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korso
Graz aktuell |
Das
Informationsmagazin
der Steiermark
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12/2003
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Vom Elend in Graz Die
neoliberal inspirierte Interessen-Politik hat’s geschafft: Soziale
Unsicherheit und Verelendung sind keine Randgruppen-Phänomene mehr.
Das ist das Ergebnis der jüngst erschienenen Studie: „Das ganz alltägliche
Elend – Begegnungen im Schatten des Neoliberalismus“, die unter
der Leitung der Grazer Kulturanthropologin Elisabeth Katschnig-Fasch
stand und jüngst im Beisein des Genfer Soziologen und Bourdieu-Schülers
Franz Schultheis präsentiert wurde.
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Die Studie und ein Gespräch mit Prof. Schultheis waren
für KORSO Anlass für eigene Recherchen – das Ergebnis ist deckungsgleich:
Hinter der (klein)bürgerlichen Event-Fassade der Kulturhauptstadt
zeigen sich – wie überall in Europa – Verwerfungen im sozialen Gefüge,
die immer breitere Gesellschaftsschichten betreffen.
„Was Armut, Prekarität und Verunsicherung genau bedeuten, hängt
immer auch vom jeweiligen gesellschaftlichen Zusammenhang ab“, betont
Schultheis im KORSO-Gespräch. „Der zynische Verweis, dass wir uns
doch glücklich schätzen müssen in einem reichen Lande zu leben,
lässt uns übersehen, wie weit die Lebenschancen auch bei uns auseinander
klaffen.“ Pierre Bourdieu habe mit seinem Buch „Das Elend der Welt“
unter anderem deutlich gemacht, dass Menschen trotz eines gewissen
Maßes an materieller Sicherheit an den gesellschaftlichen Bedingungen
leiden können.
Drinnen oder draußen
Genau das ist auch eines der Ergebnisse der Studie von Prof. Katschnig-Fasch.
23 GrazerInnen geben darin in Tiefen-Interviews preis, wie sie versuchen,
mit einer von unsicheren Arbeitsverhältnissen geprägten Situation
zurechtzukommen, ihren erarbeiteten Status aber dennoch nicht halten
können. Katschnig-Fasch: „Die Beschwichtigungsformel, es doch schaffen
zu können, wenn man nur will, die funktioniert nicht mehr. … Dabei
sein oder nicht dabei sein, drinnen oder draußen, das ist die entscheidende
Frage.“
Eine von dreitausend
In der Biografie der technischen Zeichnerin Katharina S. (Name geänd.)
fokussieren sich die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen
Veränderungen der letzten Jahrzehnte wie in einem Brennglas. Die
Tochter einer österreichischen Mutter und eines Vaters aus Lemberg
verbrachte ihre Kindheit und Jugend in der damaligen Sowjetunion,
kam 1972 mit knapp 20 Jahren nach Graz und wurde österreichische
Staatsbürgerin. Die allein erziehende Mutter zweier inzwischen erwachsener
Söhne – beide haben studiert und leben jetzt in Frankreich – arbeitete
lange Zeit als Russischlehrerin und dann seit Ende der 80er fast
10 Jahre als technische Zeichnerin mit einem durchaus ansehnlichen
Nettoverdienst von ca. 25.000,-- Schilling. 1997 wurde die inzwischen
46-Jährige entlassen: Der Betrieb, ein führendes österreichisches
Bauunternehmen mit Firmensitz im Großraum Graz, war 1994 von einer
anderen transnational agierenden Firma übernommen worden. Von ca.
4500 Beschäftigten österreichweit wurden in mehreren Entlassungswellen
3000 „freigesetzt“; schlussendlich blieben ca. 450 MitarbeiterInnen.
Auf der Firmenhomepage heißt es dazu im Stil der Zeit: „Eine schlanke
Organisation ermöglicht flexibles, markt- und kundenorientiertes
Handeln.“
Katharina S. >
„Wenn mein Kühlschrank kaputt wird, dann bedeutet das einen Monat
hungern“
Zu alt und überqualifiziert
Nach ihrer Entlassung war Katharina S. fünf Jahre lang arbeitslos.
Sie nahm an Weiterbildungskursen teil, verschickte unzählige Bewerbungen
und war bald bereit, jede Arbeit anzunehmen, auch wenn diese weit
unter ihrer Qualifikation gelegen wäre. Ihre Bemühungen blieben
dennoch ohne Erfolg. Wenn sie überhaupt Antworten auf ihre Bewerbungsschreiben
erhielt, so war der Inhalt deprimierend: Der noch nicht einmal 50-Jährigen
wurde mitgeteilt, sie sei zu alt, oder auch: „Sie sind überqualifiziert“.
Ihre AMS-Betreuer hätten sich zwar sehr bemüht, aber: „Was sollen
die denn machen, wenn es keine Stellen gibt?“
„Es ist möglich, dass ich nie mehr Arbeit finde.“
Nach einer langen Zeit der Arbeitslosigkeit schöpfte S. wieder Hoffnung,
als sie 2002 die Möglichkeit bekam in einem Projekt für Langzeitarbeitslose
mitzuarbeiten. Die darauf folgenden eineinhalb Jahre waren „eine
gute Zeit“. Die Arbeit war interessant, das Klima unter den Kollegen
gut, auch ihre finanzielle Lage entspannte sich etwas. Mitte November
2003 lief das Projekt aus, Katharina S. ist wieder arbeitslos: „Ich
muss eben so lange suchen, bis ich etwas finde. Gleichzeitig ist
mir klar, dass es durchaus möglich ist, dass ich nie mehr Arbeit
finde. Wenn man das weiß, führt nicht jede Absage in die Depression
– wenn man einmal depressiv ist, kommt man da nie wieder heraus.“
Anstellen ums Halbpreis-Brot
Katharina S. musste jahrelang mit ca. 9000,-- ATS Notstandshilfe
auskommen; auch während ihrer Arbeit in dem Beschäftigungsprojekt
verdiente sie nicht viel mehr. Sie lebt im Bezirk Gries in einer
40-Quadratmeter-Substandard-Wohnung, für die sie inklusive Betriebskosten
und Strom ca. 300,-- Euro bezahlt. Sie fürchtet, dass sie sich auch
diese „irgendwann nicht mehr leisten kann“. Sie studiert alle Sonderangebote
und fährt durch die halbe Stadt, wenn es irgendwo Waschmittel im
Sonderangebot gibt. Brot kauft sie nur nach 18.00, am Samstag nach
12.00 oder in einem der zwei Geschäfte, wo es Brot vom Vortag zum
halben Preis gibt. Dort hat sie auch festgestellt, dass es immer
mehr Leute werden, die es ihr gleichtun. Früher sei das Brot vom
Vortag nie ausverkauft gewesen, jetzt sei es das fast täglich. Sie
kennt auch jene – immer größer werdende – Gruppe von Leuten, die
sich schon eine halbe Stunde vor 18.00 anstellen, damit sie vielleicht
einmal ein Stück Kuchen billiger bekommen.
Früher waren die Raten kein Problem
S. finanzielle Situation ist zusätzlich durch Schulden belastet.
Zur Finanzierung der Ausbildung ihrer Kinder hatte sie einen Kredit
von 200.000,-- Schilling aufgenommen. Damals waren die Raten kein
Problem, jetzt belasten die 150 Euro Rückzahlung pro Monat ihr Budget
enorm. Ihre Erfahrung deckt sich mit der Diagnose von Mag. Christof
Lösch, Geschäftsführer der SchuldnerInnenberatung Steiermark:
„Den Menschen wird das Produkt ,Leben mit Schulden’ angepriesen,
aber gleichzeitig befinden sie sich in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen;
wenn sie dann plötzlich weniger verdienen oder arbeitslos werden,
wird es schwierig für sie die Schulden zurückzuzahlen.“
Flexibilität über alles
Über ihre Rolle als allein erziehende Mutter will Katharina S. nicht
viel erzählen. Dass sie zu dritt mit 40 Quadratmetern Wohnfläche
auskommen mussten und die Familie nicht ohne Kredit ihr Auskommen
finden konnte, spricht dafür, dass ihre Situation als Alleinverantwortliche
für die beiden Söhne auch früher trotz ihrer relativ gut bezahlten
Beschäftigung nicht einfach war. Für die oben genannte Studie hat
Bernhard Wolf eine andere Alleinerzieherin zu ihrer Situation
befragt. Das Hauptproblem für die Akademikerin Edith war der nahezu
unauflösbare Widerspruch zwischen der Betreuung ihres Kindes und
den Anforderungen eines Fulltime-Jobs: „Da wird der finanzielle
Aufwand dann so groß, dass ich dann effektiv frage: Wie viel bleibt
dann mir, nicht? Auch wenn ich gar nicht so schlecht verdient habe.
Es kostet so unheimlich viel, wenn ich für jeden Pieps irgendwen
zahlen muss … und die Kinder leiden trotzdem sehr darunter, dass
die Mutter auf einmal voll weg ist.“ Dr. Ingrid Franthal
vom Frauenservice Graz konstatiert: „Für arbeitslose Alleinerzieherinnen
wird es immer schwieriger eine passende Arbeitsstelle zu finden.
Es wird immer mehr zeitliche Flexibilität verlangt, gleichzeitig
gibt es aber viel zu wenige Kinderbetreuungseinrichtungen mit entsprechenden
Öffnungszeiten.“ Und: „Wir können den Frauen, die zu uns kommen,
immer weniger Hilfe anbieten, da immer mehr Projekte gekürzt und
gestrichen werden.“
Unterhaltungsangebot: Spazierengehen
Katharina S. hat Angst vor weiteren gesetzlichen Verschlechterungen,
vor der von der Regierung angedrohten Umwandlung der Notstandshilfe
in Sozialhilfe und vor damit in Zusammenhang stehenden Pensionskürzungen.
Sie fürchtet – zu Recht – dass dann ihre Kinder zur Finanzierung
ihres Lebensunterhaltes herangezogen werden könnten und ängstigt
sich vor einer weiteren Verschlechterung ihres ohnehin minimalen
Lebensstandards: „Es reicht ja jetzt schon gerade zum Leben. Wenn
mein Kühlschrank kaputt wird, dann bedeutet das einen Monat hungern.
Es gehört doch zu einem lebenswerten Leben, dass man wenigstens
manchmal ins Kaffeehaus gehen kann. Wenn ich noch weniger Geld habe,
dann ist auch das nicht mehr drin, dann kann ich nur mehr spazieren
gehen.“
Die Verletzlichkeit des Menschen
Für Schultheis ist die derzeitige Verteufelung des Sozialstaates
„schlimmer als eine bloße Renaissance des Liberalismus des 19. Jahrhunderts:
Die Individualität, die wir entwickeln konnten, setzt ein gewisses
Maß an ,Sekurität‘ voraus. Deswegen sind die Menschen jetzt viel
verletzlicher, wenn sie plötzlich dem kalten Wind des Neoliberalismus
ausgesetzt sind. Außerdem existieren die vorsozialstaatlichen Formen
der familialen oder kommunalen Solidarität gar nicht mehr. Das gesellschaftliche
Klima wandelt sich, in immer stärkerem Maß wird sozialdarwinistischer
Druck ausgeübt.“
Franz Schultheis >
„Die neue Individualität macht die Menschen besonders verletzlich
gegenüber der neoliberalen Offensive“
Selbst schuld
Die Tabuisierung der neuen Armut führt zur Stigmatisierungs-Angst
bei den Betroffenen. Katharina S.: „Man darf ja nicht arm sein als
Österreicherin. Da hat man ja immer das Gefühl selbst schuld zu
sein.“ Katschnig-Fasch kommt in ihrer Studie zum selben Ergebnis:
„ … und gleichzeitig verkümmert im Kredo von flexiblen, von funktionierenden
und auch von ihrer Geschichte abgekoppelten mobilen Menschen die
Fähigkeit und die Sensibilität die wachsende Ungleichheit wahrzunehmen.
Die Tabuisierung unangenehmer gesellschaftlicher Realitäten und
Wahrheiten wird zur Normalität, in der die Opfer unerkannt bleiben
und soziales Mitgefühl erstickt oder in der prolongierten Selbstverantwortlichkeit
vergletschert.“ Der alkoholabhängige Bewohner des Vinzi-Dorfs hat
gegenüber der allein erziehenden Teilzeit-Mitarbeiterin eines Callcenters
eines voraus: sein Leiden an der Gesellschaft wird zumindest bemerkt.
Die „neuen Ausgegrenzten“ sind dagegen nahezu unsichtbar, die herrschende
Politik nimmt sie weder wahr noch kümmert sie sich um sie; der Anteil
der NichtwählerInnen unter ihnen ist laut Schultheis besonders hoch.
Manchmal allerdings sorgen sie für ein gehöriges Aha-Erlebnis –
wie jüngst bei den Grazer Gemeinderatswahlen.
Johanna Muckenhuber
Elisabeth Katschnig-Fasch (Hg.), Das ganz alltägliche Elend
– Begegnungen im Schatten des Neoliberalismus, Erhard Löcker
GesmbH, Wien 2003, 416 Seiten, 32 Euro KORSO verlost in Kooperation
mit dem Löcker-Verlag drei Exemplare des Buches beim KORSO-Kulturquiz!
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„Selbstmonumentalisierung“
statt Erhalt des Weltkulturerbes Stadtväter
und Tourismusmanager verweisen in Feiertagsreden gerne auf den der
Grazer Altstadt verliehenen Titel „Weltkulturerbe“. Der Umgang mit
diesem Erbe lässt aber gewaltig zu wünschen übrig – das war das Ergebnis
einer Reihe von Vorträgen von Altstadt-SpezialistInnen, KunsthistorikerInnen
und Vertretern des Handwerks beim Kongress „Erbschaft Altstadt“, der
Mitte November vom Institut für Kunstgeschichte der Karl-Franzens-Universität
Graz als Beitrag zum Programm der „Kulturhauptstadt 2003“ veranstaltet
wurde. |
„Der Titel ist Motto“, leitete der in Graz lehrende Kunsthistoriker
Univ.Prof. Dr. Johann Konrad Eberlein die Veranstaltung ein,
„denn eine Erbschaft ist etwas, was man ohne eigenen Verdienst bekommt.“
Univ.Prof. Dr. Wilfried Lipp, Landeskonservator von Oberösterreich
und Vorsitzender des österreichischen Nationalkomitees von ICOMOS
, des „International Council on Monuments and Sites“, rät Graz „trotz
bedauerlicher Vorkommnisse“ zu einer Neudefinition seines „Erbes“.
Nicht nur „Schönes“ ist erhaltenswert
Nur Authentizität und Originalität bestimmen den Wert von Kulturdenkmälern,
gibt Lipp die Richtung vor: „Heute wird aber meist nur das erhalten,
was für den Tourismus wichtig erscheint. So ensteht eine ,touristische
Monokultur‘, ein ,Disneyland‘.“
Nicht alles Erhaltenswerte sei ,schön‘ im herkömmlichen Sinn: „Bei
Bauwerken zählt auch die semantische Dichte, nicht nur die kunsthistorische
Qualität“, definiert der deutsche Kunsthistoriker Univ.Prof.
Leonhard Helten. „Die topographische Struktur und das Ensemble
eines intakten Stadtbildes müssen erhalten bleiben.“ – und zwar
auch aus Gründen der sozialen Hygiene: In Halle an der Saale gab
es nach der „Wende“ einen Wertewandel: Zunächst standen 14.000 Altbauwohnungen
wegen Unbewohnbarkeit leer. Inzwischen sind 28.000 Altwohnungen
saniert, die Identifikation der BürgerInnen mit „ihrer“ Stadt steigt.
Zeitbombe Dachbodenausbauten
Die alte Jesuitenuniversität, die Franziskanerkirche, das Grazer
Tramwaymuseum, die vom Abriss bedrohte Messehalle aus dem Jahr 1939
– alle diese Bauwerke haben eines gemeinsam: Sie haben aus handwerklicher
Sicht schöne und erhaltenswerte hölzerne Dachstühle – wie auch viele
Altstadthäuser. Altbausachverständiger Herbert Majcenovic:
„Mit den Dachbodenausbauförderungen verfügen wir über ein System
der ,geförderten Zerstörung‘„. Die ausgebauten Dachböden sind tickende
Zeitbomben, die Dachstühle werden wegen mangelnder Durchlüftung
kaum mehr als zwei Generationen überstehen.“ Majcenovic empfiehlt
dringend die Erstellung eines Grazer Dachkatasters und eines Regelwerks
für den Umgang mit Dachstühlen.
Den Dachrenovierungen in der Grazer Altstadt stellt der Grazer Kunsthistoriker
und Spenglermeister Mag. Günther Rath kein gutes Zeugnis
aus.„Alte Dächer haben Plastizität, Konturen“, so Rath, „in Graz
ist es etwa Tradition, den Dachfirst zu mörteln.“ Auch die Unregelmäßigkeit
der Dachziegel sei wichtig: unterschiedliche Farbgebung, unterschiedliche
Längen. Neumaterial muss patinieren können. „Jeder historische Ziegel
ist eine Kostbarkeit! Die ganze historische Dachlandschaft muss
erhalten werden, nicht nur denkmalgeschützte Dächer.“
Schleichender Identitätsverlust
Besondere Zerstörungen wurden in der Zeit zwischen 1965 und 1972
– vor dem Inkrafttreten des Altstadterhaltungsgesetz – angerichtet.
„Es gab es einen Streit wegen des Neubaus der Hauptbrücke“, erinnerte
Ulrike Schuster, Kunstvermittlerin und Publizistin „ein Ansuchen
um Verschonung der freigelegten alten Stadtmauern wurde vom Bürgermeister
abgeschmettert, beim Bau der Uferstraße wurde das Mauerwerk zerstört.“
Viele sehr alte Bürgerhäuser wurden in dieser Zeit weggerissen,
u.a. am Tummelplatz und am Andreas-Hofer-Platz Das Schauspielhaus
konnte gerade noch vor dem Abbruch gerettet werden.
Die Brücken von Graz sind nicht im, sondern erst nach dem letzten
Krieg zerstört worden, beklagt der steirische Landeskonservator
HR Dr. Friedrich Bouvier. Seine Liste der Vergehen gegen
das Weltkulturerbeprädikat ist lang: Thalia, Kommodhaus, Sackstraße
28/30 etc. Verloren gegangen sind auch die Glas-Eisenkonstruktion
beim Kaufhaus Kastner&Öhler, das Tierspital und viele alte Wohnhäuser.
„Die Reduzierung des Bestandes ist eine Wertminderung mit ökonomischen
Folgen. Beispiel dafür ist etwa das Palais Trauttmansdorff, wo seit
Jahren keine neue Infrastruktur entstehen will.“ Abgewendet wurden
Tiefgaragen unter dem Freiheitsplatz und dem Landhaushof, der Abriss
des Palais Kuenburg, des Brandhofs und des Ostbahnhofs. Auch modernes
Bauen könne und solle Qualität haben, versichert der oberste Denkmalschützer.
„Es muss heißen: Alt-plus-Neu statt Neu-statt-Alt!“
Sanierung rechnet sich
Univ.Prof. DDr. Oliver Karnau, Jurist und Kunsthistoriker
aus Münster, behandelte die Frage, ob Denkmalpflege sich rechnet.
„Sanierung ist in der Ausführung zunächst sicherlich teurer als
Neubau, allein weil nicht auf vorgefertigte Industrieprodukte zurückgegriffen
werden kann.“ Da der Anteil individueller, manueller Tätigkeiten
hoch ist, bringt die Sanierung meist Vorteile für regionale Arbeitsmärkte.
Bis zu vierzig verschiedene Gewerbe, oft traditionelle Professionen,
kommen in diesem Bereich zum Einsatz. Nicht zuletzt gilt das Kulturerbe
auch als „weicher Wirtschaftsfaktor“ und kompensiert mitunter Defizite,
wenn es um „harte“ Standortentscheidungen geht.
Vernachlässigte Moderne
Der Grazer Kunsthistoriker Univ.Prof. Dr. Josef Ploder weist
auf die massive Gefährdung der Gebäude der klassischen Moderne in
Graz hin. Bauten aus den 20er-, 30er- und 40er-Jahren gibt es nur
mehr wenige in Graz, etwa das Stadtwerkegebäude am Andreas-Hofer-Platz
oder das ehemalige Postgaragengebäude in der Brockmanngasse. Letzteres
steht unter Denkmalschutz und wurde von der Nationalbank renoviert.
An die Stelle des abgetragenen Ostflügels setzte der Bauherr einen
das ursprüngliche Ensemble optisch erdrückenden Neubau. Ploder:
„Ein Katalog über klassische Moderne in Graz muss erstellt werden.
Ebenso sind die Schutzzonen neu zu überdenken und ein Ensembleschutz
muss gewährleistet sein.“
Prof. Eberlein beschloss die Veranstaltung, indem er dem gegenwärtigen
kulturlosen Umgang mit dem Altstadterbe die im neuen Kunsthaus geronnene
„Architektur der Selbstmonumentalisierung“ gegenüberstellte. Das
unter dem dem Motto „Bauen als Experiment des Bauherren“ zu verstehende
Projekt sei gekennzeichnet durch die Zerstörung des ursprünglichen
Elementes, durch die Koketterie mit einem als zeitgenössisch missverstandenen
biomorphistischen Architekturverständnis aus den 60er-Jahren und
nicht zuletzt durch die vielfach sichtbaren Indikatoren für akuten
Geldmangel.
shv, ko
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Sackstraße:
Der Wegraz nächster Streich? |
Kaum hat sie das Kommod-Haus dem Erdboden gleichgemacht, plant
Dr. Reinhard Hohenbergs „Wegraz“ mitten in der Weltkulturerbe-Zone
den nächsten Abbruch: Zumindest der hintere Teil des denkmalgeschützten
Doppelhauses Sackstraße 28-30 soll abgerissen werden – weil sich
(wie im Falle des Kommod-Hauses) die Sanierung nicht rechne; ein
entsprechender Antrag wurde bei der Stadt eingebracht.
Beim Altstadt-Kongress erinnert sich die Kunsthistorikerin Dr.
Wiltraud Resch – Mitglied der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission
und Autorin des Graz-Bandes der österreichischen Kunsttopographie
– wie sie 1990 im Zuge der Arbeit für dieses Buch (das die Grundlage
für die Aufnahme der Grazer Altstadt ins Weltkulturerbe schuf) das
Haus vom Keller bis zum Dachboden beging. Es sei damals bestens
erhalten gewesen – nun, knapp 13 Jahre später, soll es abbruchreif
sein.
Potemkinsche Altstadt droht
Der Kunsthistoriker Univ.-Prof. Josef Ploder, ebenfalls Mitglied
der ASVK, und Landeskonservator Friedrich Bouvier sind sich
einig: Die Bedeutung des Hauses für das Weltkulturerbe „ist unzweifelhaft“
(Bouvier), es ist zumindest seit 1695 in seiner äußeren Erscheinung
nahezu unverändert geblieben. Ploder: „Damals wurden die beiden
Häuser zu einem vereinigt, aus dieser Zeit datiert auch die barocke
Fassadengestaltung mit den typischen Putzfeldern. Im 19. und 20.
Jhdt. wurden kaum Eingriffe getätigt.“ Ploder fürchtet, dass der
Eigentümer Wegraz im Fall der Genehmigung des Abbruches nur die
Fassade stehen lassen und dahinter ein nach wirtschaftlichen Kriterien
optimal nutzbares Gebäude errichten will. „Dagegen wenden wir uns
mit aller Entschiedenheit: Das Weltkulturerbe darf nicht zum Potemkinschen
Dorf verkommen.“
Abbruch nach 60 Jahren?
Möglich wird die Vorgangsweise der Wegraz durch einen Passus im
steirischen Baugesetz, das auch bei denkmalgeschützten Objekten
deren Beseitigung erlaubt, wenn eine Sanierung sich wirtschaftlich
nicht rechne. Ploder: „Da jedes Gebäude sich nach 60 Jahren amortisiert
hat, müsste ab diesem Zeitpunkt bei buchstabengetreuer Gesetzesauslegung
eigentlich der Abriss genehmigt werden“ – der Traum aller Spekulanten.
Im Gegensatz zu den Landesgesetzen stellt es das (Bundes)denkmalschutzgesetz
dem Ermessen des Denkmalamtes anheim, ob es etwaige für einen Abbruch
geltend gemachte wirtschaftliche Gründe für ausreichend erachtet;
dieser Widerspruch zwischen Bundes- und Landesgesetzgebung wurde
offenbar noch nicht durchjudiziert. Für HR Friedrich Bouvier sind
die von der Wegraz ins Treffen geführten Schäden im Bereich des
Daches und der schlossbergseitigen Außenmauern jedenfalls „kein
ausreichender Grund, das gesamte Gebäude abzureißen.“
cs
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Weitere
23 Tempo-30-km für Graz |
Verlagerungen im Grazer Individualverkehrsgeschehen (Ausweichen
aus Straßen mit erschöpften Kapazitäten), ein Anwachsen der Wohndichte
entlang bestehender Vorrangstraßen und ein damit einhergehendes
Ansteigen von Unfällen machten die Ausweitung der Verkehrsberuhigung
notwendig, erklärt Stadtrat Gerhard Rüsch und bekennt sich
zur Fortführung der unter Erich Edegger Anfang der 90er-Jahre
eingeschlagenen Verkehrspolitik. Mit zusätzlich 23 Kilometern verkehrsberuhigter
Fahrwege verringerte sich im November das Grazer Vorrangstraßennetz
um weitere 10%.
Stadtrat Gerhard Rüsch
und Vertreter beteiligter Organisationen bei der Einführungsaktion
zu Tempo 30
80% des gesamten Grazer Individualverkehrs fließen über die Vorrangstraßen,
die wiederum nur 20% (194 Kilometer) vom gesamten Netz (996 Kilometer)
der Landeshauptstadt ausmachen. Auf diesen 80% Nachrangstraßen ereignen
sich nur 11% aller Unfälle pro Jahr (290 Ereignisse), was wohl eines
der stärksten Argumente für die Herabsetzung des Tempolimits bedeutet.
Bei 30 km/h Fahrgeschwindigkeit verringert sich der Bremsweg auf
17 Meter (gegenüber 38 Metern bei 50 km/h), die Zahl der Unfälle
sinkt (statistisch) um etwa 20% und der produzierte Lärm verringert
sich um drei Dezibel.
Zu den „prominenstesten“ Straßen der Landeshauptstadt, die aktuell
unter Tempo 30 gestellt wurden, zählt etwa die die Wiener Straße
vom Bahnhofsgürtel bis zur Bienengasse.
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Planer
warnen vor Folgen der Zersiedelung |
„Raumplanen heißt Kosten sparen“, betonte der Präsident der Kammer
der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten,
Arch. DI Werner Nussmüller, anlässlich des von DI Richard
Resch organisierten bundesweiten Planertages. Und Resch wartete
auch gleich mit konkreten Zahlen auf: Während die Folgekosten der
Siedlungsentwicklung für Straße, Kanal und Wasserversorgung bei
verdichteten Siedlungformen ca. 7000 Euro pro Wohneinheit betragen,
sind es bei Streusiedlungen 35- bis 42.000 Euro, welche die öffentliche
Hand tragen muss: „Damit werden öffentliche Gelder zu jenen umverteilt,
die dann durch den Einpendler-Verkehr den Stau an den Stadtgrenzen
verursachen.“ Für ganz Österreich sind es etwa 150 Mio Euro Mehrkosten
im Jahr – die Kosten für dezentralisierte Kinder- und Altenbetreuungseinrichtungen
und Schülertransporte noch gar nicht eingerechnet. Ein wichtiges
Instrument der Gegensteuerung wäre, so Resch, neben der Einbeziehung
der Expertise der Raumplaner die Abschaffung der indirekten Förderung
für die Einfamilienhausbebauung.
DI Andreas Lotz, Vorsitzender der Planer innerhalb der
österreichischen Architektenkammer, verlangte eine Förderung von
gemeindenübergreifender Kooperation in der Raumplanung, um etwa
Negativbeispiele wie die Errichtung eines Einkaufszentren-Clusters
in den südlichen Randgemeinden von Graz – mit allen negativen Folgen
für die Infrastrukturentwicklung – hintanzuhalten.
cs
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Jugendliche
bewahren das steirische Zeitzeugen-Erbe ZeitzeugInnen
sind lebender, lebendiger Bezug zur Geschichte; wer, wie der Schreiber
dieser Zeilen, schon erlebt hat, welche Aufmerksamkeit die Berichte
von Überlebenden des Nationalsozialismus bei jugendlichen ZuhörerInnen
erwecken können – auch bei solchen, die sich sonst kaum für Geschichte
und/oder Politik interessieren – der/die wird das Projekt „Jugendliche
im Dialog mit ZeitzeugInnen und HistorikerInnen über die Erste und
Zweite Republik“ besonders zu schätzen wissen. |
Angesichts des hohen Alters der Überlebenden des Holocaust tauchte
bei Jugendlichen aus dem Umfeld der ARGE Jugend gegen Gewalt und
Rassismus und des Jugendzentrums House Mureck der Wunsch auf: „Wir
wollen den steirischen Zeitzeugenschatz für die Nachwelt sichern!“
Die Initiative kam von den Jugendlichen
Nun, nach einem Jahr intensiver Recherche-, Interview- und Kameraarbeit
konnten die Jugendlichen die ersten drei Portraitvideos über Maria
Cäsar, Herta Maria Kubinzky und Franz Leitner
in feierlichem Rahmen auf Einladung von LH Waltraud Klasnic
und Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder am 2. Dezember in
Anwesenheit der Portraitierten im Weißen Saal der Burg der Öffentlichkeit
präsentieren. ARGE-Geschäftsführer Mag. Christian Ehetreiber:
„Die Idee stammte von den Jugendlichen selbst. Im Zuge zeitgeschichtlicher
Erinnerungs- und Gedenkarbeit haben sie die Zeitzeugen kennen gelernt
und die Möglichkeiten des Mediums Video entdeckt.“ Das Konzept sieht
Portraitvideos der jeweiligen ZeitzeugInnen sowie Videos mit thematischen
Schwerpunkten vor – z.B. „Jungsein in den 30er Jahren“) .
Das Projektkonzept erhielt unter zahlreichen Einreichungen beim
Zukunftsfonds den Zuschlag als innovatives Jugendprojekt, sodass
mit der Umsetzung vor einem Jahr begonnen werden konnte. Im Sinne
des Netzwerkgedankens beteiligten sich an der Finanzierung auch
die Wissenschaftsabteilung und das Landesjugendreferat des Landes
Steiermark, das Kulturamt der Stadt Graz, die AK Steiermark, die
Stadt Bruck an der Mur und der Alfred-Schachner-Gedächtnisfonds.
Bei der Präsentation der Video-Edition:
Jugend-Landesrätin Mag. Kristina Edlinger-Ploder, Mag. Eva Maria
Fluch (Leiterin der FA Jugend, Frauen, Familie und Generationen),
Mag. Bettina Ramp, Mag. Martina Mauthner und Mag. Christian Ehetreiber
von der ARGE gegen Gewalt und Rassismus mit den ZeitzeugInnen Franz
Leitner, Herta Maria Kubinzky und Maria Cäsar und Jugendlichen der
ARGE
Drei Widerstandskämpfer-Schicksale
Die drei ersten Portraits verfügen über einen thematischen Konnex:
Maria Cäsar, Franz Leitner und Herta Maria Kubinzky
waren aus unterschiedlichen biografischen und ideologischen Motiven
im Widerstand gegen den Hitlerfaschismus. Maria Cäsar verbüßte fünfzehn
Monate in GESTAPO-Haft, Franz Leitner – als Retter Hunderter jüdischer
Kinder im KZ Träger des Yad-Vashem-Ehrentitels „Gerechter unter
den Völkern“ – verbrachte über fünf Jahre als Häftling im KZ Buchenwald
und Herta Maria Kubinzky – die Mutter des bekannten Grazer Soziologen
und stellvertretenden Vorsitzenden der ÖVP-Kameradschaft der politisch
Verfolgten“ Karl Albrecht Kubinzky – verlor ihren Ehemann
im KZ Sachsenhausen, musste unentwegt vor dem NS-Terror flüchten
und rund fünfzig Mal den Wohnsitz wechseln.
Ein breites Netzwerk
Die steirische Videoedition möchte die „Auswirkungen des Damals
im Jetzt“ erlebbar machen, sich dem zeitgeschichtlichen Stoff also
unter dem Aspekt der politischen Bildung nähern. Mag. Bettina
Ramp und Mag. Christian Ehetreiber von der ARGE Jugend
gegen Gewalt und Rassismus unterstreichen gerade die Möglichkeit
der Verwendung der Videoedition für den Einsatz in Schulen oder
in der Bildungsarbeit. Für die professionelle Kamera- und Schnitttechnik
zeichnet Wolfgang Niedermair verantwortlich. Ab 2004 beteiligen
sich Jugendgruppen des BG/BRG Oeverseegasse Graz, des BG/BRG Leoben
II, der Stadt Bruck an der Mur und der Stadt Eisenerz als weitere
Netzwerkspartner an dieser Videoedition.
Die Videoportraits können bei der ARGE Jugend gegen Gewalt
und Rassismus unter 0316/877-4058 bzw. unter christian.ehetreiber@argejugend.at
zum Einzelpreis von Euro 25, bestellt werden. Die Geschenkedition
mit allen drei Videoportraits kostet Euro 66, (statt 75,
Euro).
cs
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„energy
comes back again“ Das Forum politische Bildung
Steiermark bietet eine Winterakademie zum Thema Wohlfühlen, Spiritualität
und Kultur vom 9. 2. 04 bis 12. 2. 04 im Jugend- und Familiengästehaus
Sigmundsberg an. |
Ziel dieses Seminars ist es, sanfte Bildung zum Thema „Mythisches
Mariazellerland“ mit aktivem Wohlfühlen (Schwimmen, Sauna, etc.)
und erlebbarer Kultur (Exkursion, Geschichten) zu verbinden. Zu
den Inhalten zählt das Kennenlernen von Mythen, z.B. auch innerhalb
von feministischen Symbolen, wie die Referentin Mag. Karin El-Monir
durchleuchten wird. Alte Mythen leben unter der Oberfläche des modernen
Lebens weiter. Menschen suchen darin Sinn, Beheimatung und Inspiration.
Wo liegen hier Chancen, wo Gefahren?
Info, Anmeldung: T (0)316/816089 | M 0676/4210954|
www.gesellschaftspolitik.at
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Palais
Wertelsperg reloaded
< Attraktive Bergrenzung des Mariahilferplatzes
im Norden: Palais Wertelsperg |
Ende November konnte mit dem aus dem Jahr 1636 stammende Stadtpalais
in der Mariahilferstraße „Wertl von Wertlsperg“ ein wertvolles Baudenkmal
der Stadt Graz nach umfassender Sanierung und sach- und historiegerechter
Restaurierung den Nutzern übergeben werden. Das den Mariahilferplatz
im Norden abgrenzende bis zur Ökonomiegasse reichende viergeschoßige
Gebäude erhielt noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sein
heutiges Aussehen mit den drei charakteristischen Ecktürmen.
Über Erwerb beider Gebäudeteile (Haus Mariahilferstraße 20 und
22) und durch Inanspruchnahme der „großen Sanierungsförderung“ des
Landes Steiermark konnte die A&N Planungs- und Verwaltungs-GmbH
dem Objekt ein Schicksal nach Art des „Kommodhauses“ ersparen. Unter
Zuziehung des Landeskonservatoriats Steiermark und des Restaurators
Hubert Schwarz wurde die authentische Bausubstanz über weite
Teile gesichert und einer modernen Wohn- und Büronutzung zugeführt.
DI Alois Murnig vom Bundesdenkmalamt bescheinigt dem Eigentümer
Mut und Umsicht im Umgang mit historischer Bausubstanz und ein Wissen
um Tradition, das nicht „in Anbetung der Asche sondern im Hüten
des Feuers des kulturellen Erbes besteht.“
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