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korso
Wirtschaft / Arbeit / Bildung |
Das
Informationsmagazin
der Steiermark
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02/2004
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Der
ESTAG-Prüfbericht unter:
„anderweitig informiert“ |
>> Volltext des ESTAG-Prüfberichtes von Ernst & Young | als
Download unter KORSO aktuell
Die Autoren gehen mit Vorstand und Aufsichtsrat des steirischen
Energiekonzerns hart ins Gericht. Rund 60 Seiten Text bieten ein
Bild der Inkompetenz und des Schlendrians, mit millionenteuren Flops
als logische Folge. Vermieden wird jeder direkte Bezug auf politische
Verantwortung für dieses bisher größte Desaster eines staatlich
gelenkten Unternehmens in der Steiermark.
Hielt „laufenden Kontakt“ mit den Prüfern: Landesrat Herbert
Paierl >
„Laufender Kontakt“ mit dem geprüften Auftraggeber
Kein Wunder, hat doch der zuständige Landesrat DI Herbert „Man-wird-nichts-finden“
Paierl nur einen eingeschränkten Prüfauftrag erteilt. Das Prüfungsteam
war zusätzlich noch angewiesen „den laufenden Kontakt im Zug der
Sonderprüfung mit den Vertretern der Aktionäre in der Hauptversammlung
bzw. mit deren bevollmächtigten Vertretern zu halten“ (Seiten 8
& 9). Ein Schelm, wer sich Böses dabei denkt.
Man muss die Prüfer vom Verdacht völliger Blauäugigkeit gegenüber
der Praxis in politiknahen Betrieben allerdings freisprechen: Was
man nicht offen sagen durfte, wurde kunstfertig in Paradoxien, Auslassungen,
scheinbar willkürliche Texteinschübe und spaßige Originalzitate
verpackt.
Beteiligung „wegen des sicheren Stromabsatzes“
Da haben zum Beispiel Manager die aufgekauften Unternehmensbeteiligungen
zwar nicht ordnungsgemäß auf Wirtschaftlichkeit geprüft, sich aber,
so haben sie den Prüfern versichert, anderweitig über die Sinnhaftigkeit
informiert (Seite 33).
Die negative Beurteilung des Engagements Therme Ottendorf-Walkersdorf,
ein Projekt, das sich bis vor kurzem die Frau Landeshauptmann selbst
auf die Fahnen geschrieben hat, endet erstaunlicherweise mit einem
Hinweis auf Medienberichte, wonach die Landesregierung es nicht
fördern werde (Seite 39).
Die ESTAG-Beteiligungen im Zusammenhang mit dem abgetreten Aufsichtsratsvorsitzenden
Norbert Ertler – er gilt als enger Freund Herbert Paierls – werden
allesamt als wirtschaftlich fragwürdig und teils als sicher verlustbringend
dargestellt. Zitierte Begründung des Managements: Man habe sich
wegen des sicheren Stromabsatzes beteiligt (Seite 38).
Der Unterhaltungswert solcher Lektüre sinkt leider drastisch, wenn
man sich vergegenwärtigt, dass hier beschrieben wird, wie das Vermögen
der Republik freihändig und ungeniert verjuxt wurde, verjuxt von
Managern und Aufsichtsräten, die als Adabeis auf den Tratschseiten
lokaler Hochglanzmagazine präsenter waren als in den Unternehmen;
verjuxt unter Aufsichtspflicht des wohl zuständigen, sich aber keineswegs
verantwortlich fühlenden Landesrates.
Gcn
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Tourismusbranche will gar nicht Kulturpolitik bestimmen
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Fett sind die Bilanzen der Grazer Tourismusbetriebe für 2003 – und
Dürreperioden stehen vor der Tür, denn das Scheinwerferlicht Europas
ist erloschen. Dennoch wollen die Touristiker 2010 mit einer Million
Nächtigungen den Rekordwert von 2003 noch übertreffen. Überraschung:
Die neue Kultur-Marketing-Service-GesmbH, die Kultur vor allem in
Hinblick auf ihre tourismusförderliche Wirkung fördern und vermarkten
soll, wird von Vertretern der Tourismusbetriebe abgelehnt.
Graz hatte als Kulturhauptstadt Europas 2003 in jedem einzelnen
Monat im Vergleich zum Vorjahr zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen,
im Februar waren es sogar 50%. Ausschlaggebend dafür war vor allem
das Mariinski-Theater, das drei Wochen lang in Graz gastierte. Ein
kräftiges Plus an Nächtigungen brachte auch die größte österreichische
Tourismusfachmesse. „Bereits von 2001 auf 2002 konnten wir einen
Zuwachs von 10% verzeichnen,“ so Graz-Tourismus-Geschäftsführer
Mag. Dieter Hardt-Stremayr, „2003 haben wir mit 839.894 Nächtigungen
einen echten Rekordwert erzielt – eine Steigerung gegenüber dem
Vorjahr um 22,9%.“
Knapp die Hälfte aller Nächtigungen entfällt auf 4- bis 5-Sterne-Häuser,
ein Hinweis darauf, dass Business-Reisen und der Seminar- und Kongresstourismus
für Graz eine deutlich positive Entwicklung genommen haben. Besonders
letzteren will Stadtrat Dr. Christian Buchmann fördern.
Dieter Hardt-Stremayr >
kann auf ein Übernachtungs-Plus von 22,9% verweisen, <
Bernhard Reif-Breitwieser will auch Innsbruck überholen
Bernhard Reif-Breitwieser, GF des Hotels Erzherzog Johann
und Vorsitzender des Tourismusverbandes Graz, bleibt Realist: „Graz
kann nicht mit Wien oder Paris verglichen werden, wir haben aber
Linz getoppt und werden auch noch Innsbruck überholen – schließlich
haben wir tolle Events wie La Strada, die Styriarte u. v. m.“ Von
der neuen Kultur-Marketing-Service-GesmbH hält er aber wenig: „Ich
habe davon erst vor wenigen Tagen erfahren“, erklärt Reif-Breitwieser
ungehalten, „da wurde die Rechung aber ohne den Wirt gemacht. Tourismus
soll keine Kulturpolitik machen – nur dort, wo sich die Kreise schneiden,
ist effektive Zusammenarbeit gefragt.“
Claudia Windisch
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Steirischen
Banken geht’s super |
Während die öffentliche Hand und viele Private über Mangel an Liquidität
klagen, haben die steirischen Banken offenbar besser gewirtschaftet.
Ihnen geht es laut eigenen Aussagen blendend: Die Raiffeisen-Landesbank
konnte Zuwächse bei den Wertpapier-Depots von 22% erzielen, beim
„Money under Management“ betrug die Steigerungsrate 7,55% (eine
Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr), die Spareinlagen stiegen um
5%, bei den Finanzierungen beträgt der Marktanteil derzeit knappe
32%, damit ist Raiffeisen Marktführer in diesem Segment.
Die Steiermärkische bilanziert 2003 als bestes Jahr seit
Bestehen der Bank. Ihre Bilanzsumme wuchs um 10,5% auf 9,3 Milliarden,
das Betriebsergebnis lag mit 100 Mio Euro und einer Steigerung von
32% über dem Vorjahr, das EGT ist um 60% auf 60,5 Mio angestiegen.
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Pappi,
bleib daheim! |
2003 gehörten gerade mal 1,7% der steirischen Karenzgeld-BezieherInnen
dem starken Geschlecht an. Allerdings wären laut einer Wiener Studie
37% der Pappis gerne bei ihren Sprösslingen zuhause geblieben, und
2/3 der Mütter hätten dies begrüßt. Im Auftrag von Landesrätin Mag.
Kristina Edlinger-Ploder sollte ein von Misa Strobl – Karenzvater
und Unternehmensberater – durchgeführtes Projekt die Gründe erhellen,
wieso Männer dennoch nicht bei ihren Kindern bleiben wollen/können.
37% der Väter würden gerne bei ihren Kindern bleiben
Das Ergebnis: „Zum einen ist die noch immer existierende Einkommensschere
ein wichtiger Grund für Familien, sich gegen die Väter-Karenz zu
entscheiden, zum anderen sind nur wenige Betriebe bereit, Rücksicht
auf die privaten Lebensumstände ihrer Mitarbeiter zu nehmen.“ Aber:
„Ein Betrieb profitiert von einem Vater, der die Erfahrung macht,
einen Haushalt und Kinder zu versorgen“, betont Edlinger-Ploder.
Diese Aufgabe verlangt Ausdauer, Geduld und Problemlösungskompetenz
– also Managementqualitäten. „Gleiche Chancen für Frauen in der
Wirtschaft und gleiche Chancen für Männer in den Familien!“ – unter
diesem Motto will die Landesrätin künftig nicht nur eine stärkere
Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit forcieren, sondern vor
allem die Unternehmensleitungen sensibilisieren.
Ein erster Erfolg: Für den „Sonderpreis Väterkarenz“, der heuer
erstmals im Rahmen des Wettbewerbs „frauen- und familienfreundlichster
Betrieb 2003“ ausgeschrieben wurde, haben sich über 100 Betriebe
beworben.
Infos: www.vaeterkarenz.steiermark.at
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Holz-Industrie
pro Ökostrom-Gesetz |
Die österreichische Holzindustrie ist nicht nur einer der wichtigsten
Arbeitgeber im Land, sondern auch ein mächtiger Wirtschaftsfaktor
– noch vor dem Nahrungsmittel- und dem automotiven Bereich. Angesichts
widriger politischer Umstände kommt es nun in der Steiermark verstärkt
zur Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen der Branche.
LK-Vizepräsidentin Elisabeth Leitner, Heinz Gach,
Obmannstellvertreter proHolz Steiermark/Österreich und CEO Leitinger
Holzindustrie, Ing. Joachim Reitbauer, GF proHolz Steiermark
und der Sprecher der Holzindustrie, Ing. Mag. Gottfried Pfister,
CEO Mayr-Melnhof Holz Holding AG, sind sich einig: die Blockierung
des Ökostromgesetzes gefährdet Hunderte Arbeitsplätze, das vorläufige
Aussetzen des Ökostromgesetzes hätte einen Investitionsstopp in
enormer Höhe zur Folge. Weiteres Ärgernis in den Augen der Holz-Industriellen:
Das Road-Pricing für LKWs, das besonders die schweren Holz-Laster
benachteilige. Als Gegenstrategie setzt man unter anderem auf Bewusstseinsarbeit:
„Den SteirerInnen muss bewusst werden, dass Holz einen unserer bedeutendsten
Rohstoffe darstellt“, betont Leitner.
cw
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Euphorie
bei der Industrie |
Der aktuellen Konjunkturumfrage zufolge, bei der 56 steirische Unternehmer
mit insgesamt 33.200 Beschäftigten ihre Erwartungen für das heurige
Jahr äußerten, werden sich heuer Auftragslage und Produktionsauslastung
drastisch verbessern, auch die Auslandsaufträge sollen – trotz des
schwachen Dollars – steigen. Tragender Faktor des Aufschwungs ist
dabei die Investitionsgüterindustrie, gut entwickelt sich auch die
Fahrzeugindustrie, die derzeit auch als einziger Sektor in signifikantem
Ausmaß neue Arbeitsplätze schafft. Der Konsumgüterbereich bleibt
weiter zurück, die Grundstoff-Industrie bleibt das Sorgenkind. Michael
Mayer-Rieckh, der Vorsitzenden der IV Steiermark, begrüßt die
KÖSt-Senkung als „wichtigen Impuls“ für den Aufschwung.
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Der
Scheck zum Berufserfolg Als größte steirische
Bildungsinitiative bezeichnet Präsident Walter Rotschädl den 50-Euro-Bildungsscheck
der Arbeiterkammer. Pro Jahr nutzen bereits 21.000 AK-Mitglieder das
Angebot, ihre Chancen im Beruf zu verbessern. |
„Der Bildungsscheck ist der Beitrag der Arbeiterkammer zum persönlichen
Weiterkommen im Beruf“, macht AK-Präsident Walter Rotschädl Mut,
das kostengünstige Angebot an Weiterbildung bei VHS und bfi zu nutzen.
Tausende AK-Mitglieder wissen den Bildungsscheck zu schätzen: Etwa
21.000 Schecks, die Kursgebühren im Wert von rund einer Million
Euro abdecken, werden pro Jahr eingelöst. Die AK-Mitglieder folgen
damit dem Rat vieler Studien, dass die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes
durch mehr Qualifikationen steigt.
AK-Präsident Walter Rotschädl:
„Bildungsscheck ist ein Beitrag der AK zum persönlichen Weiterkommen
im Beruf“
Der 50-Euro-Bildungsscheck wird zweimal pro Jahr zu Beginn des
Semesters an alle AK-Mitglieder geschickt. Dieser Tage ist es wieder
soweit. Bei der VHS wird er für alle EDV-Kurse, für alle Sprachkurse,
für alle persönlichkeitsbildenden Kurse, für die meisten Gesundheitskurse
und auch für die Lernhilfekurse für den Nachwuchs akzeptiert. Das
bfi bietet vor allem hochwertige Fachkurse an. In den Programmen
von VHS und bfi sind alle anrechenbare Kurse extra gekennzeichnet.
Der Bedarf an dieser individuellen Bildungsförderung ist nicht
nur an der hohen Zahl eingelöster Schecks ersichtlich, sondern auch
durch Untersuchungen abgesichert. Demnach nimmt pro Jahr nur ein
Drittel der unselbständig Beschäftigten an betrieblicher Weiterbildung
teil. „Mit unserem Bildungsscheck wollen wir vor allem jene zur
Weiterbildung ermuntern, die von ihren Firmen selten oder nie Weiterbildung
angeboten bekommen“, hofft der AK-Präsident das Motto vom lebensbegleitenden
Lernen attraktiv zu machen.
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Mehr
Gerechtigkeit durch Wertschöpfungsabgabe? |
Eine Debatte gegen den neoliberalen Zeitgeist organisierte die steirische
Arbeiterkammer kürzlich gemeinsam mit den Alternativen und Grünen
GewerkschafterInnen: Fachleute und PolitikerInnen diskutierten über
eine Wertschöpfungsabgabe, welche die Lohn- und Gehaltssumme als
alleinige Beitragsbasis für Sozialleistungen um eine breitere Berechnungsgrundlage
– Abschreibungen, Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten und Pachten
etc. – erweitert.
Dr. Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut
zählte die Vorteile einer Wertschöpfungsabgabe auf: Sie entlastet
den Faktor Arbeit, sie schafft einen Ausgleich zwischen lohn- und
kapitalintensiven Betrieben, und der öffentlichen Hand weniger Einnahmen
verloren, wenn die Lohn- und Gehaltssumme weniger stark steigen
als das BIP. Nachteile seien die Synchronizität mit dem Konjunkturzyklus
und – im Falle einer Brutto-Wertschöpfungsabgabe – die Verteuerung
von Investitionen. Mag. Gerhard Kohlmaier von der Steuerinitiative
im ÖGB trat vehement für die Einführung der Wertschöpfungsabgabe
ein: Mit ihr könne mehr Steuergerechtigkeit geschaffen werden. „Derzeit
wird ein 100.000-Euro-Gehalt mit 36% besteuert, aber 100.000 Euro
aus Kapitalgewinnen nur mit 25% KÖSt; 100.000 Euro in Stiftungen
mit 12,5% und 100.000 Euro aus Aktiengewinnen und Devisenspekulationen
mit 0%.“
Dr. Thomas Krautzer, GF der Industriellenvereinigung Steiermark,
fürchtet einen Rückgang von Modernisierungsinvestitionen durch eine
Wertschöpfungsabgabe, nur Wirtschaftswachstum bringe dem Staat auf
Dauer mehr Geld. Für Ilse Löwe-Vogl (AUGE) ist die Wertschöpfungsabgabe
die einzige Möglichkeit, dass „Unternehmen, deren hohe Produktivität
auf Rationalisierung und Personaleinsparungen beruht, dem Sozialsystem
wieder Mittel zuführen.
NAbg. Hans Moser >
Österreich liegt bei Vermögenssteuern weit unter EU-Schnitt NAbg.
< Werner Kogler: Öffentliche Ausgaben müssen finanzierbar bleiben
Die abschließende PolitikerInnendiskussion zwische NAbg. Mag.
Werner Kogler (Grüne) und NAbg. Mag. Hans Moser (SPÖ)
– LAbg. Mag. Christopher Drexler von der ÖVP war nicht erschienen
– brachte weniger neue Erkenntnisse über die Wertschöpfungsabgabe
als über die Ungerechtigkeiten des Status quo: „Die Vermögenssteuern
machen in Österreich gerade 0,6% des BIP aus – im EU-Schnitt sind
es 2%; die Steuern von der Lohnsumme machen hingegen 2,7% vom BIP
aus – im EU-Schnitt sind‘s gerade 0,4%.“ (Moser). Im Gegensatz zu
seinem sozialdemokratischen Parlamentskollegen hielt Kogler ein
Plädoyer gegen Steuersenkungen, denn: „Wir wollen, dass die öffentlichen
Ausgaben vor allem im sozialen Bereich finanzierbar bleiben.“ Nur
die untersten Einkommensschichten sollten durch eine Negativ-Steuer
im Gesamtvolumen von 700 Mio Euro entlastet werden - „die Steuerreform
hat für jene 1,2 Mio Österreicher, die unter 15.000 Euro Jahresbruttoeinkommen
liegen, nichts gebracht.“ Nahezu die gleiche Summe - 660 Mio Euro
- könnte die öffentliche Hand lukrieren, wenn die Erb- und Grundsteuern
auf nur die Hälfte des EU-Schnitts angehoben würden – „da müsste
man noch nicht einmal die abgeschaffte Vermögenssteuer wieder einführen.“
Das grüne Steuermodell sehe im Übrigen eine Art Wertschöpfungsabgabe
vor: Die von den Grünen geforderte Energie- und Ressourcenbesteuerung
solle nämlich im industriellen Bereich mit einem bestimmten Prozentsatz
des Bruttoproduktionswertes gedeckelt werden.
In der Beurteilung der Steuerreform waren sich Moser und Kogler
einig: „Das ist keine Reform, sondern bloß das Bedienen konservativer
Kernwählerschichten.“ (Moser)
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„Politik
darf sich nicht aus den Kernbereichen verabschieden“ VP-Landesgeschäftsführer
Dr. Andreas Schnider setzte in jüngster Zeit deutliche Akzente
in der Demokratie- und Bildungspolitik, die in einigen Ansätzen die
klassischen Claims der Parteien ignorieren. Mit ihm sprach Christian
Stenner über Perspektiven in diesen beiden Politikfeldern. |
Sie haben mit der Kampagne „Wähle und sei dabei“ einen Versuch
gestartet, die wahlmüden SteirerInnen aus ihrer Politik-Absenz
hervorzulocken …
Ja, ich möchte zumindest eine Stimmung erzeugen, dass Wählen einfach
zum Grundempfinden jedes demokratisch gesinnten Menschen gehört.
Hängt die Abneigung, sich an der res publica zu beteiligen,
nicht auch damit zusammen, dass die Politik sich selbst Stück
für Stück aus der Verantwortung für bislang öffentliche Angelegenheiten
verabschiedet?
Ich denke, wir müssen den BürgerInnen einen Unterschied klar machen:
Die Politik muss sich aus Wirtschaftsunternehmen zurückziehen, aber
sie darf sich nicht aus den fünf Kernbereichen Sicherheit, Bildung,
Soziales, Gesundheit und Grundsicherung des Lebens im Alter verabschieden.
VP-Geschäftsführer Bundesrat Dr. Andreas
Schnider >
„Wählen muss wieder zum Grundempfinden jedes demokratisch gesinnten
Menschen gehören.“
Gerade im Bildungsbereich findet aber sehr wohl ein Rückzug
des Staates statt.
Ich bin der Ansicht, dass der Staat die Pflicht hat, für alle
Kinder und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr die Mittel für die
Ausbildung bereitzustellen. Für die Universitäten sehe ich das anders:
Hier sind Studiengebühren deswegen gerechtfertigt, weil auf dieser
Stufe Leistung prämiert werden und niemand, der ohnehin nicht studiert,
jemand anders den Platz wegnehmen soll.
Ich hätte mir aber ehrlich gesagt eine wirkliche Schul- und Bildungsreform
gewünscht – jetzt hat es den Anschein, als ob die mehrgleisigen
Verwaltungsstrukturen gleich blieben, während gleichzeitig Stunden
gekürzt werden. Sparen ohne Verlust an pädagogischer Qualität wäre
aber durchaus möglich. Ein Denkansatz dazu: Wir liegen in Österreich
sehr gut, was das Zahlenverhältnis zwischen LehrerInnen und SchülerInnen
betrifft – ein Lehrer kommt auf 8 bis 10 Schüler. Warum stellen
wir das Klassenvorstands- nicht auf ein Mentorensystem um, wo wir
dieses günstige Verhältnis besser nützen könnten?
Mit Ihren bildungspolitischen Vorstellungen, vor allem mit
Ihrer Forderung nach einer gesetzlichen Absicherung der Ganztagsschule
und Ihrer Befürwortung der Gesamtschule der 10- bis 14-Jährigen,
stoßen Sie in der eigenen Partei nicht immer auf Verständnis.
Wir müssen es schaffen, eine fruchtbare und wissenschaftlich begründete
Bildungsdiskussion über die Parteigrenzen hinweg zu führen – wenn
wir einen Verfassungskonvent einberufen konnten, so müsste doch
auch ein Bildungskonvent möglich sein. Weil ich diese Debatte voranbringen
will, habe ich auch gemeinsam mit dem Pädagogen Prof. Dr. Anton
Bucher ein Buch zur Ganztags- und Gesamtschulthematik verfasst,
das wir Ende Februar vorstellen werden. Und was die eigene Partei
betrifft, so leisten wir gute Überzeugungsarbeit: So sind etwa viele
Bürgermeister steirischer Gemeinden dem Argument gegenüber aufgeschlossen,
dass sie ohnehin schon immer für die Erhaltung einer Gesamtschule
eingetreten sind – denn was ist die Hauptschule am Land anderes
als eine Gesamtschule. Letztendlich geht’s doch darum, dass die
Bildungspolitik klare Standards und Ziele definieren muss, die Organisationsform
aber freier gestaltbar werden soll.
Noch einmal zurück zur Demokratie-Frage: Sie fordern auch
konkrete Maßnahmen, die das Wählen zu einer möglichst niederschwelligen
Angelegenheit machen sollen.
Ja, die Briefwahl auch innerhalb Österreichs und das E-Voting.
Bedeutet E-Voting nicht eine starke Abwertung des Wahl-Aktes
– so als ob man an einer der zahlreichen Internet-Umfragen teilnähme?
Nein, weil ohnehin immer mehr staatsbürgerliche Pflichten und
Akte auf diesem Weg erledigt werden können.
Letztendlich werden die zentralen Gründe für’s Nichtwählen
damit aber nicht aus der Welt geschafft werden.
Es gibt einen starken Schwund des Vertrauens, wir liegen da laut
Umfragen bereits hinter den Versicherungsmaklern. Das liegt zumindest
zum Teil an mangelnder Aufklärungsarbeit über die Funktion von Politik:
Wenn ein Unternehmen irgendwo Arbeitsplätze schafft, dann wird das
in den seltensten Fällen darauf zurückgeführt, dass die Politik
durch die Bereitstellung entsprechender Rahmenbedingungen – Sicherheit,
Standards, ein gutes Bildungssystem – einen wichtigen Anteil daran
hat.
PolitikerInnen werden diese Vertrauenskrise nur dann überwinden,
wenn sie als Personen glaubhaft Ehrlichkeit, Integrität und Gewaltfreiheit
verkörpern – und Gewalt beginnt schon im Verbalen und dort, wo Menschen
in ihrer Integrität verletzt werden. Es ist zwar einfacher, sich
diesen Formen der Auseinandersetzung anzupassen als ihnen zu widerstehen;
aber wenn man den Stil, den man lebt, nicht mehr selbst bestimmt,
dann schwächt man sich selbst.
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Bildung
über Bildung
„Lernen ist zum Glück des Menschen notwendig,
denn er will den Erfolg seiner in Tätigkeit gesetzten Kräfte wahrnehmen“
(Schopenhauer). |
Das Medikament gegen die „neue Unübersichtlichkeit“ (Habermas) am
steirischen Bildungsmarkt heißt „Bildungsservice Steiermark“: Das
Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, die EU-Vorgaben eines „Erwerbs
von Qualifikation zur nachhaltigen Teilnahme an der Wissensgesellschaft
für alle“ und die „Möglichkeiten für lebensbegleitendes Lernen in
unmittelbarer Nähe des / der Lernenden“ herzustellen und anbieterneutrale
Information über Weiterbildungsmöglichkeiten bereitzustellen.
„43% der Erwachsenen mit geringer Ausbildung fühlen sich über
ihre Weiterbildungsmöglichkeiten schlecht informniert“, geht aus
einer Studie des Verbandes der österreichischen Volkshochschulen
vom Jänner 2003 hervor. Je geringer der Ausbildungsgrad, desto wichtiger
wird die individuelle Beratung bezüglich Entscheidungsfindungen
für Weiterbildung.
Dabei werden – durchaus auch in Opposition zu gängiger Praxis –
Allgemeinbildung als unabdingbare Voraussetzung zur persönlichen
Entwicklung und individuellen Lebensgestaltung einerseits und berufliche
Qualifizierung auf der anderen Seite in ihren Wertigkeiten gleichgesetzt.
Das Bildungsservice Steiermark zielt darauf ab, ein kundenzugängliches,
transparentes Informations-Netzwerk für die steirische Erwachsenenbildung
schaffen. Die Zunahme der Bildungsangebote, die wachsende Zahl
der Anbieter und die wachsende Individualisierung der Ausbildung
machen eine Orientierung für Bildungssuchende zunehmend schwierig.
Über das seit dem Jahr 1999 betriebenen und seither sukzessive ausgebaute
Portal www.eb-stmk.at/bildungsservice
kann man sich einen schnellen und kostenlosen Überblick über die
Angebote der steirischen Erwachsenenbildungseinrichtungen verschaffen.
Über 12.000 Bildungsveranstaltungen pro Semester können hier abgefragt
und nach Bedarf gebucht werden.
Info:
Bildungsservice Steiermark | Mag. Grete Dorner | Niesenbergergasse
59, 8020 Graz
T (0316) 82 13 73 | M bildungsservice@eb-stmk.at
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Europäischer
Lehrgang zur Tagesmutter/zum Tagesvater Am
23. Februar startet in der Steiermark ein Erwachsenenbildungslehrgang
von vermutlich zukunftsweisender Bedeutung. |
Insgesamt 18 TeilnehmerInnen unterziehen sich einer einjährigen
Qualifizierung für die Betreuung von Kindern zwischen null und drei
Jahren. Das Pilotprojekt TEECHE („Training for early years education
and childcare in europe“) firmiert in der Kategorie Pilotprojekte
im EU-Rahmenprogramm Leonardo da Vinci II, verbindet neue Lernformen
mit der Intention, die Betreuungssituation von Kindern zwischen
null und drei Jahren zu verbessern und hat die europäische Standardisierung
der Kinderbetreuungsausbildung zum Fernziel.
Betreuung von Kleinkindern soll professionalisiert werden >
Im Ausbildungsprojekt sind neben Telelearning, der Bereitstellung
moderner praxisnaher Arbeitsunterlagen, der Nutzung von Internetforen
u. dgl. auch die Integration und Anwendung informeller und so genannter
generationsübergreifender Lernmethoden vorgesehen. Informelles Lernen
(wie etwa auch im Peergroup-Learning in der Lebensberater-Ausbildung
angewandt) stellt auf die Erfahrung im entsprechenden Lebens- und
Alltagszusammenhang ab und wurde bereits im Jahre 1973 von Ivan
Illich schlicht als „ungehinderte Teilnahme in sinnvoller Umgebung“
definiert. Die Erfahrung des All Day Life ist tragende Basis und
Anknüpfungsmöglichkeit für Weiterbildung. Arbeitsfeld und Ausbildungsinhalte
sind hier denn auch konzeptuell eng aneinander geknüpft.
Trägerländer dieses Ausbildungsprojekts sind Großbritannien, die
Niederlande und Österreich. Bildungspartner und Organisator des
Lehrgangs in der Steiermark ist das bfi (Berufsförderungsinstitut).
Im steigenden Bedarf an Betreuungseinrichtungen für Kinder im Vorkindergartenalter
durch baldige Wiederaufnahme der Berufsausübung nach der Geburt
des Nachwuchses bedient das Projekt den bedeutsamsten einschlägigen
Aspekt gesellschaftlichen Wandels seit Einführung des Kindergartens.
Im Trend zu immer kürzeren Karenzzeiten kann diese Ausbildung etwa
für den Grazer Psychotherapeuten Günther Bitzer-Gavornik
daher bestenfalls einen Kompromiss zwischen ökonomisch-gesellschaftlichem
Zwang und dem entwicklungspsychologisch problematischen Aspekt der
vorzeitig unterbrochenen Mutter-Kind-Dyade, der zerbrechenden frühkindlichen
Eltern-Kind-Zwischenleiblichkeit liefern.
Über die Neufassung des steiermärkischen Kinderbetreuungsgesetzes
dürfen Befähigte bis zu fünf Kinder im Vorkindergartenalter betreuen.
Durch die kollektivvertragähnliche Festsetzung eines (vorerst noch
bescheidenen) Entgelts für Tätigkeiten innerhalb familienähnlicher
Strukturen sehen manche bereits eine ansatzweise verwirklichte,
seit langem geforderte ökonomische Bewertung von Subsistenzarbeit.
ko
Info: bfi Steiermark | Mariengasse 24, 8020 Graz | Sigrid
Wozonig | T (0316) 72 70739
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Wie
steht’s um die soziale Verantwortung der Konzerne? |
Berichte von und Diskussion mit:
Dani Pamminger, Mitglied von Frauensolidarität und ATTAC,
Graz. Martina Neuwirth, Auslandsreferentin im Grünen Parlamentsklub,
Wien.
Das 4. Weltsozialforum vom 16. bis 21. Jänner war wieder Treffpunkt
sozial engagierter und globalisierungskritischer Menschen aus aller
Welt. Es fand diesmal in Mumbai in Indien statt und ermöglichte
den asiatischen NGOs erstmals, sich intensiv zu beteiligen. Die
Rede von Arundati Roy erregte internationales Aufsehen und auch
Kritik. Daniela Pamminger und Martina Neuwirth waren in Mumbai dabei
und berichten aus erster Hand.
Do | 26. 2. 04 | 19.00 | Ort: Grüne Akademie | Paulustorgasse
3/1, Graz | Veranstalterin: Grüne Akademie
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