korso Graz aktuell
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
09/2003
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Altstadt zwischen Erhaltung und Verwertung Im März dieses Jahres erging ein Abbruchbescheid seitens des Grazer Baurechtsamtes für das Haus Ecke Einspinnergasse/Burggasse, bekannt als „Kommod-Haus“. Die Begründung: Gefahr in Verzug. Ob der Bescheid nun exekutiert wird oder ob sich die Altstadtschützer durchsetzen: Das gewaltige öffentliche Interesse lässt darauf schließen, dass hier ein Präzedenzfall im permanenten Konflikt zwischen Altstadterhaltung und wirtschaftlichen Verwertungsinteressen zu erwarten ist.
< Grazer Innenstadt: Schlampiger Umgang mit dem Weltkulturerbe

 

Die Entwicklung eines Stadtbildes steht naturgemäß in direktem Zusammenhang mit pragmatischen Ansprüchen von Lebensqualität, Verkehrssituation, zeitgemäßer Technologie und architektonischer Formfindung. Im lebendigen Organismus eines Stadtgefüges treffen so zwangsläufig immer schon auch wirtschaftliche Interessen auf solche einer historisch begründeten Identifikation mit der Stadt und ihrem Bild aufeinander. Was historisch wertvoll und zu erhalten ist, muss in einem dialektischen Prozess entschieden werden – Stadtraum steht in keiner Zeit unbegrenzt zur Verfügung. Das UNESCO-Weltkulturerbe Grazer Innenstadt ist zweifellos ein wichtiger Identifikationsfaktor für die Grazer Bevölkerung, zugleich Aushängeschild zur Forcierung des Städtetourismus und vorbildlicher Maßnahmen zur Erhaltung des historischen Zentrums. Die Auszeichnung „Weltkulturerbe“ wird auf Ansuchen und Prüfung vergeben und bezeichnet einen Status quo, der auf nachträgliche Baumaßnahmen kaum Einfluss hat. Relevant dagegen ist das 1974 erlassene Grazer Altstadterhaltungsgesetz, nach dem die Altstadt-Sachverständigenkommission tätig ist. Deren Gutachten müssen zwar zur Entscheidung über Bauvorhaben in den vier ausgedehnten Altstadtzonen beigezogen werden, wie sich aber an Beispielen zeigt (etwa Überbauung gotischer Überhänge im Bereich Hauptplatz, Deckung des Rathauses), sind diese letztlich nicht bindend.

Spekulation mit dem Verfall
Landeskonservator HR Friedrich Bouvier sieht in den existierenden Denkmalschutzbestimmungen einen Mangel an Handhabe gegenüber Objekteigentümern, die auf Grund wirtschaftlicher Interessen nicht für die Erhaltung eines Gebäudes sorgen. Wegen der hohen Grundstückspreise in der Innenstadt sind auch Denkmäler für Spekulanten attraktiv – sofern es gelingt, sie trotz Denkmalschutzes „loszuwerden“ und an ihrer Stelle ein lukratives Objekt zu errichten: „Ein Eigentümer, der nichts unternimmt und zusieht, wie sein als Denkmal geschütztes Haus verfällt, kann das ungestraft tun.“ Erst wenn er sich entschließt, erhaltende Maßnahmen zu setzen, sind diese mit dem Amt für Denkmalschutz zu koordinieren. Die „Verfallsstrategie“ wurde etwa beim in der Zeit zwischen 1630 und 1640 errichteten Palais Trauttmansdorff und beim zu Anfang des 19. Jahrhunderts von Georg Hauberrisser d. Ä. erbauten „Kommod-Haus“ in der Burggasse angewandt. Wenn dann die Fassade zu bröckeln beginnt und Gefahr für PassantInnen droht, erteilt das Baurechtsamt einen Instandsetzungsauftrag, der dann zumeist so interpretiert wird, dass weitere absturzgefährdete Fassadenteile abgeschlagen werden. Gewinnorientierte Eigentümer machen sich diese – legale – Vorgangsweise zunutze, um das Objekt aller schützenswerten Elemente zu berauben; so macht im Fall des Kommod-Hauses der Eigentümer WEGRAZ inzwischen geltend, dass die zu erhaltende Fassade nicht mehr existiert. Gleichwohl besteht noch immer der Beschluss des Denkmalamtes, dass dieses Objekt zu erhalten sei.

Bewegung gegen Spekulation?
Den mit der sozialdemokratisch/kommunistischen Mehrheit im Stadtsenat gefassten Beschluss zur Aussetzung des Abbruchs will Bürgermeister Siegfried Nagl nun auf seine Rechtsgültigkeit überprüfen lassen. Er sieht die Schuld an der Situation zwar „im jahrelangen Versagen von Politik und Verwaltung“, will aber gleichwohl „diesen Schandfleck“ entfernt wissen und hält „etwas Neues für angebracht“. Im Fall des Kommod-Hauses zeigt sich aber auch eine bisher nicht gekannte Solidarisierung gegen Stilllegung und Abbruchvorhaben. In kürzester Zeit konnten an die 4000 Unterschriften gesammelt und dem Bürgermeister vorgelegt werden – darunter zahlreiche bildende Künstler, Musiker, Schauspieler und Literaten, die sich zum einen um „ihr“ Kommod gebracht sehen, zum anderen massive Kritik an der Willfährigkeit von Politik und Verwaltung gegenüber der Spekulation üben. In einer ersten Reaktion hat der zuständige Stadtrat Detlev Eisel-Eiselsberg zugesagt, ein unabhängiges Baugutachten der Technischen Universität einzuholen.

Profit schlägt Denkmalschutz
Der schon historische Fall des Palais Trauttmansdorff und der aktuelle des Kommod-Hauses sind nicht die einzigen, wo kurzfristige Verwertungsinteressen und das Streben nach Erhaltung der historischen Stadtsubstanz aufeinander trafen. So musste laut Bouvier das Haus Griesplatz 24 vom Denkmalamt aufgegeben werden, da der Eigentümer es dem Verfall preisgegeben hatte und letztendlich „nichts mehr zu schützen war“. Beim 1702 erbauten Palais Attems könne man dem Eigentümer Land Steiermark „zwar nicht vorwerfen, das Haus bewusst verfallen zu lassen, aber der Instandsetzungsauftrag der Baupolizei hat inzwischen auch zu einer Teilzerstörung der Fassade beigetragen“. Ebenfalls in Schwebe bleibt die Zukunft der zwei dem Denkmalschutz unterliegenden Barockhäuser Sackstraße Nr. 28 und 30. Der Eigentümer – ebenfalls die WEGRAZ – plant dort die Errichtung von Kleinstwohnungen im Dachgeschoss ohne Rücksicht auf die erhaltenswerten barocken Dachstühle, ein Vorhaben, das bereits vom Bundesdenkmalamt abgelehnt wurde. Den geplanten Umbau der 1956 von Rudolf Vorderegger errichteten Thalia kritisieren die Altstadt-Sachverständigenkommission, der Landeskonservator, die überwiegende Mehrzahl der Grazer Architektenschaft und viele Altstadt-Schützer nicht grundsätzlich wegen der Aufstockung. Vielmehr sei das Bauvolumen zu groß und die architektonische Qualität dem Ensemble nicht angemessen. Die Baugenehmigung durch das Bundesdenkmalamt erfolgte dennoch, weil rechtlich keine Möglichkeiten hinsichtlich Reduktion des Bauvolumens bestehen beziehungsweise auch der getätigte Verweis auf Bestimmungen des Weltkulturerbes keine rechtliche Relevanz hat.

Manchmal geht’s auch anders
Da die Bauflächen im Innenstadtbereich bald ausgehen werden, fürchtet Bouvier eine Ausweitung der Spekulation auf Objekte in den Gründerzeitvierteln. Gegen die Verbauung ehemaliger Villengärten – wie bereits in der Schubertstraße und der Mozartgasse der Fall – „kann aus Sicht des Denkmalschutzes leider ebenfalls keine Bestimmung geltend gemacht werden“ (Bouvier). Es gebe aber auch eine Reihe von positiven Beispielen der Sanierung alter Bausubstanz, wie etwa das „Glockengießerhaus“ in der Wickenburggasse 17, das von einem Rechtsanwalt behutsam und vorbildlich für den Kanzleibetrieb adaptiert wurde. Ebenso konnte ein brauchbarer Kompromiss zwischen Eigentümer und Denkmalamt für das von Josef Benedikt Witthalm d. Ä. um das Jahr 1786 erbaute Palais Jacomini, das „Steinfeldhaus“, erzielt werden. Infolge des aktuellen Aus- und Umbaues wurden etwa auch die Fenster und Giebel der oberen Stockwerke in die Form des 19. Jahrhunderts rückgeführt.

Dem Weltkulturerbe gerechtwerden
Welche Maßnahmen Politik und Verwaltung zur Eindämmung der Spekulation setzen sollten, skizziert Landeskonservator Bouvier folgendermaßen: „Es wäre schon viel gewonnen, würden Politik und Baupolizei alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausschöpfen, da sind Maßnahmen wie Enteignung oder Zwangsversteigerung, wie sie manche jetzt fordern, gar nicht nötig. Gleichzeitig müsste die Stadt besser mit dem Denkmalschutz und der Altstadtsachverständigenkommission kooperieren – manchmal hat man ja den Eindruck, dass diese bloß als Klotz am Bein der Politik verstanden werden. So haben wir den Abbruchbescheid für das denkmalgeschützte Kommod-Haus erst vom Pächter des Lokales erhalten und nicht vom ausstellenden Amt. Und schlussendlich sollte man wohl erwarten, dass in einer Stadt, die sich mit dem Titel „Weltkulturerbe“ schmücken darf, alle an einem Strang ziehen, wenn es um die Erhaltung dieses Erbes geht; als die Weltkulturerbe-Plakette verliehen wurde, wollten ja auch alle mit auf’s Foto.“

Wenzel Mracek

 

 

 

  Wird Wohnen unerschwinglich?

 

Wegen der diskutierten Reduktion der Bundeswohnbaufördermittel hat sich in der Steiermark eine Expertenplattform aus Vertretern der Wohnbaugesellschaften, der Bauwirtschaft, der Gewerkschaft und der planenden Architekten kritisch zu Wort gemeldet. Nach einer eben veröffentlichten Studie des Joanneum Research erwächst in der Steiermark bis zum Jahr 2011 ein Gesamtbedarf von 59.000 neuen Wohneinheiten, wobei 13.000 davon über Umbau und Sanierung entstehen und 46.000 Einheiten neu errichtet werden müssen.

In Sorge um erschwingliches Wohnen für die SteirerInnen Dr. Franz Huber, neue heimat, und Mag. Christian Krainer, ÖWGes (v.l.)

Der österreichische Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen betont die Brisanz der Frage nach der Leistbarkeit von Wohnraum, der etwa im Mietenbereich bei frei finanzierten Flächen auch für mittlere Einkommen praktisch unerschwinglich ist. Darüber hinaus machen z.B. vor allem im urbanen Bereich die Einpersonenhaushalte (zusammen mit den AlleinerzieherInnen) bereits mehr als 50% aus. Leistbarer Wohnraum im Neubau, so der Verband, ist für breite Bevölkerungschichten ohne Förderung nicht möglich. Für die steirischen Verhältnisse wird diagnostiziert: „Hier sind es die hohen Ausgaben für Annuitätenzuschüsse bei Neubau und Sanierung, die die hohe Budgetbelastung verursachen. Das Volumen der Rückflüsse wird sich in den kommenden Jahren wegen der 2003 zusätzlich getätigten Forderungsverkäufe weiter verringern. Die Bundesmittelkürzung würde die Gewährung von Darlehen unmöglich machen.“