Anfang Dezember soll das Grazer Budget für 2005 beschlossen werden
– unter den Bedingungen extremer Finanzknappheit. Heuer wird das
Budgetloch – also die Differenz zwischen laufenden Einnahmen und
Ausgaben – 85,9 Mio Euro betragen, im nächsten Jahr werden es bereits
115,6 Mio sein, 2006 dann 146,5 Mio. Das kumulierte Defizit erreichte
schon im vorigen Jahr die 500-Millionen-Euro-Marke, die jährlichen
Zinszahlungen beliefen sich 2003 auf an die 60 Mio Euro.
Die Gründe für diese Situation sind vielfältig und reichen von
den Investitionen ins Kulturhauptstadtjahr 2003, die letztendlich
nachweislich keinen Rückfluss für die Gemeindekassa gebracht haben
(das Kommunalsteueraufkommen ist im vergangenen Jahr sogar gesunken),
über Einnahmenausfälle wie die Abschaffung der Getränkesteuer und
die Verringerung der Mittel aus dem Finanzausgleich wegen der zunehmenden
Abwanderung bis zur Übernahme zusätzlicher Aufgaben vom Bund ohne
entsprechenden finanziellen Ausgleich. Weniger Einfluss auf das
Defizit dürften die in der Öffentlichkeit immer wieder als Hauptfaktor
genannten Personalkosten haben - diese werden laut einer Progonose
der Kommunalconsult zwischen 2001 und 2006 kaum stärker ansteigen
als die Inflationsrate.
Als Gegenmaßnahme hat Finanzstadtrat Dr. Wolfgang Riedler
den Ressorts eine „Aufgabenkritik“ verordnet, mit welcher Einsparungsmöglichkeiten
aufgespürt werden sollten. Die Palette der 576 vorgeschlagenen Maßnahmen
reicht, wie inzwischen hinreichend bekannt wurde, von der Schließung
von Volksschulen (Ries, Wieland, Krones – Einsparungspotenzial nächstes
Jahr in Summe: 136.000 Euro) über die Schließung von zwei von drei
Volksbädern (91.400 Euro) und den Stopp der Biomasse-Förderung (60.000,--)
bis hin zu „Fundwesen-Einnahmen aus Versteigerungen“ (3000,--).
Weitere Einsparungsvorschläge: Die Streichung des Kinderbüros (95.900,--),
die Einstellung des Winterdienstes auf Privatstraßen (50.000,--),
schließlich auch eher skurrile Ideen wie die „Herausgabe eines Kochbuchs“
(1000,--) – wobei offen bleibt, ob der Verzicht auf die Herausgabe
eines solchen durch den Magistrat tausend Euro Ersparnis bringen
oder gar umgekehrt durch den Verkauf eines Magistrats-Kochbuchs
1000,-- Euro an Einnahmen zu erzielen wären.
Die tiefsten Einschnitte betreffen den Personalbereich: Allein
mit der Reduktion von diversen Sonderurlaubsmöglichkeiten und dienstfreien
Tagen sollten ursprünglich 7,2 Mio Euro, insgesamt nahezu 16 Mio
Euro, bei den derzeit 4200 Bediensteten der Stadt gespart werden.
Mittlerweile sei diese Forderung allerdings, so der oberste Personalgewerkschafter
Dr. Willi Techt, vom Bürgermeister selbst auf 4 Millionen
reduziert worden. Techt: „Der ursprüngliche Ansatz ist nicht realistisch,
u.a. deswegen, weil die Zusatz- und Sonderurlaube der Vertragsbediensteten
- und die machen ja schon die Hälfte aller Beschäftigten aus – vertraglich
fixiert sind.“ Ein Entzug solcher Vergünstigungen ist nur bei Beamten
möglich.
Zudem kündigt Techt „harte Verhandlungen“ an - schließlich gehe
es um insgesamt 160 Dienstposten, die wegfallen sollen, die Arbeitsbelastung
drohe damit auf ein Niveau zu steigen, „das sich negativ auf die
Motivation der Beschäftigten auswirken wird.“
Damit düfte das Einsparungsziel des nächsten Jahres (ca. 37 Mio
Euro) ohnehin in weite Ferne rücken – ganz abgesehen davon, dass
auch diese Zahl wenig mehr als ein Drittel des heurigen Abgangs
beträgt. Noch weiter entfernt erscheint das Einsparungsziel für
2006 mit insgesamt 73 Mio zu sein. Riedler kündigt daher in einem
Bericht an den Gemeinderat bereits weitere Vermögenskäufe als Rettung
vor der Pleite an – die Realisierung von dringend nötigen Infrastrukturprojekten,
wie etwa die Verlängerung der Straßenbahnlinien 4 und 6, scheint
immer weiter in die Ferne zu rücken.
cs
KORSO hat die Klubobleute der Gemeinderatsfraktionen befragt, in
welchen Bereichen sie die zwischen ÖVP und SPÖ akkordierten Einsparungsvorschläge
besonders begrüßen, welchen sie auf keinen Fall zustimmen und wo
sie die Möglichkeit zu einnahmenseitigen Verbesserungen sehen.
(v.l.n.r.) ÖVP: Dr. Peter Piffl-Percevic |
SPÖ: Karl-Heinz Herper | KPÖ: Elke Kahr | GRÜNE: Sigrid Binder |
FPÖ: Mag. Maxie Frick-Uray
Wo kann bedenkenlosgespart werden?
ÖVP: Dr. Peter Piffl-Percevic
Die Aufgabenkritik kann nur dann wirksam sein, wenn sich alle Beteiligten
bedingungslos hinter die gemeinsam vereinbarten Einsparungen stellen;
das tun wir.
SPÖ: Karl-Heinz Herper
Überall dort, wo es Doppelförderungen und daher mangelnde Effizienz
gibt; das Frauendokumentationszentrum z.B. kann auch von der Uni
betrieben werden, was das Kinderbüro betrifft, gibt es ein Netz
ähnlicher Einrichtungen; in der Verwaltung sind ebenfalls Einschnitte
möglich – bestimmte Feiertage sind in der heutigen Situation nicht
mehr konsumierbar. Keine Beteiligung an der Kultur-Marketing-Gesellschaft,
Congress, Stadthalle und Eishalle sollen in einer Hand zusammengeführt,
die Park--raum-gesellschaft mit den Stadtwerken zusammengelegt werden.
KPÖ: Elke Kahr
Die ausgelagerten Gesellschaften sollen in die entsprechenden Ämter
rückgeführt werden, die Möglichkeiten des Ausstiegs aus Großprojekten
und aus der Grazer Messe mit Ausnahme jener des öffentlichen Verkehrs
überprüft werden. Weiters: Reduzierung der Zahl der Stadtsenatsmitglieder,
Reduzierung der Politikergehälter, aber keine Verkleinerung des
Gemeinderats, Einsparungen bei den Bezirksvorstehergehältern
GRÜNE: Sigrid Binder
Sparen am „Speckgürtel“ um die Stadtregierung, vor allem bei den
ausgelagerten Gesellschaften, ist jederzeit möglich; einige Gesellschaften
wie die Parkraumgesellschaft könnten sofort aufgelöst werden. Für
die weitere kostspielige Beteiligung der Stadt an der Messe gibt
es kein einziges überzeugendes Argument. Und: Trotz Finanzknappheit
werden hohe Summen für Klientelpolitik ausgegeben – etwa kürzlich
850.000,-- für Handelsmarketing; diese Beträge könnten jederzeit
eingespart werden.
FPÖ: Mag. Maxie Frick-Uray
Wir müssen ein Zeichen setzen, dass auch bei der Politik gespart
wird – etwa bei der Zahl der Stadt- und Gemeinderäte, beim Personal
der politischen Büros, bei den Verfügungsmitteln der Stadträte und
ihren Repräsentationsausgaben.
Gegen welche Einsparungen werden Sie sich
zur Wehrsetzen?
ÖVP: Dr. Peter Piffl-Percevic
Von den ursprünglich 700 sind ohnehin schon 150 Punkte weggefallen,
und zwar jene, wo die Jugend betroffen gewesen wäre. So werden z.B.
weiterhin Lehrlinge im Magistrat eingestellt werden und das Tarifsystem
in den Kindergärten wird nicht geändert. Vorschläge, im Kulturbereich
bei der freien Szene zu sparen, wurden ebenfalls eliminiert.
SPÖ: Karl-Heinz Herper
Die Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger im Sozialbereich
muss gewährleistet bleiben, da geht es angesichts der zunehmenden
Armut für viele ums Überleben.
KPÖ: Elke Kahr
Schulstandorte dürfen keinesfalls geschlossen werden, das Gleiche
gilt für die Stadtbibliotheken. Im Sozialbereich darf überhaupt
nichts gestrichen werden, öffentliche Dienstleistungen wie die Müllabfuhr
dürfen nicht reduziert werden, die Gemeindewohnungen nicht ausgegliedert
werden.
GRÜNE: Sigrid Binder
Keine Einsparungen im Sozialbereich, beim öffentlichen Verkehr,
bei Frauen, Kindern, bei den Energieförderungen und bei der Bildung.
Zur Zeit entsteht ja geradezu der Eindruck: „Eine Stadt sperrt zu“.
FPÖ: Mag. Maxie Frick-Uray
Bei der Zukunft der Jugend darf nicht gespart werden – daher
sind wir gegen die Schließung des Kinderbüros, man könnte Mittel
vom Frauenreferat dorthin umschichten. Bei den Schulschließungen
muss man sich fragen, ob sie wirklich notwendig sind. Bei den wirklich
Bedürftigen darf nicht gespart werden, aber es kann nicht sein,
dass Drogendealer Sozialhilfe beziehen.
Wie könnte die Stadt Ihrer Ansicht nach zusätzliche
Einnahmen lukrieren?
ÖVP: Dr. Peter Piffl-Percevic
- Projektbezogen aus Nahverkehrsmitteln des Landes - durch Remunerierung
von Aufgaben, die wir vom Bund übernehmen mussten und - Inflationsausgleich
bei Gebühren im eigenen Wirkungsbereich wie Kanalgebühren
SPÖ: Karl-Heinz Herper
Einnahmen sind nur durch Investitionen möglich, wir müssen Betriebe
für die Zeit nach dem Autocluster ansiedeln, die GBG schafft dafür
die Grundlagen. Kanalgebühren sollen indexangepasst werden, in der
Sturzgasse bei der AEVG eine Gebühr verlangt werden.
KPÖ: Elke Kahr
Wir schlagen eine Nahverkehrsabgabe vor, die von den Unternehmen
getragen wird; weiters die Befreiung der Stadt von der Kommunalertragssteuer,
die Einführung einer Abgabe für die Aufwertung von Grundstücken
durch Widmung und die Einführung einer kommunalen Beherbergungsabgabe
GRÜNE: Sigrid Binder
Man könnte – wie dies etwa in der deutschen Stadt Herten erfolgreich
demonstriert wurde – fest verzinsliche Anleihen für die Stadtwerke
begeben; die BürgerInnen haben sich dort begeistert daran beteiligt,
die Identifikation mit den kommunalen Leistungen ist gestiegen.
FPÖ: Mag. Maxie Frick-Uray
Es gibt Bereiche, wo man Index-anpassungen vornehmen kann, bei
den Gebühren des täglichen Lebens – zum Beispiel bei den Kanalgebühren
– liegen wir ohnehin schon relativ hoch.
Weitere Vorschläge und Bemerkungen zur Budget-Situation
ÖVP: Dr. Peter Piffl-Percevic
In Hinkunft müssen wir im Sozialbereich – auch bei der Kinderbetreuung
– stärker das Moment der Freiwilligkeit forcieren, das darf aber
nicht zu Lasten der Qualität gehen. Wir müssen Mittel freibekommen,
um die Zukunft zu ermöglichen – z.B. für Projekte des öffentlichen
Verkehrs wie die 6er- oder 4er-Verlängerung.
SPÖ: Karl-Heinz Herper
Im Zuge des Reformprojektes müssen Public Private Partnership
und Public Management durchgezogen werden, Abteilungen müssen zusammengelegt
werden, die Zahl der Stadträte muss reduziert werden.
KPÖ: Elke Kahr
Trotz aller Anstrengungen wird die Kommune keine Sanierung aus
eigener Kraft schaffen, die Stadtregierer von ÖVP und SPÖ müssten
gegenüber ihren eigenen Leuten in der Landesregierung die Interessen
der Stadt glaubwürdiger vertreten.
GRÜNE: Sigrid Binder
Die Aufgabenkritik geht nicht von einer Definition der notwendigen
Angebote aus, sondern von prozentuellen Streichungen; die Einsparungen
sind unausgewogen und atmen den neoliberalen Trend, kommunale Dienstleistungen
abzuschaffen und durch private zu ersetzen, ohne dass die gesellschaftlichen
Folgewirkungen bedacht werden.
FPÖ: Mag. Maxie Frick-Uray
Ich halte es nicht für realistisch, dass man die Einsparungen
aus eigener Kraft erreicht. Allein 17 Mio Euro sollen ja zu Lasten
des aktiven Personals gehen; es gibt sicher Bereiche, wo die Gewerkschaft
nachgeben wird, aber insgesamt ist dieses Einsparungsziel unrealistisch.
Man wird versuchen müssen, aus dem Finanzausgleich mehr zu bekommen.
|