LG Philips Lebring:
Ein Multi hat sich's gerichtet
Im Dezember 1998, nach der Ankündigung der Einstellung der TV-Bildröhrenproduktion
bei Philips Lebring, titelte KORSO: "Ein Multi kann sich’s richten". Die
österreichischen Steuerzahler hatten zu diesem Zeitpunkt einen Beitrag
von zumindest 145 Mio in alter Währung zum 30-Mrd-Gewinn des Konzerns
geleistet, diverse indirekte Förderungen über Grundstückskäufe
und Naturalleistungen sowie Annuitätenzuschüsse für Kredite
noch nicht mitgerechnet. Nun wird das Werk endgültig geschlossen.
Wie beurteilen Experten im Nachhinein diese massive Subventionierung
eines global players, und was soll mit den betroffenen ArbeitnehmerInnen
passieren?
"Heute würde man vorsichtiger zu Werke
gehen."
Mag. Karl Snieder, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung
der AK, analysiert nüchtern: "Historisch betrachtet hat man mit Wirtschaftsförderungsmitteln
versucht, den internen Wettbewerb der Philips-Standorte für die Steiermark
zu entscheiden.
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AK-Volkswirt Mag. Karl Snieder:
Präferenz für innovative,
am regionalen Markt verankerte Unternehmen
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Es war auch der Landespolitik nicht wirklich wohl dabei, aber die einzige
Alternative wäre gewesen, die Produktion auslaufen zu lassen und festzustellen:
Der Markt hat gegen uns votiert. Heute, wo das Bewusstsein Platz gegriffen
hat, dass Maschinen nahezu ebenso leicht wie Kapital transferierbar sind,
würde man vorsichtiger zu Werke gehen." Die Alternative sei, Anreize
für Gründer zu schaffen und keine verlängerten Werkbänke,
sondern innovative, am regionalen Markt verankerte Unternehmen anzusiedeln
– "kleine und mittlere Unternehmen, die aber durchaus auch Präsenz
am Welt- oder zumindest am europäischen Markt anstreben."
Dr. Hans Jaklitsch, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung
der Wirtschaftskammer Steiermark, kommt zu ähnlichen Schlüssen:
"Die hohen Förderquoten in der Steiermark waren ein Beitrag zum Umstrukturierungsprozess,
dass wir heute etwas anderes tun müssen, ist klar." Der südsteirische
Raum sei nicht isoliert zu betrachten, "Graz muss ausstrahlen."
Rückzahlungen eher unwahrscheinlich
Sowohl das Land Steiermark als auch der Bund werden Rückzahlungsforderungen
für die ausgeschütteten Förderungen erheben, aus dem Büro
von Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein verlautet, man
verlange sämtliche 78 Mio Schilling zurück, die aus Mitteln der
aktiven Arbeitsmarktpolitik an Philips Lebring ausgeschüttet wurden.
Die Chancen für Rückzahlungen stehen allerdings schlecht,
weil das Unternehmen einen Großteil der sehr milden und immer wieder
nach unten korrigierten Beschäftigungs-Auflagen erfüllt hat,
die – wen wundert's – genau mit 31.12.2002 auslaufen, also jenem Tag, an
dem die endgültige Schließung des Werkes erfolgen soll.
Viele ältere Beschäftigte
Ins völlige Nichts werden die 770 von der Schließung betroffenen
ArbeitnehmerInnen nicht fallen: Eine Unternehmensstiftung soll laut Wirtschaftsministerium
bis zu 700 Personen aufnehmen. Damit würden auch die bei der LG Philips
Lebring in hoher Zahl beschäftigten LeiharbeiterInnen in den Genuss
der bis zu vier Jahre dauernden Qualifikationsmaßnahmen und des ebenso
lange ausgezahlten Schulungsarbeitslosengeldes kommen – sofern die "Arbeitskräfteüberlasser"
gewillt sind, in den Stiftungstopf einzuzahlen (was bis jetzt noch nie
der Fall war). Mag. Karl Heinz Snobe vom AMS Steiermark fürchtet
vor allem um die Zukunft der älteren Beschäftigten: "Der gesamte
Einsatz des AMS und des Ministeriums für die älteren ArbeitnehmerInnen
wird konterkariert, wenn der Markt sie ausscheidet; und bei Philips Lebring
gibt es relativ viel ältere Beschäftigte mit zum Teil veralteten
Qualifikationen. Ich bin aber doch optimistisch, weil Minister Bartenstein
eine nicht unbeträchtliche Förderungssumme zur Stützung
der strukturschwachen Region zugesagt hat."
Lohnverzicht hat nicht geholfen
Konkret sind von Ministerium und Land Steiermark 10 Mio Euro Direktzuschüsse
vorgesehen; diese Summe reiche für die Schaffung von bis zu 700 Arbeitsplätzen.
Zusätzlich stehen ERP-Kredite in der Gesamthöhe von 21,8 Mio
und Bürges-Besicherungen in der gleichen Höhe zur Verfügung.
Der steirische Metaller-Sekretär LAbg. Kurt Gennaro sieht
die Förderungszusagen nicht uneingeschränkt positiv: "Der öffentlichen
Hand bleibt jetzt natürlich gar nichts anderes übrig als Subventionen
auszuschütten und wir müssen froh darüber sein. Aber ich
fürchte, dass in Kürze wieder der gleiche Kreislauf beginnt wie
bei Philips: Die Arbeitnehmer müssen still halten und unter dem Argument
von Weltmarkt- und Preiseinbrüchen Lohnkürzungen hinnehmen –
bei Philips haben die Arbeiter zuletzt auf bis zu 3000 Schilling monatlich
verzichtet. Geholfen hat's letztendlich nicht. Bei der Förderung der
Multis geht so viel Geld drauf, dass für die kleineren und mittleren
Unternehmen kaum Geld übrig bleibt."
"Eine neue Zukunft voller Herausforderungen"
Mit der Schließung des Werkes Ende 2002 stellen sich zumindest
zwei Fragen. Die erste: Was hat Philippe Combes, CEO der Philips
Display Components, noch vor wenig mehr als einem Jahr gemeint, als er
anlässlich der Fusion von PDC und der koreanischen LG den Beschäftigten
in einem Schreiben mitteilte, er sei davon überzeugt, dass das neue
Unternehmen "den Mitarbeitern von Philips und LG eine neue Zukunft voller
Herausforderungen bringen wird"? Die zweite Frage sollte auch die Politik
interessieren: Wird LG Philips die mit dem Geld der österreichischen
SteuerzahlerInnen gekauften Maschinen in ein Billiglohnland verfrachten,
um die Produktion dort weiterzuführen – oder werden sie schlichtweg
verschrottet werden?
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