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Kulturhauptstadt
Graz: Wegen Vernachlässigung geschlossen?
2003: Ganz Graz feiert die Erhebung zur Kulturhauptstadt.
Ganz Graz? Ein kleines Areal in der Mitte der Landeshauptstadt ist von
Sanierungsarbeiten verschont geblieben. Zufällig handelt es sich dabei
um das Juwel der Altstadt – die Stadtkrone. Zwei Absolventinnen der TU
Graz haben nun mit ihrer Diplomarbeit ein Projekt vorgelegt, das die Schandflecken
beseitigen und die vorhandenen Schönheiten ins rechte Licht
rücken soll – und das in Fachkreisen bereits höchste Aufmerksamkeit
erregt hat.
"Nicht böse Absicht, sondern Verwahrlosung
durch Schlampigkeit" sei der Grund für den lamentablen Zustand des
Kerns der Grazer Innenstadt, konstatiert Dr. Heimo Widtmann, der
Vorsitzende der Altstadtsachverständigenkommission bis 1992 und Autor
zahlreicher Publikationen über Graz. Und die jetzige Vorsitzende,
Dr. Gertrude Celedin, diagnostiziert: "Das Problem liegt darin,
dass immer etwas spektakulär Neues her muss, statt dass man sich dessen
besinnt, was man hat."
Sonderbarkeiten und Monstrositäten. In der
Tat: Bei einem Rundgang entlang der ehemaligen Befestigungsanlagen der
Stadt stößt man auf Schritt und Tritt auf Sonderbarkeiten bis
hin zu absoluten Monstrositäten. Beginnen wir beim Aufgang zum Burggarten:
Ein blickdichtes, an ein Gefängnis gemahnendes Blechtor versperrt
zuverlässig den Blick auf die Gartenanlage, von deren Existenz ohnehin
nur mehr Eingeweihte wissen. DI Maria Hauser, Co-Autorin der Diplomarbeit
"Der Weg ist das Ziel. Ein Weg entlang der Befestigungsanlagen von Graz":
"Die Öffnungszeiten bleiben unbekannt – obwohl der Burggarten seit
1919 ja auch dem gemeinen Volk zugänglich sein sollte. Dieses Tor
zu öffnen wär ein einfacher Schritt mit großer Wirkung."
Rundgang:
"Die Grazer Stadtkrone - Schandflecken und
verborgene Schätze"
Freitag, 26. April, 16.30, Paulustor (Stadtparkseite)
Dauer: ca. eine Stunde
Es führen: Landeskonservator Dr. Friedrich Bouvier,
DI Ingrid Grubauer und DI Maria Hauser
Der Rundgang findet auch bei schlechtem Wetter statt!
Veranstalter:KORSO in Kooperation mit Verein CLIO |
Betreten nur für Automobile. Ein paar Schritte
weiter: Alle drei mittelalterlichen Burghöfe werden als Parkplätze
genützt - ähnlich wie der Landhaushof noch vor zwei Jahrzehnten.
Vom dritten Burghof aus gelangt man schließlich doch – allerdings
nur unter Missachtung des hier angebrachten Schildes "Wirtschaftsteil –
Betreten nicht gestattet" – in den Burggarten.
Die dort befindliche Orangerie aus dem frühen
19. Jahrhundert verfällt; mehrere Projekte zu ihrer Nutzung - darunter
eine bis ins Detail ausgeführte Studie über die Einrichtung eines
Amazonashauses (KORSO berichtete) wurden mangels öffentlicher Unterstützung
nicht verwirklicht; hin und wieder fanden dort noch vor kurzem so genannte
"VIP-Clubbings" stadtbekannter Prosecco-Cliquen statt.
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Betreten verboten: Burggarten und Orangerie
lassen grüßen
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Satellitenschüsseln auf der Stadtgrabenmauer.
Von der Orangerie führt ein mit Betonplatten ausgelegter Mauergang
auf der Krone der ehemaligen Stadtmauer vorbei an einem leicht verwahrlosten
Glashaus zu einem Aussichtsplatz mit Blick auf Pfauengarten, Schlossberg
und Stadtpark. "Mit einer einfachen Treppe und einer Rampe könnten
hier die drei Gärten verbunden und für die Bevölkerung erschlossen
werden", erläutert DI Ingrid Grubauer, die zweite Autorin von
"Der Weg ist das Ziel".
Vom Burg- in den Pfauengarten gelangt man zur
Zeit nur über eine Treppe im Gebäude der Landesdruckerei. Ein
Abstecher in den Druckmaschinensaal lohnt: Von den hintersten Fenstern
aus bietet sich ein beeindruckender Blick auf das letzte sichtbare Stück
der alten Stadtgrabenmauer - und auf drei daran befestigte mächtige
Satellitenschüsseln.
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Satellitenschüsseln auf der Stadtgrabenmauer
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Ohne Tiefgarage wär's schöner. Der Pfauengarten
selbst dient bekanntlich als Parkplatz für Landesbedienstete; an die
ihn einfassenden Reste der Stadtmauern sind Holzschuppen angelehnt. Der
Garten selbst wurde 2000 an die Steiermärkische verkauft; in Kürze
soll dort der Bau einer Tiefgarage mit insgesamt 800 Stellplätzen
beginnen – ein Projekt, dem Sachverständige negativ gegenüber
stehen. Landeskonservator Dr. Friedrich Bouvier hält es "nicht
für besonders sinnvoll, den Verkehr in die Innenstadt geradezu hineinzuziehen",
und der Betreuer der Diplomarbeit, em. Univ.-Prof. DI Josef Klose,
hält es zumindest für notwendig, andere Zu- und Abfahrten für
die Tiefgarage zu schaffen als die vorgesehenen durch die enge Hartig-
und Sauraugasse. Für Widtmann ist eine Attraktivierung der Stadtkrone
zwar auch noch mit einer Tiefgarage denkbar, "aber ohne eine solche wäre
das Areal natürlich wesentlich attraktiver."
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Landeskonservator Dr. Friedrich Bouvier, Dr. Gertrude
Celedin, DI Ingrid Grubauer, DI Maria Hauser, Dr. Heimo Widtmann: Bemühungen
um eine Aufwertung der Grazer Stadtkrone
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Hinter'm Hinterhof der Fremdenpolizei. Noch ein
paar Schritte weiter: Das Paulustor. Nur wenige GrazerInnen wissen, dass
dieses letzte erhaltene Renaissance-Stadttor im deutschsprachigen Raum
von einer idyllischen Bastei gekrönt wird, die nur über den Hinterhof
der Fremdenpolizei zugänglich ist und deren Einbuchtung mit einer
rohen Ziegelmauer verschlossen ist, hinter der sich – erraten – ein Autoabstellplatz
befindet. Bouvier: "Ein besonders krasses Beispiel dafür, wie das
Wenige, was von der Befestigungsanlage noch vorhanden ist, einfach ignoriert
wird."
Ein Wassergraben entlang der Stadtmauer. Die Fortifikationen
wieder ins rechte Licht zu rücken: Das ist ein zentraler Ansatzpunkt
des von Grubauer und Hauser vorgeschlagenen Projektes. Ein bis zu 40 Meter
breiter Wassergraben – der zum Teil schon im Mittelalter vorhanden war
– soll sich entlang der noch erhaltenen Stadtmauer vom Burgtor bis zum
Paulustor erstrecken. Nur ein weiteres Luftblasen-Projekt für die
Schubladen der Stadtentwicklung? Die Experten sind sich einig: Das Projekt
ist realisierbar – "zur Gänze oder step by step", wie sich Widtmann
ausdrückt. Bouvier ist "von der Projektidee sehr angetan: Ein solcher
Wassergraben würde die Reste der Befestigung aufwerten." Und die Kosten
? Genaue Schätzungen sind ohne Detailplanung natürlich
schwer möglich, geben die Fachleute zu bedenken. Aber: "Um den Preis
der Murinsel sollte das Ganze schon zu haben sein", vermutet Widtmann.
Christian Stenner
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