KORSO-Rundgang:
Großes Interesse an den Schätzen der Altstadt
Ein voller Erfolg war der von KORSO und Clio, Verein für Geschichts-
und Bildungsarbeit, organisierte Rundgang zu den „Schandaflecken
und verborgenen Schönheiten“ der Grazer City am 26. April. An die
150 TeilnehmerInnen folgten den Erklärungen führender Altstadt-ExpertInnen
– und begeisterten sich für Vorschläge zur Neuerschließung des schönsten
Teils der Grazer Altstadt.
Unberührte Natur mitten in derStadt: Die Paulustorbastei
Rundgangsleiter Landeskonservator Dr. Friedrich Bouvier
zeigte sich erfreut über das große Interesse – und wies gleich zu
Beginn des Rundgangs beim Paulustor, dem einzigen noch erhaltenen
Renaissancestadttor im deutschsprachigen Raum, darauf hin, dass
Graz auch wegen seiner Befestigungsanlagen ins Weltkulturerbe aufgenommen
wurde. „Gerade deswegen müssten eigentlich mehr Anstrengungen unternommen
werden, um diese Anlagen in Wert zu setzen.
“ Bei der dem Paulustor angeschlossenen Bastei, die derzeit nur
über den Hinterhof der Fremdenpolizei zugänglich ist, wären solche
Bemühungen durchaus angebracht: Auf der Mauerkrone prangt ein Maschendrahtzaun,
und die mit einer rohen Ziegelmauer verschlossene Bucht der Bastei
– ein ehemaliger Richtplatz – dient ebenso wie die Kasematte der
Bastei als Auto-Abstellplatz. „Die alte Stiege im Inneren des Torgebäudes
muss geöffnet werden, damit Grazer und Touristen wieder ungehindert
Zugang zu dieser herrlich gelegenen Bastei erhalten“, fordert DI
Maria Hauser, Co-Autorin des städtebaulichen Diplomarbeit-Projektes
„Der Weg ist das Ziel – ein Weg entlang der Befestigungsanlagen
der Stadt Graz“.
Die Verbindungswege müssen geöffnet werden
Ebenfalls verunstaltet präsentiert sich die Karmeliterbastei an
der Passamtswiese: Sie wird von einem rostigen Stacheldrahtverhau
gekrönt. Ein paar Schritte weiter, direkt an der Kurtine des Pfauengartens,
steht als besondere Attraktion die „Villa des Stadtgartenamtes“
(O-Ton Bouvier) – die problemlos an einen weniger exponierten Standort
verlegt werden könnte. „Die verfallene und verschlossene Stiege
in den Burggarten harrt ihrer Revitalisierung – sie stellt die einzige
Verbindung zwischen Stadtpark und Burggarten dar“, betont DI
Ingrid Grubauer, die zweite Autorin der Projektstudie „Der Weg
ist das Ziel.“ Der Projektvorschlag sieht eine vom Fuß der Stiege
ausgehende Rampe als weiterführende Verbindung in den dritten angrenzenden
Grünraum – den Pfauengarten – vor.
Der frühere Vorsitzende der Altstadt-Sachverständigenkommission,
Univ.-Prof. DI Dr. Heimo Widtmann, äußert sein Bedauern darüber,
dass die Stadt Graz die universitären Ressourcen für den Städtebau
nicht nutzt – und die Universität ihre Möglichkeiten nicht stärker
in die Stadtplanung einbringt. „Gute Arbeiten, die für Graz von
Bedeutung sind, sollten öffentlich präsentiert und auch von der
Stadt honoriert werden“, fordert Widtmann. „Für Event-Projekte werden
Millionen flüssig gemacht, die bestehenden, bleibenden Schätze der
Stadt werden vernachlässigt“, übt er harsche Kritik an der Stadtpolitik.
Urgeschichtliche Siedlung unter dem Pfauengarten?
Der Zugang zum Burggarten neben dem Café Promenade, der sich
während des Rundganges noch fest verschlossen und ohne Hinweis auf
Öffnungszeiten präsentierte, ist seit kurzem wieder geöffnet, teilt
das Land Steiermark mit – von acht Uhr morgens bis eine halbe Stunde
vor Einbruch der Dunkelheit. Für die im Burggarten befindliche Orangerie
wurden schon verschiedenste Nutzungsmöglichkeiten ventiliert, erläutert
Bouvier – unter anderem das spannende Projekt eines „Amazonas-Hauses“.
Bloß: Bis jetzt sind alle Konzepte am mangelnden Interesse des Landes
und an Finanzierungsproblemen gescheitert.
Auf dem Weg in den Pfauengarten weist der Altstadtkenner Dipl.
Dolm. Peter Lauckhardt auf einen kürzlich von ihm entdeckte
Inschrift aus dem 16. Jahrhundert auf der Burggarten-Mauer hin.
Der Archäologe Dr. Diether Kramer, Leiter der im Gang befindlichen
Ausgrabungen im Pfauengarten, erläutert in einem kurzen Vortrag
die schwierigen Bedingungen der Stadtarchäologie – oft müsse sich
der Archäologe selbst um die Finanzierung von Grabungsvorhaben bemühen,
mit denen er betraut wurde. Unter dem Pfauengarten fanden sich bis
jetzt Schichten, die bis ins 8. vorchristliche Jahrhundert zurückreichen;
„es besteht aber sogar die Möglichkeit, dass wir auf eine urgeschichtliche
Siedlung stoßen.“ Um wirklich Gewissheit zu erlangen, müsste die
gesamte Fläche zweieinhalb Meter tief abgetragen werden, erklärt
Kramers Mitarbeiterin Mag. Martina Roscher.
Zum Abschluss des Rundganges heißt der Leiter des
Landesarchivs, Dr. Walter Brunner, die Teilnehmer im Foyer
des Archivs willkommen: Dort steht das von Grubauer und Hauser konzipierte
Modell eines Gestaltungsvorschlages für den Bereich der Befestigungsanlage:
Ein großzügiger Wassergraben konturiert die Bastion, eine Kirschbaum-Allee
zeichnet die Linie der gesamten Anlage vom Burg- bis zum Paulustor
nach, alle Verbindungen sind geöffnet, alle Gartenanlagen zugänglich.
Ein Projekt, dessen Realisierung auch nach Meinung Bouviers ein
großer Gewinn für die Stadt Graz wäre …
Christian Stenner
Das Modell ist noch bis Ende Mai im Foyer des Landesarchivs, Karmeliterplatz
3, zu besichtigen.
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