05/2002
 

 

KORSO-Rundgang: Großes Interesse an den Schätzen der Altstadt

Ein voller Erfolg war der von KORSO und Clio, Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit, organisierte Rundgang zu den „Schandaflecken und verborgenen Schönheiten“ der Grazer City am 26. April. An die 150 TeilnehmerInnen folgten den Erklärungen führender Altstadt-ExpertInnen – und begeisterten sich für Vorschläge zur Neuerschließung des schönsten Teils der Grazer Altstadt.



Unberührte Natur mitten in derStadt: Die Paulustorbastei

Rundgangsleiter Landeskonservator Dr. Friedrich Bouvier zeigte sich erfreut über das große Interesse – und wies gleich zu Beginn des Rundgangs beim Paulustor, dem einzigen noch erhaltenen Renaissancestadttor im deutschsprachigen Raum, darauf hin, dass Graz auch wegen seiner Befestigungsanlagen ins Weltkulturerbe aufgenommen wurde. „Gerade deswegen müssten eigentlich mehr Anstrengungen unternommen werden, um diese Anlagen in Wert zu setzen.

“ Bei der dem Paulustor angeschlossenen Bastei, die derzeit nur über den Hinterhof der Fremdenpolizei zugänglich ist, wären solche Bemühungen durchaus angebracht: Auf der Mauerkrone prangt ein Maschendrahtzaun, und die mit einer rohen Ziegelmauer verschlossene Bucht der Bastei – ein ehemaliger Richtplatz – dient ebenso wie die Kasematte der Bastei als Auto-Abstellplatz. „Die alte Stiege im Inneren des Torgebäudes muss geöffnet werden, damit Grazer und Touristen wieder ungehindert Zugang zu dieser herrlich gelegenen Bastei erhalten“, fordert DI Maria Hauser, Co-Autorin des städtebaulichen Diplomarbeit-Projektes „Der Weg ist das Ziel – ein Weg entlang der Befestigungsanlagen der Stadt Graz“.

Die Verbindungswege müssen geöffnet werden

Ebenfalls verunstaltet präsentiert sich die Karmeliterbastei an der Passamtswiese: Sie wird von einem rostigen Stacheldrahtverhau gekrönt. Ein paar Schritte weiter, direkt an der Kurtine des Pfauengartens, steht als besondere Attraktion die „Villa des Stadtgartenamtes“ (O-Ton Bouvier) – die problemlos an einen weniger exponierten Standort verlegt werden könnte. „Die verfallene und verschlossene Stiege in den Burggarten harrt ihrer Revitalisierung – sie stellt die einzige Verbindung zwischen Stadtpark und Burggarten dar“, betont DI Ingrid Grubauer, die zweite Autorin der Projektstudie „Der Weg ist das Ziel.“ Der Projektvorschlag sieht eine vom Fuß der Stiege ausgehende Rampe als weiterführende Verbindung in den dritten angrenzenden Grünraum – den Pfauengarten – vor.

Der frühere Vorsitzende der Altstadt-Sachverständigenkommission, Univ.-Prof. DI Dr. Heimo Widtmann, äußert sein Bedauern darüber, dass die Stadt Graz die universitären Ressourcen für den Städtebau nicht nutzt – und die Universität ihre Möglichkeiten nicht stärker in die Stadtplanung einbringt. „Gute Arbeiten, die für Graz von Bedeutung sind, sollten öffentlich präsentiert und auch von der Stadt honoriert werden“, fordert Widtmann. „Für Event-Projekte werden Millionen flüssig gemacht, die bestehenden, bleibenden Schätze der Stadt werden vernachlässigt“, übt er harsche Kritik an der Stadtpolitik.

Urgeschichtliche Siedlung unter dem Pfauengarten?

Der Zugang zum Burggarten neben dem Café Promenade, der sich während des Rundganges noch fest verschlossen und ohne Hinweis auf Öffnungszeiten präsentierte, ist seit kurzem wieder geöffnet, teilt das Land Steiermark mit – von acht Uhr morgens bis eine halbe Stunde vor Einbruch der Dunkelheit. Für die im Burggarten befindliche Orangerie wurden schon verschiedenste Nutzungsmöglichkeiten ventiliert, erläutert Bouvier – unter anderem das spannende Projekt eines „Amazonas-Hauses“. Bloß: Bis jetzt sind alle Konzepte am mangelnden Interesse des Landes und an Finanzierungsproblemen gescheitert.

Auf dem Weg in den Pfauengarten weist der Altstadtkenner Dipl. Dolm. Peter Lauckhardt auf einen kürzlich von ihm entdeckte Inschrift aus dem 16. Jahrhundert auf der Burggarten-Mauer hin. Der Archäologe Dr. Diether Kramer, Leiter der im Gang befindlichen Ausgrabungen im Pfauengarten, erläutert in einem kurzen Vortrag die schwierigen Bedingungen der Stadtarchäologie – oft müsse sich der Archäologe selbst um die Finanzierung von Grabungsvorhaben bemühen, mit denen er betraut wurde. Unter dem Pfauengarten fanden sich bis jetzt Schichten, die bis ins 8. vorchristliche Jahrhundert zurückreichen; „es besteht aber sogar die Möglichkeit, dass wir auf eine urgeschichtliche Siedlung stoßen.“ Um wirklich Gewissheit zu erlangen, müsste die gesamte Fläche zweieinhalb Meter tief abgetragen werden, erklärt Kramers Mitarbeiterin Mag. Martina Roscher.

Zum Abschluss des Rundganges heißt der Leiter des Landesarchivs, Dr. Walter Brunner, die Teilnehmer im Foyer des Archivs willkommen: Dort steht das von Grubauer und Hauser konzipierte Modell eines Gestaltungsvorschlages für den Bereich der Befestigungsanlage: Ein großzügiger Wassergraben konturiert die Bastion, eine Kirschbaum-Allee zeichnet die Linie der gesamten Anlage vom Burg- bis zum Paulustor nach, alle Verbindungen sind geöffnet, alle Gartenanlagen zugänglich. Ein Projekt, dessen Realisierung auch nach Meinung Bouviers ein großer Gewinn für die Stadt Graz wäre …

Christian Stenner

Das Modell ist noch bis Ende Mai im Foyer des Landesarchivs, Karmeliterplatz 3, zu besichtigen.

 


 
MAI-AUSGABE  
STADTENTW. UND ÖFFENTL. RAUM