|
|
korso
Wirtschaft / Arbeit / Bildung |
Das
Informationsmagazin
der Steiermark
|
04/2003
|
|
|
.................................................................................................................................................
|
|
|
Cross-Border-Leasing: Trübe Geschäfte mit öffentlichem Eigentum
Die E-Wirtschaft macht es, die ÖBB und die
Wiener U-Bahnen machen es auch. Die Stadt Wien will es mit einem
Teil ihres Kanalnetzes tun, die Stadt Salzburg ebenfalls und das
Grazer Kanalnetz ist seit dem Jahr 2000 dafür im Gespräch: Die Zauberformel
zur Wiederbefüllung leerer Gemeindekassen heißt Cross-Border-Leasing.
Wurde diese Finanzierungsform bisher fast ausschließlich von Unternehmen
im öffentlichen Bereich genutzt, so versuchen jetzt mehr und mehr
die Kommunen selbst auf diese Weise zu schnellem Geld zu kommen.
< Foto: Journalist Rügemer: Mit „Colonia Corrupta“ deutsche
Öffentlichkeit wachgerüttelt
|
Seit Maastrichtkriterien, überbordender Schuldendienst und Konjunktureinbruch
den Kommunen die Luft abschnüren, greifen die Gemeindväter nach
jedem Strohhalm, um die herrschende Finanznot zu lindern. Einer
davon ist das Cross-Border-Leasing, und es funktioniert so: Kommunale
Einrichtungen – Müllverbrennungsanlagen, Wasserwerke, Kanal- und
Schienennetze, Straßenbahnen, Schulen, Messehallen und auch Rathäuser
– werden an so genannte „US-Investoren“ für hundert Jahre verleast
und sofort mit einem Parallelvertrag wieder zurückgemietet. Obwohl
dabei nicht das Geringste investiert wird, entsteht durch Vortäuschung
eines hundertjährigen Leasingvertrages für die „Investoren“ nach
amerikanischem Steuerrecht eine Steuerersparnis, einen Teil davon
erhält die Kommune am ersten Tag des Geschäftes ausbezahlt, den
„Barwertvorteil“. Die Kommune bleibe weiterhin Eigentümerin der
verleasten Anlagen – wird zumindest behauptet – und verpflichte
sich nur, diese in der ursprünglichen Form weiter zu betreiben,
mit der Option eines Rückkaufs nach ca. 30 Jahren. Wird diese allerdings
nicht wahrgenommen, so gehört die Anlage in der Folge dem „Investor“,
der sie dann an einen Privaten weitervermieten könne.
Zwei Eigentümer?
Die Realität sieht anders aus: Die Verträge werden nach US-Recht
abgeschlossen, mit Gerichtsstand in einer US-amerikanischen Stadt.
Während die Bevölkerung im Glauben gelassen wird, es handle sich
um ein einmaliges Hin- und Herleasen, das de facto mit der Übergabe
des „Barwertvorteils“ an die Kommune beendet sei, so gilt in den
USA ein Leasingvertrag über hundert Jahre als Eigentumsübertretung,
d.h. die betreffenden kommunalen Anlagen gehen in den Besitz des
so genannten Investors über, sonst könnte diesem auch kein Steuervorteil
daraus erwachsen. Obwohl die Vertragsunterlagen in der Regel aus
1.500 bis 3.000 Seiten bestehen und auf Englisch abgefasst sind,
bekommen die Gemeindepolitiker üblicherweise nur einen Kurzauszug
von 15-25 Seiten in deutscher Sprache zu sehen.
In Widerspruch zum US-Steuerrecht
Der Kölner Journalist und Buchautor Dr. Werner Rügemer wurde für
sein Hörfunk-Feature „Hundert Jahre wie ein Tag – Die heimliche
Globalisierung der Städte“ ausgezeichnet. Das Manuskript dürfte
inzwischen tausendfach verteilt worden sein und kursiert in zahlreichen
Gemeindestuben. Rügemer hat seine Recherchen über kommunale Cross-Border-Leasinggeschäfte
in seinem Buch „Colonia Corrupta“ und in zahlreichen Zeitungsbeiträgen
publiziert und so zumindest in Deutschland die Öffentlichkeit wachgerüttelt.
Bei seiner aufwändigen Recherche über CBL-Verträge in Deutschlands
Kommunen hat er keinen einzigen Stadtpolitiker getroffen, der je
einen Leasingvertrag im Wortlaut gelesen hätte. Die Investoren bleiben
anonym, es sind meist Briefkastenfirmen, die von den Banken in Steuerparadiesen
wie den Cayman-Inseln gegründet wurden. Rügemer: „Diese Cross-Border-Leasing-Konstruktionen
stehen eigentlich in den USA in Widerspruch zum Steuerrecht, da
sie offenkundig Scheingeschäfte sind. Obwohl das US-Finanzministerium
seit Jahren versucht, diese Steuerflucht zu unterbinden, konnte
es sich bis jetzt nicht durchsetzen, denn auf unterer Ebene stehen
die Behörden in den einzelnen US-Staaten im Standortwettbewerb um
die besten Steuerbedingungen für Unternehmen. Die gegenwärtige US-Regierung
steht auch auf Seite der „Investoren“ und betrachtet die Steuerersparnisse
als ,Wirtschaftsförderung‘.“ Rüegemer warnt die Kommunen vor den
Kosten, die allein im Vorfeld von Verhandlungen entstehen können
„Die Stadt Aachen hat schon die Risiken dieser Geschäfte zu spüren
bekommen: In Aussicht auf einen „Barwertvorteil“ aus dem CBL einer
Müllverbrennungsanlage in der Höhe von 30 Mio. Mark musste sie nach
einjähriger gescheiterter Verhandlung ganze 19 Mio. Mark an Anwalts-
und Beraterkosten etc. zahlen. Man muss ganz klar sagen: Mit dem
Cross-Border-Leasing geben die Kommunen das mit Gebühren und Abgaben
der BürgerInnen geschaffene Vermögen an unbekannte US-Trusts ab.“
Die trübe Brühe täuscht nicht: Cross-Border-Geschäfte sind letztendlich
Steuer-Betrug >
Cross-Border-Leasing in Salzburg …
In Deutschland regt sich bereits seit geraumer Zeit Widerstand gegen
diese bedenkliche Art der Gemeindefinanzierung. Bereits in mehreren
Städten haben BürgerInnenbewegungen verhindern können, dass Teile
des kommunalen Vermögens cross-border-verleast wurden. Kritische
Organisationen nehmen sich des Themas an. Die „Salzburger Plattform
Sozialstaat Österreich“ hat an die Gemeinderäte und -rätinnen der
Mozartstadt einen zehn Punkte umfassenden Fragebogen ausgesandt,
in dem diese zu ihrer Einstellung zum von Bürgermeister Heinz Schaden
betriebenen Cross-Border-Leasing des Kanalnetzes und weiterer Infrastruktureinrichtungen
befragt werden. Unter anderem wird die Frage gestellt, bis wann
die Gemeinderäte hoffen, sich mit dem Text des Vertrags vertraut
machen zu können. Bis 15. Juni soll nämlich im Landtag über die
Vergabe entschieden werden. Ein Angebot der französischen BNP Paribas
liegt vor, weltweit eine der größten im CBL-Geschäft, die gemeinsam
mit der Bank Austria-CA den 300-400-Mio-Euro-Deal abwickeln will.
Mitbieter sind weiters der amerikanische Finanzmulti Babcock Brown
gemeinsam mit der Raiffeisen Landesbank OÖ und die australische
Macquarie Group, Marktführerin in Österreich im Cross-Border-Geschäft
und weltweit Dritte. Hierzulande hauptsächlich auf Autobahnen und
Bahnlinien spezialisiert, hat sie bereits prominente „Partner“:
AUA, Telekom, Wiener Linien, ESG (Linzer Straßenbahnen) und ÖBB.
Auch die Kommunalkredit will in Salzburg dabei sein. Die genannten
Namen sind im internationalen Leasing-Geschäft mehr als bekannt.
Und ihre Träger als Arrangeure des Geschäfts mit dem eigentlichen
„Investor“ wahrscheinlich die Hauptverdiener. So konnte die Investkreditbank
mit ihrer Tochter Kommunalkredit-Bank und deren französischem Partnerunternehmen
Dexia im Vorjahr ihren Konzernüberschuss um 38 Prozent auf 32 Mio
Euro steigern, nicht zuletzt wegen vermehrter CBL-Geschäfte.
… und auch in der Steiermark
Beim Mürzverband, einem Zusammenschluss von Wasser-, Abwasser- und
Müllverbänden in der Obersteiermark, denkt man seit Sommer letzten
Jahres daran, die Gemeindebudgets durch Cross-Border-Leasing des
Kanalnetzes aufzubessern und will sich zu diesem Zwecke mit anderen
Interessenten zusammentun, Leoben ist im Gespräch. Die Kommunalkredit
wirbt eifrig. HR DI Bruno Saurer, oberster Chef des Siedlungswasserbaus
in der Steiermärkischen Landesregierung, ist mehr als skeptisch.
„Ich rate keiner Kommune, diesen Schritt zu tun. Diese Art von Geschäften
ist zu riskant. Als Konsument wünsche ich mir auch, dass Gelder,
die von mit Abgaben finanzierten Anlagen erwirtschaftet werden,
wieder dem Endverbraucher zu Gute kommen.“ Sauer findet es auch
höchst merkwürdig, dass die Kommunalkredit-Bank gleichzeitig Bundesförderungen
für die Gemeinden verwaltet und Cross-Border-Leasing-Geschäfte tätigt:
„Das ist für mich ein Fall von Unvereinbarkeit.“ Auch aus eher konservativen
und sogar aus Wirtschaftskreisen kommt zunehmend Kritik und mehr
und mehr Ablehnung: So zum Beispiel will die bayrische Staatsregierung
den Gemeinden das Cross-Border-Leasing-Geschäfte künftig verbieten.
Und der Internet-Börse-Express des österreichischen Wirtschaftsblatts
vom 1.4.2003 vermerkt im Zusammenhang mit dem CBL des Kraftwerks
Altenwörth: „Wir hoffen, dass sich die CBL-Geschäfte für den Verbund
nicht als Bumerang erweisen und halten diese sperrigen und unübersichtlichen
Transaktionen, die obendrein in Österreich oft für Steuerausfälle
sorgen, generell für verzichtbar.“
shv
|
|
|
Arbeit für
die „Alten“ |
Nicht wenige Probleme der modernen Gesellschaft beruhen auf kollektiven
Irrtümern, auf sich hartnäckig am Leben erhaltenden Vorurteilen
und Fehleinschätzungen. Befragt man die Menschen einzeln, wird jeder
zugeben, dass der Erfahrungsvorrat fünfzigjähriger ArbeitnehmerInnen
ein unverzichtbarer Produktivitätsfaktor in Unternehmen ist.
Die den Vorstandsvorsitzenden und leitenden Managern nachgelagerten
Personaladministrationen wollen vom Wert der aged people nichts
wissen. Ihre Entscheidungen folgen stets dem gleichen Muster: Im
Zweifelsfall entscheidet man sich für Arbeitnehmer unter 30, gleichgültig,
um welchen Job es sich handelt, gleichgültig, welche Aufgabe zu
erfüllen ist.
Die Auswirkungen dieses fatalen common sense schaffen – aufgrund
der Nichtinanspruchnahme wertvoller Kapazitäten – nicht nur enorme
Nachteile für die Unternehmen, sie werden immer mehr zum generellen
Problem moderner Industriestaaten und ihrer Volkswirtschaften, weil
diese Gesellschaften zunehmend überaltern. Schon in 20 Jahren wird
etwa nur mehr jeder zweite nicht eingestellte oder zur Kündigung
freigegebene Arbeitnehmer durch einen jungen ersetzt werden können.
Anfang April brachten die steirische Arbeiterkammer und der ÖGB
ExpertInnen zu diesem Thema auf einem Symposium in Graz zusammen.
Partner für eine Integration von Menschen ab 50 in den Arbeitsmarkt:
Juhani Ilmarinen, Walter Rotschädl, Richard Leutner, Rudolf Karazman
(v. l.) >
Prof. Juhani Ilmarinen leitet seit 1992 die Abteilung Physiologie
des finnischen Instituts für Arbeitsmedizin in Helsinki. Er war
wissenschaftlicher Leiter von zwei nationalen Programmen für die
alternsgerechte Umgestaltung der Arbeitswelten. Die skandinavischen
Länder sind, gefolgt von Holland, am progressivsten, was Erkennen,
Inanspruchnahme und Einbindung der Kapazitäten so genannter älterer
ArbeitnehmerInnen in und für den Arbeitsmarkt betrifft. Ilmarinens
Kritik: Österreich liegt im EU-Vergleich vor Deutschland an vorletzter
Stelle, was die Autonomie bei der Arbeitsgestaltung anlangt. Freie
Gestaltungsmöglichkeiten, Platzierung von Pausen, Wahl der Arbeitsmethoden
und Reihenfolge der Arbeitsschritte sind wesentliche von ArbeitnehmerInnen
über 50 Jahren eingeforderte Voraussetzungen für Entfaltung und
„wellness“ am Arbeitsplatz. Mittlerweile beschäftigt man sich auch
in Österreich wissenschaftlich mit der Notwendigkeit eines entsprechenden
large system change. Unter dem Titel „generationengerechte Arbeitsorganisation
und gesunder Verbleib im Arbeitsprozess“ betreibt der Mediziner
Rudolf Karazman – teilweise unter Verwendung der Forschungsergebnisse
von Ilmarinen – Unternehmensberatung in Sachen productive ageing.
Die Diagnose: Älterwerden ist kein Abbau- sondern ein Umbauprozess.
Während zwar körperliche Leistungspotenziale abgebaut werden, bleiben
die psychisch-kognitiven Fähigkeiten – Konzentration, Assoziations-
und Erinnerungsvermögen – im Wesentlichen auf gleichem Niveau erhalten.
Die Potenziale auf sozialer, auf geistiger und auf fachlicher Ebene
nehmen mit dem Alter dagegen zu. Die Stärken der Älteren sind: Entscheidungs-,
Beurteilungs- und Mentorenfähigkeit, Erfahrung und Weitsicht. Karazman
ist davon überzeugt, dass Arbeit so gestaltet werden kann, dass
sie gesundheitsfördernd wirkt. Ziel jedes Unternehmens sollte es
sein, alle MitarbeiterInnen „gesund, erfüllt und genussfähig in
den Ruhestand zu entlassen.“
Dr. Richard Leutner, der leitende Sekretär des ÖGB und AK-Präsident
Walter Rotschädl verweisen auf eine aktuelle IFES-Umfrage,
wonach 75% aller über 45-jährigen ArbeitnehmerInnen nach einem allfällig
eintretenden Arbeitsplatzverlust keine Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz
für sich sehen. Völlig trostlos ist die Situation bei den Arbeitslosen
dieser Altergruppe: Hier rechnen sich 90 % (!) der Befragten keine
Chance aus, je wieder einen Job zu bekommen.
In den drei steirischen Betrieben Magna-Steyr, Epcos und im Rehab-Zentrum
Tobelbad hat der ÖGB Projekte für alternsgerechte Betriebsratspolitik“
initiiert. Nach betrieblichen Analysen soll die Arbeit alternsgerecht
umgestaltet werden. Bei der VOEST ALPINE AG hat man schon vor längerer
Zeit begonnen, im Rahmen des Projekts „Life“ auf die fachliche und
persönliche Weiterentwicklung der MitarbeiterInnen zu achten. Hier
ist man vom betriebswirtschaftlichen Nutzen der Weiterbeschäftigung
älterer MitatbeiterInnen überzeugt.
ko
Info:
AK-Steiermark | Hans-Resel-Gasse 8-14, 8020 Graz | Tel. 05/7799-2448
| Mail: arbeitstechnik@akstmk.at
ÖGB-Referat HTU | Hohenstaufengasse 10-12, 1010 Wien
| Tel. 01/534 44-401 | Mail: monika.schwent@oegb.or.at
|
|
|
Entmachtung
ziviler Instanzen der Urteilsbildung
< Foto/Negt: „Öffentlichkeit ist die einzige
uns bekannte Produktionsform von selbstbewußsster gesellschaftlicher
Erfahrung“ |
Im Rahmen des Symposiums „Arbeit, Bildung und menschliche Würde“
weilte am 25. März einer der großen Aufklärer Europas auf Einladung
von Bildungshaus-Retzhof-Leiter Joachim Gruber in Leibnitz: Oskar
Negt, 1934 geborener Bauernsohn aus Kapkeim bei Kaliningrad (Königsberg),
studierte Jus, Philosophie und Soziologie in Göttingen und Frankfurt,
war Doktorand Theodor W. Adornos und Assistent bei Jürgen Habermas.
Bis zu seiner Emeritierung bekleidete er ein Ordinariat für Soziologie
an der Uni Hannover.
1981 hatte Negt zusammen mit Alexander Kluge „Geschichte und Eigensinn“
herausgebracht, die „Bibel“ für die Kinder der 68er-Generation,
Sozialtheorie zum Angreifen sozusagen, Theorie ohne Grauton, Praxis
gewordene Theorie, wie dem Werk damals begeistert attestiert wurde.
Negts zentrales Werk kam zeitgerecht, als die Systemtheorie zur
vorbereitenden und Leitideologie des Neokapitalismus aufzusteigen
begann. Was die Abstraktionslogik der Systemtheorie ausblendet,
nämlich die quer zu den tatsächlich ausmachbaren funktionalen Mechanismen
stehenden „lebensweltlichen Prozesse“ darzustellen, ist in „Geschichte
und Eigensinn“ dramatisch textlich-bildlich dokumentiert.
Darüber hinaus bereicherte Negt die öffentliche Auseinandersetzung
um nicht wenige brauchbare Begriffe wie etwa „Produktionsöffentlichkeit“,
„Gewalt des Zusammenhangs“ u.dgl. Seiner Definition nach muss „das
Gemeinwesen mit den Energien auskommen, die vom Lebenskampf übrig
bleiben. Es ist daher ein höchst anfälliges Gut, geht es verloren,
ist es durch nichts anderes zu ersetzen.“
In intellektueller Bescheidenheit bemerkten die Autoren Negt und
Kluge, dass auch ihr Buch nicht mehr vermittle als alle anderen
auch, nämlich „die Chance, sich selbstständig zu verhalten“ und
dass alles wirklich Brauchbare in Aushilfen bestünde.
Angelegentlich seines Steiermark-Besuchs sprach KORSO mit Oskar
Negt über den Irak-Krieg, über die Erosion des Politischen und über
eine neue Ökonomie.
Korso: Herr Professor Negt, sie sprechen immer wieder
von der Plünderung des Gemeinwesens durch die Mächtigen der Wirtschaft.
In ihrem eben gehaltenen Vortrag erwähnten Sie die Notwendigkeit
einer Solidarökonomie. Ist Solidarität denn eine Funktion des
Ökonomischen oder ist sie nicht eher eine solche des politischen
Systems?
Negt: Ich glaube, dass Solidarität ein wesentliches Element
des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist und eine Ökonomie, die
sich darauf bezieht, dass dieser gesellschaftliche Zusammenhalt
nur über den Warenverkehr zustandekommt, ist eine unzureichende
Basis für das was wir „Gesellschaft“ nennen, weil die „erste“ Ökonomie
eine solche der Konkurrenz ist und die gesellschaftlichen Kräfte
auseinandertreibt. Wir müssen also eine „zweite Ökonomie“ entwickeln,
in der nicht nur das Solidarprinzip Bedeutung hat, sondern die auch
eine Ökonomie ist, die den Zusammenhalt der Generationen in der
Gesellschaft nicht durch Angst- und Gewaltpotenziale gefährdet.
Ich halte daher eine „Ökonomie“ für nicht ökonomisch, die auf der
einen Seite den sozialdarwinistischen Überlebenskampf propagiert,
auf der anderen Seite den Rechts- und Moralprinzipien das Wort redet.
Diese meine Position kann man gut aus der großen ökonomischen Literatur
ableiten: hier ist – ob bei Keynes, Ricardo oder Smith, ganz abgesehen
einmal von Marx – im Zusammenhang mit der Definition von „Ökonomie“
immer von einem vernünftigen Umgehen mit den natürlichen und den
produzierten Ressourcen die Rede. Und genau das halte ich heute
für gestört.
Korso: Manche behaupten, man könne eine Gesellschaft
ohne Politik „betreiben“ ...
Negt: Ich halte das für unsinnig. Ich sehe nicht die Möglichkeit,
die Regulierung den einzelnen Systemen zu überlassen. Die Einzelsysteme
sind nicht aufeinander verwiesen. Verfassungsrecht und Ökonomie
weisen auseinander, verfassungsrechtliche Normen beispielsweise
widersprechen dem Konkurrenzprinzip des Ökonomischen. Planende Eingriffe
in gesellschaftliche Prozesse, und das ist Politik, sind daher unverzichtbar.
Korso: In Zeiten wuchernder Kommunikation scheint gerade
politische Öffentlichkeit verloren zu gehen. Auch Sie beklagen
das, wenn Sie behaupten, dass „man es sich nicht leisten kann,
bei der Wiederherstellung beschädigter Öffentlichkeit Kräfte auszugrenzen.
Öffentlichkeit ist die einzige uns bekannte Produktionsform von
selbstbewusster gesellschaftlicher Erfahrung, ohne die es keine
private Erfahrung geben kann ...“
Negt: Gerade angesichts des Irakkriegs muss man von einer
pervertierten Öffentlichkeit sprechen. Hier ist nichts mehr von
der Rationalität abwägender Alternativen zu sehen. Damit meine ich
auch: abwägende Rationalität in der Informationsvermittlung. Dies
ist nichts anderes als bloß repräsentative Öffentlichkeit, etwa
wie jene zur Zeit Ludwigs des XIV. Das ist keine „kritisch-abwägende
Öffentlichkeit politisch agierender Privatleute“, wie Habermas das
einmal gesagt hat, hier fehlt ganz entscheidend das Moment des öffentlichen
Gebrauchs der Vernunft, des Entwurfs von Alternativen. Der oppositionslose
US-Kongress bedeutet erstmals eine höchst gefährliche „Entmachtung“
ziviler Instanzen der Urteilsbildung.
Interview: Dieter Kordik
|
|
|
Graz:
Grüne bringen Stoppt-GATS-Resolution ein
< Sigi Binder: Will Graz zur Stoppt-GATS-Gemeinde
machen |
„Der Widerstand gegen die Liberalisierung und die danach zu erwartende
Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge durch das GATS-Abkommen
wächst. Ausdruck dessen ist auch die Tatsache, dass die EU es nicht
geschafft hat, die Listen mit ihren Liberalisierungsangeboten wie
vorgesehen Ende März den anderen WTO-Mitgliedsstaaten zu übermitteln,
weil innerhalb der Union keine Einigung erzielt werden konnte“,
erklärt die neu gewählte Klubobfrau der Grazer Grünen, Sigi Binder.
Auch innerhalb der Steiermark ist das Bewusstsein über die GATS-Verhandlungen
gestiegen: Schon elf Gemeinden haben Resolutionen beschlossen, mit
denen sie einen Stopp der GATS-Verhandlungen fordern, darunter Liezen,
Bruck, Kapfenberg, Vordernberg, Raaba und Rosental an der Kainach.
Die grüne Klubobfrau will diese Resolution am 10. April in den Grazer
Gemeinderat einbringen. Sie erwartet bei dieser Gelegenheit auch
eine grundlegende Diskussion über die Privatisierung kommunaler
Dienstleistungen – „das Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und SPÖ
spricht etwa ganz klar von einer Teilprivatisierung des öffentlichen
Verkehrs.“ Wichtigste Punkte der Resolution sind ein GATS-Verhandlungsstopp,
die Verbesserung statt des Ausbaus öffentlicher Dienste und die
Offenlegung der Verhandlungsergebnisse bei internationalen Wirtschaftsabkommen.
Sie argumentiert u.a. mit den schlechten Erfahrungen, die mit Liberalisierung
und Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen in anderen Ländern
gemacht wurden – etwa mit der Trinkwasserprivatisierung in Großbritannien,
wo die Tarife, aber auch die Zahl der Hepatitis-Fälle wegen schlechter
Wasserqualität sich verdoppelten.
|
|
|
Steirischer
Bildungswegweiser
< Mag. Grete Dorner |
Allein in der Steiermark halten derzeit 50 Erwachsenenbildungseinrichtungen
etwa 12.000 Bildungsangebote bereit. Das Projekt Bildungsservice
Steiermark hat sich auf die Bereitstellung institutionsübergreifender
und anbieterneutraler Bildungsinformation und Bildungsberatung in
der Steiermark spezialisiert. In diesem Pilotprojekt, finanziert
durch das Land Steiermark, das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft
und Kultur sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds wurden
in der ersten Projektphase bis 2004 zwei regionale Bildungsnetzwerke
installiert (Murau und Radkersburg, Korso berichtete). Ab 2004 ist
eine Ausweitung auf die gesamte Steiermark vorgesehen.
Im Zuge des Projekts wurde auch der im Jahre 1999 eingerichtete
steirische Bildungsserver (www.eb-stmk.at) weiter ausgebaut. Das
Portal präsentiert derzeit bereits etwa 14.000 Bildungsveranstaltungen
und verzeichnet 2000 Mail-Anmeldungen zu Veranstaltungen, jeweils
pro Semester. Projektleiterin Mag. Grete Dorner und Redakteurin
Mag. Kathrin Maier: „In diesem technischen Netzwerk sind
alle relevanten Bildungseinrichtungen der Steiermark vertreten.
Mit den Tausenden von Angeboten – vom Kochkurs bis zur umfangreichen
beruflichen Qualifizierung – entspricht
www.eb-stmk.at so gut wie jedem Bildungsbedürfnis. Der weitere,
bedarfsorientierte Ausbau dieses technischen Netzwerkes, das in
enger Kooperation und in Abstimmung mit den Einrichtungen der Erwachsenenbildung
in der Steiermark erfolgt, ist ebenfalls ein Projektschwerpunkt.
Neue Adresse: 8020 Graz, Niesenbergergasse 59 | Tel. (0
316) 82 13 73 | Mail: bildungsservice@eb-stmk.at
| www.eb-stmk.at/bildungsservice
|
|
|
|