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„Statt
Steuerreform in den Arbeitsmarkt investieren“
Mit ÖAAB-Obmann Landesrat Hermann Schützenhöfer sprach KORSO-Herausgeber
Christian Stenner über Perspektiven der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik.
Herr Landesrat, Sie haben zu verschiedenen zentralen politischen
Fragen Positionen eingenommen, die deutlich von der Linie der Bundesregierung
abweichen; ich denke da an Ihre Aussagen zur Steuerreform und zum
Sozialstaatsvolksbegehren. Sehen Sie sich als Gegner des neoliberalen
Zeitgeistes?
Ich bin alles andere als ein Wirtschaftsliberaler; mein Wunsch
ist, dass sozial gerechte Politik gemacht wird. Die Regierung, die
ich unterstütze, ist angetreten, generationenübergreifend zu denken
und nicht bloß auf Wahlen zu schielen. Diesen Kurs soll man jetzt
nicht verlassen. Eine Steuerreform, die auch den kleinen Einkommensbeziehern,
etwas bringt – ich bin ja dagegen, dass man nur die Lohnnebenkosten
senkt, die im Übrigen durch die Abfertigung neu gerade gesenkt werden
– kostet gut und gern 2 Mrd Euro, das ist nicht drinnen, die Menschen
müssten das in den Jahren darauf doppelt zurückzahlen. Wenn aber
tatsächlich ein finanzieller Spielraum vorhanden ist, dann ist es
mir lieber, dass man in den Arbeitsmarkt investiert – z.B. in ein
Beschäftigungsprogramm für junge Menschen. WIFO und IHS sagen ja
voraus, dass die Arbeitslosigkeit heuer trotz Konjunkturerholung
steigen wird. Hier muss man gegensteuern statt Zuckerln zu verteilen,
die man ohnehin nicht hat.
Sie haben betont, dass das Ergebnis des Sozialstaatsvolksbegehrens
weder eine Bestätigung noch eine Abfuhr für die Regierung darstellt
– welche Schlüsse soll die Politik nun daraus ziehen?
Zunächst: Ich habe das Volksbegehren nicht unterschrieben, weil
ich den Eindruck hatte, es sei als Abstimmung gegen die Regierung
gedacht. Dennoch: Wären die Initiatoren nicht so naiv gewesen, sich
eine Latte von 1 Mio Stimmen zu legen, sondern hätten sie sich mit
der Hälfte begnügt, dann wären 717.000 Stimmen zweifellos als gutes
Ergebnis gewertet worden. Wenn jetzt das Resultat als Beweis dafür
interpretiert wird, dass ohnehin alles in Ordnung sei, dann muss
ich mich zu Wort melden und sagen: So ist es nicht, wir müssen mit
größter Sensibilität am Sozialstaat weiterbauen. Dazu wird auch
eine programmatische Grundsatzdebatte zu führen sein. Politik wird
heute ja leider zunehmend von der Hand in den Mund gemacht, wir
sind arm an programmatischer Arbeit geworden. Der ÖAAB versucht
hier gegenzusteuern. Wir werden ein Jahr lang zu 5 Schwerpunkten
– Arbeit, Werte, Bildung, Soziales und Gesundheit – Arbeitsgruppen
führen, deren Ergebnisse auch in der ÖVP diskutiert werden sollen.
Ihr Vorschlag einer Ausgleichsabgabe für Betriebe, die keine
Lehrlinge ausbilden, hat zu einer heißen Auseinandersetzung zwischen
dem Arbeitnehmer- und dem Unternehmerflügel der ÖVP geführt – das
ging bis hin zur Behauptung, eine solche Lenkungsmaßnahme werde
den Wirtschaftsstandort Österreich kollabieren lassen …
Diese Auseinandersetzung war von einer Reihe von Missverständnissen
geprägt und ist nun innerparteilich ausgeräumt. Letztendlich will
auch die Wirtschaft in diesem Bereich einen Ausgleich schaffen.
Ich denke, ein solcher liegt auch im Interesse der Klein- und Mittelbetriebe,
die Fachkräfte ausbilden, die dann von Großbetrieben abgeworben
werden. Landesrat Paierl hat jetzt die Wirtschaftskammer gebeten,
einen Vorschlag auszuarbeiten, und ich hoffe, dass wir binnen eines
Jahres zu einem Ergebnis kommen.
Sie haben auch die Forderung nach einem Mindestlohn von 1000
Euro erhoben – wäre angesichts der Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse
nicht eher ein Basiseinkommen angebracht?
In Österreich leben immerhin 300.000 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer
– vor allem Frauen – deren Einkommen unter diesen 1000 Euro liegt.
Natürlich muss man genau schauen, ob die betroffenen Unternehmen
sich diesen Mindestlohn wirklich leisten können; hier sind innovative
Modelle – etwa der Erlass von Abgaben – gefragt. Ich bin durchaus
aufgeschlossen für die Diskussion über ein Basiseinkommen, aber
ich halte das Mindestlohn-Modell von meinem Zugang zur Arbeitswelt
her für folgerichtiger. Ein Grundsatz der katholischen Soziallehre
lautet ja, dass der Arbeiter um seiner Selbstachtung willen Einkommen
durch eigene Arbeit haben will. Geht das nicht, ist das Modell des
Basiseinkommens zu diskutieren.
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