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Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
 mai 2002
   
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Uni-Reform: Gibt die Ministerin nach?

 

Die geschlossenen Proteste der Universitätsangehörigen könnten zu einem Umdenken im Bildungsministerium führen. „Das ist ein konterrevolutionäres Gesetz, das auf die Zeit vor 1975 zurückgeht!“ ruft der Grazer Archäologe und a.o. Professor Erwin Pochmarski den über 500 Universitätsbediensteten zu, die sich am 24. April in der überfüllten Aula der Grazer Karl-Franzens-Universität zu einer Dienststellenversammlung eingefunden haben. Lauter Beifall ertönt: Die Ablehnung der von der Bildungsministerin vorgelegten Universitätsreform, die noch vor dem Sommer beschlossen werden soll, ist einhellig und verbindet alle universitären Gruppen, die für diesen Tag in einen nahezu lückenlosen Streik getreten sind.

„Mutwillige Zerstörung bewährter Strukturen“
In Kurzstatements greifen Wissenschafter und allgemein Bedienstete verschiedene Aspekte des heiß befehdeten Gesetzes auf. Der Arbeitsrechtler Günther Löschnigg warnt vor der Illusion, dass der durch die Ausgliederung verloren gehende Kündigungsschutz auch in den neu auszuhandelnden Kollektivverträgen festgeschrieben würde: „In den anderen privatisierten Bundesbetrieben ist das auch nicht der Fall – und bei der Post hat es 6 Jahre gebraucht, bis überhaupt ein Kollektivvertrag zustandegebracht wurde.“ An Stelle des Arbeitszeitgesetzes würden Bestimmungen zur Anwendung kommen, die maximale Arbeitszeiten von 13 Stunden pro Tag und 60 Wochenstunden vorsähen – und keine Feiertage.

Die Psychologin Roswitha Roth vom universitären Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen fürchtet, dass mit der Ausschaltung des Mittelbaus und der gleichzeitigen Aufwertung der Ordinarien auch die Durchsetzung der Interessen der Frauen gefährdet sei: „Der Professorenstand ist auf Grund seiner Zusammensetzung nicht besonders an Gleichstellungsfragen interessiert.“ „Mutwillige Zerstörung bewährter Strukturen“ nennt der Historiker und Studiendekan Heribert Aigner die ersatzlose Abschaffung der paritätisch besetzten Kollegialorgane. Er selbst sei bei deren Einführung 1975 skeptisch gewesen, aber: „Ich bin durch die Erfahrung vom Saulus zum Paulus geworden und habe die hohe Kompetenz von Studierenden und Mittelbau in den verschiedenen Kommissionen schätzen gelernt.“ Selbst Ordinarius, kritisiert er die Haltung mancher Standeskollegen: „Die im neuen Gesetz vorgesehene Selbstrekrutierung von Professoren hat leider dazu geführt, dass viele aus dieser Gruppe mit dem Gesetz zufriedener sind als die anderen Universitätsangehörigen.“

Zutiefst undemokratisch
„Man war gar nicht an einem evolutionären Reformprozess interessiert“, konstatiert der Vorsitzende des Dienststellenausschusses des wissenschaftlichen Personals, Erwin Pochmarski. Die Organisation der Universitäten, wie sie das Reformgesetz vorsieht, sei zutiefst undemokratisch: „Der Rektor soll den Leiter der kleinsten Organisationseinheit ernennen, der Senat trifft ohne jede Tiefengliederung die Entscheidungen über 40 Studienrichtungen, es gibt keine Fakultäten mehr, und die Regierung ernennt zwei Mitglieder des Uni-Rates – da werden dann die Leute aus der Industriellenvereinigung reingesetzt, die für die Kommerzialisierung der Universitäten zuständig sind.“ Regina Lammer, die Dienststellenausschussvorsitzende der allgemein Bediensteten, warnt: „Alle Strukturen, die jetzt zerstört werden, müssen dann von uns mit Mehrarbeit aufgefangen werden“ – aber: „Wir dürfen nicht nur auf jene Punkte im Reformgesetz starren, die uns direkt betreffen – ich will auch im Interesse meiner Kinder keine Universitäten, deren Forschungsinhalte sich nur mehr an Konzernwünschen orientieren.“ Im nicht öffentlichen Teil der Dienststellenversammlung wird schließlich einstimmig eine Resolution beschlossen, in der die Bediensteten der Universität Graz den Gesetzesentwurf „mit aller Entschiedenheit und ohne Einschränkungen“ ablehnen und die mit den Worten schließt: „Der vorgelegte Entwurf bedeutet ein Ende der freien Universitäten in Österreich und degradiert sie zu autoritär geleiteten Ausbildungsfabriken.“

5000 Don Quichotes?
Bei der anschließenden Demonstration – der zweitgrößten in der Geschichte der Grazer Universitäten und wohl der ersten, an der nahezu überwiegend Lehrende teilnehmen – ziehen Studierende, Assistenten und Professoren durch die Innenstadt zur Burg. Landeshauptmann Waltraud Klasnic empfängt eine Delegation, die ihr die Resolution übergibt. Der grünen Wissenschaftssprecherin Edith Zitz, die von der Gewerkschaft ebenso wie ihre KollegInnen von den anderen Landtagsparteien zur Teilnahme an der Übergabe gebeten wurde, wird zunächst – unter anderem vom Wissenschaftssprecher des Landes,
HR Peter Piffl-Percevic – der Zutritt zur Burg verwehrt. Schlechtes Gewissen angesichts der Tatsache, dass Percevic gemeinsam mit ÖVP-Wissenschafts-sprecher LAbg. Wolf Rauch noch wenige Tage zuvor eine äußerst positive Stellungnahme des Landes Steiermark zum Universitätsreformgesetz präsentiert hatte, die deutlich von den zuvor ergangenen kritischen Beurteilungen durch die Universitäten abwich? Jedenfalls mussten sich die 5000 Demonstrations-teilnehmerInnen am darauf folgenden Samstag auch noch gefallen lassen, in der ÖVP-Wochenzeitung „Die Steirische“ als „Don Quichotes“ abgekanzelt zu werden, die „gegen die Windmühlen der Universitätsreform“ in den Kampf zögen. So manchem gestandenen ÖAAB-Gewerkschafter mag da die Zornesader geschwollen sein …

Mündliche Zusagen
Die Streiks und Protestmärsche des 24. April in den österreichischen Universitätsstädten dürften jedenfalls ein wenig Wirkung gezeigt haben: Die Vorsitzende der Sektion Hochschullehrer in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, die Medizinerin Andrea Kdolsky, berichtet KORSO von einem Gespräch mit der Ministerin am 2. Mai: „Ich hatte den Eindruck, dass die deutliche Ablehnung an den Universitäten zum ersten Mal zu einem gewissen Umdenken geführt hat.“ Allerdings gebe es bis jetzt nur mündliche Zusagen, den Reformvorschlag zu entschärfen und die vier Forderungen der Gewerkschaft: „echte Autonomie, keine Entdemokratisierung, Arbeitsplatzsicherheit und klare Finanzierung“ zu berücksichtigen. Am 8. Mai soll eine schriftliche Neufassung der Gesetzesinitiative vorliegen – „dann werden wir sehen, ob wir Entwarnung geben können oder ob der Kampf weitergeht“. Bei dieser Auseinandersetzung hat die Partei der Bundesministerin, die traditionell einen großen Teil des universitären Klientels bindet und der auch viele der an vorderster Front kämpfenden Personalvertreter angehören, zweifellos mehr zu verlieren als ihr Koalitionspartner.

Christian Stenner, Romana Scheiblmaier

Was die Reform bringen soll – und was daran besonders kritisiert wird:

1. Die Universitäten sollen „in die Selbstverwaltung entlassen“ werden. Kritik: Von Autonomie kann keine Rede sein, weil im Universitätsrat als zentralem Entscheidungsgremium zwei Regierungsvertreter und auch sonst nur Universitätsfremde sitzen. Über Budgetierung und „Leistungsvereinbarungen“ gibt es genug Zugriffsmöglichkeiten für die Regierung.

2. Ein zentraler Uni-Rat soll an die Stelle der bisherigen Mitbestimmungs-Organe treten: Er soll alle Letzt-Entscheidungen über Studieninhalte und Budget treffen und hat 5 Mitglieder, 2 davon vom Senat der Universität (aber nicht aus dem Kreis der Universitätsangehörigen) gewählt, 2 vom Bildungsministerium eingesetzt, ein fünftes von den vier anderen Mitgliedern kooptiert. Hauptkritikpunkte: Es dürfen nur Universitätsfremde darin vertreten sein. „Ein Einfallstor für Lobbys aller Art“, kritisiert ein Grazer Universitätslehrer. Kompromissangebot des Ministeriums: Studienpläne sollen doch nur im Senat beschlossen werden. Dort verfügen allerdings die Professoren über die absolute Mehrheit, Studierende und Mittelbau haben wenig mitzureden. Der Mittelbau als zahlenmäßig größte Gruppe des wissenschaftlichen Personals wird von der Mitbestimmung ausgeschlossen und verliert den Anspruch auf Leitungspositionen. Hier soll es aber Abmilderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf geben. Die Studierenden verlieren jeden Einfluss auf Lehrinhalte und Berufungen.

3. Budget: Die Universitäten erhalten Budgethoheit. Aber: Die Budgets sollen eingefroren werden, gleichzeitig müssen die Unis die Lohnnebenkosten ihrer Bediensteten selbst tragen. Mehrkosten: geschätzte 30%. Der Grazer Bildungsökonom Gerhard Wohlfahrt: „Bis jetzt weiß niemand, um wie viel Geld es dabei genau geht und wer dafür aufkommen wird.“ Ein besonderes Problem stellt sich für die medizinischen Fakultäten: Sie müssen sich den inneruniversitären Budget-Verteilungskämpfen stellen, gleichzeitig aber auch die ihnen vorgeschriebenen Aufgaben der Gesundheitsversorgung wahrnehmen. Daraus resultierte der Wunsch nach Gründung eigener Medizin-Universitäten. Diese stünden dann allerdings, fürchten manche, unter dem Druck der Krankenanstalten-Träger, auf Forschung ganz zu verzichten. Aus diesem Dilemma resultiert der Kompromissvorschlag der drei medizinischen Fakultäten Österreichs, die eine Autonomie der Medizin unter dem Dach der Universitäten anstreben.

4. Dienstrecht: Die bisherigen Vertragsbediensteten werden zu Angestellten. Kritik: Auf der einen Seite sollen die Gehälter auf dem relativ niedrigen Beamtenniveau eingefroren werden, auf der anderen Seite gehen Kündigungsschutz und automatische Vorrückungen verloren. Die allgemein Bediensteten (das „nicht wissenschaftliche Personal“) verlieren wegen der Abschaffung der Kollegialorgane ihr Mitspracherecht zur Gänze.

Im Club Gesundheit der steirischen Ärztekammer (im neuen Veranstaltungs- und Fortbildungszentrum) diskutieren am
Mittwoch, dem 22. Mai ab 19.00 ausgewiesene Experten zum Thema: „Medizinische Universität – Chancen und Risken“
Horst von der Hardt, Rektor der medizinischen Fakultät Hannover
Günter Dörflinger, Gesundheitslandesrat
Wolfgang Schütz, Dekan der med. Fakultät Wien
Karlheinz Tscheliessnigg, Vorstand der Univ.-Klinik für Chirurgie, Graz
Lothar Zechlin, Rektor der KFU
Einleitung: Wolfgang Routil, Präsident der Ärztekammer Steiermark
Voranmeldung: aek@aek.stmk.or.at Fax: (0316)81 56 71