04 / 2002
  ... um die Gier nach Neuem stets aufs Neue zu entfesseln ...
Stiftingtaler Gespräch zum Thema "Arbeit, Gesellschaft und Märkte im Jahr 2005 ..."

Märkte der Zukunft werden die Möglichkeiten, "die Gier nach Neuem stets aufs Neue zu entfesseln" immer exzessiver nutzen, betont die Motivforscherin Helene Karmasin. Der dramatisch hohe Preis für das Mehr an benötigter Flexibilität und Mobilität der "marktorientierten“ Lebensformen ist der Umstand, dass Menschen keine längerfristigen Verpflichtungen eingehen können. Das hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, hier besteht ein Zusammenhang zwischen dem Schwinden nationalstaatlicher Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten und der Schwächung der Fähigkeit des Einzelnen, Verpflichtungen einzugehen. Das Bild "linearer" Lebensläufe beginnt zu verblassen, "Familie" bekommt unter diesem Aspekt neue Bedeutungsfacetten.

Neben dem die Marktlogik bestimmenden Prinzip des Eigennutzes ist eine funktionierende Gesellschaft immer auch auf  "Verteilung von Gaben" (common goods) angewiesen. Zu diesen Allgemeingütern kann man etwa Bildung und Gesundheit aber auch den Anspruch auf Mobilität zählen, so Karmasin. 
 

Karmasin: Dem "Marktmythos Jugend" stehen überaltete Kapitalhalter  gegenüber
 
 

"Souverän des Marktes ist auf jeden Fall nicht der Konsument." Diese Behauptung wird durch den jüngsten Angriff auf den Konsumentenschutz in Österreich (Stopp der Zuwendungen der Bundesregierung an den VKI) zu  trauriger Realität, insoferne man solche Entscheidungen als Kniefall der Politik gegenüber dem Markt verstehen muss. Zum umfassenden Konsumentenschutz gehört neben Qualitätsvergleich und -bewertung auch die ständige Aufklärung über das der permanenten Bedürfnisweckung zugrunde liegende Prinzip. Die Voraussetzungen dafür muss die Politik bereitstellen. 

Zukunftsprodukte
Die Symbolik des gemeinsamen Liebesmahles von Katze und deren Besitzerin ist in der Marketingstrategie der Katzennahrung "Sheba" nicht zu übersehen. Die Erzeugung solcher "emotionalen Komponenten", der "Dresscodes", der sprachlichen Einkleidung von Produkten erfolgt in anderen Zusammenhängen als jenen der physischen Herstellung des Gegenstandes selbst. Der Handel mit diesen "Konnotationen" von Produkten wird umso bedeutsamer, je selbstverständlicher (und bedeutungsloser) die urspüngliche Funktion des Produkts selbst wird. Nicht nur die Dinge des alltäglichen Bedarfs und Umgangs, sondern auch Investitionsgüter, deren Planung und Anschaffung vorgeblich streng rationalen Kriterien unterliegen, gelangen zunehmend in eine Bewertung ihrer Notwendigkeit außerhalb eines rein ökonomischen Kontexts. So haben sich etwa beim technischen Equipment für Laboratorien von Forschungseinrichtungen Marken durchgesetzt, die sich von ihren Konkurrenzprodukten weniger durch Qualität als vielmehr durch die bessere Marketingstrategie unterscheiden.

Zugangsbarrieren für Modernisierungsverlierer
Für den Medienexperten Josef Broukal bedeutet das Internet bereits jetzt so etwas wie "die unsichtbare Grundlage der modernen Industriegesellschaft". 3,15 Millionen ÖsterreicherInnen verfügen gegenwärtig über Zugang zum Web, 400 Millionen sind es weltweit. Mit der Zunahme der Datenübertragungsgeschwindigkeiten werden sich neue Möglichkeiten im Internet erschließen. Mit diesem rasanten Bedeutungszuwachs der Informationstechnologie wächst auch die Gefahr des Auseinanderfallens der Gesellschaft in Modernisierungs"teilnehmer" und "-verlierer". 
 

Medienexperte Josef Broukal: Information "zerstört" Wissen
 
 

Arbeiterkammerpräsident Walter Rotschädl sieht in den 1,54 Millionen allein im Jahr 2000 aufgelösten Arbeitsverhältnissen das deutlichste Zeichen für  gesellschaftlichen Wandel. Diese Veränderungen haben mehrere Ursachen: Globalisierung und EU-Beitritt auf volkswirtschaftlicher, die generellen Weichenstellungen für den freien Markt auf politischer Ebene sind als die wichtigsten Gründe zu nennen. Die Entwicklung der neuen Medien und Kommunikationstechnologien macht einen "Arbeitsplatz außerhalb der eigenen vier Wände" in vielen Fällen überflüssig.
 

AK-Rotschädl: Neue Medien als treibende Kräfte des gesellschaftlichen Wandels
 
 



10 Jahre Rechtsschutz von der steirischen AK
63 Mio Euro konnte die steirische AK für Dienstnehmer während der vergangenen zehn Jahre in Sozial- und Arbeitsrechtsverfahren erstreiten, eine Summe, "die ohne unser Einschreiten unseren Mitgliedern, den steirischen ArbeitnehmerInnen, mit Sicherheit verloren gegangen wäre", betont AK-Präsident Walter Rotschädl.
In Arbeitsrechtsauseinandersetzungen ist eine Zunahme des Anteils jener Verfahren auffällig, in denen auch die Abfertigungsfrage eine Rolle spielt. "Wenn nur 27% aller Beschäftigungsverhältnisse länger als drei Jahre dauern, bedeutet ein Anteil von 11%  Abfertigungsstreitigkeiten praktisch, dass bei nahezu der Hälfte der relevanten Fälle auch um Abfertigungen gestritten wird", dokumentiert AK-Arbeitsrechtsreferent Dr. Wolfgang Bartosch. In zehn Jahren wurden 14.800 Arbeitsrechts- und 19.500 Sozialrechtsklagen eingebracht. In Insolvenzverfahren wurden knapp 38.000 ArbeitnehmerInnen vertreten. Etwa das Dreifache machen jene Beratungsfälle aus, die rechtlichen Interventionen vorausgingen oder solche  überflüssig machten.
 

 
APRIL-AUSGABE
WITSCHAFT UND ARBEIT