korso Graz
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
06/2005
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Schnelle oder „entschleunigte“ Sanierung für die
Alleebäume im Stadtpark?
< Baumspezialist Kost: „Die Bürger sollten von der Politik in die Entscheidung mit einbezogen werden.“


Erbost wegen der „Drüberfahrpolitik“ zeigen sich die GrazerInnen beim Stadtparkgipfel. Der Anlass der Veranstaltung: Die geplante Fällung von 123 Kastanienbäumen in der Montclair- und Dubrovnik-Allee. Bürgermeister Siegfried Nagl und Stadtrat Gerhard Rüsch (ÖVP) stellten sich der Diskussion mit Experten. Zwei gewichtige Fachleute von Seite der Baumerhalter fehlten jedoch: Franz Wolkinger und Alois Oswald.

Robert Wiener und Robert Grill vom Stadtgartenamt präsentierten ihr Konzept für eine etappenweise Erneuerung der Alleen. Als Begründung wurden Verkehrssicherheit und Denkmalschutz angegeben. Für die Erhaltung der Bäume setzt sich u.a. der stv.Bgm. Walter Ferk ein. Fazit des von ihm bestellten unabhängigen Gutachters Hans Kost aus Deutschland: „Durch baumpflegerische Maßnahmen ist eine Wiederherstellung der Verkehrssicherheit möglich und die Allee kann 20 bis 30 Jahre erhalten bleiben.“

Schon während der Veranstaltung zeichnete es sich jedoch ab, dass man bei den Schlägerungsplänen bleiben will. Nach bisheriger Zurückhaltung der Grünen mahnte Hermann Candussi zur Zurückhaltung: „Die Sanierung wäre in auch einem wesentlich schonenderen zeitlichen Rahmen möglich.“
Prof. Geza Hajós von der Abteilung des BDA für historische Gartenanlagen gab zu bedenken, dass der Grazer Stadtpark ein Kunstwerk und kein „Öko-Biotop“ sei: „Wenn die Allee den architektonischen geschlossenen Charakter durch Ausfälle nicht verliert, ist die Gartendenkmalpflege zufrieden. Wenn man aber an die Zukunft des gesamten Stadtparks in den nächsten 100 bis 150 Jahren denkt, dann müsste man bald Neupflanzungen vornehmen.“ Eva Klepp-Afritsch von der Initiative „Lebendiger Stadtpark“ hält es dagegen für völlig falsch, die Bäume „30 Jahre vor dem Tod zu fällen“.

Gerlinde Knaus sprach mit dem Tübinger Dipl.-Ing. Hans Kost, ÖBV-Sachverständiger für Gehölz­wesen.

Bei der Diskussion ist der Eindruck entstanden, dass man Ihr Gutachten nicht entsprechend würdigt. Sind Sie enttäuscht von dieser Veranstaltung?

Nein, ich hab das schon vorausgesehen und schon etliche ähnliche Fälle erlebt. Dass es zwei konträre Meinungen gibt, das ist normal, aber hier steckt viel Emotion drinnen. Ich bekam vom Grazer Umweltamt den Auftrag ein unabhängiges Gutachten zu erstellen und das habe ich völlig wertneutral getan. Die Gehölze wurden von mir nach der vorgeschriebenen und weltweit anerkannten VTA-Methode von Prof. Dr. Mattheck begutachtet und bewertet.

Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bäume in der Montclair- und in der Dubrovnik-Allee bei entsprechender Pflege noch eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren haben. Wo müsste man nun ansetzen?

Voraussetzung für einen Erfolg sind regelmäßige Baumkontrollen und Pflegemaßnahmen durch Fachleute, die nicht hinter Schreibtischen sitzen, sondern vor Ort tätig sind. Die Verkehrssicherheit könnte völlig wiederhergestellt werden. Sinnvoll wäre ein geschulter Pflegetrupp, denn schließlich handelt es sich um Millionenwerte, die hier als Grundvermögen im Raum stehen, von der Verantwortung ganz zu schweigen. Für die Pflegemaßnahmen habe ich rund 37.000 Euro kalkuliert, danach fallen alle drei bis vier Jahre weitere Kosten für Pflegemaßnahmen an, die sowieso durchgeführt werden müssten. Eine Totalsanierung wäre ungleich teurer: ein einziger neuer Baum kostet (Anschaffungskosten, Bodenaustausch, Personalkosten, Pflege) mindestens 2.500 Euro.

Es wird immer wieder das Argument, auch von Seiten des Denkmalschutzes vorgebracht, dass Bäume irgendwann einmal sterben. Finden Sie das „Sterben vor der Zeit“ gerechtfertigt?

Dass die Allee irgendwann einmal erneuert werden muss, ist klar, aber in einem schonenden Zeitraum mit mehr und kleineren Abschnitten. Die Bevölkerung ist sensibler geworden – Bäume werden als Lebewesen wahrgenommen und deshalb sollte die Politik die Bürger mit einbeziehen. Die Vorgangsweise „Schau mal, wir haben Bäume gefällt und nun seht her wie sie aussehen“ spricht nicht gerade von Sensibilität. Naturschutz und Denkmalpflege sind wichtig, nur darf ich einen Faktor nicht vergessen: den Menschen. Sonst läuft alles ins Leere.

 

 

  Bedrohte Grünräume in der Altstadt


Der Druck auf die Grazer Altstadtbezirke von Seiten renditehungriger Immobilien-Investoren nimmt in den vergangenen Jahren stetig weiter zu; und dies trotz des strengen UNESCO-Schutzes für den historischen Stadtkern, wie die Fälle Kommodhaus und Thalia repräsentativ belegen. Aber auch außerhalb des Zentrums werden für den Ausgleich des Mikroklimas wichtige Grünflächen weiter verbaut und ganze Ensembles – wie zurzeit in der Schützenhofgasse geplant – durch die Errichtung überproportionaler und nicht an die bestehende Umgebung angepasste Neubauten entwertet.

Stadtpolitiker und Denkmalschützer stellen sich der Diskussion um den Grünraumschutz

Grünraumschutz weist eklatante Lücken auf
Die „Blatt-Form“ für den Grazer Grünraum und weitere Bürgerinitiativen fordern aufgrund der mangelhaften Gesetzeslage Maßnahmen zum Schutz der durch Bauvorhaben bedrohten Grünflächen wie Vorgärten, Innenhöfe und Villengärten. Bei einer Podiumsdiskussion im Hotel Weitzer nahmen Dr. Friedrich Bouvier und Dr. Gertrude Celedin, die Vorsitzende der Altstadtsachverständigenkommission (ASVK), sowie Grazer Stadtpolitiker aller Couleurs Stellung zu der problematischen Entwicklung. Ebenfalls auf das Podium geladen war Prof. Thomas Will, Architekturhistoriker an der TU Dresden, der auf die Mängel in der einst europaweit vorbildlichen Denkmalschutzgesetzgebung Österreichs hinwies: „In anderen Ländern sind Grünflächen in historischen Stadtgebieten als schützenswerter Kulturraum eingestuft, denn sie bilden einen untrennbaren Bestandteil der Altstädte.“ Dennoch seien trotz mancher Bausünden gerade in Graz „sehr viele positive Werte bewahrt worden, was gerade für jemanden, der von auswärts kommt, noch besser wahrnehmbar ist“, betonte Will.

Landeskonservator Bouvier kritisiert, dass die städtischen Grünräume dem Denkmalschutz entzogen sind und so z.B. Villengärten mit unförmigen Zubauten zugeklotzt werden können: „Dabei kann man den Investoren und Bauspekulanten selbst wenig Vorwurf machen, diese wollen nur ihr Recht umsetzen. Die eigentliche Verantwortung liegt bei den politischen Verantwortlichen und beim Flächenwidmungsplan, sodass bei Weiterführung der bisherigen Praxis Graz als Gartenstadt eines Tages der Geschichte angehören wird.“

Drohende Banalisierung des urbanen Charakters
Auch Gertrude Celedin warnt vor weiteren Eingriffen in das historisch gewachsene Stadtbild: „Was wir heute schützen ist die Summe der Veränderungen der Vergangenheit.“ Insbesondere in der Kernzone sollten „historische Objekte absoluten Schutz genießen“: Den aktuellen Stein des Anstoßes bildet der drohende Teilabbruch des barocken Altstadthauses Sackstraße 28-30 wegen der wirtschaftlich nicht zumutbaren Renovierungskosten. Dieses verfassungsrechtlich gedeckte Argument könnte in letzter Konsequenz jedem historischen Objekt in der Grazer Altstadt zum Verhängnis werden: „Das barocke Hotel ‚Weißes Rössl’ am Lendplatz 37 wurde trotz negativem ASVK-Gutachten abgerissen, an dieser Stelle wurde ein monumentaler Hotelkasten errichtet, der die Umgebung förmlich erschlägt“, so Celedin. Die daran angrenzenden Objekte sind mittelfristig ebenfalls stark gefährdet.

Planungsstadtrat Gerhard Rüsch setzt zukünftig auf die verbesserte Koordination zwischen den Behörden und verweist auf positive Beispiele wie das Marienmühleprojekt. Dem hält Umweltstadtrat Walter Ferk entgegen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen dringend verbessert werden müssen, was nur durch ein rigoroses Durchgreifen der Politik erreicht werden kann. Die Lücken in der Gesetzgebung, die problematische „Zubauten“ in den Villengärten, wie etwa beim Palais Lazarini in der Elisabethstraße, ermöglichen, sind auch nach Meinung des deutsche Städtebauexperten Will schnell zu schließen, will man den typischen Charakter der Gründerzeitviertel erhalten und eine weitere „Banalisierung“ des urbanen Erscheinungsbildes verhindern.

– Josef Schiffer –

 

 

Alt-Grottenhof: Tennisspielen auf Römerfunden?
< Univ.-Doz. Dr. Bernhard Hebert, Bundesdenkmalamt: „Genehmigung erst, wenn sicher ist, dass keine erhaltenswerten Kulturgüter mehr im Boden ruhen“


Schon im Jahr 2000 hätte ein großer Teil der biologisch bewirtschafteten Anbauflächen der Landwirtschaftsschule Alt-Grottenhof in Graz-Webling einer Sportanlage geopfert werden sollen: Der damalige Sport-Landesrat Dr. Gerhard Hirschmann und Sturm-Präsident Hannes Kartnig wollten dort Trainingszentren für die Fußballclubs Sturm und GAK errichten. Das Vorhaben scheiterte am erbitterten Widerstand der AnrainerInnen, die 25.000 (!) Unterschriften gegen das Projekt sammelten, und der Zivilcourage des damaligen Schuldirektors DI Dr. Franz Klein, der sich nicht scheute, gegen seinen Arbeitgeber – das Land Steiermark, das an einem Verkauf interessiert war – Front zu machen. Hirschmann beschimpfte die Gegner als „kleinkarierte Verhinderer, der romanophile Kartnig belegte sie mit dem dem Französischen „pisse-vinaigre“ nachempfundenen Ausdruck „Essigbrunzer“.


AnrainerInnen verlangen Volksbefragung
Nun – nach exakt fünf Jahren – kommt der nächste Vorstoß: Der Betreiber des benachbarten „Tennis-Paradieses“ will eine Anlage mit dem beziehungsvollen Namen „Musterland“ auf den Bio-Äckern errichten; das Projekt soll insgesamt 4,5 Hektar beanspruchen – ein schwerer Verlust für die Schule, die in der Vergangenheit nationale und internationale Auszeichnungen für ihre Leistungen auf dem Gebiet der Biolandwirtschaft einheimsen konnte. Trotz dieser Erfolge hatte das Land Steiermark allerdings schon 2000 am Erhalt des Schulstandortes wenig Interesse gezeigt; diesmal soll dem Vernehmen nach den LehrerInnen der Schule bedeutet worden sein, dass ein Aufbegehren disziplinäre Folgen nach sich ziehen würde.

Der Widerstand der AnrainerInnen formiert sich allerdings aufs Neue: Gertraud Werthan und der Archäologe Diether Kramer sind gemeinsam mit einer Reihe von MitstreiterInnen wieder dabei, Unterschriften für eine Volksbefragung zur Erhaltung des Grünareals zu sammeln; die notwendigen 2200 Unterstützungen dürften bald erreicht sein.

Keine Bewilligung vor ausführlichen archäologischen Grabungen
Das Projekt könnte allerdings schon zuvor scheitern: Ein Teil des für die Anlage in Frage kommenden Geländes steht nämlich seit 2000 unter Denkmalschutz, weil darunter die Reste eines großen römischen Gebäudes liegen – eines Bauerngehöftes, eines Gutshofes oder gar einer Villa, eine Tatsache, die von den Betreibern bis jetzt offenbar nicht wirklich beachtet wurde. Univ.-Doz. Dr. Bernhard Hebert vom Bundesdenkmalamt im KORSO-Gespräch: „Ohne eine ausführliche Grabung kann das Denkmalamt keine Bewilligung für eine bauliche Nutzung der geschützten Flächen erteilen.“ Erst wenn sicher sei, dass keine erhaltenswerten Objekte mehr im Boden ruhten, könne die Genehmigung für eine Verbauung ausgesprochen werden. Finanziert werden müsste die Grabung zumindest zum größten Teil vom Bauwerber – die Kosten für eine größere Grabung bewegten sich, so Hebert, in Größenordnungen von bis zu 70.000 Euro. Was, wenn wirklich unersetzbares Kulturgut unter den Äckern von Alt-Grottenhof liegt – etwa eine römische Villa? Hebert: „Dann wird die Entscheidung schwierig, es hat auch schon Fälle gegeben, wo von einer Bebauung letztendlich Abstand genommen werden musste.“

– Christian Stenner –


  Erweiterung des Schulverbundes Graz-West


Der Landesschulrat für Steiermark demonstriert mit der Erweiterung des Gesamtschulversuchs „Kooperative Mittelschule“ einen bildungspolitischen Konsens, der ein österreichisches Unikat ist.

In den seit 14 Jahren bestehenden Schulverbund Graz-West wird ab Herbst die benachbarte Hauptschule Kalsdorf aufgenommen. An allen Standorten unterrichten Gymnasial- und HauptschullehrerInnen gemeinsam. Der Schulversuch ist der organisatorische Rahmen, der Kinder nicht selektiert, sondern ihnen bis zum 14. Lebensjahr Zeit für Entwicklung lässt und behinderte Kinder integriert. Trotz allgemein sinkender Schülerzahlen kam es im Schulverbund zu einer Steigerung der Neuaufnahmen. „Die hohe Akzeptanz, die uns Eltern entgegenbringen, wird nun auch von der Schulbehörde anerkannt“, meint die Verbundkoordinatorin Mag. Elgrid Messner.

 

 

Graz: Die „Eschenlaube“ neu – multiethnische Großinsel im gastronomischen Archipel


Das Gasthaus Eschenlaube am Glacis ist das legitime Nachfolgelokal des legendären „Kommod“. Legitim schon wegen der beiden Betreiber: Helmut Pfundner, ehemaliger Kommod- und Triangel-Wirt, und Gerry Landschbauer, häufiger Kommod-Gast, haben einiges an Zeit und Kapital investiert: das Ergebnis kann sich sehen lassen und ist vielleicht am besten mit dem Idiom „gediegene Gemütlichkeit, gepaart mit sozialer Aufmerksamkeit“ zu beschreiben. Nicht zu vergessen: die Sorgfalt und Akkuratesse, die hier für die Zubereitung der Speisen aufgewendet wird.
17.00 Uhr am Nachmittag in der Eschenlaube: Die peruanische Köchin Vanessa begrüßt die iranische Barfrau Mehrnaz. Said, der Unvergleichliche, der Unverwechselbare, Chef de Cuisine, Marokkaner, aus dessen Mund man noch nie ein unbedeutendes Wort kommen hörte, beginnt mit der Arbeit. Bis 00.45 Uhr früh wird er für die Gäste kochen: Cuisine du Monde.

Multikulturell und offen wie die MitarbeiterInnen in Küche und Service ist das Publikum, kein Lokal in Graz, dessen ethnische und soziale Durchmischung, dessen Altersmix unter den Gästen so durchgängig ist wie in der Eschenlaube. Vermutlich vermag solches bei schlichteren Zeitgenossen „ein Gefühl von Anarchie“ zu erzeugen.

Gute Lokale sind Abbilder der Gesellschaft. Schlechte Lokale sind Ghettos. In der Eschenlaube trifft sich nicht „die Szene“ sondern „die Gesellschaft“: Rechtsanwälte, Politiker, Zeitungsverkäufer, Taxifahrer, Wirtschaftsbosse, Studenten, Mathematiker, Musiker, Literaten, Maler, Schauspieler, Schlosser, Fabriksarbeiter, Lehrer … Männer und Frauen, alt und jung. Die hier entstehenden Diskurse erreichen nicht selten akademisches Niveau. Ein Dauergast ist dabei immer der Humor. Ein Grazer Universitätsprofessor und Ex-Kommod-Gast stößt nach Eröffnung der Eschenlaube einen Seufzer der Erleichterung aus: „Das ist die Zukunft!“

Das Gebäude am Glacis Nr. 63 datiert aus dem Jahr 1795 und wurde ab Beginn des 19. Jahrhunderts als Gaststätte genutzt. Die Kraft der traditionsreiche Location nutzend, haben Pfundner / Landschbauer – nach ihrem kostspieligen und letztlich vergeblichen Bemühen um die Erhaltung von Kommod und Triangel – sich vorgenommen, die entstandenen Lücke im Angebot einer Gaststätte hoher universeller Qualität wieder zu schließen. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass dies gelungen ist!

Die Eschenlaube hält durchgängig, ohne Ruhetag, jeweils von 17.00 bis 02.00 Uhr morgens offen, in wenigen Wochen beginnt hier der Vollbetrieb, die Eschenlaube öffnet dann bereits um 11.00 Uhr vormittags und bietet Mittagsküche.

– Dieter Kordik –


Eschenlaube, Glacisstraße 63, 8010 Graz, Tel. (0 316) 81 04 57 | www.eschenlaube.at

 

 

  Verlängerung der Linien 6 und 5 im Kampf gegen Lärm und Feinstaub


Den wenigen AktivistInnen der BI „Lebenswertes Graz-Südost“ stehen Tausende Menschen gegenüber, die sich seit Jahren für die Verlängerung der Linie 6 aussprechen. Verkehrsstadtrat Gerhard Rüsch hält am Gemeinderatsbeschluss fest: „Am 6. Juli ist Spatenstich!“ Kein Verständnis für die Demonstranten, die eine andere Streckenführung zu erzwingen versuchen, zeigt Rüsch angesichts dessen, dass dadurch ein riesiges Siedlungsgebiet erschlossen wird: „Die Überlegungen zur Verlängerung der Linie 6 gehen fast 20 Jahre zurück und wenn man bedenkt, dass hier etwa 12.000 Einwohner leben, leisten wir hier einen sehr positiven Beitrag“. Er betont die Notwendigkeit, angesichts der Auswirkungen zunehmenden Individualverkehrs wie Feinstaubs und Lärms den öffentlichen Verkehr attraktiver zu gestalten.

V.l.n.r.: Stadtbaudirektor Bertram Werle, Verkehrsstadtrat Gerhard Rüsch, Peter Schröttner, Bezirksvorsteher von St. Peter und GVB-Direktor Anthony Scholz bei der neuen Endstation Peterstal

Umweltverträgliche Straßenbahn
Die ca. 1,8 km lange Strecke vom St. Peter-Schulzentrum in die Peterstalstraße soll in den nächsten drei Jahren gebaut werden – geplante Kosten: 21,4 Mio. Euro. Eine kostenintensive Informationskampagne wird die Bauarbeiten begleiten: „Diskussionen um die Verlängerung wird es weiterhin geben, d. h. wir werden die Emotionen nicht ganz wegbringen.“ Rüsch: „Wir kommen jedoch zum selben Ergebnis wie der Rechnungshof: Die neue Linie 6 hätte schon längst gebaut werden sollen!“ Wurde in den vergangenen Jahren das Liniennetz durch neue Buslinien ergänzt, so gilt es nun, die Straßenbahn auszubauen, da sie ein äußerst umweltverträgliches Verkehrsmittel darstellt.

In nur 15 Min im Zentrum
Die Sinnhaftigkeit der 6er-Verlängerung wurde laut Stefan Walter, Verein FAHRGAST Graz, nachgewiesen – abgesehen vom volkswirtschaftlichen Nutzen würde die Strecke auch betriebswirtschaftlich positiv bilanzieren! Die zukünftige Fahrgastzahl in diesem neuen Streckenabschnitt wird auf über 8.340 Fahrgäste pro Werktag geschätzt. „Für die Fahrgäste entlang der Strecke entfällt der Umsteigezwang, wodurch sich die Fahrzeit ins Zentrum auf eine Viertelstunde reduziert“, so Walter. Die Argumente der 6er-Gegener seien laut Walter großteils schlichtweg falsch. 6er-Befürworter Ing. Rudolf Ziegelbecker meint zudem: „Die am St. Peter Pfarrweg wohnenden Gegner kommen außerdem in den Genuss, dass sich der Schleichweg mit täglich tausenden vorbeibrausenden Autos aufhört.“

Ing. Rudolf Ziegelbecker Brigitta Neumeister

Verzögerungen kosten
Brigitta Neumeister, die 1990 die „Pro 6er Initiative“ gründete, lebt seit 25 Jahren in St. Peter. Sie berichtet von zahlreichen Informationsveranstaltungen, Demonstrationen und einer Unterschriftenaktion zwei Jahre nach Gründung der Initiative, um die Stadt Graz dazu zu bewegen, mit dem Bau zu beginnen. „Die 6er Verlängerung war schon 1987 geplant und damals mit rund 175 Mio Schilling konzipiert. Die Verzögerung des Baus hat schon so viele Kosten verursacht. Der 6er könnte eigentlich seit 10 Jahren fahren!“ so Neumeister und weist auf eines der vordringlichsten Probleme hin: „Am Paierlhang und auch in der Hohenrainsiedlung leben inzwischen sehr viele alte Menschen. Die meisten Leute sind jetzt 65 Jahre und älter und haben teils kein Auto. Die Buslinien 68 und 69 z.B. fahren sonn- und feiertags überhaupt nicht!“

Öffentliches Interesse geht vor
Dass besonders die vielen alten Menschen um die Verlängerung kämpfen, bestätigt auch Mag. Kurt Frantz, der am Prof. Franz-Spathring wohnt: „In meinem Haus leben vier alte Damen, die teilweise mit zwei Stöcken gehen. Wissen Sie wie schwer sie auf die 6er Verlängerung warten?“ seufzt Frantz und fügt hinzu, dass viele nach St. Peter übersiedelt sind, wegen der Aussicht auf eine Straßenbahn vor der Haustür. Die „Anliegen“ der 6er-Gegnern bezeichnet er als „kontraproduktive Luxusvariante für wenige Privilegierte“. „Ich habe das „Treffen der Aktivbürger“ besucht und ihre Zahl – etwa 25 bis 30, scheint mir in keiner Weise den mehrheitlichen Willen des Bezirks zu repräsentieren“, so Frantz. Auch Neumeister hat sich als „Beobachterin“ den Demos angeschlossen und konnte nur ein Grüppchen vorfinden, welches nach ihrem Eindruck subjektive Wünsche dem öffentlichen Interesse entgegenstellen wolle. Solange es keine 6er-Verlängerung in die Siedlungen gibt, werden viele „autolose“ Pensionisten Sonn- und Feiertags wohl weiterhin in ihren vier Wänden bleiben müssen.

Fünfer zum Nahverkehrsknoten Puntigam
Bis Ende 2006 wird an der Südbahn der neue Nahverkehrsknoten Puntigam fertig gestellt sein; dann soll in der Folge auch die Linie 5 vom Brauhaus unter der Triester Straße bis westlich der Bahnhaltestelle Puntigam um rund 400 Meter verlängert werden. Zusätzlich sind dort dann 800 Park and Ride-Stellplätze verfügbar. Die Bauarbeiten der Trasse bis zum Knoten sollen ebenfalls im Dezember 2006 abgeschlossen sein. Die Kosten von rund 15,5 Mio. Euro werden gemeinsam von der Stadt Graz und dem Land Steiermark getragen. Der neue Nahverkehrsknoten, der kurze Umsteigwege unter einer gemeinsamen Überdachung bietet, wird dann nicht nur eine attraktive Variante für Pendler darstellen, sondern auch einen richtungweisenden Schritt zum Aufbau eines S-Bahn-Systems hin darstellen.

– Claudia Windisch –

 

  KORSO-Podiumsdiskussion über City-Maut für Graz


Die anhaltend hohe Feinstaubbelastung – allein im ersten Quartal wurde die höchstzulässige Grenze im Stadtgebiet 57 Mal überschritten – hat auch in Graz den Ruf nach wirksamen und rasch umsetzbaren Maßnahmen lauter werden lassen: Ein dringlicher Antrag der Grünen Sigi Binder zur Prüfung der Einführung einer Stadtmaut für Pkws wurde kürzlich im Gemeinderat mit den Stimmen aller Parteien außer der ÖVP angenommen.

Am Podium bei der KORSO-Citymautdiskussion (v.l.n.r.): Univ.-Prof. Dr. Johann Zancanella, Mag. Erwin Mayer (Greenpeace), Mag. Christian Stenner (Korso), Franz Fromm (AK-Steiermark) DI Dr. Kurt Fallast, DI Martin Blum (VCÖ)

Am Institut für Städtebau (TU) veranstaltete Korso daher aus aktuellem Anlass eine Podiumsdiskussion mit Experten zum Thema Citymaut, die in London und skandinavischen Städten bereits erfolgreich praktiziert wird.

Martin Blum vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) unterstrich seine Position für eine binnen kürzester Zeit umsetzbare elektronische Bemautung mit detailliertem Zahlenmaterial: „Von den täglich 160.000 EinpendlerInnen benutzen mittlerweile 87% das Auto, nur mehr 13% den öffentlichen Verkehr. Durch die Einführung einer Citymaut innerhalb des Gründerzeitviertels von Graz würden zusätzlich mehr als 50% des Binnenverkehrs erfasst werden.“ Der Nutzen liegt nach Blum neben der Reduktion des Feinstaubs um rund ein Viertel in der volkswirtschaftlichen Ersparnis von etwa 100 Mio. Euro durch die Vermeidung von Emissionen und Unfällen sowie die Verbesserung der Lebensqualität.


Der Verkehrsplaner DI Dr. Kurt Fallast von der TU Graz äußert nach eigenen Verkehrsstromanalysen dagegen eine deutlich skeptischere Bewertung der Maut, die als isolierte verkehrspolitische Maßnahme „in ihrer Treffsicherheit fraglich“ sei und zudem den ins Umland fließenden Verkehr nicht berücksichtige. Ähnlich zurückhaltend zeigt sich Franz Fromm von der AK Steiermark, der grundsätzlich eine Citymaut für sinnvoll hält, „aber ohne begleitende Maßnahmen ist das nicht einmal die halbe Miete.“ Er fordert einen besseren Ausbau der „Öffis“ und argumentiert, dass die monetäre Belastung durch eine Maut viele Kleinverdiener betreffe, „von denen andererseits immer höhere Mobilität gefordert wird“.

Erwin Mayer von Greenpeace setzt sich für eine „Öko-Citymaut“ ein, deren Höhe von den Emissionen eines Kfz abhängig sein soll. Mit den Einnahmen sollen der öffentliche Verkehr ausgebaut und der Ankauf umweltfreundlicher Fahrzeuge gefördert werden. Abgesehen davon sind seiner Meinung nach als Sofortmaßnahme gegen die durch den Feinstaub verursachte Sterblichkeit – die Lebenserwartung von über 60-Jährigen wird in Ballungsräumen um fünf Jahre gesenkt – nur umgehende strikte Maßnahmen wie Fahr- und Heizverbote sowie Betriebsstilllegungen wirksam.

Univ.-Prof. Dr. Johann Zancanella (Inst. Städtebau der TU Graz) billigt einer Citymaut durchaus positive Effekte, wie die Reduktion des Verkehrsaufkommens, zu: „Sie ist dennoch ein punktuelles Herumdoktern an den eigentlichen Problemen“, die seiner Meinung nach strukturelle Ursachen haben. „Es ist zweifelhaft, dass dadurch bei den Menschen eine nachhaltige Verhaltensänderung bewirkt wird“, gibt Zancanella zu bedenken. Die Fehler der Vergangenheit, wie die starke Zersiedelung des Grazer Umlandes und die damit verbundene ungünstige Verkehrinfrastruktur, sind nur schwer wieder gut zu machen: „Wirtschaftlichkeitsüberlegungen müssen daher beim Ausbau des ÖV in den Hintergrund treten.“

Im Verlauf der anschließenden Diskussion zeichneten sich unter den mehrheitlich anwesenden Befürwortern der Mautlösung zwei Positionen ab: Die eine Seite, u.a. vertreten von den Grünen, VCÖund Greenpeace, fordert die sofortige Einführung der Citymaut, um eine rasche Wirkung beim Feinstaubproblem zu erzielen. Dem wird vor allem von Fürsprechern der Pendlerinteressen entgegengehalten, dass die Citymaut nur als längerfristiges und sozial verträgliches Modell in Verbindung mit dem Ausbau des ÖV (und einem Park and Ride-System an der Peripherie) zu bewerkstelligen ist, wie Fromm hervorhebt: „Ich vermisse, dass sich Land, Stadt und Umlandgemeinden zusammentun um gemeinsam etwas gegen die Feinstaubproblematik zu unternehmen.“ Dem hält Blum entgegen, dass es äußerst fragwürdig sei, sozialen Ausgleich über den PKW-Verkehr herzustellen zu wollen.

Uni Zweier gefordert
In diesem Kontext fordern nun Gewerkschafter und die Fachschaftsliste der Uni Graz nach den jahrelangen Versprechungen von Seiten der Stadtpolitik Schritte zur Realisierung des Uni-Straßenbahnprojekts. „Die Busse sind zu den Spitzenzeiten ausgelastet, die an sich wünschenswerte Verlagerung vom Individual- zum öffentlichen Verkehr würde nur zu weiteren Qualitätseinbußen führen“, bemängelt Dieter Kaltenbeck (Unabhängige GewerkschafterInnen). „Die Universität sollte aufgrund ihrer zentralen Bedeutung als Arbeits- und Lebensumfeld von mehr als 20 000 Studierenden besser erschlossen werden“, verlangt auch der ÖH-Vorsitzende Philipp Funovits (FLUG).

„Die Realisierung des Uni 2ers wäre ein wertvoller Beitrag gegen die Feinstaubproblematik. Zur Umsetzung fehlt aber offenbar der politische Wille“, kritisieren die beiden parteiunabhängigen Organisationen und kündigen an, ihrem Wunsch nach einer sozialverträglichen und nachhaltigen Verkehrspolitik von Seiten der Stadt Graz durch gemeinsame Aktionen Nachdruck verleihen zu wollen.

– Josef Schiffer –