gibt es auch schon zahlreiche Beispiele, dass sich die Versprechungen, trotz Einsparungen verbesserte Dienstleistungen zu erbringen und die Bürgernähe zu erhöhen, nicht erfüllt haben.

Im Rahmen einer Veranstaltung der Konsequenten Interessensvertretung / Unabhängige Gewerkschafterinnen im Magistrat Graz referierten Experten aus der Schweiz und aus Deutschland über ihre Erfahrungen mit den Auswirkungen des NPM in ihren Kommunen. Jorge Serra, Sekretär der VPOD, des Schweizer Verbandes des Personals im öffentlichen Dienst, berichtete, das NPM sei von den Gewerkschaften anfänglich als kleineres Übel gegenüber den Privatisierungen angesehen worden. „Erst Ende der 90er Jahre erkannte man dann, dass NPM den Privatisierungen in Wirklichkeit Vorschub leistete. Seither sind schon etliche Veräußerungen bzw. Ausgliederungen durch Volksentscheide abgelehnt worden: Die Gasversorgung der Stadt Zürich 1998, das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich im Juni 2000, ein Jahr später das Elektrizitätswerk des Kanton Zürich und die Gebäudeversicherung im Kanton Zürich. Da hatte auch der bürgerliche Hauseigentümerverband die Mehrkosten erkannt. Der jüngste Erfolg: Bei der Volksabstimmung am 22. September hat die Mehrheit der SchweizerInnen die Strommarkt-Liberalisierung abgelehnt.“

Was sich nicht privatisieren lasse, werde mit Hilfe des NPM zumindest weitgehend jeder politischen Kontrolle entzogen. Serra: „Unsere bisherigen Erfahrungen mit dem NPM zeigen, dass die Gefahr linearer Kürzungen groß ist, die Parlamente geschwächt werden und Konflikte zwischen Verwaltung und Parlamenten entstehen. Die Gewerkschaft versucht im Moment das Beste daraus zu machen, aber offensichtlich ist, dass der Abbau der demokratisch-politischen Kontrolle nicht die Folge, sondern der Zweck von Privatisierungen ist.“

Verwaltungsreform by Finanznot
Uwe Januszewski hat in Berlin die Konsequenzen des NPM deutlich zu spüren bekommen. Er ist Vorsitzender des Bundesausschusses der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver/di) für Beamtinnen und Beamte und stellvertretender Vorsitzender des Hauptpersonalrates des Landes Berlin. Januszewski: „Bis jetzt sind in vielen Städten vergleichbare, leider überwiegend negative Erfahrungen mit der Verwaltungsreform gemacht worden. In den meisten Kommunen wurde lediglich eine isolierte Kosten- und Leistungsrechnung eingeführt. Auf die Personalentwicklung wurde verzichtet oder sie wurde nur halbherzig eingeführt. Nicht bedacht werden bei der Reform die Transferleistungen, welche gesellschaftlichen Nutzen bringen, wie z.B. jeder Sozialarbeiter.“ Für Januszewski unterscheidet sich die Realität der Verwaltungsreform diametral von der Theorie: „In Wirklichkeit ist die Verwaltungsreform geprägt von der Finanznot der Kommunen. Es wird versucht, die Haushalte zu sanieren, indem öffentliche Dienstleistungsbereiche ausgegliedert, verkauft oder Dienstleistungen direkt auf BürgerInnen übertragen werden. So zum Beispiel werden bereits Stadtteilbibliotheken von BürgerInnen verwaltet und Schwimmbäder von Sportvereinen. Berlin war immer stolz auf seine zahlreichen Schwimmbäder, nun sind zehn bereits geschlossen. Kindertagesstätten werden an freie Träger übertragen, die Gebäudebewirtschaftung privatisiert, Elektrizitäts- und Wasserversorgung und Teile des Personennahverkehrs verkauft. Über diese Maßnahmen wird Stellenabbau betrieben und die Flucht aus den Tarifverträgen organisiert.“

Stellenabbau
Es zeige sich deutlich, dass sich die Politik vom öffentlichen Dienst verabschiede, selbst auf das Risiko, dass Tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen. In Berlin wurden von 1992 bis 2001 über 60.000 Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut, allein bei den Wasserbetrieben 2.500 von 5.000. Auch bei den Verkehrsbetrieben arbeiten in ganz Berlin nur noch so viele Beschäftigte wie vor der Maueröffnung im Westteil der Stadt allein. In den Krankenhäusern wurden 2000 von 17.000 Stellen gestrichen, die 10.000 Stellen bei den Elektrizitätswerken wurden bis jetzt bereits halbiert. Insgesamt sollen weitere 30.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Januszewski schildert auch den Druck, dem die Gewerkschaften ausgesetzt sind: „Unter Androhung und tatsächlichem Vollzug von Stellenabbau sprechen und verhandeln die Gewerkschaften nur noch über beschäftigungspolitische Maßnahmen. Als Folge der negativen Entwicklung hat sich aber zur Zeit schon in Berlin, Rostock und Bremen der Personalrat aus den Reformgremien
zurückgezogen und auch in anderen Städten fragen sich die Personalvertreter, ob angesichts der herrschenden Rahmenbedingungen eine weitere Teilnahme an der Verwaltungsreform noch zu rechtfertigen ist.“

„Öffentlicher, leistungsfähiger, sozial gerechter“
Einen Ausweg sieht Januszewski nur in einem Verzicht auf Privatisierung und Ausgliederung und in einer Reform, die vorhandene Leistungspotenziale nutzt und Verwaltungswege und -prozesse optimiert. Die erforderliche Modernisierung der Verwaltung – eine solche liege auch im Interesse der Beschäftigten – könne aber nur erfolgreich sein, wenn sie gemeinsam mit diesen konzipiert und durchgeführt werde. Auch Robert Egger, Abfallberater der Stadt Graz und Spitzenkandidat der Konsequenten Interessensvertretung / Unabhängige GewerkschafterInnen bei den kommenden Personalvertretungswahlen, sieht die Antwort auf die Privatisierungsoffensive nicht in der Forderung den öffentlichen Dienst so zu lassen, wie er bisher war. „Es gibt sicher auch in einigen Bereichen Defizite. Daher ist zu fragen, wie öffentliche Dienste noch öffentlicher, leistungsfähiger und sozial gerecht gemacht werden können und ihre Gestaltung und Kontrolle demokratischer. Denn es gilt ebenso die Interessen der Bediensteten zu vertreten, die Ausgezeichnetes leisten, wie auch auch die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, die ein Recht auf eine hochwertige öffentliche Daseinsvorsorge haben. Die Selbstverwaltung der Kommunen ist in Gefahr, wenn die Erbringung öffentlicher Leistungen, die dem Gemeinwohl dienen, nebulösen Markt-Ideologien geopfert wird. Und wir wollen die Gewerkschaft aufrütteln, diese Entwicklungen nicht zu verschlafen, damit sie nicht Verwalter und Vollzugsorgan neoliberaler Politik wird.“

Susanne Haydvogel-Rauppach

 

 

Energy services Steiermark GmbH – Energie aus kommunalen Betrieben


Mit ihren Mitgiedsbetrieben liefert die energy services GmbH, ein im Jahr 1999 gegründetes Konsortium aus 15 steirischen Stromproduzenten etwa zehn Prozent des gesamtsteirischen Bedarfs an elektrischer Energie, das sind etwa 600 Mio Kilowattstunden. Energy services ist das Logistik- und Kommunikationszentrum zur Koordinierung eines Netzwerks eigenständiger steirischer Partner. Diese Partner sind entweder die energieproduzierende Bereiche von Stadtwerken steirischer Bezirks- und Regionalstädte, also reine Kommunalbetriebe bzw. von Kommunen betriebene Spinouts als Kapitalgesellschaften oder aber eigenständige, private Betreiber von Kraftwerksanlagen.

20 Prozent des Gesamtumsatzes an elektrischer Energie der energy services stammen aus diesen Betrieben, der Rest wird von großen Anbietern wie etwa der Steweag zugekauft. Energy services betreut zur Zeit etwa 50.000 Kunden, die IT-Ausstattung in der Zentrale in der Grazer Viktor-Franz-Straße ist für 150.000 Kunden gerüstet.

Energy services-Geschäftsführer Mag. Hans Windisch betrachtet die Verhältnisse in der Strombranche nach einem Jahr Totalliberalisierung kritisch: „Die Liberalisierung hat erfolgreiche und bewährte Strukturen zerstört und viele Arbeitsplätze vernichtet. Eine neue Behörde (E-Control) muss erst mit der neu entstandenen Marktdynamik mitlernen, vorgesehen war, dass sie diese von Beginn an kontrolliert. Nicht einmal 1,5 Prozent der Stromkunden haben ihre Lieferanten gewechselt, die Preise für Privatkunden liegen heute auf dem Niveau von vor drei Jahren, was hat der Markt hier also ,bewegt?‘

Energy services bietet auch intelligente Technik fürs Verbrauchshandling, u.a. etwa ein Fernablesesystem für Großkunden mit Lastprofilzähler über GSM. Daraus werden so genannte Verbrauchsfahrpläne erstellt, nach denen kurzfristig bestellt und eingekauft werden kann, wodurch à la longue Preisvorteile für den Verbraucher entstehen. Über die „föderative“ Firmenstruktur – sprich die jeweiligen steirischen lokalen EVU – bekommen die Kunden immer die adäquate Unterstützung „ihres“ Energielieferanten vor Ort, ein unübersehbarer Vorteil gegenüber anonymen Marken mit Betreuung über weit entfernte Call-Center. Als alternative Geste und im Unterschied zum Mitbewerb hat energy services darauf verzichtet, mit der Markteinführung den Altkunden automatisch einen neuen Vertrag aufs Auge zu drücken.
Koordiniert das steirische „kommunale Kraftwerk“: energy services-Geschäftsführer Mag. Hans Windisch

  • Mitgliedsbetriebe der energy services:
    Kraftwerk des Benediktinerstifts Admont
    Stadtwerke Bruck an der Mur
    Bad Gleichenberger Energie GmbH
    Stadtwerke Fürstenfeld GesmbH
    Elektrizitätswerk Graz Gösting V. Franz GesmbH und Co KG
    Gemeinde Hieflau
    Stadtwerke Judenburg AG
    E-Werk Kindberg
    Stadtwerke Köflach
    Florian Lugitsch GesmbH
    Stadtwerke Mürzzuschlag GesmbH
    Stadtwerke Trofaiach GesmbH
    Stadtwerke Voitsberg
    EW Niklasdorf
    EW Mürzsteg

    Kontakt: energy services Steiermark GmbH, Viktor-Franz-Straße 13, 8053 Graz | Tel. (0 316) 67 65 30
    Mail: hans.windisch@energy-services.at
    Web: www.energy-services.at

 

 

Judenburg braucht keinen „strategischen Partner“ Während in Graz und anderen steirischen Gemeinden nach der Ausgliederung der Stadtwerke deren Veräußerung – zumindest in Teilen – auf der Tagesordnung steht, geht man in der obersteirischen Industriestadt Judenburg andere Wege.


(Bild oben) Bürgermeister Peter Schlacher hat gut lachen. ,Seine‘ Stadtwerke florieren – und sichern in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit die Beschäftigung von 200 Menschen.

„Wir haben 1994 die Stadtwerke ausgegliedert und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt“, erzählt Bürgermeister Peter Schlacher bei einer „Power-Plan“-Veranstaltung der steirischen Sozialdemokraten. „Der Grund dafür lag darin, dass bestimmte politische Sektoren immer wieder versucht haben, Einfluss auf die Tarifgestaltung zu nehmen – so konnten wir nicht weiter wirtschaften.“ Die Stadtgemeinde blieb aber Alleineigentümer der Stadtwerke AG, man wich dem ideologischen Liberalisierungsdruck nicht und widerstand auch den Verlockungen des von den großen Elektrizitätsversorgern versprochenen Geldsegens.

Keine Entlassungen und neue Geschäftsfelder. Statt dessen bekam die neue AG Unternehmensziele verordnet, die u.a. die Beschäftigung sicherstellen sollten. Schlacher: „Wir haben seit 1994 den Beschäftigtenstand von 148 auf 200 aufgestockt.“ Nicht mehr aufrechterhaltbare Dauer-Sozialleistungen wie Deputate und Ähnliches seien abgeschafft worden, das Lohnniveau sei aber nicht schlechter als zuvor. Wenn das Ergebnis stimmt, werden Prämien ausbezahlt. Der Betrieb bietet auch 34 Lehrlingen Ausbildungsplätze – in Zeiten, wo Lehrstellen Mangelware sind, eine wichtige Stütze für die Jugend der Region. Zudem wurden neue Geschäftsfelder wie Telekabel und Internet (AINet – Aichfeld Informationsnetzwerk) eröffnet. Besonders hohe Akzeptanz genießt die Service-Abteilung der Stadtwerke, die auch an Wochenenden ausrückt, wenn Herd oder Fernseher ihren Geist aufgegeben haben.

Stromabsatz trotz Liberalisierung nicht gesunken. Was das Stromgeschäft betrifft, habe sich das Schreckgespenst Marktliberalisierung als weit weniger Furcht erregend erwiesen als befürchtet, erzählt Schlacher. „Wir wurden zwar bei den Ausschreibungen der großen Handelsketten nicht einmal eingeladen und haben so 20% unseres Absatzmarktes verloren; das haben wir aber bei kleinen und mittleren Unternehmen wieder wettgemacht.“ Man hat sogar ein Kraftwerk eines privaten EVUs dazugekauft. Gleichzeitig expandieren andere Geschäftsbereiche wie der Elektro-Installationsbetrieb, der inzwischen Aufträge in ganz Österreich ausführt und z.B. die elektrischen Anlagen im neuen Bautechnikzentrum der TU Graz errichtet hat. Die Investitionen können aus dem Cash-flow bezahlt werden, das Eigenkapital wird laufend aufgestockt, und für die Stadt ist sogar eine (bescheidene) Dividende drin. An die „Hereinnahme eines strategischen Partners“ denkt Schlacher jedenfalls nicht: „Wir haben das nicht notwendig.“

Ein Modell, das auch in Graz angewandt werden hätte können? Mag. Karl Snieder, Leiter der Abteilung „Wirtschaft“ der steirischen Arbeitekammer, beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja. „In Graz hat leider der politische Wille gefehlt, der Gemeinderat ist so zusammengesetzt, dass kaum Mehrheiten für die Umsetzung bestimmter Zielvorstellungen vorhanden sind. Wenn aber der Eigentümer nicht hinter klaren strategischen Vorgaben steht, dann stehen auch die Stadtwerke ohne Orientierung da.“

 

 

Ein Jahr freier Strommarkt: Der Lack ist ab

 

Ein Jahr nach Eintritt der österreichischen Stromwirtschaft in den „totalen Markt“ ist Ernüchterung eingetreten. Für die Privatkunden hat sich praktisch nichts geändert, die Energiepreise stehen wieder auf dem Wert von vor etwa drei Jahren, als damit begonnen wurde, den Verbrauchern die Liberalisierung schmackhaft zu machen. In vielen Fällen gab es für Einzelne, die neue Verträge unterschrieben haben, aber ein böses Erwachen: Da es den Billigtarif für Heizungsstrom nicht mehr gibt, können in der Jahresrechnung Mehrkosten von 300 bis 400 Euro auftreten, beklagt etwa der Energieexperte der steirischen Arbeiterkammer, DI Hans Pressl. Pressl überlegt daher im Sinne des Konsumentenschutzes, unterstützt vom Grazer Universitätsprofessor Bernd Schilcher, in besonders krassen Fällen auf so genannte Naturalrestitution durchzujudizieren, wobei die Wiederanwendung der bisherigen Konditionen erzwungen werden könnte.

Völlig disparat präsentiert sich das Bild im Bereich Produktion und Herkunft der elektrischen Energie: Während über das ELWOG bis zum Sommer dieses Jahres jedes österreichische EVU mit der Zielvorgabe von vier Prozent Ökostromaufbringung „in die Pflicht genommen wurde“, viele Erzeuger dieser Verpflichtung freudig nachgekommen sind und in Anlagen der Öko- und Naturstromproduktion investiert haben, hat man das Ökostrom-Gesetz im Juli im Bartenstein-Ministerium offensichtlich unter Druck der Industrie und Großhandel buchstäblich verwässert: Die Bezeichnung „Ökostrom“ bezog sich laut ELWOG ursprünglich ausschließlich auf Energie aus Biomasse, Sonnenenergie und Windkraft, der gleichwertige „Naturstrom“ war definiert aus Kleinwasserkraft bis drei MW. Nun poolt man Öko- und Naturstrom mit Großwasserkraft und zentralisiert die gesetzliche Aufkommenssicherung über den „Regelzonenführer“. DI Reinhard Fink, Direktor der Stadtwerke Hartberg und in dieser Funktion u.a. Investor in Ökostrom-Erzeugungsanlagen in der Parndorfer Haide äußert Empörung über und wachsendes Misstrauen in eine schwächelnde Politik, die Kurzzeit-Gesetze beschließt, auf deren Grundlage Investitionen getätigt werden, deren Wirtschaftlichkeit in Folge gefährdet ist. Mit der Zentralisierung fällt die Nachweisbarkeit der Qualität und die regionale Markenbildung, Ökostrom wird schwerer vermarktbar.

Konfusion auf allen Ebenen: Die Arbeiterkammer beklagt auch die Stilllegung optimierter konservativer Kraftwerke, deren Betrieb wegen ihrer Kapazitäten unerlässlich für die Erreichung des Kyoto-Zieles sei. Vor sechs Jahren ist mit der Stilllegung von Zeltweg auch ein thermischer Zehn-Megawatt-Biomassevergaser abgeschaltet worden. Laut AK-Pressl wäre es möglich, hier ein zehnmal so großes Modul zu betreiben, was bedeutet, dass die aus Zeltweg kommende Energie zu einem Drittel aus Ökostrom bestünde.

Nach einem Jahr „freiem Strommarkt“ spöttelt der Grazer Stromhändler Hans Windisch: „Dafür, dass die Industrie jetzt weniger für die Energie bezahlt, dazu hätte es keiner ,Marktöffnung‘ bedurft.“

Dieter Kordik

 

 

Der virtuelle Versicherungsmakler
(Bild li) Die erfolgreichen Grazer chegg.net-Entwickler Mag. Jörg Tinnacher (Tincom), DI Helmut Lerchegger und DI Andreas Weilharter (idec)

 

Für die Entwicklung des Internetportals www.chegg.net hat der Grazer Firmenverbund IDEC/TINCOM den Multimedieapreis des Wirtschaftsminsteriums in die Steiermark geholt. Nach Eingabe der entsprechenden Daten vergleicht Chegg.net die Prämienhöhen der einzelnen Institute.

Auf Wunsch kann man sich über E-Mail zum Stichtag daran erinnern lassen, auf eine günstigere Versicherung zu wechseln.
IDEC, Schubertstraße 21, 8010 Graz > www.idec.at

 

 

 

 

Denkwerkstätte Graz stellt Stiftung für ältere Arbeitslose vor: „Altern ist nicht Abbau, sondern Umbau“

Äußerst erfolgreich: Die Implacement-Stiftung für ältere Arbeitnehmer  

Arbeitslose, die älter als 45 sind, müssen ihr Lebenskonzept radikal ändern, wenn sie noch Jobs ergattern wollen: Weniger Geld, Umstieg in einen anderen Beruf sowie Mobilität sind zu akzeptieren. Unter diesen Bedingungen fanden etliche Arbeitslose, die von der „Implacementstiftung für Ältere – Erfahrung zählt“, betreut wurden, einen letztlich doch befriedigenden Job. Sie hat eine Erfolgsrate von 61 Prozent!

Ein Erfolgsrezept der Stiftung, die bei der „Denkwerkstätte Graz“ des AMS vorgestellt wurde, ist die Probezeit bei jenen Betrieben, die bereit sind, erfahrene Leute anzustellen: „Dort beweisen die Arbeitsuchenden dem Chef, dass Altern nicht Abbau, sondern Umbau bedeutet“, so Alois Deutschmann. Die Vorurteile gegenüber Älteren werden nämlich nur in der Praxis widerlegt – Aufklärung hilft kaum gegen die – falschen – Meinungen, dass Ältere häufiger krank oder mehr unfallgefährdet seien als Junge.

Am schwersten ist der Kampf gegen Vorurteile und festgefahrene Strukturen, wobei die Behörden mit schlechtem Beispiel vorangehen, die nur Junge einstellen. Die Lage ist schizophren: einerseits wird das Pensionseintrittsalter erhöht und dürfen nicht einmal Kranke in Pension – andererseits werden ältere Arbeitnehmer brutal diskriminiert.

Dass nun endlich etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit unternommen wird, findet Univ.Dozent Dr. Hans Georg Zilian – Leiter der Denkwerkstätte – , zwar begrüßenswert, meint dazu aber sarkastisch: „Ältere leiden mehr unter ihrer Arbeitslosigkeit, aber bei den Jungen hat man wohl Angst, sie könnten auf die schiefe Bahn geraten.“ Die Alten sind eher bereit, jeden Job anzunehmen. Wie jener entlassene steirische Spediteur, der um jeden Preis Arbeit wollte und schließlich auch fand: in Kiew.

McJobs schaden der Psyche
Dass die Parole, dass jede Arbeit besser sei als keine, nicht in jedem Fall stimmen muss, war Thema eines weiteren Workshops der Denkwerkstätte: Billig-Jobs können Menschen ebenso wie die Arbeitslosigkeit selbst belasten, stellt der britische Forscher David Fryer fest. Depressionen, Angstattacken und chronische Psychosomatosen treten bei jenen, die schlechte Jobs ergattern, ebenso häufig auf wie bei jenen, die es nicht schaffen.

Die Arbeitslosigkeit bietet auch die „Chance“, alle bisherigen Bestrebungen um eine humane Arbeitswelt wieder zunichte zu machen. Und es wird – leider erfolgreich – die üble Meinung unter’s Volk gebracht, die Arbeitslosen seien selbst schuld an ihrer Lage. Eine weitere Erkenntnis Fryers: Arbeitslosigkeit bringt auch Profite: Für Börsenspekulanten und Unternehmen, welche die Löhne drücken können. Mit ihr lässt sich die Wirtschaft modernisieren und die Inflation stabil halten. Und sie schafft sogar Jobs – für Therapeuten, Sozialarbeiter und die Verwalter der Arbeitslosigkeit. „Gäbe es sie nicht, müsste man die Arbeitslosigkeit glatt erfinden“, konstatierte Fryer mit Bitterkeit.

 

 

Von atypisch bis prekär ... Interessenswahrnehmung für ArbeitnehmerInnen im dritten Jahrtausend. Im Rahmen der Stiftingtaler Gespräche erörterte man Ende September 2002 in der Otto Möbes Akademie der steirischen Arbeiterkammer zukünftige Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten für ArbeitnehmerInnenvertreterorganisationen im durch Globalisierung, Internationalisierung, Neoliberalismus und Staatsdemontage gekennzeichneten Klima.


Im Begrüßungsstatement wies der Gastgeber, der Präsident der steirischen Arbeiterkammer Walter Rotschädl u. a. auf den signifikanten Umstand hin, dass die Zunahme der Erwerbsquote bei den Frauen nahezu zu 100 % auf das Konto von Teilzeitbeschäftigung (also atypischer Beschäftigung) gehe. Im Zusammenhang mit Raymond Boudons empirisch wohlfundierter Erkenntnis, dass soziale Planung mitunter auch zu paradoxen und unerwünschten Effekten führen kann, fällt auf, dass die „Errungenschaft Teilzeitbeschäftigung“ – als historisch erste und heute schon als „klassisch“ zu bezeichnende atypische Beschäftigungsform – durchaus auch negative Begleitwirkungen zeigt: Sie hat sich etwa als Beschäftigungstypus herausgestellt, der wenig karriereförderlich ist: Wer kennt schon SpitzenmanagerInnen, die die Erfolgsleiter über die Sprossen von Teilzeitjobs emporgeklettert sind? Rotschädl spricht von der Notwendigkeit einer Neudefinition der „Dimensionen des Arbeitsmarktes“ und verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass etwa der Jubel über die so genannte neue Selbstständigkeit in vielen Fällen ein unbegründeter, ja sogar ideologieverdächtiger ist: indem diese nichts anderes als ein schlicht verdecktes, prekäres Beschäftigungsverhältnis darstellen.

Marcel Kirisits von der steirischen Arbeiterkammer referierte aus seiner im April 2002 veröffentlichten Studie „Schein und Sein der neuen Arbeitswelt“ und präzisiert diesen Verdacht: Die Statistik weist für die Steiermark für den Zeitraum von 1993 bis 2000 eine Zahl von 19.329 neu gegründeten Unternehmen aus. Hinsichtlich ihrer Rechtsform sind diese zum überwiegenden Teil Einzelunternehmen, wobei der Anteil von Einzelunternehmensgründungen in den allerletzten Jahren im Vergleich zum Gesamt der Neugründungen nochmals stark gestiegen ist. Verschiedene Untersuchungen belegen, dass es seit 1990 verstärkt zu einer Verschiebung von Mitarbeiter beschäftigenden Firmengründungen hin zu Gründungen so genannter Selbstbeschäftigungsunternehmen gibt.

Dem steirischen Arbeitsmarkt weist Kirisits ein hohes Maß an Flexibilität aus: Ein Drittel der unselbstständig Erwerbstätigen hierzulande wechselt pro Jahr einmal den Arbeitsplatz. Fazit: Der Arbeitnehmer-Begriff, wie ihn das geltende Arbeitsrecht definiert, ist überholt.

Emmerich Talos, Walter Rotschädl: Gesellschaftliche Veränderungen kann man nicht durch Verbote stoppen, die Deregulierung bedarf jedoch neuer Normsetzungen

Was atypisch war, wird typisch
Der Poltikwissenschafter Emmerich Talos weist darauf hin, dass das niederländische Jobwunder, im dessen Rahmen die Frauen in den Arbeitsmarkt integriert wurden, vorwiegend über Teilzeitbeschäftigung gelungen ist. Andererseits kann man nicht davon ausgehen, dass die etwa 472,00 Euro Pension pro Monat, die aus 35 Versicherungsjahren in Teilzeitbeschäftigung resultieren, für den Lebensunterhalt ausreichen – für Talos die Gelegenheit, einmal mehr für die Einrichtung einer „bedarfsorientierten Grundsicherung für alle“ zu plädieren. Der im Prinzip im 19. Jahrhundert erfundene Finanzierungsmodus für die Pensionskassen kann die Erfordernisse des flexiblen Arbeitsmarkts, so Talos, heute nicht mehr bedienen.

Den Begriff „atypisch“ will René Schindler von der Gewerkschaft Metall-Textil aus Wien nicht gelten lassen, weil er „den Blick auf die Problemlösung verstellt.“ De facto ist es vornehmlich dieser Gewerkschaft zu verdanken, dass es eine für Gesamtösterreich verbindliche Regelung für einen in Zunahme begriffenen Typus nichtkonventioneller Beschäftigungsformen gibt: die Leiharbeit, neuerdings als „Zeitarbeit“ bezeichnet. Die Gewerkschaft MT konnte hier praktisch für alle problematischen Punkte wie Entlohnung, Kündigungsfristen, Stehzeiten u.dgl. für alle Beteiligten zufriedenstellende Regelungen erzielen. Unter anderem über die Installierung so genannter „Einsatz-Betriebsräte“ soll die Selbstorganisation der ZeitarbeiterInnen weiter lanciert werden.

Eva Scherz (Gewerkschaft der Privatangestellten) listete weitere Beispiele für Erfolge bei Normsetzungen auf: Bekämpfung der Umgehung von Dienstveträgen, die Erarbeitung von Rahmenregelungen für Telearbeit und die Gründung des innergewerkschaftlichen Netzwerks „Flexpower“.

Dieter Kordik

 

 

 

„Das Diplomstudium wird wahrscheinlich aussterben“ Das neue Studienjahr hat begonnen. Nach der Biologie bieten ab heuer auch die Betriebs- und die Volkswirtschaftslehre sowie die Erdwissenschaft ein Bakkalaureats-Studium an. Weitere Studienrichtungen werden folgen. Für KORSO hat Romana Scheiblmaier Ada Pellert, Vize-Rektorin für Lehre, Personalentwicklung und Frauenförderung an der Uni Graz über Chancen und Risiken des Bakkalaureats interviewt.


(Bild) Vize-Rektorin Pellert: Durch Bakkalaureatsstudien mehr Kombinationsmöglichkeiten


   Österreich hat im internationalen Vergleich eine sehr hohe Drop-out-Quote von 47%. Könnten Bakkalaureats-Studien hier etwas entgegenwirken?
Der internationale Überblick zeigt, dass im Allgemeinen die Erfolgsquoten in jenen Ländern höher sind, wo gestufte Studiengänge angeboten werden. In einem Bakkalaureatsstudium erfolgt bereits nach drei Jahren die erste Entscheidung für die erfolgreiche Beendigung des Studiums. Vermutlich wird die Entscheidung für eine Fortsetzung (Masterstudium) bewusst getroffen, was grundsätzlich zum potenziellen Studienerfolg beiträgt.

   Besteht nicht andererseits die Gefahr, dass ein Universitäts-Studium zu einem Schnellsiedekurs verkommt?
Natürlich. Wenn man es sich zu einfach macht und den ersten Studienabschnitt jetziger Diplomstudien zum Bakkalaureat umfunktioniert. Diese Ausbildung wäre dann weder allgemein bildend noch praxisbezogen. Es geht aber darum, Angebote als Antwort für die wachsende Akademisierung der Berufswelt zu schaffen. Immer mehr Tätigkeiten, für die früher keine akademische Ausbildung erforderlich war, werden heutzutage mit AkademikerInnen besetzt. 30 europäische Staaten haben sich in der Bologna-Erklärung 1999 dazu verpflichtet kompatible Bakkalaureats- und Masterstudien einzuführen. Dadurch soll die internationale Mobilität der Studierenden gefördert werden. Auch deswegen sind wir es unseren StudentInnen schuldig, diese Studiengänge zu schaffen, und so auch die AkademikerInnen-Quote, die in Österreich noch immer sehr niedrig ist, zu erhöhen.

   Wodurch unterscheidet sich ein Bakkalaureats-Studium von einer Fachhochschul-Ausbildung?
In Fachhochschul-Lehrgängen spezialisiert man sich von Beginn an, die Ausbildung ist rein praxisorientiert. Bakkalaureats sind breiter angelegt. Denkbar wäre z.B. ein Bakkalaureat für Kulturwissenschaften, beim Masterstudium kann man sich dann spezialisieren. Studienangebote in diesem zweistufigen Modell erlauben eine höhere Flexibilität, mehr Kombinationsmöglichkeiten im individuellen Studienaufbau. Auch Korrekturen beim individuellen Bildungsweg werden so leichter: Jemand macht z.B. seinen Bacchelor in Germanistik und anschließend einen Master in Public Relations. Außerdem wollen wir so die Universität als Stätte für Weiterbildung etablieren. Nachdem man einige Zeit im Berufsleben verbracht hat, kann man z.B. mit einem Masterstudium spezielle Kenntnisse für den Beruf erwerben. Auf keinen Fall wollen wir aber eine Verschulung der Unis, Selbstorganisation, Reflexion und Allgemeinbildung müssen erhalten bleiben. Beim Masterstudium soll es zwei Richtungen geben: eine praxis- und berufsorientierte und eine für die wissenschaftliche Laufbahn. Das jetzige Diplomstudium wird höchstwahrscheinlich aussterben.

   Ein Stufenmodell könnte aber auch dazu führen, dass nur besonders Begabte zu einem Masterstudium zugelassen werden.
In der Bildungspolitik hat man sich nach wie vor auf keine Ziele festgelegt. Mehr AkademikerInnen sollte das Ziel sein, allerdings müssen von politischer Seite Anreize für die Unis geschaffen werden, damit keine restriktiven Zugangsbeschränkungen notwendig sind. Ich bin gegen Zugangsbeschränkungen, Rahmenbedingungen müssen aber garantieren, dass beliebte Studienrichtungen mehr Geld bekommen.

   Können Studierende, die mit einem Diplomstudium begonnen haben, auf das neue Modell umsteigen?
Ja. Übergangsfrist ist die gesamte Länge eines Studienabschnittes plus ein Semester. Äquivalenztabellen über die Anrechenbarkeit bisher absolvierter Lehrveranstaltungen für die Studierenden wurden erarbeitet.

 

 

 

Programmieren ist weiblich: Lehrabschluss in Informatik


Zwölf Pionierinnen der EDV-Branche feierten ihren Erfolg im Ausbildungszentrum CommUnity in Lannach: Sie sind österreichweit die ersten, die nach einem 21-monatigen Lehrgang die Lehrabschlussprüfung in Informatik absolvierten. Die Umsetzung des Gelernten in die Praxis war den Frauen, die den Zugang in das technisch-innovative „Handwerk“ des Programmierens nicht scheuten, in regionalen EDV-Betrieben möglich; finanziert wurde die Ausbildung von AMS, Land Steiermark und mit EU-Geldern.

Ein zukunftsweisendes Projekt, das durch Kooperation von Erwachsenenbildung und Wirtschaft unter dem Management der Regionalen Frauenqualifizierung in Deutschlandsberg möglich wurde.

 

 

 

Die Zeitung kracht
Kopfzeile von Martin Novak

 

Nach der deutschen Bundestagswahl riss die Kleine Zeitung die Mauern zwischen den Ressorts nieder. Kein Wunder, dass es dabei rollte und krachte: „Nach der Wahl: Köpfe rollten, Börse krachte“, lautete der interdisziplinäre, wirtschaftlich-politische Aufmacher.

Zeitungsforscher behaupten, dass sich weniger als die Hälfte der Zeitungsleser für Außenpolitik und gar nur ein Drittel für Wirtschaft interessiert. Da ist eine solche Headline kühn, weil nicht mehrheitsfähig. Das erklärt die jedoch dramatische Formulierung: Wenn schon das Thema die Leser langweilt, ist wenigstens die Formulierung spannend.

Die Spannung hat allerdings ihren Preis: Die Wahrheit wird bis zur Unkenntlichkeit komprimiert. Die Rücktritte eines oppositionellen Sekundärwahlkämpfers und der Ministerin einer scheidenden Regierung bereits ein Köpferollen? Da sind wir in Österreich zwar mehr gewohnt, aber überlassen wir diese Einschätzung dem journalistischen Ermessensspielraum. Eine seit Monaten abwärts oszillierende DAX-Kurve tagesaktuell als Börsenkrach zu qualifizieren, dürfte aber jedenfalls ein Messfehler sein.

Und da wäre ja noch der Zusammenhang zwischen Wahl und Krach, der sich in der Schlagzeile so einfach darstellt. Die Börsenmakler seien sich nicht einig über die Ursache der DAX-Schwäche, berichtet ziemlich konträr – dieselbe Kleine Zeitung im Wirtschaftsteil: Es könnten die Wahlen gewesen sein, eventuell der Irak-Krieg. Auch die allzu pessimistischen Analysten stehen unter Verdacht.

Da wird man doch nachdenklich. Vielleicht ist es gar kein moderner „newsroom without walls“, dem diese Schlagzeile entsprang. Vielleicht hat da nur einer rasch über die Mauer geschaut und aus einem temporären einen flotten kausalen Zusammenhang gebastelt. Vielleicht hat er das nur nicht konsequent genug gemacht – das Wetter war an diesem Tag auch nicht allzu gut in Deutschland. Bevor Verschwörungstheoretiker Kabalen im Vorfeld der österreichischen Nationalratswahlen wittern: Wenn Medien sich zu Kampagnen hinreißen lassen, tun sie das selten mit Raffinesse.

Was Beobachter als Manipulation interpretieren, ist in den meisten Fällen Versehen, Zufall, dem Produktionsdruck entsprungen und nicht dem großen Master-Plan. Selbstreflexion gehört nur bisweilen zu den redaktionellen Tugenden. Oder um es mit den Worten eines deutschen (!) Chefredakteurs zu sagen: „Zeitweise hatten wir eine Blattkritik … das fand ich nicht so optimal. Da ist mir meine Lebenszeit zu schade dafür.“

*) Zweckdienliche Hinweise diese Kolumne betreffend richten Sie bitte an kopfzeile@conclusio.at
*) Klaus Meier: Ressort, Sparte, Team. Konstanz, 2002