Flächenwidmung
neu: Konsens oder fauler Kompromiss?
Seit Anfang Mai liegt der überarbeitete Entwurf zum Grazer Flächenwidmungsplan
(im Stadtplaner-Jargon: „FLÄWI“) vor. Mehreren tausend Einwendungen
Grazer BürgerInnen gegen den ersten Entwurf wurde vorläufig Rechnung
getragen. Aber: Gegen den neuen Entwurf laufen jetzt auch Natur-
und Umweltschutzorganisationen Sturm.
Haus
Münzgrabenstraße 7: Trotz Denkmalschutz zum Abriss zwecks Straßenverbreiterung
freigegeben
Auch wenn Planungsstadtrat DI Franz Josel die mehr als 6000
Einwendungen nicht grundsätzlich als Protest ansieht, so wurde damit
doch zweierlei erreicht. Zum einen wurde in Liebenau die großzügige
Umwidmung von Freiland für den Autocluster vorläufig zurückgenommen.
Zum anderen wurde – wie bereits in unserer Märzausgabe berichtet
– der so genannte „Generelle Regulierungsplan“, der eine Vielzahl
von Straßenneubauten in Wohngebieten vorgesehen hatte, zu Grabe
getragen. Wie Stadtrat Walter Ferk betont, wird die Grazer
SPÖ auf Grund dieser Kompromisse dem Flächenwidmungsplan Anfang
Juli im Gemeinderat zustimmen. Grüne und KPÖ, für die weiterhin
viele Kritikpunkte offen geblieben sind, werden nicht für den neuen
Entwurf stimmen.
Ferk: „In Zukunft nur ein Stadtrat für Verkehrsplanung und
-umsetzung“
Sollte der Flächenwidmungsplan im Sommer 2002 im Gemeinderat beschlossen
werden, kann dennoch davon ausgegangen werden, dass die Grazer Stadtentwicklung
ein heißes Thema im kommenden Gemeinderatswahlkampf bleiben wird.
Durch das nunmehrige Einlenken der Städteplaner wurde keines der
anstehenden Probleme gelöst, sondern lediglich verlagert. So ist
Graz, wie Stadtrat Josel betont, „auf Grund der Vorgaben des Stadtentwicklungskonzeptes
weiterhin gezwungen, einen Generellen Regulierungsplan festzulegen.“
Wie Dr. Eveline Kirchner von der Plattform Grazer Bürgerinitiativen
bemängelt, seien aber im FLÄWI-Entwurf „weiterhin jede Menge Straßenverbreiterungen
über Wohnhäuser und denkmalgeschützte Gebäude hinweg vorgesehen
– wie etwa im Fall des Hauses Münzgrabenstraße 7.“ Für Stadtrat
Walter Ferk ist die Misere der Grazer Verkehrsplanung auch darin
begründet, dass derzeit Planung und Umsetzung von Verkehrsplänen
und -wegen auf zwei Stadträte aufgeteilt sei. Ferk: „Ich werde daher
bei den Ressortverhandlungen nach der nächsten Gemeinderatswahl
dafür eintreten, dass die derzeit aufgeteilte Materie wieder zusammengeführt
wird.“
Josel: „Umwidmungen bleiben weiterhin möglich“
Adelheid Mayer, Sprecherin der Bürgerinitiative „Für die Erhaltung
der Grünflächen“ ist erst einmal zufrieden: „Für uns im südlichen
Liebenauer Bereich ist es sehr gut ausgegangen. Es wurde das meiste
an Industrieausweisungen wieder aus dem Entwurf heraus genommen.“
Das Gebiet bleibe nun landwirtschaftlich genutzte Freifläche. Dennoch,
so Mayer, schwebe auch in Zukunft die Bedrohung einer Umwidmung
über ihren Köpfen. Mayer: „Vorläufig können wir nicht mehr machen,
als wachsam zu bleiben. Wir wissen leider nicht, was für die Zukunft
alles geplant ist.“ Stadtrat Josel hält sich hier alle Optionen
offen: „Im Stadtentwicklungskonzept ist dieser Bereich für die Funktion
Arbeit gewidmet. Es geht um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Daher
sind auch nach dem Beschluss des Flächenwidmungsplanes im Sommer
2002 immer wieder Änderungen und Umwidmungen möglich.“
Magna-Steyr: „Wir wollten Umwidmungen nicht!“
Für Josel ist die nun abgeblasene Ausweitung des Industriegebietes
in Liebenau auch auf die seiner Ansicht nach ungewisse Zukunft des
Autoclusters nach der Übernahme von Eurostar durch Magna-Steyr zurückzuführen.
Dazu befragt, betont jedoch Herfried Teschl, Pressesprecher
von Magna-Steyr: „Wir wissen ganz genau, wie es bei uns in Zukunft
weitergeht.“ Demnach komme es bei Magna-Steyr zwar zu einer Umstellung
und Erhöhung in der Produktion, die aber wegen der Übernahme des
Eurostarwerkes zu keiner Ausweitung der Fläche des Werkes führe.
Faktum sei zudem, wie Teschl betont, „dass diese Gründe lediglich
auf Betreiben der Stadt Graz und durch deren Initiative in Industriegebiete
umgewidmet werden sollten. Wir von Magna-Steyr haben daran kein
Interesse. Insofern fühlen wir uns von der Diskussion um diese Gründe
auch nicht betroffen, da wir damit nichts zu tun haben.“
Neues Einkaufszentrum beim Esserweg bereits fix
Eher untergegangen in der laufenden Diskussion ist die geplante
Errichtung neuer Einkaufszentren. Eine Analyse der Baulandbilanz
belegt, dass gegenüber dem aktuellen Stand an bereits erfolgten
Widmungen für Einkaufszentren für die Zukunft mit einem beträchtlichen
Zuwachs, vor allem im Süden von Graz, zu rechnen ist. So beträgt
der Zuwachs an Widmungen für reine Einkaufszentren mehr als 15%.
Zusammen mit jenen Gebieten, die erstmals eine Mischnutzung von
Industrie und Einkaufszentren vorsehen, ergibt sich bei der gewidmeten
Fläche eine Zuwachsrate von rund 37%! Wie Stadtrat Josel gegenüber
KORSO betont, gibt es neben dem bekannten Interesse von Spar am
Sternäckerweg auch einen Interessenten für die Errichtung eines
Einkaufszentrums südlich des Esserweges. Welche wirtschaftsstrategischen
Überlegungen der Stadt Graz hinter diesen neuen Widmungen stehen
und ob die Auswirkungen auf die Innenstadt-Geschäfte ausreichend
untersucht wurden liegt im Dunkeln. Von KORSO daraufhin angesprochen
betonte Wirtschafts-Stadtrat Mag. Siegfried Nagl, dass er
dazu erst nach Beschlussfassung des Flächenwidmungsplanes Stellung
nehmen möchte.
Bürgerinitiativen richten sich nicht gegen die Wirtschaft
Direkt betroffen vom geplanten Einkaufszentrum südlich des Esserweges
ist Sabine Reberschak von der Umweltplattform Süd. Dennoch
ist ihr wichtig zu betonen, dass die Bürgerinitiative sich nicht
gegen die Wirtschaft stelle. Vielmehr gehe es ihr „um die Erkenntnis,
dass Bürger nicht nur ein lästiges Anhängsel bei wichtigen Entscheidungen
sind, sondern dass es wichtig ist, sie als Betroffene einzubinden.“
Falls das Einkaufszentrum wirklich kommen sollte, wünscht sie sich
zumindest eine Planung mit Bürgerbeteiligung. Reberschak: „Anrainer
und Betreiber des Einkaufszentrums sollten sich unter Beiziehung
eines Mediators gemeinsam an einen Tisch setzen.“ So wisse man,
woran man sei und was tatsächlich auf einen zukomme. Derzeit, so
Reberschak, gebe es immer nur Gerüchte und Horrorgeschichten, die
dadurch entstünden, dass man sich durch die Politik nicht ehrlich
und vollständig über die Pläne und Absichten informiert fühle.
Unbeschränkter Informationszugang weiterhin nur für SP/FP/VP?
An Informationsmangel leiden auch die Grazer GemeinderätInnen der
Grünen und der KPÖ. Im Gegensatz zu den VertreterInnen der SPÖ,
FPÖ und ÖVP wird ihnen weiterhin die uneingeschränkte Akteneinsicht
in die Planungsinteressen verwehrt. Dies wurde nun auch offiziell
durch ein Schreiben des Magistratsdirektors bestätigt. Demnach könne
mit Rücksicht auf den Datenschutz „ein generelles Einsichtnahmerecht
a priori nicht gewährt werden, sondern es muss im Einzelfall geprüft
werden, in welchem Umfang ein Eingriff in das Datenschutzrecht erforderlich
ist, damit die GemeinderätInnen die ... Aufgaben erfüllen können.“
Grün-Gemeinderat Mag. Hermann Candussi: „Mit dieser Einschränkung
ist es mir unmöglich, eine wirkliche Übersicht über die tatsächlichen
Planungsinteressen oder Einwendungen in Graz zu gewinnen.“
Naturschutzbund: Baulandausweisungen im Grüngürtel müssen weg!
Dass auch für den aktuellen FLÄWI-Entwurf wieder jede Menge Einwendungen
zu erwarten sind, zeigte sich bei einer Pressekonferenz der Selbsthilfegruppe
„Stadtentwicklung Graz“, eines Zusammenschlusses von Grazer Bürgerinitiativen
und steirischen Natur- und Umweltschutzverbänden.
Mag. Franz Horvath, Naturschutzbund: „Stadt hält
sich nicht an Gesetze“
Bürgerinitiativensprecherin Dr. Evelyn Kirchner:
„Stadtentwicklungskonzept und Flächenwidmungsplan enthalten weiterhin
viele Mängel“
Denn obwohl im Regionalen Entwicklungsprogramm ein Baustopp zum
Schutz des Grazer Grüngürtels vorgesehen sei, weise der FLÄWI-Entwurf
30 Hektar neues Bauland in diesem Bereich aus. Mag. Franz Horvath
vom Naturschutzbund: „Diese Widmungen sind zur Gänze zurückzunehmen,
da sie im Widerspruch zu geltenden Gesetzen stehen!“ Ebenfalls nicht
erlaubt sei die Ausweisung von Bauland in Hochwasserbereichen. „Auch
daran“, so Horvath, „hält sich die Stadt nicht, wie viele Fälle
am Einödbach und entlang des Andritzbaches belegen. Wir hoffen daher,
dass die Landesregierung als übergeordnete Instanz diese Versäumnisse
der Stadt einmahnen wird.“ Überdies seien diese Umwidmungen in ökologisch
sensiblen Bereichen gar nicht notwendig, da Graz jetzt bereits einen
Überfluss an unverbautem Bauland im Ausmaß von mehr als 900 Hektar
besitze, wie Horvath betont. Angesichts dieser Tatsachen zeigt man
sich im Bemühen um eine zukünftige bürgernahe Stadtplanung kämpferisch.
Kirchner: „Es kann nicht angehen, dass Einzelinteressen der Wirtschaft
oder Industrie über das Gemeinwohl gestellt werden.“
Joachim Hainzl
Unter folgenden Links finden Sie ein ausführliches Dossier zu diesem
Artikel, unter anderem die vollständigen Interviews mit den Stadträten
Walter Ferk, Franz Josel und Siegfried Nagl sowie mit den VertreterInnen
der Bürgerinitiativen.
Schreiben
des Magistratsdirektors an Hermann Candussi
Schreiben
von Hermann Candussi an Magistratsdirektor
Interview
mit Stadtrat Josel
Interview
mit Stadtrat Nagl
Interview
mit Stadtrat Ferk
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