Kann und soll Politik noch eingreifen in die Stadtentwicklung oder
wird diese ohnehin schon längst nur mehr noch vom Markt bestimmt?
Warum gehört die Stadt nicht uns allen? Wer sind die Ton angebenden
Eliten? Worauf gründet sich deren Einfluss? Wem gehört die Straße?
Eine Veranstaltungsreihe der Grünen Akademie („Wem gehört die Stadt?“)
geht diesen Fragen nach; im Haus der Architektur referierten am 25.
Mai drei Architekten/Städteplaner zu diesem Thema.
Johannes Fiedler, als Architekt
in internationalen Projekten der Stadt- und Regionalentwicklung
tätig (in Graz war er an der Neugestaltung des Jakominiplatzes beteiligt)
referierte über öffentliche und private Stadtentwicklung. Noch im
19. Jahrhundert waren Städte abgeschlossene Räume. Mit ihrer öffentlichen
Zugänglichkeit wuchs auch das Gefühl der Ausgesetztheit (und damit
das Bedürfnis nach Sicherheitsmaßnahmen). „Im Bewusstsein der EuropäerInnen
haben Städte aber nach wie vor Konstanz und Trägheit“, erläutert
Fiedler. Auf anderen Kontinenten gibt es bereits privat organisierte
Städte, etwa in einem Ortsteil von Sao Paulo und am Rand von Kapstadt,
vor allem aber in den USA. Diese bieten oft kaum mehr Einrichtungen
wie öffentliche Verkehrsmittel etc. an und haben häufig auch keinen
Ortskern mehr. Meistens sind diese Orte reine Wohnsiedlungen mit
einer sehr homogenen Einwohnerschaft, die öffentliche Plätze kaum
benutzt, sondern sich in den eigenen vier Wänden „einbunkert“. Während
Reiche sich nach außen abschotten, werden Arme abgeschottet. In
beiden Fällen wird die Mauer zu einem bestimmenden Bauteil.
Joost Meuwissen, Professor für Städtebau
an der TU Graz, zeigte, wie man einen öffentlichen Platz den Menschen
zurückgeben kann: Der Rabin-Platz, vor dem Rathaus in Tel Aviv gelegen,
konnte bisher kaum genutzt werden. Weil das Straßennetz inTel Aviv
streng rasterförmig angelegt ist, sind Autos, denen der Platz „im
Weg“ war, einfach über diesen gefahren. Meuwissen schlägt vor, den
Verkehr vom Platz seitlich „abzuleiten“, wobei auch die Möglichkeit
einer Umkehrspur vorgesehen ist. Eine einfache, aber effiziente
Lösung.
Barcelona, die Stadt, die ihren BewohnerInnen
„zurückgegeben“ wurde
Stargast des Abends war Joan Busquets, Leiter der Stadtplanung
von Barcelona nach dem Ende der Franco-Diktatur. Die katalanische
Hauptstadt hatte während der Militärherrschaft den Charakter einer
muffigen Provinzstadt. Heute gilt sie als Musterbeispiel für die
„öffentliche Stadt“ und die EinwohnerInnen sind stolz auf Barcelona.
Von Anfang an gab es klare Zielvorgaben der Politik, wie die Stadt
ausschauen sollte. Bei der Entwicklung ging man systematisch vor:
Zuerst wurden die Probleme eines Arbeiterviertels analysiert, bevor
man Veränderungen in Angriff nahm. „Fehler, die trotz Analyse gemacht
wurden, konnten bei der Planung des nächsten Viertels berücksichtigt
und vermieden werden“, so Busquets, denn „Städtebau ist ein ständiger
Lernprozess, der immer wieder neu hinterfragt werden muss.“
Die Stadt ihren BewohnerInnen zurückgeben
Wichtigstes Ziel in Barcelona war, den EinwohnerInnen ihre
Stadt zurückzugeben. Innenhöfe wurden begrünt. Während draußen der
Verkehr vorbeibraust, sind so die privaten Wohnbereiche ruhig und
dienen der Naherholung. Die Errichtung sicherer Autoabstellplätze
und der Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes hatten zur Folge,
dass viele Menschen ihre PKWs nur mehr an Wochenenden benutzen.
Teile der Universität wurden wieder in der Altstadt angesiedelt,
Intellektuelle als wichtiger Bestandteil der offenen Stadt so wieder
in diese zurückgeholt. Schätze Bracelonas wurden durch Altstadtsanierung
freigelegt. Busquets betont jedoch, wie wichtig es ist, „nicht nur
den Wert der Gebäude, sondern vor allem den Wert der Plätze – aller
Plätze und nicht bloß einiger weniger „Aushängeschilder“ – zu diskutieren.“
Die letzte große Veränderung erfuhr Barcelona während und nach den
olympischen Spielen 1992. Zum einen wurden neue Sportstätten und
das olympische Stadion errichtet und die Infrastruktur verbessert,
die wichtigste Veränderung war aber die Öffnung der Stadt hin zum
Meer durch Errichtung einer neuen Uferzone.
Europäische Städte sind kompakter als
US-amerikanische
Busquets sieht private Bauherren nicht als Gegner. Die Öffentlichkeit
muss jedoch zuerst klären, was sie will und was nicht, die PlanerInnen
erstellen einen Masterplan, private Initiativen schließen sich an.
„Eine Shopping-Mall muss dann nicht automatisch eine Katastrophe
sein, es kommt darauf an, wie sie gemacht wird“, meint Busquets,
und „Infrastruktur ist auch Sache der ArchitektInnen, nicht nur
der IngenieurInnen“. Ergebnis dieser Vorgehensweise: Europäische
Städte sind im Vergleich zu US-amerikanischen wesentlich kompakter,
gewachsen und „schön“ (Busquets). Busquets lehrt heute nicht nur
an der Technischen Uni in Barcelona, er ist auch Gastprofessor in
Harvard und Genf und hat Aufträge in den Niederlanden, der Schweiz,
Brasilien und Argentinien. In der anschließenden Diskussion legte
Meuwissen anhand eines Beispieles dar, wem die Stadt nicht gehört:
„Die niederländischen Grenzbehörden haben einem Rom, der zum Begräbnis
eines Verwandten nach Amsterdam fahren wollte, die Einreise verwehrt.
Den Roma gehört die Stadt nicht. Die einzigen Orte, wo sie bleiben
dürfen, sind Minenfelder.“
Dass entscheidende städtebauliche Akzente nicht nur von Großereignissen
(wie etwa 2003) ausgelöst werden, darin waren sich alle drei Diskutanten
einig.
Romana Scheiblmaier
Weitere Veranstaltungen
zum Thema „Wem gehört die Stadt“
Wem gehört der Schlossberg? Mit Dipl.-Dolm. Peter Laukhardt
und DI Ernst Rainer. 11.6., 10.30 Uhr, Schlossbergrestaurant
Alltagsleben in der Stadt. Mit Prof. Karl Kubinzky. 13.6.,
20.00 Uhr, Grüne Akademie, Paulustorgasse 3/I
„Fidelio“ – Wem gehört 2003? 14.6./21.6., 19.30 Uhr, Franziskanerplatz
bei „Don Camillo“ (bei Schlechtwetter am Samstag, 15.6.)
Wem gehören die Grazer Lokale? 20.6., Lokaltour ab 22.00
Uhr, Anmeldung unter der Grazer Tel.Nr. 822557-13
Wer gehört zu den kommunalen Eliten? Mit Prof. Karl Kubinzky.
24.6. 16.00 Uhr, Grüne Akademie, Paulustorgasse 3
Wem gehört die Stadt? Free-Event mit DJs, Breakdance...,
28.6., 15.00 bis 23.00 Uhr, Kasematten (Schlossberg)
Diese Grazer Sommernacht gehört uns allen! 30.6., ab 15.00,
Fußballplatz hinter dem Welthaus, Grabenstraße 39
Infos unter [www.gruene-akademie.at]
oder unter 0316-822 557-0
|
Erfreut über die hohe Akzeptanz ihrer „Nachtbus“-Kampagne
zeigt sich die Spitzenkandidatin der Grazer Grünen für die Gemeinderatswahl,
Sigrid Binder. „Bei einer Umfrage im Rahmen persönlicher
Kontakte haben sich über 80% der 534 Befragten klar für die Einführung
von Nachtbussen ausgesprochen, bei einer Internet-Umfrage in der
Zielgruppe waren es sogar 98 Prozent.“ Auch bei den anderen Fraktionen
sei die Zustimmung groß, die ÖVP erkläre sich bereits öffentlich
für ein flächendeckendes Nachtbussystem, SPÖ, FPÖ und KPÖ hätten
sich ebenfalls prinzipiell zustimmend geäußert. Nun gehe es darum,
auch die GVB zu überzeugen, deren Chef Anthony Scholz sich
bislang ja eher skeptisch geäußert hatte.
Die Grünen stützen sich bei ihrer Forderung nach Nachtbussen
vor allem auf die Innsbrucker Erfahrungen; nach 4 Jahren konnten
die dortigen Verkehrsbetriebe jetzt den einmillionsten Fahrgast
auf ihren „Nightlinern“ begrüßen. Binder: „Die Innsbrucker Statistik
zeigt auch, dass die nächtliche Fahrgelegenheit keineswegs nur von
jugendlichen Lokalbesuchern wahrgenommen wird, sondern zu immerhin
17% von NachtarbeiterInnen und zu weiteren 17% von BesucherInnen
von Kulturveranstaltungen. Die Kosten von 2,4 Mio Euro pro Jahr
relativierten sich“, so Binder, „angesichts des großzügigen Sponsoring,
das die Stadt etwa der Ryan-Air angedeihen hat lassen – die Nachtbusse
sind im Kommen.“ Die Stadtbaudirektion hat auf Initiative der Grazer
Grünen ein Konzept vorbereitet, das im nächsten Verkehrsausschuss
präsentiert werden wird.
|