Nach einem ExpertInnengipfel kündigte man
von Seiten der Stadt Graz an, dass es nun doch zur gänzlichen Beseitigung
einiger Stadtpark-Alleen (Montclair- und Dubrovnik-Allee) kommen
soll. Umweltanwalt Hofrat Dr.
Oswald hat auf Basis eines von
ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens das Verfahren beeinsprucht (KORSO
berichtete). Mit dem Verfasser des Gutachtens, Univ.-Prof.
Dr. Franz Wolkinger, sprach
Gerlinde Knaus.
Welche Argumente führen Sie gegen den
Kahlschlag ins Treffen?
Graz ist von der Gartenstadt zur Kulturhauptstadt
und von dieser zur Feinstaubhauptstadt geworden – und könnte jetzt
Kahlschlaghauptstadt werden. Wenn dem Stadtgartenamt nichts anderes
einfällt als über hundert Bäume radikal zu schlägern – noch dazu
in einer grünen Lunge, die halbkreisförmig die Altstadt schützt
und den Staub ausfiltert – dann ist es nach meinem Dafürhalten fehl
am Platze. Der Kahlschlag würde übrigens auch sehr hohe Kosten verursachen.
Es ist ja nicht damit getan, dass ich die Bäume auf einmal nach
pflanze. Es muss der Boden ausgetauscht und verjüngt und die Pflege
weiter betrieben werden. Man müsste den Stadtpark stattdessen sanft
und abschnittweise sanieren. Dazu ist die Stadt auch verpflichtet,
weil der Stadtpark geschützter Landschaftsteil ist.
Wie könnte so ein alternatives Sanierungskonzept
aussehen?
Mein Vorschlag ist, nicht einfach über
hundert Bäume zu eliminieren, sondern sehr sorgfältig drei bis vier
Gruppen herauszunehmen, die wirklich gefährdet sind. Dort könnte
man im Laufe der Zeit Ergänzungen mit Rosskastanien, das ist ja
die wichtigste Baumart im Stadtpark, durchführen. Diese sollten
mindestens 30 cm Umfang haben – das ist ohnehin vorgesehen.
Zur Rechtfertigung des Kahlschlages
werden vor allem denkmalschützerische Überlegungen ins Treffen
geführt, man fürchtet, dass eine schrittweise Erneuerung kein
einheitliches Allee-Bild mehr entstehen lässt.
Wir haben ja jetzt auch ein ungleiches
Bild, wie die Pécs-Allee zeigt, da schon bisher einzelne Bäume nachgesetzt
wurden. Man müsste eigentlich sicherstellen, dass eine Baumschule
2-300 gleich alte Rosskastanien zur Verfügung hat, die nach Bedarf
abgerufen werden können. Letztlich käme es dadurch zur gleichmäßigen
Erneuerung ohne krasse Unterschiede.
Wie viele Bäume müssten aufgrund der
diagnostizierten Stammfäule gefällt werden?
Das ist eine Definitionssache. Zunächst
zu den Ursachen: Die Bäume haben viele morsche Stellen, weil man
Anfang der 70er Jahre die Kronen radikal gekappt hat. Die zweite
Ursache ist, dass man die Baumpflege vernachlässigt hat. Ab 1978/1979
gab es sogar einen Baumtrupp, der sich nur um die Pflege der Bäume
kümmerte, der wurde eingespart. Ich meine, dass etwa 10% der Bäume
tatsächlich gefällt werden müssen. Man sollte auch bedenken, dass
sich die alten Bäume viel besser in die künstliche Stadtumwelt eingefügt
und angepasst haben. Auf dem Jakominiplatz mussten z.B. einzelne
Bäume schon einige Male nachgepflanzt werden, weil sie die extremen
Verhältnisse in der Stadt so schwer vertragen. Daher ist es notwendig,
so lange es geht, den alten Baumbestand pfleglich zu erhalten.
|
Eine viel befahrene vierspurige Straße in Graz. Lastwägen, Lärm,
Gestank, Staubwolken. Ein altes Mutterl, hustend, schwankend, ein
Taschentuch vor den Mund pressend.
Auftritt Dr. Fein-Staub (grauer Anzug, das graue Antlitz
und den flackernden Blick des irren Serienmörders), wachelt mit
einem rostigen, scharf geschliffenen Schraubenzieher, zischelt:
„Muatterl, es is so weit, du g’hörst mir – jeden Tag muss einer
dran glauben in dieser Stadt, ein Dutzend im ganzen Land …“ (rammt
ihr den Schraubenzieher in die Lunge).
Mutterl (verröchelt)
Auftritt Landesumweltreferent (grauer Anzug, rosiges Antlitz,
empört): „Sie, ich beobacht’ Sie schon die ganze Zeit! (Leiser:)
Das ist heuer schon mindestens die sechzigste, die sie am G’wissen
haben, dabei hamma erst Ende Februar. Alte, Kranke, Kinder – so
geht’s net weiter, ich werd Ihnen Schwierigkeiten machen müssen!“
Fein-Staub (ertappt): „Ja, aber – aber die Wirtschaft …
die Friedhofsgärtnereien, die Blumenläden, die Pomp-Füneberer, die
Wachslichtl-Hersteller, die Taxifahrer, die was die Trauergäst’
am Friedhof führn, die Leichenbeschauer, die Wirtn, wo der Leichenschmaus
ausg’richt wird … da sind Arbeitsplätze in Gefahr …und Stimmen bei
da Wirtschaftskammerwahl …“
Umweltlandesrat (knickt ein, kleinlaut): „I weiß …“
Fein-Staub (selbstbewusster): „A veritabler Konjunktureinbruch;
die Kerzlziager verlegen ihre Betriebe in Länder, wo freudiger g’storben
wird …“
Umweltlandesrat (windet sich): „Mir follt nix ein … i muass
was tun … die EU sitzt mir im G’nack“ (grübelt, dann hellt sich
sein Gesicht auf): „Ich hab’s, so könnt’s gehen: Wir erhöhen den
Grenzwert!“ Fein-Staub (kennt sich nicht aus): „Herr Landesrat meinen?“
Umweltlandesrat (gönnerhaft): „Liegt doch auf der Hand, mein Lieber:
den Grenzwert für den Todesfall! Frisch umgebracht ist doch eigentlich
net wirklich tot; schau dir das Muatterl an – schaut grad drein,
als ob sie uns noch was sagen möcht’! (Feierlich) Die Grenze zwischen
Leben und Tod, wer kennt die schon? Als christlicher Politiker werd
ich mich da hinfort an die Bibel halten: Aus Staub bist du geboren
… zu Staub wirst du werden. Erst wenn der Mensch selbst zu Feinstaub
geworden ist, dann sind alle Zweifel ausg’räumt, dann is’ der Grenzwert
überschritten. Drunter gülts nimmer.
|