korso Graz aktuell
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der Steiermark
 
02/2003
Grazer Wahlen: Surprise, surprise!Das inzwischen international diskutierte Grazer Wahlergebnis hat einige Überraschungen gebracht: An erster Stelle natürlich den unerwarteten Aufstieg der KPÖ Ernest Kalteneggers, die ihre Stimmen nahezu verdreifachte; an zweiter Stelle den Verlust der Sozialdemokratie, die doch erwarten hatte dürfen, zumindest ein wenig vom Zerfall der FPÖ zu profitieren; an dritter Stelle – von vielen doch nicht in dieser Deutlichkeit erwartet – den völligen Absturz der FPÖ, die alle drei Stadtsenatssitze verloren hat und hinter die Grünen auf Platz fünf rutschte; an fünfter Stelle die Tatsache, dass im Grazer Gemeinderat ÖVP und FPÖ erstmals seit der Kreisky-Ära keine Mehrheit mehr haben.

 

KORSO hat im Gespräch mit dem Grazer Soziologen Peter Gasser-Steiner und fünf nicht mehr aktiven PolitikerInnen der Stadtparteien versucht, den Gründen für das Resultat vom 26. Jänner auf die Spur zu kommen.

Peter Gasser Steiner > "Politiker, die Harmonie signalisieren, sind in Graz schon fast automatisch auf der Gewinnerseite"

Was nützt eine Umfrage, die niemand glaubt?
Das Ausmaß der Überraschung definiert sich bei Wahlergebnissen letztendlich durch ihre Abweichung von den zuvor zahlreich publizierten Umfragen. Allerdings, so versichert Peter Gasser-Steiner, a.o. Prof. am Institut für Soziologie der Universität Graz, dürfe man sich bei den heute üblichen Methoden über deutliche Korrekturen der Umfrage-Ergebnisse durch die Realität nicht wundern. „Als empirischer Soziologe schenke ich weder Wahlprognosen noch Wählerstromanalysen Glauben“, unterstreicht er. Und er erläutert: „Bei 500 Befragten liegt bei einem Umfrageergebnis von 10 Prozent für die Partei X die Schwankungsbreite bei 3,5% – das heißt, das Ergebnis kann ebenso gut 6,5% wie 13,5% betragen. Bei einem erhobenen Ergebnis von 42% - wie es etwa OGM-Bachmayr für die ÖVP festzustellen meinte – beträgt die Schwankungsbreite 5%, das heißt, von 37% bis 47% ist alles drin – und damit kommen wir ja dem tatsächlichen Ergebnis ziemlich nah.“ Gasser-Steiner wirft seinen Kollegen aus der Meinungsforscher-Branche vor, dass sie sich „wissentlich als Stimmungsmacher für Wahlen hergeben. Seriöse Umfrageergebnisse sind erst ab Stichproben von 2500 Personen zu erzielen.“ Im gegenständlichen Fall sei das Sample aber in Wirklichkeit noch schmäler gewesen als die angegebenen 500 Personen: „Das hängt mit der niedrigen Wahlbeteiligung zusammen. Wenn Bachmayr 500 Leute befragt, wissen weder er noch die Befragten selbst, ob sie am Sonntag drauf wirklich zur Wahl gehen werden – tatsächlich sind nur 270 davon tatsächlich zur Urne geschritten. Das heißt, dass ihm von seiner ohnehin schmalen Umfragebasis noch mal die Hälfte weggebrochen ist.“ Dennoch, meint Gasser-Steiner, sei das außerordentliche Ergebnis der KPÖ in den Umfragen „höchstwahrscheinlich“ bereits erkennbar gewesen – „nur hätte das niemand geglaubt. In solchen Fällen pflegt die Meinungsforschung dann zu einem besser verkaufbaren Ergebnis zu gelangen.“

Stimmen auf Abruf
Was die Gründe für den Erfolg Ernest Kalteneggers waren, darüber darf weiterhin spekuliert werden. Der ehemalige Landesparteiobmann der KPÖ, Willi Gaisch, der nicht nur die politischen Geschehnisse genau verfolgt, sondern auch als Aktivist am Wahlkampf seiner Partei teilgenommen hat, weiß jedenfalls aus vielen Gesprächen mit PassantInnen: „Die Sympathien der Menschen galten vielfach nicht der KPÖ, sondern Ernest Kaltenegger – am Wahlergebnis kann man aber auch ablesen, dass das Attribut „kommunistisch“ zumindest kein Schreckgespenst mehr ist.“ Die besonders guten Ergebnisse Kalteneggers in den bürgerlichen Bezirken deuteten darauf hin, dass die KP auch potenzielle ÖVP-Stimmen abgezogen habe – und: „Ernest Kaltenegger war auch für viele ehemalige FPÖ-Wähler eine Alternative, weil sie von der FP zu Unrecht erwartet hatten, dass diese mit den Privilegien aufräumt.“ Gaisch ist Realist: „Das ist natürlich ein höchst unsicheres Potenzial – Stimmen auf Abruf sozusagen.“ Dass die Sozialdemokratie diese Stimmen nicht gewinnen konnte, ist für Gaisch „auf ihren Verzicht auf die Interessenvertretung der kleinen Leute und auf den Zickzackkurs der Grazer SP bei der Stadtwerkeprivatisierung“ zurückzuführen.

„Distanz von der Sphäre des Politischen“
Gasser-Steiner sieht einen der Gründe des Erfolges des kommunistischen Spitzenkandidaten in dessen „Sichtbarkeit“ – „er geht einfach überall selbst hin“. Andererseits komme in seiner Beliebtheit auch „eine Distanz der Bürger von der Sphäre des Politischen“ zum Ausdruck. „Früher verlangte man noch Verteilungsgerechtigkeit, jetzt lobt man die Caritas des Ernest Kaltenegger, der sein Geld unter den Armen verteilt.“ Die frühere grüne Gemeinderätin Wilfriede Monogioudis meint, dass der überraschende Erfolg der KPÖ zeige, dass es sich lohne, sich vom heute üblichen Politikstil zu unterscheiden: „Authentisches Auftreten macht sich offenbar ebenso bezahlt wie eine klare Gegenposition zur neoliberalen Privatisierungspolitik.“

Analysieren die Grazer Gemeinderatswahl: (v.l.n.r.) Egger de Campo, Tremmel, Gaisch, Strobl, Monogioudis

Der ehemalige ÖVP-Kulturstadtrat Helmut Strobl sieht die publicitywirksame Umverteilungsaktion des Wohnungsstadtrates hingegen mit einem Augenzwinkern: Dieser hätte zu Recht auf die Hälfte seines Gehaltes verzichtet, weil sein Ressort sehr überschaubar gewesen sei und er phasenweise „nicht mitregiert“ hätte. Die letzen beiden Wahlen hätten einen Wählerstrom von der SPÖ über die FPÖ zur KP gebracht, weil sich offenbar „die finanziell Schwachen von Ernest Kaltenegger gut vertreten fühlen“, ist Strobl überzeugt. Der Wohnungsstadtrat habe auch „im Unterschied zum politischen Mitbewerb seine Gemeindewohnungsmieter nie nach dem Parteibuch gefragt.“ Wähler ohne Eigenschaften? Den Wiederaufstieg der ÖVP in der Wählergunst führt Strobl vor allem auf Siegfried Nagl und dessen Leistungen, das kompakte Auftreten der Stadt-VP, aber auch die gute Öffentlichkeitsarbeit zurück. Der gegenwärtige Bundestrend zur ÖVP habe dabei schon etwas geholfen, entscheidend sei er in Graz nicht gewesen. Für Gasser-Steiner ist das Ergebnis der ÖVP ein Beispiel für zunehmende „Interessensdistanziertheit“ bei der Stimmabgabe – „die ÖVP kann ihren Stammwählern wie etwa großen Teilen der Lehrerschaft noch so weh tun, sie wird von ihnen dennoch weiter gewählt.“

Für die ehemalige Grazer SPÖ-Gemeinderätin und Sozialwissenschafterin Marianne Egger De Campo ist die „Kommerzialisierung des Politischen“ – das Eindringen marktwirtschaftlicher Elemente in die Politik, das Hand in Hand mit populistischen Strömungen geht – verantwortlich für die Heranbildung des „Wählers ohne Eigenschaften“. In Graz zählt dieser Umstand für de Campo auch mit zu den Ursachen, die laut Wählerstromanalysen 5500 Stimmen direkt von der FP zur KP wandern ließen.

Für die Sozialdemokraten wünscht sich Egger de Campo nach diesem Wahlergebnis eine Abkehr von einer Politik, die sich ausschließlich an vorgeblichen Trends ausrichtet. Dagegen sollte wieder ein Bewusstsein dafür entstehen, dass das Handwerk der Politik schlicht „die Gestaltung der Gesellschaft entlang von Interessensgegensätzen“ bedeute.

Konflikte sind nicht chic
Wilfriede Monogioudis, Ex-Gemeinderätin der Grazer Grünen, legt in ihrer Analyse des Wahlergebnisses besonderes Augenmerk auf die NichtwählerInnen: „Letztendlich war für dieses Resultat entscheidend, dass eine hohe Anzahl von SP- und FP-WählerInnen zuhause geblieben ist, erstere vor allem wegen der Uneinigkeit in der Grazer Partei und weil der Spitzenkandidat nicht ausreichend mobilisieren konnte, letztere natürlich wegen der Grabenkämpfe auf Bundesebene, die von der Grazer FP noch potenziert wurden.“ Ähnlich schätzt der ehemalige FP-Stadtparteiobmann und Vizebürgermeister Paul Tremmel die Situation ein: Im Desaster auf der Bundesebene müsse man selbstverständlich Ursachen für die Grazer Entwicklung sehen. Dann kämen aber auch schon die „hausgemachten“ Fehler: Die Affären Spielberger, Endres usw. Allerdings habe die Presse „unverhältnismäßig stark auf der FP herumgehackt und die „beachtlichen Leistungen des Peter Weinmeister – etwa als Umweltreferent – zu wenig gewürdigt.“

Dass „Zerstrittenheit“ innerhalb einer Partei besonders von den Grazer WählerInnen nicht geschätzt wird, unterstreicht auch Gasser-Steiner: „Politiker, die Harmonie signalisieren, sind hier schon fast automatisch auf der Gewinnerseite – die FP ist über ihre Zerstrittenheit und nicht über ihre Ausländerfeindlichkeit gestolpert, und auch der SP wurden ihre parteiinternen Konflikte nicht nachgesehen. Die demokratischen Grundprinzipien von Konflikt und Interessenausgleich werden hier nicht goutiert.“

Es gehört zur Demokratie, sich gegen eine Wahl entscheiden zu können All jenen, die angesichts einer Wahlbeteiligung von weniger als 60% das Ende der repräsentativen Demokratie heraufdämmern sehen, hält Ex-Stadtrat Helmut Strobl entgegen: „Dieser Fall ist im System vorgesehen. Ein Sechzehnjähriger muss sich nicht für Politik interessieren. Ein Wähler kann die Stimmabgabe verweigern, weil er mit der Politik entweder einverstanden, auf sie ,angefressen‘ ist oder einfach weil diese ihm ,wurst‘ ist.“

Die Gespräche führten Christian Stenner und Dieter Kordik

 

 

Gender Mainstreaming & Bodycheck

 

Frauen drängen nicht nur an die Unis: Auch am blanken Eis dringen sie in bisher rein männliche Domänen ein. Die Damen vom „EC Grazer Eishexen“ (gegründet 2000) spielen seit 2001 in der Damen-Bundesliga mit. Ihr größtes Problem: Im Gegensatz zu den anderen BL-Vereinen in Österreich, die von ihren Heimatgemeinden subventioniert werden, werden sie von der öffentlichen Hand kaum unterstützt (sogar für ein Benefizspiel in Liebenau mussten sie selbst 240 Euro bezahlen) und sind deshalb immer auf der Suche nach Sponsoren. mailto: office@eishexen.com