korso Stadtentwicklung
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der Steiermark
 
juni 2002
Tiefgarage Pfauengarten: AnrainerInnen machen mobil Über 800 Autos sollen in der geplanten Tiefgarage unter dem Pfauengarten Platz finden. AnrainerInnen wehren sich gegen dieses Projekt und fordern eine Nachdenkpause.

 

Die Wogen gehen hoch bei der von der Bürgerinitiative „Parkraum Graz" einberufenen Versammlung: An die 80 Personen füllen den Raum, der Tenor ist eindeutig: Man fürchtet um die eigenen Parkplätze („Ein Großteil der Tiefgaragen-Plätze ist schon für Landesbedienstete und ÖVP-Angestellte reserviert, der Rest ist für die Gäste des im Pfauengarten geplanten Hotels vorgesehen“) und um die Lebensqualität: Während der Bauzeit ist ein Schichtbetrieb von 6 bis 22 Uhr geplant, und 30.000 Tonnen Aushubmaterial müssen per Laster durch die Altstadt abtransportiert werden. Eine von der Bürgerinitiative eingebrachte Resolution für eine Nachdenkpause bis nach 2003, die für die Erstellung eines verbindlichen Gesamtverkehrskonzeptes genutzt werden soll, wird einstimmig angenommen. Diese soll durch eine Demonstration im Juni bekräftigt werden.

Bürgerinitiativen-Sprecher DI Andreas Stiasny (hier vor der Grabungsstätte Pfauengarten)  will mit einer Demonstration Anfang Juni eine Nachdenkpause erzwingen.

Die Altstadtsachverständigenkommission hat einstimmig ein negatives Gutachten zur Tiefgarage abgegeben, ihre Bedenken wurden aber laut Stadtbaudirektor DI Bertram Werle in der bereits vorliegenden Neuplanung berücksichtigt.

 

 

 

  „Die Stadt ihren BewohnerInnen zurückgeben“Gewohnte öffentliche Organisation wird unter den Bedingungen globaler Konvergenz in Frage gestellt. Die Verwaltungen verlieren die Souveränität über die räumliche Entwicklung.

Kann und soll Politik noch eingreifen in die Stadtentwicklung oder wird diese ohnehin schon längst nur mehr noch vom Markt bestimmt? Warum gehört die Stadt nicht uns allen? Wer sind die Ton angebenden Eliten? Worauf gründet sich deren Einfluss? Wem gehört die Straße? Eine Veranstaltungsreihe der Grünen Akademie („Wem gehört die Stadt?“) geht diesen Fragen nach; im Haus der Architektur referierten am 25. Mai drei Architekten/Städteplaner zu diesem Thema.

 Johannes Fiedler, als Architekt in internationalen Projekten der Stadt- und Regionalentwicklung tätig (in Graz war er an der Neugestaltung des Jakominiplatzes beteiligt) referierte über öffentliche und private Stadtentwicklung. Noch im 19. Jahrhundert waren Städte abgeschlossene Räume. Mit ihrer öffentlichen Zugänglichkeit wuchs auch das Gefühl der Ausgesetztheit (und damit das Bedürfnis nach Sicherheitsmaßnahmen). „Im Bewusstsein der EuropäerInnen haben Städte aber nach wie vor Konstanz und Trägheit“, erläutert Fiedler. Auf anderen Kontinenten gibt es bereits privat organisierte Städte, etwa in einem Ortsteil von Sao Paulo und am Rand von Kapstadt, vor allem aber in den USA. Diese bieten oft kaum mehr Einrichtungen wie öffentliche Verkehrsmittel etc. an und haben häufig auch keinen Ortskern mehr. Meistens sind diese Orte reine Wohnsiedlungen mit einer sehr homogenen Einwohnerschaft, die öffentliche Plätze kaum benutzt, sondern sich in den eigenen vier Wänden „einbunkert“. Während Reiche sich nach außen abschotten, werden Arme abgeschottet. In beiden Fällen wird die Mauer zu einem bestimmenden Bauteil.

Joost Meuwissen, Professor für Städtebau an der TU Graz, zeigte, wie man einen öffentlichen Platz den Menschen zurückgeben kann: Der Rabin-Platz, vor dem Rathaus in Tel Aviv gelegen, konnte bisher kaum genutzt werden. Weil das Straßennetz inTel Aviv streng rasterförmig angelegt ist, sind Autos, denen der Platz „im Weg“ war, einfach über diesen gefahren. Meuwissen schlägt vor, den Verkehr vom Platz seitlich „abzuleiten“, wobei auch die Möglichkeit einer Umkehrspur vorgesehen ist. Eine einfache, aber effiziente Lösung.

Barcelona, die Stadt, die ihren BewohnerInnen „zurückgegeben“ wurde 

Stargast des Abends war Joan Busquets, Leiter der Stadtplanung von Barcelona nach dem Ende der Franco-Diktatur. Die katalanische Hauptstadt hatte während der Militärherrschaft den Charakter einer muffigen Provinzstadt. Heute gilt sie als Musterbeispiel für die „öffentliche Stadt“ und die EinwohnerInnen sind stolz auf Barcelona. Von Anfang an gab es klare Zielvorgaben der Politik, wie die Stadt ausschauen sollte. Bei der Entwicklung ging man systematisch vor: Zuerst wurden die Probleme eines Arbeiterviertels analysiert, bevor man Veränderungen in Angriff nahm. „Fehler, die trotz Analyse gemacht wurden, konnten bei der Planung des nächsten Viertels berücksichtigt und vermieden werden“, so Busquets, denn „Städtebau ist ein ständiger Lernprozess, der immer wieder neu hinterfragt werden muss.“

Die Stadt ihren BewohnerInnen zurückgeben
Wichtigstes Ziel in Barcelona war, den EinwohnerInnen ihre Stadt zurückzugeben. Innenhöfe wurden begrünt. Während draußen der Verkehr vorbeibraust, sind so die privaten Wohnbereiche ruhig und dienen der Naherholung. Die Errichtung sicherer Autoabstellplätze und der Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes hatten zur Folge, dass viele Menschen ihre PKWs nur mehr an Wochenenden benutzen. Teile der Universität wurden wieder in der Altstadt angesiedelt, Intellektuelle als wichtiger Bestandteil der offenen Stadt so wieder in diese zurückgeholt. Schätze Bracelonas wurden durch Altstadtsanierung freigelegt. Busquets betont jedoch, wie wichtig es ist, „nicht nur den Wert der Gebäude, sondern vor allem den Wert der Plätze – aller Plätze und nicht bloß einiger weniger „Aushängeschilder“ – zu diskutieren.“ Die letzte große Veränderung erfuhr Barcelona während und nach den olympischen Spielen 1992. Zum einen wurden neue Sportstätten und das olympische Stadion errichtet und die Infrastruktur verbessert, die wichtigste Veränderung war aber die Öffnung der Stadt hin zum Meer durch Errichtung einer neuen Uferzone.

Europäische Städte sind kompakter als US-amerikanische
Busquets sieht private Bauherren nicht als Gegner. Die Öffentlichkeit muss jedoch zuerst klären, was sie will und was nicht, die PlanerInnen erstellen einen Masterplan, private Initiativen schließen sich an. „Eine Shopping-Mall muss dann nicht automatisch eine Katastrophe sein, es kommt darauf an, wie sie gemacht wird“, meint Busquets, und „Infrastruktur ist auch Sache der ArchitektInnen, nicht nur der IngenieurInnen“. Ergebnis dieser Vorgehensweise: Europäische Städte sind im Vergleich zu US-amerikanischen wesentlich kompakter, gewachsen und „schön“ (Busquets). Busquets lehrt heute nicht nur an der Technischen Uni in Barcelona, er ist auch Gastprofessor in Harvard und Genf und hat Aufträge in den Niederlanden, der Schweiz, Brasilien und Argentinien. In der anschließenden Diskussion legte Meuwissen anhand eines Beispieles dar, wem die Stadt nicht gehört: „Die niederländischen Grenzbehörden haben einem Rom, der zum Begräbnis eines Verwandten nach Amsterdam fahren wollte, die Einreise verwehrt. Den Roma gehört die Stadt nicht. Die einzigen Orte, wo sie bleiben dürfen, sind Minenfelder.“
Dass entscheidende städtebauliche Akzente nicht nur von Großereignissen (wie etwa 2003) ausgelöst werden, darin waren sich alle drei Diskutanten einig.

Romana Scheiblmaier

 

Weitere Veranstaltungen zum Thema „Wem gehört die Stadt“
Wem gehört der Schlossberg? Mit Dipl.-Dolm. Peter Laukhardt und DI Ernst Rainer. 11.6., 10.30 Uhr, Schlossbergrestaurant
Alltagsleben in der Stadt. Mit Prof. Karl Kubinzky. 13.6., 20.00 Uhr, Grüne Akademie, Paulustorgasse 3/I
„Fidelio“ – Wem gehört 2003? 14.6./21.6., 19.30 Uhr, Franziskanerplatz bei „Don Camillo“ (bei Schlechtwetter am Samstag, 15.6.)
Wem gehören die Grazer Lokale? 20.6., Lokaltour ab 22.00 Uhr, Anmeldung unter der Grazer Tel.Nr. 822557-13
Wer gehört zu den kommunalen Eliten? Mit Prof. Karl Kubinzky. 24.6. 16.00 Uhr, Grüne Akademie, Paulustorgasse 3
Wem gehört die Stadt? Free-Event mit DJs, Breakdance..., 28.6., 15.00 bis 23.00 Uhr, Kasematten (Schlossberg)
Diese Grazer Sommernacht gehört uns allen! 30.6., ab 15.00, Fußballplatz hinter dem Welthaus, Grabenstraße 39

Infos unter [www.gruene-akademie.at] oder unter 0316-822 557-0

 

 

 

  Grazer Grüne: „Nachtbusse sind im Kommen“

 

Erfreut über die hohe Akzeptanz ihrer „Nachtbus“-Kampagne zeigt sich die Spitzenkandidatin der Grazer Grünen für die Gemeinderatswahl, Sigrid Binder. „Bei einer Umfrage im Rahmen persönlicher Kontakte haben sich über 80% der 534 Befragten klar für die Einführung von Nachtbussen ausgesprochen, bei einer Internet-Umfrage in der Zielgruppe waren es sogar 98 Prozent.“ Auch bei den anderen Fraktionen sei die Zustimmung groß, die ÖVP erkläre sich bereits öffentlich für ein flächendeckendes Nachtbussystem, SPÖ, FPÖ und KPÖ hätten sich ebenfalls prinzipiell zustimmend geäußert. Nun gehe es darum, auch die GVB zu überzeugen, deren Chef Anthony Scholz sich bislang ja eher skeptisch geäußert hatte.

Die Grünen stützen sich bei ihrer Forderung nach Nachtbussen vor allem auf die Innsbrucker Erfahrungen; nach 4 Jahren konnten die dortigen Verkehrsbetriebe jetzt den einmillionsten Fahrgast auf ihren „Nightlinern“ begrüßen. Binder: „Die Innsbrucker Statistik zeigt auch, dass die nächtliche Fahrgelegenheit keineswegs nur von jugendlichen Lokalbesuchern wahrgenommen wird, sondern zu immerhin 17% von NachtarbeiterInnen und zu weiteren 17% von BesucherInnen von Kulturveranstaltungen. Die Kosten von 2,4 Mio Euro pro Jahr relativierten sich“, so Binder, „angesichts des großzügigen Sponsoring, das die Stadt etwa der Ryan-Air angedeihen hat lassen – die Nachtbusse sind im Kommen.“ Die Stadtbaudirektion hat auf Initiative der Grazer Grünen ein Konzept vorbereitet, das im nächsten Verkehrsausschuss präsentiert werden wird.