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korso
Graz |
Das
Informationsmagazin
der Steiermark |
06/2005 |
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Schnelle oder „entschleunigte“
Sanierung für die
Alleebäume im Stadtpark? < Baumspezialist
Kost: „Die Bürger sollten von der Politik in die Entscheidung
mit einbezogen werden.“ |
Erbost wegen der „Drüberfahrpolitik“ zeigen
sich die GrazerInnen beim Stadtparkgipfel. Der Anlass der Veranstaltung:
Die geplante Fällung von 123 Kastanienbäumen in der Montclair-
und Dubrovnik-Allee. Bürgermeister Siegfried Nagl und Stadtrat
Gerhard Rüsch (ÖVP) stellten sich der Diskussion mit Experten.
Zwei gewichtige Fachleute von Seite der Baumerhalter fehlten jedoch:
Franz Wolkinger und Alois Oswald.
Robert Wiener und Robert Grill vom Stadtgartenamt präsentierten
ihr Konzept für eine etappenweise Erneuerung der Alleen. Als
Begründung wurden Verkehrssicherheit und Denkmalschutz angegeben.
Für die Erhaltung der Bäume setzt sich u.a. der stv.Bgm.
Walter Ferk ein. Fazit des von ihm bestellten unabhängigen
Gutachters Hans Kost aus Deutschland: „Durch baumpflegerische
Maßnahmen ist eine Wiederherstellung der Verkehrssicherheit
möglich und die Allee kann 20 bis 30 Jahre erhalten bleiben.“
Schon während der Veranstaltung zeichnete es sich jedoch ab,
dass man bei den Schlägerungsplänen bleiben will. Nach
bisheriger Zurückhaltung der Grünen mahnte Hermann Candussi
zur Zurückhaltung: „Die Sanierung wäre in auch einem
wesentlich schonenderen zeitlichen Rahmen möglich.“
Prof. Geza Hajós von der Abteilung des BDA für historische
Gartenanlagen gab zu bedenken, dass der Grazer Stadtpark ein Kunstwerk
und kein „Öko-Biotop“ sei: „Wenn die Allee
den architektonischen geschlossenen Charakter durch Ausfälle
nicht verliert, ist die Gartendenkmalpflege zufrieden. Wenn man
aber an die Zukunft des gesamten Stadtparks in den nächsten
100 bis 150 Jahren denkt, dann müsste man bald Neupflanzungen
vornehmen.“ Eva Klepp-Afritsch von der Initiative „Lebendiger
Stadtpark“ hält es dagegen für völlig falsch,
die Bäume „30 Jahre vor dem Tod zu fällen“.
Gerlinde Knaus sprach mit dem Tübinger Dipl.-Ing. Hans Kost,
ÖBV-Sachverständiger für Gehölzwesen.
Bei der Diskussion ist der Eindruck entstanden, dass man
Ihr Gutachten nicht entsprechend würdigt. Sind Sie enttäuscht
von dieser Veranstaltung?
Nein, ich hab das schon vorausgesehen und schon etliche ähnliche
Fälle erlebt. Dass es zwei konträre Meinungen gibt, das
ist normal, aber hier steckt viel Emotion drinnen. Ich bekam vom
Grazer Umweltamt den Auftrag ein unabhängiges Gutachten zu
erstellen und das habe ich völlig wertneutral getan. Die Gehölze
wurden von mir nach der vorgeschriebenen und weltweit anerkannten
VTA-Methode von Prof. Dr. Mattheck begutachtet und bewertet.
Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bäume in
der Montclair- und in der Dubrovnik-Allee bei entsprechender Pflege
noch eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren haben. Wo müsste
man nun ansetzen?
Voraussetzung für einen Erfolg sind regelmäßige
Baumkontrollen und Pflegemaßnahmen durch Fachleute, die nicht
hinter Schreibtischen sitzen, sondern vor Ort tätig sind. Die
Verkehrssicherheit könnte völlig wiederhergestellt werden.
Sinnvoll wäre ein geschulter Pflegetrupp, denn schließlich
handelt es sich um Millionenwerte, die hier als Grundvermögen
im Raum stehen, von der Verantwortung ganz zu schweigen. Für
die Pflegemaßnahmen habe ich rund 37.000 Euro kalkuliert,
danach fallen alle drei bis vier Jahre weitere Kosten für Pflegemaßnahmen
an, die sowieso durchgeführt werden müssten. Eine Totalsanierung
wäre ungleich teurer: ein einziger neuer Baum kostet (Anschaffungskosten,
Bodenaustausch, Personalkosten, Pflege) mindestens 2.500 Euro.
Es wird immer wieder das Argument, auch von Seiten des Denkmalschutzes
vorgebracht, dass Bäume irgendwann einmal sterben. Finden
Sie das „Sterben vor der Zeit“ gerechtfertigt?
Dass die Allee irgendwann einmal erneuert werden muss, ist klar,
aber in einem schonenden Zeitraum mit mehr und kleineren Abschnitten.
Die Bevölkerung ist sensibler geworden – Bäume werden
als Lebewesen wahrgenommen und deshalb sollte die Politik die Bürger
mit einbeziehen. Die Vorgangsweise „Schau mal, wir haben Bäume
gefällt und nun seht her wie sie aussehen“ spricht nicht
gerade von Sensibilität. Naturschutz und Denkmalpflege sind
wichtig, nur darf ich einen Faktor nicht vergessen: den Menschen.
Sonst läuft alles ins Leere.
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Bedrohte Grünräume
in der Altstadt |
Der Druck auf die Grazer Altstadtbezirke von Seiten renditehungriger
Immobilien-Investoren nimmt in den vergangenen Jahren stetig weiter
zu; und dies trotz des strengen UNESCO-Schutzes für den historischen
Stadtkern, wie die Fälle Kommodhaus und Thalia repräsentativ
belegen. Aber auch außerhalb des Zentrums werden für
den Ausgleich des Mikroklimas wichtige Grünflächen weiter
verbaut und ganze Ensembles – wie zurzeit in der Schützenhofgasse
geplant – durch die Errichtung überproportionaler und
nicht an die bestehende Umgebung angepasste Neubauten entwertet.
Stadtpolitiker und Denkmalschützer stellen sich der Diskussion
um den Grünraumschutz
Grünraumschutz weist eklatante Lücken
auf
Die „Blatt-Form“ für den Grazer Grünraum und
weitere Bürgerinitiativen fordern aufgrund der mangelhaften
Gesetzeslage Maßnahmen zum Schutz der durch Bauvorhaben bedrohten
Grünflächen wie Vorgärten, Innenhöfe und Villengärten.
Bei einer Podiumsdiskussion im Hotel Weitzer nahmen Dr. Friedrich
Bouvier und Dr. Gertrude Celedin, die
Vorsitzende der Altstadtsachverständigenkommission (ASVK),
sowie Grazer Stadtpolitiker aller Couleurs Stellung zu der problematischen
Entwicklung. Ebenfalls auf das Podium geladen war Prof. Thomas
Will, Architekturhistoriker an der TU Dresden, der auf
die Mängel in der einst europaweit vorbildlichen Denkmalschutzgesetzgebung
Österreichs hinwies: „In anderen Ländern sind Grünflächen
in historischen Stadtgebieten als schützenswerter Kulturraum
eingestuft, denn sie bilden einen untrennbaren Bestandteil der Altstädte.“
Dennoch seien trotz mancher Bausünden gerade in Graz „sehr
viele positive Werte bewahrt worden, was gerade für jemanden,
der von auswärts kommt, noch besser wahrnehmbar ist“,
betonte Will.
Landeskonservator Bouvier kritisiert, dass die
städtischen Grünräume dem Denkmalschutz entzogen
sind und so z.B. Villengärten mit unförmigen Zubauten
zugeklotzt werden können: „Dabei kann man den Investoren
und Bauspekulanten selbst wenig Vorwurf machen, diese wollen nur
ihr Recht umsetzen. Die eigentliche Verantwortung liegt bei den
politischen Verantwortlichen und beim Flächenwidmungsplan,
sodass bei Weiterführung der bisherigen Praxis Graz als Gartenstadt
eines Tages der Geschichte angehören wird.“
Drohende Banalisierung des urbanen Charakters
Auch Gertrude Celedin warnt vor weiteren Eingriffen in das historisch
gewachsene Stadtbild: „Was wir heute schützen ist die
Summe der Veränderungen der Vergangenheit.“ Insbesondere
in der Kernzone sollten „historische Objekte absoluten Schutz
genießen“: Den aktuellen Stein des Anstoßes bildet
der drohende Teilabbruch des barocken Altstadthauses Sackstraße
28-30 wegen der wirtschaftlich nicht zumutbaren Renovierungskosten.
Dieses verfassungsrechtlich gedeckte Argument könnte in letzter
Konsequenz jedem historischen Objekt in der Grazer Altstadt zum
Verhängnis werden: „Das barocke Hotel ‚Weißes
Rössl’ am Lendplatz 37 wurde trotz negativem ASVK-Gutachten
abgerissen, an dieser Stelle wurde ein monumentaler Hotelkasten
errichtet, der die Umgebung förmlich erschlägt“,
so Celedin. Die daran angrenzenden Objekte sind mittelfristig ebenfalls
stark gefährdet.
Planungsstadtrat Gerhard Rüsch setzt
zukünftig auf die verbesserte Koordination zwischen den Behörden
und verweist auf positive Beispiele wie das Marienmühleprojekt.
Dem hält Umweltstadtrat Walter Ferk entgegen, dass die rechtlichen
Rahmenbedingungen dringend verbessert werden müssen, was nur
durch ein rigoroses Durchgreifen der Politik erreicht werden kann.
Die Lücken in der Gesetzgebung, die problematische „Zubauten“
in den Villengärten, wie etwa beim Palais Lazarini in der Elisabethstraße,
ermöglichen, sind auch nach Meinung des deutsche Städtebauexperten
Will schnell zu schließen, will man den typischen Charakter
der Gründerzeitviertel erhalten und eine weitere „Banalisierung“
des urbanen Erscheinungsbildes verhindern.
– Josef Schiffer –
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Alt-Grottenhof: Tennisspielen
auf Römerfunden? < Univ.-Doz. Dr.
Bernhard Hebert, Bundesdenkmalamt: „Genehmigung erst, wenn sicher
ist, dass keine erhaltenswerten Kulturgüter mehr im Boden ruhen“
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Schon im Jahr 2000 hätte ein großer Teil der biologisch
bewirtschafteten Anbauflächen der Landwirtschaftsschule Alt-Grottenhof
in Graz-Webling einer Sportanlage geopfert werden sollen: Der damalige
Sport-Landesrat Dr. Gerhard Hirschmann und Sturm-Präsident
Hannes Kartnig wollten dort Trainingszentren für
die Fußballclubs Sturm und GAK errichten. Das Vorhaben scheiterte
am erbitterten Widerstand der AnrainerInnen, die 25.000 (!) Unterschriften
gegen das Projekt sammelten, und der Zivilcourage des damaligen
Schuldirektors DI Dr. Franz Klein, der sich nicht
scheute, gegen seinen Arbeitgeber – das Land Steiermark, das
an einem Verkauf interessiert war – Front zu machen. Hirschmann
beschimpfte die Gegner als „kleinkarierte Verhinderer, der
romanophile Kartnig belegte sie mit dem dem Französischen „pisse-vinaigre“
nachempfundenen Ausdruck „Essigbrunzer“.
AnrainerInnen verlangen Volksbefragung
Nun – nach exakt fünf Jahren – kommt der nächste
Vorstoß: Der Betreiber des benachbarten „Tennis-Paradieses“
will eine Anlage mit dem beziehungsvollen Namen „Musterland“
auf den Bio-Äckern errichten; das Projekt soll insgesamt 4,5
Hektar beanspruchen – ein schwerer Verlust für die Schule,
die in der Vergangenheit nationale und internationale Auszeichnungen
für ihre Leistungen auf dem Gebiet der Biolandwirtschaft einheimsen
konnte. Trotz dieser Erfolge hatte das Land Steiermark allerdings
schon 2000 am Erhalt des Schulstandortes wenig Interesse gezeigt;
diesmal soll dem Vernehmen nach den LehrerInnen der Schule bedeutet
worden sein, dass ein Aufbegehren disziplinäre Folgen nach
sich ziehen würde.
Der Widerstand der AnrainerInnen formiert
sich allerdings aufs Neue: Gertraud Werthan und
der Archäologe Diether Kramer sind gemeinsam
mit einer Reihe von MitstreiterInnen wieder dabei, Unterschriften
für eine Volksbefragung zur Erhaltung des Grünareals zu
sammeln; die notwendigen 2200 Unterstützungen dürften
bald erreicht sein.
Keine Bewilligung vor ausführlichen
archäologischen Grabungen
Das Projekt könnte allerdings schon zuvor scheitern: Ein Teil
des für die Anlage in Frage kommenden Geländes steht nämlich
seit 2000 unter Denkmalschutz, weil darunter die Reste eines großen
römischen Gebäudes liegen – eines Bauerngehöftes,
eines Gutshofes oder gar einer Villa, eine Tatsache, die von den
Betreibern bis jetzt offenbar nicht wirklich beachtet wurde. Univ.-Doz.
Dr. Bernhard Hebert vom Bundesdenkmalamt im KORSO-Gespräch:
„Ohne eine ausführliche Grabung kann das Denkmalamt keine
Bewilligung für eine bauliche Nutzung der geschützten
Flächen erteilen.“ Erst wenn sicher sei, dass keine erhaltenswerten
Objekte mehr im Boden ruhten, könne die Genehmigung für
eine Verbauung ausgesprochen werden. Finanziert werden müsste
die Grabung zumindest zum größten Teil vom Bauwerber
– die Kosten für eine größere Grabung bewegten
sich, so Hebert, in Größenordnungen von bis zu 70.000
Euro. Was, wenn wirklich unersetzbares Kulturgut unter den Äckern
von Alt-Grottenhof liegt – etwa eine römische Villa?
Hebert: „Dann wird die Entscheidung schwierig, es hat auch
schon Fälle gegeben, wo von einer Bebauung letztendlich Abstand
genommen werden musste.“
– Christian Stenner –
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Erweiterung des Schulverbundes
Graz-West |
Der Landesschulrat für Steiermark demonstriert mit der Erweiterung
des Gesamtschulversuchs „Kooperative Mittelschule“ einen
bildungspolitischen Konsens, der ein österreichisches Unikat
ist.
In den seit 14 Jahren bestehenden Schulverbund Graz-West wird
ab Herbst die benachbarte Hauptschule Kalsdorf aufgenommen. An allen
Standorten unterrichten Gymnasial- und HauptschullehrerInnen gemeinsam.
Der Schulversuch ist der organisatorische Rahmen, der Kinder nicht
selektiert, sondern ihnen bis zum 14. Lebensjahr Zeit für Entwicklung
lässt und behinderte Kinder integriert. Trotz allgemein sinkender
Schülerzahlen kam es im Schulverbund zu einer Steigerung der
Neuaufnahmen. „Die hohe Akzeptanz, die uns Eltern entgegenbringen,
wird nun auch von der Schulbehörde anerkannt“, meint
die Verbundkoordinatorin Mag. Elgrid Messner.
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Graz: Die „Eschenlaube“
neu – multiethnische Großinsel im
gastronomischen Archipel |
Das Gasthaus Eschenlaube am Glacis ist das legitime Nachfolgelokal
des legendären „Kommod“. Legitim schon wegen der
beiden Betreiber: Helmut Pfundner, ehemaliger Kommod- und Triangel-Wirt,
und Gerry Landschbauer, häufiger Kommod-Gast, haben einiges
an Zeit und Kapital investiert: das Ergebnis kann sich sehen lassen
und ist vielleicht am besten mit dem Idiom „gediegene Gemütlichkeit,
gepaart mit sozialer Aufmerksamkeit“ zu beschreiben. Nicht
zu vergessen: die Sorgfalt und Akkuratesse, die hier für die
Zubereitung der Speisen aufgewendet wird.
17.00 Uhr am Nachmittag in der Eschenlaube: Die peruanische Köchin
Vanessa begrüßt die iranische Barfrau Mehrnaz. Said,
der Unvergleichliche, der Unverwechselbare, Chef de Cuisine, Marokkaner,
aus dessen Mund man noch nie ein unbedeutendes Wort kommen hörte,
beginnt mit der Arbeit. Bis 00.45 Uhr früh wird er für
die Gäste kochen: Cuisine du Monde.
Multikulturell und offen wie die MitarbeiterInnen
in Küche und Service ist das Publikum, kein Lokal in Graz,
dessen ethnische und soziale Durchmischung, dessen Altersmix unter
den Gästen so durchgängig ist wie in der Eschenlaube.
Vermutlich vermag solches bei schlichteren Zeitgenossen „ein
Gefühl von Anarchie“ zu erzeugen.
Gute Lokale sind Abbilder der Gesellschaft.
Schlechte Lokale sind Ghettos. In der Eschenlaube trifft sich nicht
„die Szene“ sondern „die Gesellschaft“:
Rechtsanwälte, Politiker, Zeitungsverkäufer, Taxifahrer,
Wirtschaftsbosse, Studenten, Mathematiker, Musiker, Literaten, Maler,
Schauspieler, Schlosser, Fabriksarbeiter, Lehrer … Männer
und Frauen, alt und jung. Die hier entstehenden Diskurse erreichen
nicht selten akademisches Niveau. Ein Dauergast ist dabei immer
der Humor. Ein Grazer Universitätsprofessor und Ex-Kommod-Gast
stößt nach Eröffnung der Eschenlaube einen Seufzer
der Erleichterung aus: „Das ist die Zukunft!“
Das Gebäude am Glacis Nr. 63 datiert aus dem
Jahr 1795 und wurde ab Beginn des 19. Jahrhunderts als Gaststätte
genutzt. Die Kraft der traditionsreiche Location nutzend, haben
Pfundner / Landschbauer – nach ihrem kostspieligen und letztlich
vergeblichen Bemühen um die Erhaltung von Kommod und Triangel
– sich vorgenommen, die entstandenen Lücke im Angebot
einer Gaststätte hoher universeller Qualität wieder zu
schließen. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass dies gelungen
ist!
Die Eschenlaube hält durchgängig, ohne
Ruhetag, jeweils von 17.00 bis 02.00 Uhr morgens offen, in wenigen
Wochen beginnt hier der Vollbetrieb, die Eschenlaube öffnet
dann bereits um 11.00 Uhr vormittags und bietet Mittagsküche.
– Dieter Kordik –
Eschenlaube, Glacisstraße 63, 8010 Graz, Tel. (0 316) 81 04
57 | www.eschenlaube.at
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Verlängerung der Linien 6 und
5 im Kampf gegen Lärm und Feinstaub |
Den wenigen AktivistInnen der BI „Lebenswertes Graz-Südost“
stehen Tausende Menschen gegenüber, die sich seit Jahren für
die Verlängerung der Linie 6 aussprechen. Verkehrsstadtrat
Gerhard Rüsch hält am Gemeinderatsbeschluss fest: „Am
6. Juli ist Spatenstich!“ Kein Verständnis für die
Demonstranten, die eine andere Streckenführung zu erzwingen
versuchen, zeigt Rüsch angesichts dessen, dass dadurch ein
riesiges Siedlungsgebiet erschlossen wird: „Die Überlegungen
zur Verlängerung der Linie 6 gehen fast 20 Jahre zurück
und wenn man bedenkt, dass hier etwa 12.000 Einwohner leben, leisten
wir hier einen sehr positiven Beitrag“. Er betont die Notwendigkeit,
angesichts der Auswirkungen zunehmenden Individualverkehrs wie Feinstaubs
und Lärms den öffentlichen Verkehr attraktiver zu gestalten.
V.l.n.r.:
Stadtbaudirektor Bertram Werle, Verkehrsstadtrat Gerhard Rüsch,
Peter Schröttner, Bezirksvorsteher von St. Peter und GVB-Direktor
Anthony Scholz bei der neuen Endstation Peterstal
Umweltverträgliche Straßenbahn
Die ca. 1,8 km lange Strecke vom St. Peter-Schulzentrum in die Peterstalstraße
soll in den nächsten drei Jahren gebaut werden – geplante
Kosten: 21,4 Mio. Euro. Eine kostenintensive Informationskampagne
wird die Bauarbeiten begleiten: „Diskussionen um die Verlängerung
wird es weiterhin geben, d. h. wir werden die Emotionen nicht ganz
wegbringen.“ Rüsch: „Wir kommen jedoch zum selben
Ergebnis wie der Rechnungshof: Die neue Linie 6 hätte schon
längst gebaut werden sollen!“ Wurde in den vergangenen
Jahren das Liniennetz durch neue Buslinien ergänzt, so gilt
es nun, die Straßenbahn auszubauen, da sie ein äußerst
umweltverträgliches Verkehrsmittel darstellt.
In nur 15 Min im Zentrum
Die Sinnhaftigkeit der 6er-Verlängerung wurde laut Stefan
Walter, Verein FAHRGAST Graz, nachgewiesen – abgesehen
vom volkswirtschaftlichen Nutzen würde die Strecke auch betriebswirtschaftlich
positiv bilanzieren! Die zukünftige Fahrgastzahl in diesem
neuen Streckenabschnitt wird auf über 8.340 Fahrgäste
pro Werktag geschätzt. „Für die Fahrgäste entlang
der Strecke entfällt der Umsteigezwang, wodurch sich die Fahrzeit
ins Zentrum auf eine Viertelstunde reduziert“, so Walter.
Die Argumente der 6er-Gegener seien laut Walter großteils
schlichtweg falsch. 6er-Befürworter Ing. Rudolf Ziegelbecker
meint zudem: „Die am St. Peter Pfarrweg wohnenden
Gegner kommen außerdem in den Genuss, dass sich der Schleichweg
mit täglich tausenden vorbeibrausenden Autos aufhört.“
Ing. Rudolf Ziegelbecker
Brigitta
Neumeister
Verzögerungen kosten
Brigitta Neumeister, die 1990 die „Pro 6er Initiative“
gründete, lebt seit 25 Jahren in St. Peter. Sie berichtet von
zahlreichen Informationsveranstaltungen, Demonstrationen und einer
Unterschriftenaktion zwei Jahre nach Gründung der Initiative,
um die Stadt Graz dazu zu bewegen, mit dem Bau zu beginnen. „Die
6er Verlängerung war schon 1987 geplant und damals mit rund
175 Mio Schilling konzipiert. Die Verzögerung des Baus hat
schon so viele Kosten verursacht. Der 6er könnte eigentlich
seit 10 Jahren fahren!“ so Neumeister und weist auf eines
der vordringlichsten Probleme hin: „Am Paierlhang und auch
in der Hohenrainsiedlung leben inzwischen sehr viele alte Menschen.
Die meisten Leute sind jetzt 65 Jahre und älter und haben teils
kein Auto. Die Buslinien 68 und 69 z.B. fahren sonn- und feiertags
überhaupt nicht!“
Öffentliches Interesse geht vor
Dass besonders die vielen alten Menschen um die Verlängerung
kämpfen, bestätigt auch Mag. Kurt Frantz,
der am Prof. Franz-Spathring wohnt: „In meinem
Haus leben vier alte Damen, die teilweise mit zwei Stöcken
gehen. Wissen Sie wie schwer sie auf die 6er Verlängerung warten?“
seufzt Frantz und fügt hinzu, dass viele nach St. Peter übersiedelt
sind, wegen der Aussicht auf eine Straßenbahn vor der Haustür.
Die „Anliegen“ der 6er-Gegnern bezeichnet er als „kontraproduktive
Luxusvariante für wenige Privilegierte“. „Ich habe
das „Treffen der Aktivbürger“ besucht und ihre
Zahl – etwa 25 bis 30, scheint mir in keiner Weise den mehrheitlichen
Willen des Bezirks zu repräsentieren“, so Frantz. Auch
Neumeister hat sich als „Beobachterin“ den Demos angeschlossen
und konnte nur ein Grüppchen vorfinden, welches nach ihrem
Eindruck subjektive Wünsche dem öffentlichen Interesse
entgegenstellen wolle. Solange es keine 6er-Verlängerung in
die Siedlungen gibt, werden viele „autolose“ Pensionisten
Sonn- und Feiertags wohl weiterhin in ihren vier Wänden bleiben
müssen.
Fünfer zum Nahverkehrsknoten Puntigam
Bis Ende 2006 wird an der Südbahn der neue Nahverkehrsknoten
Puntigam fertig gestellt sein; dann soll in der Folge auch die Linie
5 vom Brauhaus unter der Triester Straße bis westlich der
Bahnhaltestelle Puntigam um rund 400 Meter verlängert werden.
Zusätzlich sind dort dann 800 Park and Ride-Stellplätze
verfügbar. Die Bauarbeiten der Trasse bis zum Knoten sollen
ebenfalls im Dezember 2006 abgeschlossen sein. Die Kosten von rund
15,5 Mio. Euro werden gemeinsam von der Stadt Graz und dem Land
Steiermark getragen. Der neue Nahverkehrsknoten, der kurze Umsteigwege
unter einer gemeinsamen Überdachung bietet, wird dann nicht
nur eine attraktive Variante für Pendler darstellen, sondern
auch einen richtungweisenden Schritt zum Aufbau eines S-Bahn-Systems
hin darstellen.
– Claudia Windisch –
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KORSO-Podiumsdiskussion
über City-Maut für Graz |
Die anhaltend hohe Feinstaubbelastung – allein im ersten Quartal
wurde die höchstzulässige Grenze im Stadtgebiet 57 Mal
überschritten – hat auch in Graz den Ruf nach wirksamen
und rasch umsetzbaren Maßnahmen lauter werden lassen: Ein
dringlicher Antrag der Grünen Sigi Binder zur
Prüfung der Einführung einer Stadtmaut für Pkws wurde
kürzlich im Gemeinderat mit den Stimmen aller Parteien außer
der ÖVP angenommen.
Am
Podium bei der KORSO-Citymautdiskussion (v.l.n.r.): Univ.-Prof.
Dr. Johann Zancanella, Mag. Erwin Mayer (Greenpeace), Mag. Christian
Stenner (Korso), Franz Fromm (AK-Steiermark) DI Dr. Kurt Fallast,
DI Martin Blum (VCÖ)
Am Institut für Städtebau (TU)
veranstaltete Korso daher aus aktuellem Anlass eine Podiumsdiskussion
mit Experten zum Thema Citymaut, die in London und skandinavischen
Städten bereits erfolgreich praktiziert wird.
Martin Blum vom Verkehrsclub
Österreich (VCÖ) unterstrich seine Position für eine
binnen kürzester Zeit umsetzbare elektronische Bemautung mit
detailliertem Zahlenmaterial: „Von den täglich 160.000
EinpendlerInnen benutzen mittlerweile 87% das Auto, nur mehr 13%
den öffentlichen Verkehr. Durch die Einführung einer Citymaut
innerhalb des Gründerzeitviertels von Graz würden zusätzlich
mehr als 50% des Binnenverkehrs erfasst werden.“ Der Nutzen
liegt nach Blum neben der Reduktion des Feinstaubs um rund ein Viertel
in der volkswirtschaftlichen Ersparnis von etwa 100 Mio. Euro durch
die Vermeidung von Emissionen und Unfällen sowie die Verbesserung
der Lebensqualität.
Der Verkehrsplaner DI Dr. Kurt Fallast von der
TU Graz äußert nach eigenen Verkehrsstromanalysen dagegen
eine deutlich skeptischere Bewertung der Maut, die als isolierte
verkehrspolitische Maßnahme „in ihrer Treffsicherheit
fraglich“ sei und zudem den ins Umland fließenden Verkehr
nicht berücksichtige. Ähnlich zurückhaltend zeigt
sich Franz Fromm von der AK Steiermark, der grundsätzlich
eine Citymaut für sinnvoll hält, „aber ohne begleitende
Maßnahmen ist das nicht einmal die halbe Miete.“ Er
fordert einen besseren Ausbau der „Öffis“ und argumentiert,
dass die monetäre Belastung durch eine Maut viele Kleinverdiener
betreffe, „von denen andererseits immer höhere Mobilität
gefordert wird“.
Erwin Mayer von Greenpeace
setzt sich für eine „Öko-Citymaut“ ein, deren
Höhe von den Emissionen eines Kfz abhängig sein soll.
Mit den Einnahmen sollen der öffentliche Verkehr ausgebaut
und der Ankauf umweltfreundlicher Fahrzeuge gefördert werden.
Abgesehen davon sind seiner Meinung nach als Sofortmaßnahme
gegen die durch den Feinstaub verursachte Sterblichkeit –
die Lebenserwartung von über 60-Jährigen wird in Ballungsräumen
um fünf Jahre gesenkt – nur umgehende strikte Maßnahmen
wie Fahr- und Heizverbote sowie Betriebsstilllegungen wirksam.
Univ.-Prof. Dr. Johann Zancanella
(Inst. Städtebau der TU Graz) billigt einer Citymaut durchaus
positive Effekte, wie die Reduktion des Verkehrsaufkommens, zu:
„Sie ist dennoch ein punktuelles Herumdoktern an den eigentlichen
Problemen“, die seiner Meinung nach strukturelle Ursachen
haben. „Es ist zweifelhaft, dass dadurch bei den Menschen
eine nachhaltige Verhaltensänderung bewirkt wird“, gibt
Zancanella zu bedenken. Die Fehler der Vergangenheit, wie die starke
Zersiedelung des Grazer Umlandes und die damit verbundene ungünstige
Verkehrinfrastruktur, sind nur schwer wieder gut zu machen: „Wirtschaftlichkeitsüberlegungen
müssen daher beim Ausbau des ÖV in den Hintergrund treten.“
Im Verlauf der anschließenden Diskussion
zeichneten sich unter den mehrheitlich anwesenden Befürwortern
der Mautlösung zwei Positionen ab: Die eine Seite, u.a. vertreten
von den Grünen, VCÖund Greenpeace, fordert die sofortige
Einführung der Citymaut, um eine rasche Wirkung beim Feinstaubproblem
zu erzielen. Dem wird vor allem von Fürsprechern der Pendlerinteressen
entgegengehalten, dass die Citymaut nur als längerfristiges
und sozial verträgliches Modell in Verbindung mit dem Ausbau
des ÖV (und einem Park and Ride-System an der Peripherie) zu
bewerkstelligen ist, wie Fromm hervorhebt: „Ich vermisse,
dass sich Land, Stadt und Umlandgemeinden zusammentun um gemeinsam
etwas gegen die Feinstaubproblematik zu unternehmen.“ Dem
hält Blum entgegen, dass es äußerst fragwürdig
sei, sozialen Ausgleich über den PKW-Verkehr herzustellen zu
wollen.
Uni Zweier gefordert
In diesem Kontext fordern nun Gewerkschafter und die Fachschaftsliste
der Uni Graz nach den jahrelangen Versprechungen von Seiten der
Stadtpolitik Schritte zur Realisierung des Uni-Straßenbahnprojekts.
„Die Busse sind zu den Spitzenzeiten ausgelastet, die an sich
wünschenswerte Verlagerung vom Individual- zum öffentlichen
Verkehr würde nur zu weiteren Qualitätseinbußen
führen“, bemängelt Dieter Kaltenbeck (Unabhängige
GewerkschafterInnen). „Die Universität sollte aufgrund
ihrer zentralen Bedeutung als Arbeits- und Lebensumfeld von mehr
als 20 000 Studierenden besser erschlossen werden“, verlangt
auch der ÖH-Vorsitzende Philipp Funovits (FLUG).
„Die Realisierung des Uni 2ers wäre
ein wertvoller Beitrag gegen die Feinstaubproblematik. Zur Umsetzung
fehlt aber offenbar der politische Wille“, kritisieren die
beiden parteiunabhängigen Organisationen und kündigen
an, ihrem Wunsch nach einer sozialverträglichen und nachhaltigen
Verkehrspolitik von Seiten der Stadt Graz durch gemeinsame Aktionen
Nachdruck verleihen zu wollen.
– Josef Schiffer –
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