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Multikulturalität und Interkulturelles Lernen an Grazer Schulen (November 1999)
   
   
   
Joachim Hainzl:Interkulturelles Lernen - Konflikte, Chancen und Perspektiven.
Bereits seit Jahrthunderten ist das rechte Murufer als Vorstadt mit seinen Bezirken Lend und Gries jener Teil von Graz, in dem stets ein überproportionaler Anteil armer und unterpriviligierter Menschen anzutreffen ist. Im letzten Jahrhundert vermerkte ein steirischer Chronist, dass es in Graz gleichsam zwei Städte gäbe, deren Bewohner nur durch den Fluss getrennt seien und dass es nicht leicht sei, von einer Flussseite auf die andere zu wechseln. Daran scheint sich bis heute nicht sehr viel geändert zu haben. - Einblicke in die aktuelle Diskussion, rund um einige Schulen am rechten Murufer in Graz. 
   
     
 
   
"Die inländischen Eltern sind nicht vor den vielen ausländischen Kindern davon gelaufen, sondern vor den unbefriedigenden Bedingungen, unter welchen der Unterricht in dieser Konstellation durchgeführt werden mußte." 
Christa Scherkl ist Lehrerin jener 1. Klasse in der Volkschule Grenadiergasse, deren hoher Anteil an Migrationskindern zu Beginn dieses Schuljahres Auslöser für Elternproteste und Diskussionen in der Öffentlichkeit war.
 
"Ich selbst würde von jenen Migrationskindern, die sich in unserer Schule anmelden, keines weggeben."
Renate Gottschuli ist Direktorin der Afritschschule, einer weiteren Volksschule am rechten Murufer mit einem Anteil  von über 55% Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache. Sie erzählt von ihren positiven Erfahrungen mit Interkulturellem Lernen und von der Attraktivität besonderer Lehrangebote, etwa durch einen Native Speaker für den Englischunterricht.
 
"Wir haben vor zwei Jahren beschlossen, etwas zu unternehmen und haben ein Schulentwicklungskonzept ausgearbeitet, unter dem Motto "Eine Welt - eine Schule". Christa Raffold, Direktorin der Volksschule Gabelsberger undBeatric Likowetz, Obfraustellvertreterin des Elternvereins berichten über die positive Prägung ihrer Schule durch das Interkulturelle Lernen. 

"Für uns ist es wichtig, entsprechende Zusatzangebote zu haben, um vor allem das Abwandern in die AHS abzufangen und für die österreichischen Eltern weiterhin attraktiv zu bleiben."
Frau Irmingard Otto ist Direktorin der Hauptschule St. Andrä. Frau Josefine Kristoferitsch ist Lehrerin an dieser Hauptschule und verweist auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen. 
     
 

"Es melden sich in den Bezirken Gries und Lend immer mehr österreichische Familien ab, bei gleichzeitigem Zuzug ausländischer Familien."
Ein Gespräch mit Stadtschulrat Dr. Herbert Just und Bezirksschulinspektorin Dietlinde Leder über zukünftige Möglichkeiten und Perspektiven der Integration von ausländischen SchülerInnen in Schulen am rechten Murufer.

"Jedoch treten immer wieder Fälle auf, dass Schulen bzw. Lehrpersonen die Anmeldung zum mutterspachlichen Unterricht für nicht deutschsprachige SchülerInnen sabotieren."
Über Angebote für Migrationskinder und ihre Umsetzung im Schulalltag berichtet Dr.Gottfried Kerschbaumer, Leiter der Schulberatungsstelle für AusländerInnen/MigrantInnen beim steirischen Landeschulrat.

Über die ungleiche Verteilung von AusländerInnen auf den beiden Murufern und mögliche Versäumnisse von Seiten der Stadt Graz befragten wir Stadträtin Tatjana Kaltenbeck (SPÖ), die GemeinderäteMag. Eva-Maria Fluch (ÖVP), Mag. Irmtraud Peternell (FPÖ) undMag. Hermann Candussi (Die Grünen) sowie den Schulausschuss-Sprecher der KPÖ, Gert Wagner.

Wie groß ist der Anteil von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache am rechten Murufer tatsächlich und in welchem Umfang wird dort ein Interkultureller Unterricht angeboten? Welche Muttersprachen neben Deutsch haben ausländische Kinder in Grazer Schulen?
Antworten darauf geben aktuelle Statistiken, welche uns dankenswerterweise vom Grazer Stadtschulrat und der Schulberatungsstelle für AusländerInnen/ MigrantInnen  zur Verfügung gestellt und von uns aufbereitet wurden.

Was sind die gesetzlichen Grundlagen schulischer Maßnahmen für SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache als Deutsch? 
Das Referat für Interkulturelles Lernen (Mag. Elfie Fleck und  Mag. Gila Dibaian) im BMUK hat diesbezüglich ein umfangreiches und sehr informatives Informationsblatt herausgegeben, das zuletzt im September 1999 aktualisiert wurde.
     
 

"Wenn ausländische SchülerInnen nur unsere Sprache und unsere "Kultur" (ganz bewusst unter Anführungszeichen) zu lernen und zu erlernen haben, dann ist das das alte Konzept der Assimilationspädagogik."
Dr. Wladimir Wakounig vom Klagenfurter Universitätsinstitut für Erziehungswissenschaften und Bildungsforschung spricht sich für Interkultuelles Lernen als allgemeines Unterrichtsziel und wendet sich vehement gegen diskriminierende Maßnahmen gegenüber Migrationskindern. Für ihn ist das sogenannte "busing-system", also das Verteilen von Kindern auf andere Schulstandorte, als die ihnen nächstliegenden "eine ungeheuerliche Ungleichbehandlung der Fremden". 

"Der politische Wille zur "echten" Integration der Zuwandererkinder scheint mir zur Zeit nicht gegeben."
Dr. Rudolf Muhr vom Grazer Universitätsinstitut für Germanistik ist Verfasser eines Rahmenplanes zur schulischen Betreuung von Migrationskindern, welchen er 1995 im Auftrag des steirischen Landesschulrates erarbeitet hat. Er berichtet über die Hintergründe, warum dieser Plan nicht umgesetzt wurde und über seine Vorschläge zur Verbesserung der interkulturellen Integration an Grazer Schulen.
Hier finden Sie die speziell für diesen Schwerpunkt vom Autor überarbeitete Fassung dieses Rahmenplanentwurfes.

"Nicht-Integration bringt gesellschaftlich nichts. Die Integration hingegen ist die beste Investition für mehr Sicherheit in unserer Gesellschaft. Hier Rückenwind zu erzeugen ist Aufgabe der Politik."
Caritaspräsident Franz Küberl verwehrt sich dagegen, dass  Integration von AusländerInnen als beinahe unlösbares Problem betrachtet wird und benennt jene gesellschaftlichen Bereiche, in welchen er sich vermehrt integrative Schritte wünschen würde. 

"Bei der Sitzung der Magistratsstellen und der Projekte war der mehrheitliche Tenor, dass es eine Reihe von Projekten gibt, die Integration fördern, die teilweise ja laufen, aber nie ausreichend, wenn überhaupt finanziert werden."
Irene Windisch von Danaida, einer Grazer Bildungs- und Treffpunkteinrichtung für ausländische Frauen,  berichtet über die erfolglosen Subventionsansuchen für eine bereits konzipierte und teilweise finanzierte Betreuungsstelle für Migrantenkinder in Graz.

"Wie Angst unser Verhalten beinflusst."
Gert Wagner ist Mitarbeiter des Grazer Vereines Omega, welcher im letzten Schuljahr ein EU-Projekt in zwei Grazer Schulen durchgeführt hat. Weiters berichtet er über die Situation von Zuwandererkindern in Schweden sowie über die dortigen Integrationsmaßnahmen an Schulen.

"Unfair gegenüber den ausländischen Eltern finde ich, dass diese, da sie kaum Zeitung lesen, keine Reaktionsmöglichkeit haben, auf diese öffentlich und medial vorgebrachten negativen Berichte zu reagieren."
Dr. Nuray Richter-Kanik und die weiteren Teammitglieder der Interkulturellen & offenen Jugendarbeit von ISOP (Mag. Robert Kozak, Mag. Goranka Matic und Markus Neubauer) bieten Einblicke in ihre interkulturelle Arbeit, hauptsächlich im Hauptschulbereich an Grazer Schulen.

"Es geht nicht an, dass man auf rassistische Übergriffe nur reagiert. Es gilt, ihnen vorzubeugen. Deshalb ist für die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Daueraufgabe, die über Projekte wie zB 'Interkulturelles Lernen', 'Schule ohne Rassismus', 'Dialog der Generationen', 'Zeitzeugengespräche' und zahlreichen anderen Aktivitäten hinausgehen. Die Projektarbeit darf auch nicht nur auf Einzelaktivitäten am Rande beschränkt sein, sie gehört mitten in unsere Arbeit, in unseren Alltag.
Gottfried Reyer ist Mitarbeiter der steirischen ARGE Jugend gegen Rassismus.
     
 

Weiterführende Links
Die Reise im Internet zum Thema "Interkulturelles Lernen"  führt uns zu innovativen Modellprojekten in Wien, Vorarlberg und Berlin sowie zu verschiedenen Konzepten und Theorien zu Multikulturalität, Interkulturellem und Globalem Lernen.