Die Entwicklung eines Stadtbildes steht naturgemäß in direktem
Zusammenhang mit pragmatischen Ansprüchen von Lebensqualität, Verkehrssituation,
zeitgemäßer Technologie und architektonischer Formfindung. Im lebendigen
Organismus eines Stadtgefüges treffen so zwangsläufig immer schon
auch wirtschaftliche Interessen auf solche einer historisch begründeten
Identifikation mit der Stadt und ihrem Bild aufeinander. Was historisch
wertvoll und zu erhalten ist, muss in einem dialektischen Prozess
entschieden werden – Stadtraum steht in keiner Zeit unbegrenzt zur
Verfügung. Das UNESCO-Weltkulturerbe Grazer Innenstadt ist zweifellos
ein wichtiger Identifikationsfaktor für die Grazer Bevölkerung,
zugleich Aushängeschild zur Forcierung des Städtetourismus und vorbildlicher
Maßnahmen zur Erhaltung des historischen Zentrums. Die Auszeichnung
„Weltkulturerbe“ wird auf Ansuchen und Prüfung vergeben und bezeichnet
einen Status quo, der auf nachträgliche Baumaßnahmen kaum Einfluss
hat. Relevant dagegen ist das 1974 erlassene Grazer Altstadterhaltungsgesetz,
nach dem die Altstadt-Sachverständigenkommission tätig ist. Deren
Gutachten müssen zwar zur Entscheidung über Bauvorhaben in den vier
ausgedehnten Altstadtzonen beigezogen werden, wie sich aber an Beispielen
zeigt (etwa Überbauung gotischer Überhänge im Bereich Hauptplatz,
Deckung des Rathauses), sind diese letztlich nicht bindend.
Spekulation mit dem Verfall
Landeskonservator HR Friedrich Bouvier sieht in den existierenden
Denkmalschutzbestimmungen einen Mangel an Handhabe gegenüber Objekteigentümern,
die auf Grund wirtschaftlicher Interessen nicht für die Erhaltung
eines Gebäudes sorgen. Wegen der hohen Grundstückspreise in der
Innenstadt sind auch Denkmäler für Spekulanten attraktiv – sofern
es gelingt, sie trotz Denkmalschutzes „loszuwerden“ und an ihrer
Stelle ein lukratives Objekt zu errichten: „Ein Eigentümer, der
nichts unternimmt und zusieht, wie sein als Denkmal geschütztes
Haus verfällt, kann das ungestraft tun.“ Erst wenn er sich entschließt,
erhaltende Maßnahmen zu setzen, sind diese mit dem Amt für Denkmalschutz
zu koordinieren. Die „Verfallsstrategie“ wurde etwa beim in der
Zeit zwischen 1630 und 1640 errichteten Palais Trauttmansdorff und
beim zu Anfang des 19. Jahrhunderts von Georg Hauberrisser d. Ä.
erbauten „Kommod-Haus“ in der Burggasse angewandt. Wenn dann die
Fassade zu bröckeln beginnt und Gefahr für PassantInnen droht, erteilt
das Baurechtsamt einen Instandsetzungsauftrag, der dann zumeist
so interpretiert wird, dass weitere absturzgefährdete Fassadenteile
abgeschlagen werden. Gewinnorientierte Eigentümer machen sich diese
– legale – Vorgangsweise zunutze, um das Objekt aller schützenswerten
Elemente zu berauben; so macht im Fall des Kommod-Hauses der Eigentümer
WEGRAZ inzwischen geltend, dass die zu erhaltende Fassade nicht
mehr existiert. Gleichwohl besteht noch immer der Beschluss des
Denkmalamtes, dass dieses Objekt zu erhalten sei.
Bewegung gegen Spekulation?
Den mit der sozialdemokratisch/kommunistischen Mehrheit im Stadtsenat
gefassten Beschluss zur Aussetzung des Abbruchs will Bürgermeister
Siegfried Nagl nun auf seine Rechtsgültigkeit überprüfen lassen.
Er sieht die Schuld an der Situation zwar „im jahrelangen Versagen
von Politik und Verwaltung“, will aber gleichwohl „diesen Schandfleck“
entfernt wissen und hält „etwas Neues für angebracht“. Im Fall des
Kommod-Hauses zeigt sich aber auch eine bisher nicht gekannte Solidarisierung
gegen Stilllegung und Abbruchvorhaben. In kürzester Zeit konnten
an die 4000 Unterschriften gesammelt und dem Bürgermeister vorgelegt
werden – darunter zahlreiche bildende Künstler, Musiker, Schauspieler
und Literaten, die sich zum einen um „ihr“ Kommod gebracht sehen,
zum anderen massive Kritik an der Willfährigkeit von Politik und
Verwaltung gegenüber der Spekulation üben. In einer ersten Reaktion
hat der zuständige Stadtrat Detlev Eisel-Eiselsberg zugesagt, ein
unabhängiges Baugutachten der Technischen Universität einzuholen.
Profit schlägt Denkmalschutz
Der schon historische Fall des Palais Trauttmansdorff und der
aktuelle des Kommod-Hauses sind nicht die einzigen, wo kurzfristige
Verwertungsinteressen und das Streben nach Erhaltung der historischen
Stadtsubstanz aufeinander trafen. So musste laut Bouvier das Haus
Griesplatz 24 vom Denkmalamt aufgegeben werden, da der Eigentümer
es dem Verfall preisgegeben hatte und letztendlich „nichts mehr
zu schützen war“. Beim 1702 erbauten Palais Attems könne man dem
Eigentümer Land Steiermark „zwar nicht vorwerfen, das Haus bewusst
verfallen zu lassen, aber der Instandsetzungsauftrag der Baupolizei
hat inzwischen auch zu einer Teilzerstörung der Fassade beigetragen“.
Ebenfalls in Schwebe bleibt die Zukunft der zwei dem Denkmalschutz
unterliegenden Barockhäuser Sackstraße Nr. 28 und 30. Der Eigentümer
– ebenfalls die WEGRAZ – plant dort die Errichtung von Kleinstwohnungen
im Dachgeschoss ohne Rücksicht auf die erhaltenswerten barocken
Dachstühle, ein Vorhaben, das bereits vom Bundesdenkmalamt abgelehnt
wurde. Den geplanten Umbau der 1956 von Rudolf Vorderegger errichteten
Thalia kritisieren die Altstadt-Sachverständigenkommission, der
Landeskonservator, die überwiegende Mehrzahl der Grazer Architektenschaft
und viele Altstadt-Schützer nicht grundsätzlich wegen der Aufstockung.
Vielmehr sei das Bauvolumen zu groß und die architektonische Qualität
dem Ensemble nicht angemessen. Die Baugenehmigung durch das Bundesdenkmalamt
erfolgte dennoch, weil rechtlich keine Möglichkeiten hinsichtlich
Reduktion des Bauvolumens bestehen beziehungsweise auch der getätigte
Verweis auf Bestimmungen des Weltkulturerbes keine rechtliche Relevanz
hat.
Manchmal geht’s auch anders
Da die Bauflächen im Innenstadtbereich bald ausgehen werden,
fürchtet Bouvier eine Ausweitung der Spekulation auf Objekte in
den Gründerzeitvierteln. Gegen die Verbauung ehemaliger Villengärten
– wie bereits in der Schubertstraße und der Mozartgasse der Fall
– „kann aus Sicht des Denkmalschutzes leider ebenfalls keine Bestimmung
geltend gemacht werden“ (Bouvier). Es gebe aber auch eine Reihe
von positiven Beispielen der Sanierung alter Bausubstanz, wie etwa
das „Glockengießerhaus“ in der Wickenburggasse 17, das von einem
Rechtsanwalt behutsam und vorbildlich für den Kanzleibetrieb adaptiert
wurde. Ebenso konnte ein brauchbarer Kompromiss zwischen Eigentümer
und Denkmalamt für das von Josef Benedikt Witthalm d. Ä. um das
Jahr 1786 erbaute Palais Jacomini, das „Steinfeldhaus“, erzielt
werden. Infolge des aktuellen Aus- und Umbaues wurden etwa auch
die Fenster und Giebel der oberen Stockwerke in die Form des 19.
Jahrhunderts rückgeführt.
Dem Weltkulturerbe gerechtwerden
Welche Maßnahmen Politik und Verwaltung zur Eindämmung der Spekulation
setzen sollten, skizziert Landeskonservator Bouvier folgendermaßen:
„Es wäre schon viel gewonnen, würden Politik und Baupolizei alle
zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausschöpfen, da sind Maßnahmen
wie Enteignung oder Zwangsversteigerung, wie sie manche jetzt fordern,
gar nicht nötig. Gleichzeitig müsste die Stadt besser mit dem Denkmalschutz
und der Altstadtsachverständigenkommission kooperieren – manchmal
hat man ja den Eindruck, dass diese bloß als Klotz am Bein der Politik
verstanden werden. So haben wir den Abbruchbescheid für das denkmalgeschützte
Kommod-Haus erst vom Pächter des Lokales erhalten und nicht vom
ausstellenden Amt. Und schlussendlich sollte man wohl erwarten,
dass in einer Stadt, die sich mit dem Titel „Weltkulturerbe“ schmücken
darf, alle an einem Strang ziehen, wenn es um die Erhaltung dieses
Erbes geht; als die Weltkulturerbe-Plakette verliehen wurde, wollten
ja auch alle mit auf’s Foto.“
Wenzel Mracek
|
Wegen der diskutierten Reduktion der Bundeswohnbaufördermittel
hat sich in der Steiermark eine Expertenplattform aus Vertretern
der Wohnbaugesellschaften, der Bauwirtschaft, der Gewerkschaft und
der planenden Architekten kritisch zu Wort gemeldet. Nach einer
eben veröffentlichten Studie des Joanneum Research erwächst in der
Steiermark bis zum Jahr 2011 ein Gesamtbedarf von 59.000 neuen Wohneinheiten,
wobei 13.000 davon über Umbau und Sanierung entstehen und 46.000
Einheiten neu errichtet werden müssen.
In Sorge um erschwingliches Wohnen für die SteirerInnen
Dr. Franz Huber, neue heimat, und Mag. Christian Krainer, ÖWGes
(v.l.)
Der österreichische Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen betont
die Brisanz der Frage nach der Leistbarkeit von Wohnraum, der etwa
im Mietenbereich bei frei finanzierten Flächen auch für mittlere
Einkommen praktisch unerschwinglich ist. Darüber hinaus machen z.B.
vor allem im urbanen Bereich die Einpersonenhaushalte (zusammen
mit den AlleinerzieherInnen) bereits mehr als 50% aus. Leistbarer
Wohnraum im Neubau, so der Verband, ist für breite Bevölkerungschichten
ohne Förderung nicht möglich. Für die steirischen Verhältnisse wird
diagnostiziert: „Hier sind es die hohen Ausgaben für Annuitätenzuschüsse
bei Neubau und Sanierung, die die hohe Budgetbelastung verursachen.
Das Volumen der Rückflüsse wird sich in den kommenden Jahren wegen
der 2003 zusätzlich getätigten Forderungsverkäufe weiter verringern.
Die Bundesmittelkürzung würde die Gewährung von Darlehen unmöglich
machen.“
|