korso Kunst/Kultur
Das Informationsmagazin
der Steiermark
mai 2002
 
Pro planetarische Politik / Buchtipp

 

In Zeiten, wo ProvinzpolitikerInnen dem Standortwettbewerb als neuer Event-Sportart huldigen, tut es gut, in einem Buch zu blättern, das gleichermaßen ein „Plädoyer für planetarisches Bewusstsein” wie ein „Lehrstück für eine planetarische Betrachtungsweise” darstellt (Vorwort der Herausgeber Wilfried Graf und Christoph Wulf). Und Edgar Morin – geboren 1919, emeritierter Direktor des französischen Braintrusts CNRS – ist fraglos einer der wichtigsten jener zeitgenössischen DenkerInnen, die postmodern fragmentierten Ideen-Ruinen eine zusammenhängende Sicht des Weltgeschehens entgegensetzen können.

Die Diagnose Morins im Einklang mit Hölderlins „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch”: Der vielfältigen Barbarei – der zu allen Zeiten existenten „individuellen und kollektiven Raserei” hat sich die „techno-bürokratische Barbarei” zugesellt, die sich unter anderem durch die „tendenzielle Kommerzialisierung jeglicher Lebensäußerung” auszeichnet, stehen nun – wenn auch „mit enormer Verspätung” – „Ansätze zu planetarem Handeln und Denken” gegenüber. Mag Morin manchmal auch allzu lyrisch argumentieren: Die Aussage, dass „das Bewusstwerden der irdischen Schicksalsgemeinschaft zum Schlüsselereignis des Jahrtausends werden muss”, wird nur jenen als leeres Wortgeklingel erscheinen, die meinen, die Zukunft bereits mit der Wahl des richtigen Pensionsfonds in den Griff bekommen zu haben.

Christian Stenner

Edgar Morin / Anne Brigitte Kern: Heimatland Erde. Versuch einer planetarischen Politik. Wien: Promedia 1999, 206 S.

KORSO
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