05/2002
 

 

Flächenwidmung neu: Konsens oder fauler Kompromiss?

Seit Anfang Mai liegt der überarbeitete Entwurf zum Grazer Flächenwidmungsplan (im Stadtplaner-Jargon: „FLÄWI“) vor. Mehreren tausend Einwendungen Grazer BürgerInnen gegen den ersten Entwurf wurde vorläufig Rechnung getragen. Aber: Gegen den neuen Entwurf laufen jetzt auch Natur- und Umweltschutzorganisationen Sturm.

Haus Münzgrabenstraße 7: Trotz Denkmalschutz zum Abriss zwecks Straßenverbreiterung freigegeben

Auch wenn Planungsstadtrat DI Franz Josel die mehr als 6000 Einwendungen nicht grundsätzlich als Protest ansieht, so wurde damit doch zweierlei erreicht. Zum einen wurde in Liebenau die großzügige Umwidmung von Freiland für den Autocluster vorläufig zurückgenommen. Zum anderen wurde – wie bereits in unserer Märzausgabe berichtet – der so genannte „Generelle Regulierungsplan“, der eine Vielzahl von Straßenneubauten in Wohngebieten vorgesehen hatte, zu Grabe getragen. Wie Stadtrat Walter Ferk betont, wird die Grazer SPÖ auf Grund dieser Kompromisse dem Flächenwidmungsplan Anfang Juli im Gemeinderat zustimmen. Grüne und KPÖ, für die weiterhin viele Kritikpunkte offen geblieben sind, werden nicht für den neuen Entwurf stimmen.

Ferk: „In Zukunft nur ein Stadtrat für Verkehrsplanung und -umsetzung“

Sollte der Flächenwidmungsplan im Sommer 2002 im Gemeinderat beschlossen werden, kann dennoch davon ausgegangen werden, dass die Grazer Stadtentwicklung ein heißes Thema im kommenden Gemeinderatswahlkampf bleiben wird. Durch das nunmehrige Einlenken der Städteplaner wurde keines der anstehenden Probleme gelöst, sondern lediglich verlagert. So ist Graz, wie Stadtrat Josel betont, „auf Grund der Vorgaben des Stadtentwicklungskonzeptes weiterhin gezwungen, einen Generellen Regulierungsplan festzulegen.“ Wie Dr. Eveline Kirchner von der Plattform Grazer Bürgerinitiativen bemängelt, seien aber im FLÄWI-Entwurf „weiterhin jede Menge Straßenverbreiterungen über Wohnhäuser und denkmalgeschützte Gebäude hinweg vorgesehen – wie etwa im Fall des Hauses Münzgrabenstraße 7.“ Für Stadtrat Walter Ferk ist die Misere der Grazer Verkehrsplanung auch darin begründet, dass derzeit Planung und Umsetzung von Verkehrsplänen und -wegen auf zwei Stadträte aufgeteilt sei. Ferk: „Ich werde daher bei den Ressortverhandlungen nach der nächsten Gemeinderatswahl dafür eintreten, dass die derzeit aufgeteilte Materie wieder zusammengeführt wird.“

Josel: „Umwidmungen bleiben weiterhin möglich“

Adelheid Mayer, Sprecherin der Bürgerinitiative „Für die Erhaltung der Grünflächen“ ist erst einmal zufrieden: „Für uns im südlichen Liebenauer Bereich ist es sehr gut ausgegangen. Es wurde das meiste an Industrieausweisungen wieder aus dem Entwurf heraus genommen.“ Das Gebiet bleibe nun landwirtschaftlich genutzte Freifläche. Dennoch, so Mayer, schwebe auch in Zukunft die Bedrohung einer Umwidmung über ihren Köpfen. Mayer: „Vorläufig können wir nicht mehr machen, als wachsam zu bleiben. Wir wissen leider nicht, was für die Zukunft alles geplant ist.“ Stadtrat Josel hält sich hier alle Optionen offen: „Im Stadtentwicklungskonzept ist dieser Bereich für die Funktion Arbeit gewidmet. Es geht um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Daher sind auch nach dem Beschluss des Flächenwidmungsplanes im Sommer 2002 immer wieder Änderungen und Umwidmungen möglich.“

Magna-Steyr: „Wir wollten Umwidmungen nicht!“

Für Josel ist die nun abgeblasene Ausweitung des Industriegebietes in Liebenau auch auf die seiner Ansicht nach ungewisse Zukunft des Autoclusters nach der Übernahme von Eurostar durch Magna-Steyr zurückzuführen. Dazu befragt, betont jedoch Herfried Teschl, Pressesprecher von Magna-Steyr: „Wir wissen ganz genau, wie es bei uns in Zukunft weitergeht.“ Demnach komme es bei Magna-Steyr zwar zu einer Umstellung und Erhöhung in der Produktion, die aber wegen der Übernahme des Eurostarwerkes zu keiner Ausweitung der Fläche des Werkes führe. Faktum sei zudem, wie Teschl betont, „dass diese Gründe lediglich auf Betreiben der Stadt Graz und durch deren Initiative in Industriegebiete umgewidmet werden sollten. Wir von Magna-Steyr haben daran kein Interesse. Insofern fühlen wir uns von der Diskussion um diese Gründe auch nicht betroffen, da wir damit nichts zu tun haben.“

Neues Einkaufszentrum beim Esserweg bereits fix

Eher untergegangen in der laufenden Diskussion ist die geplante Errichtung neuer Einkaufszentren. Eine Analyse der Baulandbilanz belegt, dass gegenüber dem aktuellen Stand an bereits erfolgten Widmungen für Einkaufszentren für die Zukunft mit einem beträchtlichen Zuwachs, vor allem im Süden von Graz, zu rechnen ist. So beträgt der Zuwachs an Widmungen für reine Einkaufszentren mehr als 15%. Zusammen mit jenen Gebieten, die erstmals eine Mischnutzung von Industrie und Einkaufszentren vorsehen, ergibt sich bei der gewidmeten Fläche eine Zuwachsrate von rund 37%! Wie Stadtrat Josel gegenüber KORSO betont, gibt es neben dem bekannten Interesse von Spar am Sternäckerweg auch einen Interessenten für die Errichtung eines Einkaufszentrums südlich des Esserweges. Welche wirtschaftsstrategischen Überlegungen der Stadt Graz hinter diesen neuen Widmungen stehen und ob die Auswirkungen auf die Innenstadt-Geschäfte ausreichend untersucht wurden liegt im Dunkeln. Von KORSO daraufhin angesprochen betonte Wirtschafts-Stadtrat Mag. Siegfried Nagl, dass er dazu erst nach Beschlussfassung des Flächenwidmungsplanes Stellung nehmen möchte.

Bürgerinitiativen richten sich nicht gegen die Wirtschaft

Direkt betroffen vom geplanten Einkaufszentrum südlich des Esserweges ist Sabine Reberschak von der Umweltplattform Süd. Dennoch ist ihr wichtig zu betonen, dass die Bürgerinitiative sich nicht gegen die Wirtschaft stelle. Vielmehr gehe es ihr „um die Erkenntnis, dass Bürger nicht nur ein lästiges Anhängsel bei wichtigen Entscheidungen sind, sondern dass es wichtig ist, sie als Betroffene einzubinden.“ Falls das Einkaufszentrum wirklich kommen sollte, wünscht sie sich zumindest eine Planung mit Bürgerbeteiligung. Reberschak: „Anrainer und Betreiber des Einkaufszentrums sollten sich unter Beiziehung eines Mediators gemeinsam an einen Tisch setzen.“ So wisse man, woran man sei und was tatsächlich auf einen zukomme. Derzeit, so Reberschak, gebe es immer nur Gerüchte und Horrorgeschichten, die dadurch entstünden, dass man sich durch die Politik nicht ehrlich und vollständig über die Pläne und Absichten informiert fühle.

Unbeschränkter Informationszugang weiterhin nur für SP/FP/VP?

An Informationsmangel leiden auch die Grazer GemeinderätInnen der Grünen und der KPÖ. Im Gegensatz zu den VertreterInnen der SPÖ, FPÖ und ÖVP wird ihnen weiterhin die uneingeschränkte Akteneinsicht in die Planungsinteressen verwehrt. Dies wurde nun auch offiziell durch ein Schreiben des Magistratsdirektors bestätigt. Demnach könne mit Rücksicht auf den Datenschutz „ein generelles Einsichtnahmerecht a priori nicht gewährt werden, sondern es muss im Einzelfall geprüft werden, in welchem Umfang ein Eingriff in das Datenschutzrecht erforderlich ist, damit die GemeinderätInnen die ... Aufgaben erfüllen können.“ Grün-Gemeinderat Mag. Hermann Candussi: „Mit dieser Einschränkung ist es mir unmöglich, eine wirkliche Übersicht über die tatsächlichen Planungsinteressen oder Einwendungen in Graz zu gewinnen.“

Naturschutzbund: Baulandausweisungen im Grüngürtel müssen weg!

Dass auch für den aktuellen FLÄWI-Entwurf wieder jede Menge Einwendungen zu erwarten sind, zeigte sich bei einer Pressekonferenz der Selbsthilfegruppe „Stadtentwicklung Graz“, eines Zusammenschlusses von Grazer Bürgerinitiativen und steirischen Natur- und Umweltschutzverbänden.

Mag. Franz Horvath, Naturschutzbund: „Stadt hält sich nicht an Gesetze“

Bürgerinitiativensprecherin Dr. Evelyn Kirchner:
„Stadtentwicklungskonzept und Flächenwidmungsplan enthalten weiterhin viele Mängel“

Denn obwohl im Regionalen Entwicklungsprogramm ein Baustopp zum Schutz des Grazer Grüngürtels vorgesehen sei, weise der FLÄWI-Entwurf 30 Hektar neues Bauland in diesem Bereich aus. Mag. Franz Horvath vom Naturschutzbund: „Diese Widmungen sind zur Gänze zurückzunehmen, da sie im Widerspruch zu geltenden Gesetzen stehen!“ Ebenfalls nicht erlaubt sei die Ausweisung von Bauland in Hochwasserbereichen. „Auch daran“, so Horvath, „hält sich die Stadt nicht, wie viele Fälle am Einödbach und entlang des Andritzbaches belegen. Wir hoffen daher, dass die Landesregierung als übergeordnete Instanz diese Versäumnisse der Stadt einmahnen wird.“ Überdies seien diese Umwidmungen in ökologisch sensiblen Bereichen gar nicht notwendig, da Graz jetzt bereits einen Überfluss an unverbautem Bauland im Ausmaß von mehr als 900 Hektar besitze, wie Horvath betont. Angesichts dieser Tatsachen zeigt man sich im Bemühen um eine zukünftige bürgernahe Stadtplanung kämpferisch. Kirchner: „Es kann nicht angehen, dass Einzelinteressen der Wirtschaft oder Industrie über das Gemeinwohl gestellt werden.“

Joachim Hainzl

Unter folgenden Links finden Sie ein ausführliches Dossier zu diesem Artikel, unter anderem die vollständigen Interviews mit den Stadträten Walter Ferk, Franz Josel und Siegfried Nagl sowie mit den VertreterInnen der Bürgerinitiativen.

Schreiben des Magistratsdirektors an Hermann Candussi

Schreiben von Hermann Candussi an Magistratsdirektor

Interview mit Stadtrat Josel

Interview mit Stadtrat Nagl

Interview mit Stadtrat Ferk


 
MAI-AUSGABE  
STADTENTW. UND ÖFFENTL. RAUM