korso Kunst/Kultur
Das Informationsmagazin 
der Steiermark
 
07/2004
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    Durch den Keller zum Sinn des Lebens: Architektur an der Grazer Peripherie Im Rahmen der Tage der Architektur veranstaltete das Grazer Haus der Architektur neben den geführten Ateliertouren auch Fahrten zu ausgewählten Objekten in der Steiermark. Für KORSO nahm Wenzel Mracek an einer unter dem Motto „Gstättn wird Stadt“ stehenden Tour an die Grazer Peripherie teil.


An einem weiteren Regentag im Bus: Ein hörbar aus unserer nördlichen Nachbarschaft stammender Teilnehmer fragt, ob man „Gstättn“ in ein für ihn verständliches Idiom übersetzen könnte, was sich zunächst als nicht ganz einfach erweist, bis jemand „Brache“ sagt und einige Sitzreihen weiter vorne nochmals jemand: „Ja, Brachland.“ Das Wort schmiegt sich förmlich in die wetterbedingte Stimmung.

Bolide vor dem Start > Franz Eitzinger, Rennstall Dr. Marko Neuseiersberg, 2000

Der Schlüssel des Architekten
Die Fahrt führt zu vormals unbebauten Arealen und an der ersten Station in die Dreierschützengasse, wo nach Plänen von Hans Gangoly vor zwei Jahren ein Bundesoberstufenrealgymnasium gebaut wurde. In nächster Nähe zur Hans-List-Halle gelegen ist die Umgebung immer noch charakterisiert von den Wagner-Biro-Werkshallen, den angrenzenden Bahnanlagen, Speditionsbetrieben und von Mehrparteienwohnhäusern aus der 60er-Jahren. Tendenziell, erzählt Hans Gangoly, weicht die Industrie langsam neuen Wohnbauten und so waren die Voraussetzungen für den dreigeschossigen Schulbau gegeben. Schul- und Verwaltungstrakt sind in zwei Quadern im rechten Winkel verbunden und heben sich auch in der Fassadengestaltung voneinander ab. Die metallgraue Fassade des Klassenteiles dominieren großflächige, getönte Glasfenster, während jene des Lehrkörper-Traktes großzügig mit Holz verkleidet ist. Eine asphaltierte Rampe führt zum Haupteingang, einem großen Metalltor. Wie eine überdimensionierte Straßenmarkierung prangt die Zahl 42 auf dieser Rampe und Hans Gangoly klärt uns auf: Am Schluss von Douglas Adams Roman „The hitchhikers guide through the galaxy“ (1979) wird ein Supercomputer nach dem Sinn des Lebens befragt. Nach einigem Rechnen lautet das wenig erhellende Ergebnis „42“. Nach neuerlicher Intervention stellt der Computer lakonisch fest, die Frage sei falsch gestellt worden. – Für eine Schulsituation passend, findet Gangoly, jedenfalls wirkt „42“ nicht schulmeisterlich und drückt nicht auf die Hoffnung. Gangoly versucht das elektronische Schloss am Eingangstor aufzusperren, was nicht recht gelingen will. Auf die Frage, ob er grundsätzlich Schlüssel zu seinen Objekten behalte wie weiland Ludwig Mies van der Rohe, der unangemeldet in von ihm entworfenen Privathäusern aufzutauchen pflegte, antwortet Gangoly: „Ja, nach Möglichkeit schon.“ Das Schloss lässt sich – vielleicht wetterbedingt – nicht öffnen, der Architekt weiß einen Weg durch den Keller und öffnet uns nach kurzer Zeit das Tor von innen. Der Sichtbeton in den Stiegenhäusern wurde auf Wunsch der Schulleitung optisch durch großflächige Reproduktionen altmeisterlicher Malerei an den Untersichten der Stiegen entschärft. Klassenweise sind die Garderoben im Gangbereich in die Wände integriert. Holzvertäfelung im Bereich der Musiksäle haben optische und akustische Funktion. Aus der Anlage des Grundrisses entstehen zwei Höfe, wovon einer nachträglich mit Topfpflanzen behübscht wurde, was Gangoly offenbar physischen Schmerz bereitet.

Wohnen im Stapelvolumen
Nächste Station ist die Wohn DNA von Weichlbauer / Ortis, 2001 errichtet von der Leykam GmbH in Gratkorn, die inzwischen mit der Firma Sappi fusioniert ist. „Die DNA“, sagen Reinhold Weichlbauer und Albert Josef Ortis, „erfüllt für die Zelle die gleiche Funktion wie ein Bauplan für ein Gebäude.“ Der kanarigelbe, zweigeschossige Baukörper enthält acht Wohneinheiten von je ca. 85 Quadratmetern Fläche mit terrassenartigen Balkonen und Privatgärten im Erdgeschoss. Auffallend ist die ungewohnte Proportionalität der weit auskragenden und schachtelförmigen Raumelemente gegenüber dem gedrungen wirkenden Gesamtvolumen. Die Form stammt aus dem Computer, entsprechend einem von Prof. Manfred Wolf-Plottegg von der TU Wien propagierten Verfahren. Eine spezielle Software errechnet nach Eingabe diverser Parameter den Entwurf und liefert die zur Umsetzung gelangten Stapelvolumen. Die Wohn DNA ist eines von sieben steirischen Projekten, die in den eben erschienenen, sieben Kilo schweren Architekturatlas The Phaidon Atlas Of Contemporary World Architecture aufgenommen wurde. Interessantes Detail: Die Mieter sind Aktionäre der Sappi AG, demnach variiert der Mietpreis entsprechend dem Aktienwert.

Dynamische Formen, gut im Rennen
Letzte Station der Tour ist der Rennstall Dr. Marko in Neuseiersberg, errichtet im Jahr 2000 nach Plänen von Architekt Franz Eitzinger. Allein das relativ kleine Grundstück in Form eines Dreiecks zwischen Autobahnzubringer im Westen und einem Lagerareal im Osten stellte hohe Anforderungen an den Architekten, eine Werkhalle für Formel-3-Boliden mit anliegendem Bürogebäude in drei Geschossen zu entwerfen. Dazu kam die Zeitvorgabe: Nach Auftrag im Dezember 1998 sollten die Einreichpläne noch bis Jahresende fertig gestellt sein – und was zunächst unmöglich schien, gelang. Das Ergebnis ist ein Gebäude, annähernd in Dreiecksform mit geneigter Glasfassade im Osten und einer Westfassade, die sich der schmalen Zufahrt für Sattelschlepper anpasst. Der Bürotrakt im Nordteil ist als Glas-, Stahl- und Sichtbetonkonstruktion ausgeführt. Man kann Franz Eitzinger folgen, wenn er immer wieder bildreich bemerkt, dass der augenscheinlich dynamische Bau gen Norden „fährt“ oder „pfeift“. Unterstützt wird dieser Eindruck durch das über die Werkhalle wie ein Spoiler auskragende Flugdach.

wenzel.mracek@korso.at

 

 

  „Die Wurscht ist ein ideales Tier“


In thematisch adäquatem Rahmen, nämlich im Kulturzentrum bei den Minoriten und dort im ehemaligen Refektorium vor der großformatigen Darstellung der „Speisung der Fünftausend“ von Johann Baptist Raunacher d. Ä. (1732), hielt Peter Kubelka einen ausgesprochen kurzweiligen Vortrag zu seiner Interpretation des Begriffs Ästhetik. Unter dem zwar formal etwas sperrigen Titel MIR BEKÖMMLICH = GUT = SCHÖN. SCHÖN = GUT = MIR BEKÖMMLICH behandelte Kubelka zunächst die vor- und außersprachlichen Wurzeln des von Alexander Gottlieb Baumgarten im 18. Jahrhundert in die Philosophie eingeführten Terminus zur Beschreibung der durch die Sinne wahrgenommenen Wirklichkeit, unter dem auch das Schöne subsumierte. Während Baumgarten aber strikt der Ansicht war, das wahrlich Schöne ließe sich ausschließlich kontemplativ erfahren, widerspricht Kubelka und – abgesehen von kulturell bedingten Konflikten, die eine Definition letztlich ausschließen – führte aus, dass man ganz im Gegenteil geneigt sei, sich dem Schönen in jedem Fall anzunähern, es zu besitzen, um es schließlich zu verinnerlichen, sofern möglich, es auch zu essen. Ästhetik ist nach Kubelka keine Frage von „Wahrnehmung des Schönen ohne ein Wollen“, vielmehr ist Ästhetik ein Instrument der Attraktion oder Distanzierung. Um seine Überlegungen anschaulich zu belegen, bewegt er sich durch einen reichen Fundus an mitgebrachten Nahrungsmitteln, archäologischen Objekten, bringt Beispiele aus der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik, indem er etwa Hörproben auf der Blockflöte zum Besten gibt.

Peter Kubelka: Das Wurschtradl als mitteilendes Medium

Peter Kubelka ist seit 1952 Filmemacher. Internationales Renommee erlangte er mit dem 1957 als Werbefilm angelegten Adebar, in dem er visuell und akustisch das Prinzip des Loops, der perpetuierten Sequenz, präfigurierte und damit wohl als Begründer der österreichischen Videokunst bezeichnet werden kann. Kubelka ist Mitbegründer des Österreichischen Filmmuseums und propagierte das seit kurzem darin befindliche Schwarze Kino. Unter dem Titel „The Essence of Cinema“ hielt er 1977 eine Vorlesungsreihe am Museum of Modern Art in New York. Nach seiner „Entspezialisierung“ erhielt er 1978 einen Lehrstuhl für Film an der Frankfurter Staedelschule, der 1980 auf den Bereich „Film und Kochen“ erweitert wurde. Im selben Jahr erhielt Peter Kubelka den Großen Österreichischen Staatspreis für sein Gesamtwerk. Die folgende Kurzfassung des zweistündigen Vortrages in Zitaten, bearbeitet von Wenzel Mraek, ist in einer ausführlichen Version unter www.korso.at nachzulesen.

Weltanschauung aus dem Nachdenken über Film
„Die Vortragsreihe heißt Ästhetik und dieser Begriff steht jetzt schon einige tausend Jahre da. Ich werde nicht, wie in der philosophischen Disziplin üblich, an alle anderen, die daran gearbeitet haben, anknüpfen. Ich bin durch das Nachdenken über den Film zu meiner Weltanschauung gekommen, danach bin ich auf das Kochen gestoßen und habe verstanden, dass es sich hierbei nicht einfach um ein Betanken des Körpers wie eines Autos mit Benzin handelt, sondern dass es sich um eine mitteilende Kunstgattung handelt, genauso wie Sprache. Kochen ist eine Sprache genauso wie Malerei eine Sprache ist, ein Verständigungsmittel. Ich habe angefangen, über meine Ansichten zu sprechen und in Amerika zu unterrichten, indem ich zuerst den Film als vollgültige Kunstgattung verteidigt habe. Danach habe ich mich entspezialisiert, denn das gegenwärtige Hauptübel ist das Spezialistentum, d. h. dem Einzelnen wird immer mehr an Übersicht und Entscheidungsmöglichkeit entzogen, immer deutlicher wird, dass wir uns in Systemen befinden, die der Einzelne nicht mehr durchschaut. Ich habe also angefangen, mich eingehender mit dem sprachlichen Begriff Ästhetik zu befassen und bin zunächst zur Ansicht gekommen, dass die Medien in sich selbst geschlossen sind. Dass heisst, wenn ich beispielsweise ein Wurschtradl nehme und es als mitteilendes Medium interpretiere – schauen Sie gut her – (Kubelka hält eine Scheibe Wurst hoch), das ist ein Schweindl gewesen und das hat sich die Menschheit in ihrem Streben nach immer mehr Glück, Konzentration und Vollkommenheit über mehrere Stufen zum idealen Tier hergerichtet, das ist es, was ich vom Tier eigentlich will, es schmiegt sich sogar an einen künstlichen Horizont“ (legt die Scheibe auf einen weißen Teller).

Was der Mensch ist
„Wir sind ein sich bewegendes Lebewesen. Entscheidend aber ist der Metabolismus, der Stoffwechsel, der unser Leben konstituiert und den wir normalerweise nicht wahrnehmen, kurz: Von dem, was unser Leben ausmacht, wissen wir nichts. Wir sind somit ein Wesen, das angewandte Philosophie verkörpert. Ein Beispiel für angewandte Philosophie wäre, dass irgendwelche Vögel praktischerweise Schwimmhäute ausbilden und seither Enten heißen. Welterkenntnis dient so der Körperoptimierung und ist angewandte Philosophie. Die Philosophie wird mit der Zeit genetisch.“

Distanzierung als Zeichen der Kultur
„Unsere Sinne haben sich zur Wahrnehmung auf und zur Herstellung von Distanz herangebildet, wir haben sie durch künstliche erweitert, um noch größere Distanzen erfahren zu können. Zweck der Distanzierung ist es, Zeit für Entscheidungen gewinnen zu können. In unserer Zivilisation sehen wir in jedem Augenblick die von uns geschaffene Distanz zur Natur. Schuhe sind zu dem Zweck erfunden worden, um den Menschen von der Erde, auf der er geht, zu trennen. Man schiebt sich einen künstlichen Horizont unter. Ebenso ein Sessel, auf dem wir sitzen: Mein Hintern ruht auf einem maßgefertigten, gezähmten Horizont. Alles ist Distanz. Ein afrikanischer Fürst darf nie den Boden berühren, er benützt gezähmte Horizonte als Zeichen seiner Macht. – Man kann die Wurscht mit der Hand nehmen und reinbeißen. Das macht man aber nicht mehr, wir bedienen uns vielmehr distanzierender Werkzeuge als Verlängerungen unserer Unterarme, der Hände und der Finger. Zurück zur Ästhetik, mit der Ästhetik sieht es so aus und ich nehme das Essen als Beispiel: Ausdruck der Bewertung einer Speise, die wir uns zugeführt haben ist mmh (macht ein Geräusch). Mmh ist ein frühes Wort für gut, für zureichende Qualität und Zufriedenheit. Wenn man etwas geschluckt hat, dann sagt man aah. Meine Behauptung nun ist, das Wort schön wird für die entfernten Sinne gebraucht. Zu einer Wurscht oder einer Rahmsuppe sagt man nicht schön, sondern gut. Zu einem Gemälde sagt man schön oder man sagt aah, keinesfalls sagt man aber mmh. Schön oder aah für die Ferne, gut oder mmh für die Nähe der Sinneswahrnehmungen.“

Das Schöne und das Wahre
„In der Philosophie wurde behauptet, dass das Schöne ein gültiger Begriff ist, mit dem man operieren kann, ein ewig gültiger Begriff. Andere haben gesagt, der Sinn für das Schöne besteht a priori, ist also schon vorgegeben – Kant. Ich sehe das eher so: Zunächst muss man sich von den Begriffen Wahrheit und ewig zurückziehen. Wahrheit ist, worauf sich alle Anwesenden einigen – mehr nicht. Wahrheit ist eine kulturelle Kategorie und ebenso ist es mit dem Sinn für Schönheit: Der Schönheitsbegriff ist ein in der jeweiligen Kultur erlernter Begriff, durch den Entscheidungszeit hinsichtlich Entfernung oder Annäherung gewonnen wird. Dieser Begriff kann sich im kulturellen Wandel verändern. (Hebt eine Rindszunge hoch) Für meine Generation war das eine Delikatesse, meine Kinder essen das nicht mehr und in Amerika bekommen die Leute Brechreiz. Ein Muslim wird sich vor diesem, heute auf dem Markt gekauften Selchfleisch ekeln, weil ein Schwein in seiner Kultur als unrein gilt.

Die Begriffe schön und gut, interpretiert aus einem divergierenden kulturellen Verständnis, können in einem ästhetischen, wahrnehmenden Sinn zurückgeführt werden auf die Funktion eines Werkzeuges, das mir das Überleben ermöglicht, was schön ist und gut, ist mir bekömmlich.“

– wm –

 

 

  Mit dem Landeskonservator durch das Grazer Weltkulturerbe 1999 wurde die Grazer Altstadt in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen und befindet sich so in österreichischer Gesellschaft mit weiteren sieben Objekten, u.a. den Altstädten von Salzburg und Wien (seit 1996 und 2001).


Diese Auszeichnung wirkt sich zweifellos günstig hinsichtlich touristischer Attraktivität aus, führte in den vergangenen zwei Jahren aber auch zu heftigen Diskussionen über differente Ansichten von Investoren und Denkmalschützern, wie Hochhausbauten in Wien oder der Umbau der Thalia in Graz gezeigt haben. Die Ernennung zum Weltkulturerbe hat keine Rechtswirksamkeit zur Folge, kann aber nach Evaluierung im Abstand von fünf Jahren wieder aberkannt werden.

Beispiel für eine geglückte Sanierung nach den Vorgaben des Denkmalschutzes > Der Hof neben dem Ratskeller
Über 60 Interessierte nahmen am von Clio und KORSO in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt veranstalteten Rundgang zum Weltkulturerbe teil.

Ebenfalls wenig Auswirkungen auf die Praxis hat in Graz das seit 1974 existierende Altstadterhaltungsgesetz, wonach eine Altstadtsachverständigenkommission (ASVK) Gutachten über alle Bauvorhaben in den vier Altstadtzonen erstellt. Denn: Anders als etwa in Salzburg sind diese Gutachten für die Stadt rechtlich nicht bindend. Das Bundesdenkmalamt dagegen ist erst für Objekte oder Ensembles zuständig, wenn diese unter Denkmalschutz gestellt wurden, darunter alle öffentlichen oder Gebäude von Religionsgemeinschaften, die automatisch geschützt sind. Veranstaltet vom Verein CLIO in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt und KORSO führte Landeskonservator Dr. Friedrich Bouvier zu ausgewählten Objekten in der Grazer Altstadt.

Bouvier: „Man kauft ein altes Haus in guter Lage zu günstigen Konditionen und lässt es verfallen. Niemand kann Sie zwingen, in das Haus zu investieren.“ Am Treffpunkt des Rundgangs erinnert höchstens noch die im Verputz erhaltene Silhouette am Nebengebäude an das glücklose Schicksal des unter Denkmalschutz gestellten Hauses Burggasse, Ecke Einspinnergasse, des so genannten Kommod-Hauses, das nach einem Entwurf des Biedermeier-Architekten Georg Hauberrisser d. Ä. zu Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet worden war. Friedrich Bouvier führt den vollständigen Abbruch dieses Hauses im vergangenen Jahr auf einen bestehenden Gesetzeskonflikt zurück. Durch den Passus der „wirtschaftlichen Zumutbarkeit“, verankert im Bau- wie im Denkmalschutzgesetz, wird ein Objekt vom Denkmalschutz befreit, wenn eine Renovierung nachweisbar unwirtschaftlich ist. Dieser Status wurde im Fall des Kommod-Hauses durch jahrelange Devastierung bei gleichzeitiger Unterlassung jeglicher erhaltender Maßnahmen durch die Eigentümer herbeigeführt, bis schließlich ein Abbruchauftrag durch die Stadt erging, dem zwischen 6. und 13. Oktober 2003 Folge geleistet wurde.

„Das Besondere an Graz ist, dass es seine Altstadt nicht unter eine Vitrine stellt, sondern durch qualitativ hochwertige Neubauten lebenswert macht.“ Soweit ein Auszug aus dem Gutachten des ungarischen UNESCO-Kommissärs anlässlich der Ernennung zum Weltkulturerbe. Bouvier führt als Beispiele die gelungenen Adaptierungen der Thonethöfe, das Gebäude der Grazer Wechselseitigen oder das Bankgebäude der BA/CA in der Herrengasse an, die alle aus dem 19. Jahrhundert stammen. Angesichts des Umbaues der Thalia hält er dagegen fest, dass die ASVK ein negatives Gutachten hinsichtlich des im Ensemble zu großen Bauvolumens erstellte, dem positiven der Baupolizei dagegen wurde stattgegeben. Bouvier gibt ein Bonmot eines Besuchers aus Wien zum Besten, der in einer Reaktion auf seinen Eindruck erzählte, die Wiener hätten vergeblich versucht, sich ihrer Flaktürme durch Sprengung zu entledigen, Graz dagegen baue neue auf.

Renovierung von und Zubauten in Innenhöfen
ASVK und Denkmalamt sprechen sich gegen die zunehmende Überdachung der Innenhöfe aus, wodurch anstatt des Hofes ein Hallencharakter entsteht. In diesem Sinn vorbildlich gelöst nennt Bouvier den Hinterhof des Gemalten Hauses, in dem zum Teil die Arkaden verglast wurden um Büroräume zu schaffen, die Grazer-Stock-Fenster mit ihren nach außen öffnenden Flügeln über einem ehemaligen Pferdestall an der Nordostseite wurden erhalten und ein an die Hoffassade angelehnter Glaslift fügt sich unauffällig in das historische Ensemble. Bis vor ungefähr zehn Jahren dachte man, in Graz existierten keine Sgraffitifassaden. In den 90er-Jahren stieß man bei Bauarbeiten zuerst im Hof des Franziskanerklosters, dann in der Sackstraße und der Bürgergasse – im Stainzerbauer-Hof – auf figurale Sgraffiti oder wie im Hof des Ratskellers auf solche in Form von Scheinbalustraden aus dem 16. Jahrhundert. Auf Initiative des Denkmalamtes wurden diese Hoffassaden renoviert, wobei man im Hof des Ratskellers auch noch toskanische Halbsäulen an bis dahin zu Fensterlaibungen überbauten Arkaden fand.

Der instrumentalisierte Zahn der Zeit
Ein ganz ähnliches Schicksal wie dem oben beschriebenen Kommod-Haus droht zwei unter Denkmalschutz gestellten Barockgebäuden in der Sackstraße Nr. 28 und 30. Die Eigentümer – dieselbe Immobiliengesellschaft, die das besagte Haus in der Einspinnergasse abbrechen konnte – wollen sich offenbar auch hier den Zahn der Zeit zunutze machen. Aufgrund der nahezu vollständigen Durchnässung ist der an den Schlossberg grenzende Querriegel der Hofgebäude nicht mehr zu retten. Wohl aber könnte man die Wohngebäude quer zur Sackstraße revitalisieren. Zudem existiert ein für barocke Zimmermannsarbeit inzwischen einzigartiger Dachstuhl. – Allein, ASVK und Denkmalamt fehlt die Handhabe und der Besitzer wird in den nächsten Jahren wohl die wirtschaftliche Unzumutbarkeit ins Treffen führen. Damit wäre das Grazer Weltkultur-Erbe um ein weiteres unersetzliches Objekt ärmer.

– Wenzel Mracek –

 

  Denkmalschutz aktuell


Güldhöfe: Da waren’s nur noch zwei? Der Mustralhof in der Wienerstraße
Drei Güldhöfe – das sind Herrschaftssitze in der Vorstadt, um die herum Untertanen siedelten – sind in Graz noch vorhanden: Der Weisseneggerhof in der Hans-Resel-Gasse, das Schloss Karlau und der Mustral-Hof in der Wiener Straße. Andere wie der Prankerhof, der Idlhof oder der Leuzenhof sind in den letzten Jahrzehnten bereits der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Nun droht dem Mustralhof das gleiche Schicksal: Er steht auf dem Firmengelände der AVL List, die ihn im Zuge der „durchgehenden Modernisierung des Standortes Hans-List-Platz“ (Unternehmens-Sprecher DI Michael Ksela zu KORSO) abbrechen möchte. Ksela betont aber, dass sich das Unternehmen dem Gutachten des Bundesdenkmalamtes unterwerfen will.

Experten-Kritik an Burggarten-Neugestaltung Burggarten: Dernkmalschutz-Experte äußert Kritik an Neugestaltung
Nach einem Planungswettbewerb im vorigen Jahr soll der Burggarten durch eine Grazer Gartenarchitektin neu gestaltet werden; der Beginn der Arbeiten verzögert sich derzeit noch, weil die Sanierung der Orangerie gleichzeitig in Angriff genommen werden soll. Der Leiter der Abteilung für historische Gartenanlagen des Bundesdenkmalamtes in Wien, Univ.-Doz. Dr. Geza Hajos, äußert nun harsche Kritik am Siegerprojekt: „Bei der Realisierung dieses Entwurfs werden Anlagen aus der Barockzeit vernichtet, die über Jahrhunderte hinweg erhalten blieben. Das Projekt nimmt nicht einmal Rücksicht auf die historische Wege-Führung.“ Hajos hätte lieber das Projekt der beiden Grazer ArchitektInnen Ingrid Grubauer und Maria Hauser verwirklicht gesehen, die in einer Planungsgemeinschaft mit dem bekannten Salzburger Landschaftsarchitekten Albert Ennemoser einen Entwurf eingereicht hatten, „der auf einer intensiven Beschäftigung mit dem historischen und kulturellen Hintergrund des Burggartens beruht.“ Hajos hat seine Bedenken auch dem Büro von LH Waltraud Klasnic mitgeteilt, bis jetzt habe es keine Reaktion gegeben, er hoffe weiterhin auf eine Antwort, „auch wenn das Bundesdenkmalamt keine rechtliche Einflussmöglichkeit hat, was den Burggarten betrifft.“ In Österreich stehen nämlich nur sehr wenige historische Gärten unter Denkmalschutz, in Graz sind dies der Schlossberg und der Stadtpark.

Neuer Vorschlag zur Erhaltung der Messehalle 11: Verwendung als Parkplatz-Überdachung am Messegelände?
Die Messeleitung hat bekanntlich einen Antrag auf Abbruch der vom bekannten Grazer Architekten und ehemaligen TU-Rektor Friedrich Zotter errichteten Messehalle 11 gestellt. Die Halle birgt unter ihrer unansehnlichen Blechverkleidung ein Meisterwerk der Holzbaukunst. Landeskonservator Friedrich Bouvier hatte ursprünglich vorgeschlagen, die Halle abzubauen und an einem anderen Ort wieder zu errichten. Wegen der hohen Kosten für diesen Transfer sind laut Messeleitung ursprünglich interessierte Unternehmen wieder abgesprungen. Nun kommt ein neuer Vorschlag vom Landeskonservator: Die Halle könnte innerhalb des Geländes ohne vorherige Zerlegung nach einem bewährten Verfahren transferiert werden – was deutlich billiger sei – und als Überdachung für den Messe-Parkplatz dienen. Von Seiten der Messeleitung und des Bürgermeisters als Eigentümer-Vertreter gibt man auf eine Anfrage von KORSO hin an, diesen Vorschlag nicht offiziell zu kennen, man werde ihn aber gegebenenfalls prüfen.

Grazer Grüne fordern Stärkung der Altstadtsachverständigenkommission.
Die grüne Klubobfrau Sigrid Binder verlangt, dass die Gutachten der ASVK wie in Salzburg für die Stadt Graz rechtlich bindend sein sollen: „Es kann nicht sein, dass die ASVK als unabhängige und äußerst kompetente Hüterin des Weltkulturerbes mit Unterstützung der politisch Verantwortlichen von der Baulobby regelmäßig untergraben wird“, so Binder. „Wir verlangen von den Verantwortlichen eine Aufwertung dieses Gremiums und eine Verbindlichkeit der dort gefassten Beschlüsse.“

christian.stenner@korso.at

 

 

  Wiener Festwochen, die Letzte: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit


Der gealterte Proust kommt in Guy Cassiers gewaltiger Adaption des gesamten 1200-seitigen Romans von Marcel Proust auf die Bühne, nur um seinen Kopf durch eine weit gespannte Projektionsfläche zu stecken. Während er, dem Publikum den Rücken zuwendend, die Vergangenheit beschwört, wird seine Großaufnahme mittels einer hinter der Leinwand positionierten Kamera auf diese projiziert; gleichzeitig taucht sein jugendliches Alter ego mitsamt Familie oder Gespielinnen auf. Ein Quartett links auf der Bühne wird, Vintieuls kleines Thema evozierend, während dieses ganzen ersten Teiles von Guy Cassiers Proustprojekt für den impressionistischen Soundtrack sorgen.

Altmodische Mikrofonständer, Scheinwerfer auf dem Boden, hintereinander gesetzte, bewegliche Leinwände kennzeichnen die dreiteilige, insgesamt siebeneinhalb Stunden lange Aufführung des flämischen ro-Theaters unter der Leitung Guy Cassiers. Seine Interpretation des vermutlich berühmtesten und am seltensten gelesenen Romans der Moderne wirkt karg, aber diese Kargheit geht mit enormem Aufwand einher. Die Schauspieler positionieren sich vor fixierten Kameras, von denen sie live und gelegentlich in riesigen Fragmenten übertragen werden. Auf diese Weise spielen sie gleichzeitig für Technik und Publikum, sowohl Gegenwärtigkeit als auch Abwesenheit voller Ambivalenz.

Solange die aufwändige Technik eingesetzt wird, um Bausteine und Mechanik des Proustschen Kosmos, das Erzählverfahren zu interpretieren, ist das überzeugend. Prousts vergebliche Anstrengungen, mit denen er schreibend Erinnerung, Gegenwart und Erzählen zu synchronisieren sucht, der qualvolle Reigen vielfach aufgesplitterter Personen und obsessiv wiederholter „unwillkürlicher Erinnerungen“, werden ohne Sentimentalität transparent. Aber gelegentlich gerät diese Mechanik aus Schmeichelei und Schmerz, Eifersucht und fatalem Missverständnis, Liebe und Perversion zum bloß Illustrativen. Der Flirt mit der kindlichen Gilberte etwa mutierte zur Diashow, das Schwulengehabe des Baron Charlus oder die Empfänge bei den Guermantes gerieten gelegentlich etwas deftig. Dazwischen kühne Einfälle, wie die Umsetzung von Visuellem in verdichtende Wortprojektionen. Aber die Projektion solcher magischen Wort-Augenblicke wie „Seine Augen ... Ihre Augen“ kollidieren auch mit den englischen Übertiteln, in denen Prousts flämisch gesprochener Sprachstrom unablässig dahertreibt. Ein Aufeinandertreffen kühner Einfälle und Pragmatik, kühler Analyse und Sentimentalität, das der Arbeit Cassiers einiges von ihrer Bedeutung nimmt.

So entsprach dieses letzte, große Projekt der diesjährigen Wiener Festwochen dem Eindruck insgesamt: hoher Anspruch und erstklassige Qualität, bedroht vom Überangebot.

– Willi Hengstler –

 

 

  Ein Katalog für junge Römer


David (viereinhalb) ist fasziniert: die Bildschirme, über die simultan ein Stock-Car- und ein römisches Wagenrennen flimmern, haben es ihm angetan. Ebenso die überlebensgroßen Köpfe klassischer Philosophen, die wie Pilze aus der grünen Wiese wachsen. Und natürlich erst recht die naturgetreuen Modelle von Katapulten und Steinschleudern, mit deren Originalen sich die alten Römer ein ganzes Imperium Romanum zusammeneroberten. Und das hölzerne römische Kurzschwert, das sein Opa, alle elterlichen Bemühungen pazifistischer Erziehung hintertreibend, für ihn in der römischen Ladenstraße erstanden hat, ersetzt fürderhin den Teddy als Schlummer-Fetisch.

Eine Ausstellung, die schon den Allerkleinsten zu denken gibt

Die Landesausstellung „Die Römer“ bietet nicht etwa „für alle Altersstufen etwas“ – das wäre billig zu erreichen. Sie ist so angelegt, dass alle Stationen für alle Altersstufen (und für alle Grade von Vorwissen, außer vielleicht für absolute Spezialisten) aussagekräftig gestaltet sind. Unterstützend bietet der Museumsverband Südsteiermark zusätzliche Kinderführungen an. Die Kids erhalten zunächst eine einstündige Führung durch die Landesausstellung, dann können im Römerdorf Ledersandalen gebastelt, Wachstafeln gestaltet oder Mosaike gelegt werden – auch ein „Schulbesuch à la romaine“ ist möglich.

Jetzt hat der Museumsverband ein weiteres Hilfsmittel herausgebracht: Der „Juniorkatalog“ „Julius und Flavia – wie die jungen Römer lebten“ vermittelt auf 64 Seiten und einer Spiele-CD-Rom Geschichte mit spannenden Geschichten, Tipps, Rätseln und Bastelanleitungen und ist um 9,90 an den Ausstellungsorten Retzhof und Schloss Seggau sowie im Römerdorf in Wagna erhältlich.

– cs –

Weitere Infos: Museumsverband Südsteiermark | T 03452-86 884 | www.dieroemer.at

 

 

  Der nackte Körper des Sportlers
Die vom Wiener Kunsthistoriker und Anton-Kolig-Spezialisten Otmar Rychlik kuratierte Foto-Ausstellung „Sport – Eros – Kunst“ im KUlturZentrum Kapfenberg integriert ohne falsche Scham auch Geschmäcklerisches und Spekulatives – und zeigt eine Reihe bemerkenswerter Exponate, die das Thema kritisch und auf hohem künstlerischem Niveau reflektieren.


Wer erinnert sich noch an die im Mittelschulunterricht gewonnene und viel bekicherte Erkenntnis, dass „Gymnasion“ jenen Ort bezeichnete, wo man nackt dem Sport huldigte?
Höchst unterschiedliche Blicke auf den nackten SportlerInnen-Körper > Stabhochspringerin Brigitta Pöll (Paul Kolp), Schwimmer Marco Ebenbichler und Clemens Swoboda (Christof Aigner)

In dieser klassischen Tradition will Rychlik aber die Schau nicht verortet wissen. Seine These: Bis zur Moderne habe die bildende Kunst Normen setzend für das Schönheitsideal gewirkt; danach seien es Film und Fernsehen gewesen, die mit Stars wie Marilyn Monroe oder James Dean weibliche und männliche Schönheitsideale vorgegeben hätten. Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts sei es aber zunehmend der nackte Körper des Sportlers / der Sportlerin, dessen ästhetisierende Darstellung normative Kraft entwickle. Auf diese neu gewonnene gesellschaftliche Funktion bezieht sich die Ausstellung, wobei „Eros“ nicht den vordergründig sexualisierten Aspekt, sondern das „ästhetische Wohlgefallen am nackten menschlichen Körper“ (Rychlik) meint. Allerdings gibt der Kurator selbst mit einem Augenzwinkern zu, dass sich die Rezeptionshaltung des Ausstellungsbesuchers – und im gegenständlichen Fall im Besonderen: der Ausstellungsbesucherin, weil sich wesentlich mehr Sportler als Sportlerinnen nackt vor die Linse wagten – nicht unbedingt mit dieser Absicht der Ausstellungsmacher decken müsse.

Zwischen Affirmation und Reflexion
Nahezu alle Exponate sind Auftragsarbeiten, die von 30 FotografInnen – darunter klingende Namen wie Christof Aigner und Friedl Kubelka – exklusiv für die Schau angefertigt wurden; 70 zum großen Teil bekannte österreichische SportlerInnen haben posiert. Die Ergebnisse decken die gesamte Palette zwischen affirmativen, pin-up-ähnlichen Akten über nahezu dokumentarische, bei der Sport-Ausübung selbst entstandene Bilder bis hin zu kritisch-reflexiven Montagen ab; die 160 Exponate umfassende Ausstellung wurde, so Rychlik, bewusst so konzipiert, dass sie einem breiteren Publikum zugänglich ist, ohne dass dabei auf Qualitätsansprüche verzichtet wurde.

Für den Kapfenberger Bürgermeister Manfred Wegscheider stellt „Sport – Eros – Kunst“ auch einen Versuch dar, in der „Sportstadt“ Kapfenberg Berührungsängste zwischen Sport und Kultur abzubauen.

christian.stenner@korso.at

2. Juli bis 3. Oktober, KUlturZentrum Kapfenberg, Mürzgasse 3, 8605 Kapfenberg | T 03862-22501 DW 1201
Öffnungszeiten: täglich 10.00 bis 18.00 Uhr

 

 

  Neuorganisation der Vereinigten Bühnen


Auf Einladung des Wagner Forums Graz fand im bis auf den letzten Platz gefüllten Publikumsstudio des ORF Steiermark eine Podiumsdiskussion über die ab September 2004 neu organisierten wirtschaftlichen Strukturen der Vereinigten Bühnen Graz statt. Unter Diskussionsleitung von Peter Wolf präsentierte eine prominent besetzte Runde aus Kulturschaffenden und Politikern die Umwandlung der Vereinigten Bühnen Graz von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in eine Theaterholding GmbH mit vier GmbH-Töchtern. Gleichzeitig stellten sich die Diskutanten den Fragen des Publikums und brachten auch die jeweiligen subjektiven Standpunkte und Erwartungshaltungen zum Ausdruck.

Theaterholding im ORF-Landesstudio, nicht in der Gralsburg

Vier Gesellschaften unter einem Dach
Kernpunkt der Reform ist die Schaffung von vier voneinander unabhängigen GmbHs unter dem Dach der neu geschaffenen Theaterholding GmbH (GF Peter Nebel). Somit wird es zukünftig die Opern GmbH (GF Jörg Koßdorf), die Schauspiel GmbH (GF Matthias Fontheim), die Jugendtheater GmbH (GF Michael Schilhan) und die Service GmbH (GF Michael Tomec) geben. Geschäftsführer werden also die Intendanten sein, das Next Liberty wird von Oper und Schauspiel unabhängig agieren können (zur Zufriedenheit von Michael Schilhan, der die neuen Bedingungen „akzeptabel, aber auch nicht mehr“ nannte). In der Service GmbH werden Bühnenwerkstatt und Kostüm ihre neue Heimat finden. Der Aufsichtsrat wird in allen GmbHs, inklusive Holding GmbH, mit den gleichen Personen besetzt. Das Land Steiermark wird vertreten durch Klasnic-Bürochef Richard Mayr, LR Wolfgang Erlitz und Alfred Wopmann, die Stadt Graz von StR Christian Buchmann, StR Wolfgang Riedler und Hermann Pucher. Zusätzlich wird in den Aufsichtsräten der vier Töchter-GmbHs Peter Nebel als Vertreter der Holding sitzen. Vorsitzender wird Alfred Wopmann, ehemaliger Intendant der Bregenzer Festspiele, sein, der sich nicht als „Vertreter der Frau Landeshauptmann, sondern als Vertreter der Kunst“ sieht. Die Aufsichtsräte sollen Ihre Funktion unentgeltlich ausfüllen.

Vollziehen, was Vorgänger beschlossen haben
Die Vorteile der neuen Rechtsform konnte kein Vertreter der Politik überzeugend darlegen, wobei zwischenzeitlich immer wieder zum Ausdruck kam, dass man vollziehe, was Vorgänger beschlossen hätten. Gleichzeitig blieb man die Antwort schuldig, warum man sich nicht von diesen Vorgaben löse. Hingewiesen wurde darauf, dass der Spielbetrieb für die nächsten fünf Jahre gesichert sei, was im Vergleich zu anderen Städten nicht selbstverständlich ist. Dies insbesondere auch im Hinblick auf die zukünftige, wenn auch gestaffelte, Aufhebung der Befreiung zur Zahlungspflicht der Kommunalsteuer. Fontheim und Koßdorff wiesen daraufhin, dass die Betriebe ohnehin schlank geführt seien und sie sich nicht dauernd bei (wechselnden) Politikern für Zuwendungen bedanken wollten, was sie auch explizit nicht taten. Die Qualität solle nicht beschnitten werden. Einig waren sich alle Diskutanten, dass man frühestens in zwei Jahren sagen können wird, ob der Schritt in diese neue Rechtsform ein Vorteil oder doch eher nicht zweckmäßig war und nur höhere Verwaltungskosten bleiben werden.

– Philipp Jöllinger –

 

 

  La Strada 04: Tango! im Stadtpark, Schmerzens-geschöpfe im Augarten Neben der klassischen Tradition des Theaters an eigens errichteten Spielstätten wirkt auch heute noch die anarchische, volksnahe Kunst der Gaukler, Possenreißer und Puppenspieler fort, die auf der Straße, auf öffentlichen Plätzen oder im Gasthaus ihre Künste zum besten gaben. Das Festival La Strada – nun zum siebenten Mal in Graz – zeigt zwischen 30. Juli und 6. August auf den Straßen und Innenhöfen der Stadt die hochwertigsten Produktionen, die von dieser Tradition zu Beginn des 21. Jahrhunderts hervorgebracht werden.


Nun wirkt La Strada selbst traditionsbildend:

Gemeinsam mit Kultur-institutionen und renommierten Veranstaltern in Frankreich, Belgien, Spanien und Großbritannien wurde das von der EU unterstützte Netzwerk „In-Situ“ zur Förderung innovativer Straßenkunst im städtischen Raum gegründet. Schon bei La Strada 2003 wurde mit „La Ballade“ eine internationale Koproduktion zwischen dem Studio Percussion Graz und der französischen Straßentheatergruppe Les Piétons aufgeführt; heuer bringt die schottische Gruppe Mischief La-Bas unter Beteiligung der Künstlergruppe G.R.A.M. die Produktion „Painful Creatures“ nach Graz.

Mischief La-bas aus Schottland bringen Painful Creatures nach Graz

Einstündiges Pandämonium
Auf einem magischen, unheimlichen „Rummelplatz der Kunst“, dem „UnFairGround“ im Grazer Augarten, erwachen am 31. Juli und am 1. August ab 21.00 für eine Stunde die Legenden „schmerzvoller Kreaturen“ zum Leben. Ein Pandämonium an Performances und Installationen, Tableaux vivants und Skulpturen, präsentiert von Mischief La-Bas und Grazer KünstlerInnen und SchauspielerInnen, verspricht eine Achterbahn der Sensationen zwischen den Gipfeln der Heiterkeit und den Abgründen des Schauders. Wer sich dieser ausliefern will, tut gut daran, sich bald bei Graz Tourismus eine kostenlose Zählkarte zu besorgen (0316) 8075-12: Maximal 1500 ZuschauerInnen werden dabei sein können, wenn das Mysterienspiel von den Painful Creatures in einer gewaltigen, bis zum Himmel reichenden Feuersäule ausklingt.

Tango zum Start
Schon am 30. Juli ab 19.00 Uhr wird die Passamts-wiese zum La-Strada-Auftakt fünf Stunden lang zur Bühne lateinamerikanischer Leidenschaft: Der Tanz der argentinischen Hafenspelunken wird dort von drei Ensembles, von ProfitänzerInnen und SchauspielerInnen zelebriert. Mala Junta und Tanguango unter der Leitung des Grazer Kunstuni-Professors Klaus Johns und das serbisch/montenegrinische Ladaaba-Orchester vermögen nicht nur eingefleischte Tango-Aficionados zu begeistern: Wer sich berufen fühlt, darf an diesem Abend selbst schleifenden Schleppschritts die Bühne betanzen.

La Strada in der Oper
Die weiteren Highlights des heurigen La-Strada-Festivals: Zwei Produktionen – „Teatro Delusio“ – der Familie Flöz (D) und „Molière“ des Stuffed Puppet Theatre (NL) verlassen die Straße und wechseln symbolhaft in einen Tempel der Hochkultur – in die Grazer Oper. In Koproduktion mit „dramagraz“ wird die Uraufführung von Ernst M. Binders „Gipsy‘s Lullaby“ im Hof des Landesmuseums Joanneum gezeigt. Auch das Integrationstheater hat sich die Straße als neuen Aufführungsort auserkoren: Das Mezzanintheater Graz bringt sein Erfolgsstück „Warten auf Karli“. Gyula Molnar aus Italien spielt im Theater am Ortweinplatz seinen Gagarin mit nur einem Sessel, einem Radio und einer Bananenschale als Requisiten. Les Sages Fous – die verrückten Weisen – aus Kanada verfolgen als gigantische Vögel ein wanderndes Ei durch die Stadt. Die Stalker Theatre Company erschließt Dimensionen einer theatralischen Gattung, die nur höchst unzureichend als „Stelzentheater“ bezeichnet werden kann. Im Recyclomic der Chapertons (Spanien) geben Mensch und Mülltonne ein Duett. Und natürlich gibt’s auch Kindertheater. Leandro kommt wieder – diesmal mit der dreiköpfigen Beat-Band Desbandada.

Kurz: La Strada 2004 wird an die bisherigen Höhepunkte anknüpfen und man darf sich schon fast sicher sein, dass es sie wieder übertreffen wird.

– cs –

Das gesamte Programm findet sich unter www.lastrada.at

 

 

  Resurrektionen zum 100. Bloomsday in Graz


Paddy Dignam wurde in St. Leonhard beinahe zu Grabe getragen, glücklicherweise aber doch durch einen ordentlichen Schluck Whisky ins Leben zurückgerufen. Anders als James Joyce in seinem Ulysses, der den armen Paddy der Dubliner Erde übergibt, durfte er in Graz werkübergreifend als Tim Finnegan auferstehen – Finnegan´s wake. Vor 100 Jahren, am 16. Juni 1904, schickte Joyce seinen Versicherungsmakler Leopold Bloom auf eine Odyssee durch Geschichten und Kneipen von Dublin, Anlass genug für spätere Joycianer weltweit, sich Umzügen und -trünken eingedenk des allseits bekannten, wenngleich nur spärlich gelesenen, geschweige denn von seinen Übersetzern so ganz verstandenen literarischen Meisterwerks hinzugeben.

Hans Fraeulin erweckt Paddy Dignam als Finnegan

Zeremonienmeister Hans Fraeulin rief neben Finnegan auch seine seit zehn Jahren ruhende Pick up Theatre Company ins Leben zurück: Peter Uray las über vier Stunden lang Szenen aus dem Ulysses, die Smart Metal Hornets machten Musik und Irene S., Eva Malischnik und Tessa Gasser gaben als Dreifache den Schlussmonolog der Molly Bloom. Der Szenen überleitende Hans Fraeulin aber monologisierte in Hochform eine Verquickung von Dubliner Verhältnissen von vor hundert Jahren mit verschlungenen kulturpolitischen Belangen im Graz der Gegenwart, versteigerte bildreich altes Geschirr und präsentierte – wie der große Zampano selbst – die stärkste Frau der Welt. Die Darbietungen wurden kurz unterbrochen von einer wirklichen Bezirksratssitzung, in der dem Antrag Fraeulins, den Vorplatz des LKH-Eingangszentrums James-Joyce-Platz zu nennen, erwartungsgemäß nicht stattgegeben wurde.

– Wenzel Mracek –

 

 

  Planetengarten Schloss Eggenberg: Ein Ort der Kontemplation


Landesmuseum-Joanneum-Chef Peter Pakesch hatte trotz strömenden Regens allen Grund zur Freude: Die Eröffnung des Planetengartens beim Schloss Eggenberg am 1. Juli war ein wichtiger Schritt zur Aufwertung jenes Museum-Teiles, der in Hinkunft nicht nur das Lapidarium und die vorgeschichtliche Sammlung, sondern auch die Alte Galerie beherbergen soll. Weitere Schritte werden folgen: Geplant ist die Neugestaltung des „Herrschaftsgartels“ hinter dem Schloss und die Restaurierung des biedermeierlichen Rosenhügels nördlich des Schlosses. Damit wird Pakesch wohl auch jenen wieder ein wenig Wind aus den Segeln nehmen, die sich gegen die geplante Verlegung der Alten Galerie nach Eggenberg zur Wehr setzen: Mehr Attraktionen an einem Platz verheißen auch mehr BesucherInnen.

Venus-Rosengarten mit Venus-Statue > Foto: Landesmuseum Joanneum / Niki Lackner

Gleichwohl ist der Planetengarten – gestaltet nach Plänen der Grazer Architektin Helga Maria Tornquist – schon für sich genommen ein Anziehungspunkt: Er führt die Planeten-Ikonografie des Schlosses weiter und ordnet den sieben klassischen Planetenzeichen (Merkur bis Saturn, Sonne und Mond firmieren hier ebenfalls als Planeten) die passende Bepflanzung zu. Hier ist ein Ort der Kontemplation entstanden, dessen Besuch als Kontrastprogramm zu Stress und Arbeitshetze geradezu therapeutische Wirkung haben kann.

– cs –

Info: T 8017-9532 | Eintritt (im Schlosspark-Eintritt inbegriffen): 1,- Euro
Öffnungszeiten: März bis November | Sommerzeit: 09.00 bis 19.00 | Winterzeit: 09.00 bis 17.00 Uhr

 

 

Touristischer Mehrwert von Michael Petrowitsch: Sprecher der IG Kultur Steiermark
Der Autor dieser Zeilen hatte unlängst das Vergnügen, sich mit einem Tourismusmarketingexperten unterhalten zu dürfen. Seine festgefahrene Meinung war folgende: dem Kulturbetrieb in der Steiermark geht es zu gut, Einsparungen sind von Nöten, um in einer Art kathartischem Akt einen schlanken fitten Apparat zu formieren, der auf die speziellen Bedürfnisse des Marktes, den er mit Publikumsbedürfnissen gleichsetzte, reagieren möge. Das weiß er aus der Wirtschaft, da geht das auch so.


Vom Gutgehen und vom Einsparen soll im Folgenden die Rede sein
Denn wohl recht unwirtschaftlich dürfte man gedacht haben, als man den ohnehin schon luxuriösest dotierten Grazer Jazzsommer mirnixdirnix mit weiteren 150.000 Euro an Subventionen ausstattete. Das macht für diese Veranstaltung 600.000 Euro insgesamt, so zumindest die kolportierten Zahlen, diverse „Umwegrentabilitäten“ gar nicht mit eingerechnet. Diese Kunde brachte die freie Szene in Rage. Selbst das Argument, dass die heimische Jazzszene auch etwas davon habe, indem man heimische Musikanten am zusätzlichen Spieltag, dem Mittwoch, wo im Übrigen im Generalihof unter der Ägide der Initiative gamsbart im Sommer bereits seit Jahren auch gejazzt wird, eine Auftrittsmöglichkeit geboten wird, griff nicht mehr.

In der Grazer Post03-Stimmung, in der allenthalben von Kürzungen, Einsparungen und Gürtelengerschnallen die Rede ist, sind Entscheidungen dieser Art nicht nachvollziehbar. Welche Beweggründe mögen dahinter gestanden haben, einen Gratisevent mit Tourneestars, die ihr Routineprogramm ’runterklopfen und dies mit teils unnotwendiger Zuneigung zum Mainstream, mit einem Zusatzetat auszustatten? Anzuraten wäre eine Offenlegung der Kriterien und der Gründe dieser speziellen Förderung, um dem wohl untergriffigen und haltlosen Vorwurf, es handle sich um einen Bückling vor einer großen Zeitung und deren an öffentlichen Plätzen Alkohol konsumierenden Lesern entschieden gegenzutreten. Der traditionsreiche und seit über 150 Jahren bestehende „1. Grazer Zitherverein“ wird dieser Prozedur ja auch unterzogen, um zu seinen 400 Euro Jahresförderung zu kommen. Tatsache ist auf alle Fälle, dass etwa das Jazzkartell, ein Zweckverband von stockwerkjazz, gamsbart, royalgarden jazzclub, WIST u.a.m. damit täglich jahrelang ein heterogenes Programm bieten könnte, das dem vorhandenen provinziellen Volksbelustigungscharakter eine internationale Note aufdrücken könnte. Der Verein Stockwerkjazz mit rund 50 Konzerten im Jahr bringt es im Übrigen auf satte 3.700 Euro Jahresförderung von Landesseite.

Im Salzburger Land indes,
wo das Kulturbudget in Prozenten des Landesbudgets fast doppelt so hoch ist wie in der Steiermark, geht das renommierte Jazzfestival in Saalfelden in das 27. Jahr, das Gesamtvolumen liegt bei 750.000 Euro, wovon bloß 30% aus öffentlichen Mitteln bestritten werden. Der Rest finanziert sich aus Ticketerlösen, Profitcenter und privaten Sponsoren. Und der inhaltliche und ergo wirtschaftstouristische Hauptunterschied zu Graz? In Saalfelden finden qualitativ hochwertigste Weltpremieren statt, das Publikum kommt aus allen Teilen der westlichen und traditionellerweise der östlichen Welt. Es bleibt UND: zahlt. Engagierte kulturelle Aktivität fördert Tourismus. Was spräche dagegen in Graz ebenso zu verfahren und bei dieser Überförderung das Programm zumindest ähnlich anspruchsvoll zu gestalten, um eine Spur Internationalität zu forcieren und Gäste zum Kommen und Bleiben zu animieren?

Allerdings stehen die Dinge hier anders. Eben ist das europaweit führende Musikfestival springfour zu Ende gegangen, das bei Auftritten von 150 internationalen KünstlerInnen die vorhandene Grazer Jugendkulturszene mit einbindet. Organisiert über den Verein Zeiger liegt die Eigenerwirtschaftung durch Eintritte und Sponsoren bei 70%, ehrenamtliche Tätigkeit und Honorarbasis sind wie bei allen engagierten Projekten Selbstverständlichkeit, es gibt keine Angestellten, die Posten Konzeption und Organisation sind mit 0 Euro dotiert, von den zugesagten 9.000,- Euro von Landesseite sind bislang 1.500,- Euro eingelangt. Von der Stadt Graz und vom Tourismus gibt es bis dato nicht mal eine Antwort. Das schlechte und rechte Überleben dieses internationalen Vorzeigeacts sichern an die 10.000 zahlende vorwiegend jugendliche Besucher, denen ein Eintrittspreis abverlangt werden muss, um mit plus minus Null auszusteigen, während mit dem oben erwähnten außerhalb von Graz weitgehend unbekannten, Gratisevent ein Publikum bedient wird, das durchaus eine Karte lösen könnte. Kultur als versteckte Gastronomieförderung und falsch verstandener Tourismusimpuls: Ein fatales Zeichen für Konsumenten und ein Schlag ins Gesicht jener, die seit Jahrzehnten die Steiermark unter Verwendung geringster Mittel mit qualitativ Hochwertigem bedienen.

– Michael Petrowitsch –

Der hier veröffentlichte Gastkommentar ist die aktualisierte Version eines Beitrages, der in der Kleinen Zeitung gekürzt veröffentlicht wurde.

 

 

  Österreichisches Freilichtmuseum: Ein Spaziergang durch die Vergangenheit – mit allen Sinnen Generationswechsel in einem der wichtigsten Freilichtmuseen Europas: Mit Anfang Juni hat Mag. Egbert Pöttler im Österreichischen Freilichtmuseum Stübing die Leitung von seinem Vater, dem Grazer Volkskundler und Gründer von Stübing Viktor Herbert Pöttler, übernommen.


Volkskundliche Museen stehen heute in einem äußerst schwierigen Spannungsfeld: Die einen sehen sie, fälschlicherweise von der puren Phänomenologie des Dargebotenen auf ideologische Vermittlungsabsicht schließend, als Hüter überkommener Lebensweisen, für eine event-orientierte Kulturpolitik verlieren sie zunehmend an Interesse – und die Beschäftigung mit der Geschichte der lokalen Alltagskultur als Teil des historischen Prozesses wird heute erst wieder langsam attraktiv.

Ein Spaziergang mit allen Sinnen durch die bäuerliche Kulturgeschichte unseres Landes.

Geschichte/n des bäuerlichen Lebens
Für alle, die sich abseits dieser Vorurteile bewegen – und auch für jene, die einfach einen alle Sinne ansprechenden Spaziergang durch die Vergangenheit tun wollen – bietet das Österreichische Freilichtmuseum in Stübing allerdings das ideale Ambiente. „Die rund hundert historischen Gebäude, die wir hierher transferiert haben, gewähren einen Überblick über das bäuerliche Leben von Vorarlberg bis ins Burgenland und vom 15. bis ins 20. Jahrhundert“, erläutert Egbert Pöttler. „Wir können damit erklären, warum ein Haus in der pannonischen Ebene anders aussieht als im Donaubecken; die soziokulturellen Unterschiede zwischen Leibeigenschaft und freiem Bauerntum spiegeln sich ebenso in den Bauformen wider wie die unterschiedlichen topografischen und klimatischen Bedingungen.“

Wissenschaftlichkeit, Anschaulichkeit, Erlebnis
Bei einem Experten-Ranking wurde das Österreichische Freilichtmuseum unter die 10 wichtigsten Institutionen dieser Art in Europa gereiht. Der wissenschaftliche Anspruch geht eine gelungene Symbiose mit Anschaulichkeit und Erlebnis-Angeboten ein. Pöttler: „Wir möchten den Menschen die Möglichkeit bieten, die Ursprünge ihrer eigenen Kultur kennen zu lernen – das heißt natürlich keineswegs, dass diese Zeit idealisiert und damit rückwärtsgewandte Nachahmung angeregt werden soll.“

Egbert Pöttler > Leiter des Österreichischen Freilichtmuseums: „Wir tun eine Arbeit, die ausschließlich im öffentlichen Interesse steht.“

Die „primäre“ Ebene der Vermittlung bildet die unmittelbare Wahrnehmung des Dargebotenen: In der Alphütte aus dem Bregenzerwald riecht es noch immer nach dem dort produzierten Käse; die rauen Oberflächen verwitterter Holzbalken tragen noch die Spuren ihrer Bearbeitung, die Vielzahl der Gerätschaften in den Bauernhäusern und Ställen lädt zu einer visuellen Entdeckungsreise in eine vorindustrielle Welt ein. Pöttler: „Die Darstellung ist zu 100% authentisch, der Besucher soll sich in die bäuerliche Welt der Vergangenheit hineinversetzen können.“ Hintergrund-Informationen werden auf Tafeln geliefert, alles, was im Museum selbst nicht darstellbar ist, wie Essen, Feldarbeit oder Unterhaltung, wird personal, schriftlich oder in Sonderausstellungen vermittelt. Der „Erlebnistag“, der Höhepunkt des bunten Veranstaltungsjahres, der schon seit 16 Jahren am letzten Sonntag im September veranstaltet wird, zieht jährlich an die 7000 BesucherInnen an und bietet Vorführungen 50 verschiedener Handwerkskünste, ein Kinderprogramm, Kulinarisches und aktives Brauchtum zum Mitmachen.

Hohe Erhaltungskosten, knappes Budget
Das Österreichische Freilichtmuseum finanziert sich rund zur Hälfte aus Eigenmitteln – ein für eine Institution dieser Art einzigartig hoher Selbstfinanzierungsgrad. Pöttler ist fest entschlossen, die Zahl der BesucherInnen durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit weiter zu steigern. Aber: „100 Gebäude im Originalzustand zu erhalten kostet enorme Summen, und im internationalen Vergleich liegen wir, was Personal und Budget betrifft, weit abgeschlagen. Ich hoffe, dass die politischen EntscheidungsträgerInnen in Land und Bund erkennen, dass wir als gemeinnützige Stiftung eine Arbeit tun, die ausschließlich im öffentlichen Interesse steht und wertvolles Kulturgut und Wissen erhält. Ohne eine Anpassung der Förderungen wird das Freilichtmuseum jedenfalls seine Tätigkeit bald nicht mehr im bisherigen Umfang weiterführen können, wenngleich zahlreiche Neuerungen für den Besucher angeboten werden sollen.“

christian.stenner@korso.at

Veranstaltungen im Freilichtmuseum
8. August 2004 > Mit G’sang und Klang
Ein musikalischer Nachmittag in einzigartiger Atmosphäre verbindet die bäuerliche Kulturgeschichte unseres Landes mit einem harmonischen Genuss echter stimmungsvoller Volksmusik. Bei einem Musikantenstammtisch des Steirischen Volksliedwerkes sind alle Musikanten bei freiem Eintritt eingeladen aktiv zu werden.

Begleitete Museumsrundgänge für Individualbesucher:
13., 21., 27., 28. Juli, 10 Uhr 3., 12., 20. August, 10 Uhr (ab einer Teilnehmerzahl von 10 Personen)
Das Österreichische Freilichtmuseum in Stübing ist von 1. 4. bis 31.10. täglich außer Montag geöffnet.
Öffnungszeiten: Juni, Juli, August 09.00 – 18.30 (Einlass bis 17.00) | April, Mai, September, Oktober 09.00 bis 17.00 (Einlass bis 16.00)
Eintritt: Erwachsene 7,- | StudentInnen 4,50 | Kinder über 6 Jahre: 3,50 | Jahreskarte: 25,-
T 03124-53700 | www.freilichtmuseum.at

 

 

  Eisenerz: Jugendliche schaffen Mahnmal für die Opfer des Todesmarsches


In den letzten Kriegsmonaten ließ das Nazi-Regime Tausende ungarische Juden nach Mauthausen deportieren, um sie als Geiseln für Verhandlungen mit den Alliierten zur Verfügung zu haben. Auf dem so genannten „Todesmarsch“ wurden die Häftlinge vor allem von Volkssturmeinheiten eskortiert – dem letzten Aufgebot der faschistischen Macht. Am 8. April 1945 verübten Mitglieder des Eisenerzer Volkssturmes am Präbichl einen Massenmord an rund 200 ungarischen Juden; in ca. 200 weiteren österreichischen Gemeinden wurden ebenfalls ungarische Juden ermordet. In Eisenerz erinnerte bis jetzt nur der abseits der Stadt gelegene Judenfriedhof an das Verbrechen.

Die ZeitzeugInnen des Todesmarsches Juditha Hruza und Bela Budai vor dem Denkmal am Präbichl >

Erinnern, nicht aufrechnen
Im Sommer 2000 kontaktierten der Eisenerzer Chronist und ehemalige Gemeindepolitiker Walter Dall-Asen und der Tiroler Journalist Bert Breit die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus mit der Bitte, ein Gedenkprojekt zu initiieren. Die ARGE wandte sich an den damaligen Eisenerzer Bürgermeister Hermann Auernigg. ARGE-Obmann Mag. Christian Ehetreiber: „Der Bürgermeister zeigte sich von Beginn an sehr aufgeschlossen für das Gedenkprojekt und erreichte bereits am 18. Oktober einen einstimmigen Beschluss im Eisenerzer Gemeinderat für die Errichtung einer Gedenkstätte.“ Zur Vorbereitung des Gedenkprojektes, das unter dem Motto „Erinnern, nicht aufrechnen“ stand, wurde ein interfraktionelles Personenkomitee eingerichtet, unterstützt wurde das Vorhaben von der Stadtgemeinde Eisenerz und der Israelitischen Kultusgemeinde Graz. Die Durchführung übernahmen die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus und der Verein Clio.

Ein Ausgangspunkt für zeitgeschichtliche Spurensuchen
Das Thema wurde an die Eisenerzer Schulen getragen, die Jugendlichen beschäftigten sich im Zeitgeschichte-unterricht damit, viele von ihnen auch in der Freizeit. Insgesamt 14 Modelle für eine Gedenkstätte wurden entworfen. Zur Umsetzung gelangte schließlich das Projekt der Hauptschule I Eisenerz; Partner beim Bau war das Eisenerzer Metallbau-Unternehmen BTE, das Grundstück wurde von der VOEST Alpine zur Verfügung gestellt. Der nunmehrige Bürgermeister Mag. Gerhard Freiinger und Vizebürgermeister Gerhard Niederhofer wiesen bei der Denkmal-Enthüllung darauf hin, dass sich die Stadt Eisenerz aufgrund ihres Willens zur Aufarbeitung der Vergangenheit, aber auch aufgrund ihrer Infrastruktur – so verfügt die Gemeinde am Erzberg über ein gut eingerichtetes Jugendgästehaus – als idealer Ausgangspunkt für zeitgeschichtliche Spurensuchen für Schulen und Jugendgruppen anbietet.

Die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen
Die Enthüllung der Gedenkstätte erfolgte am 17. Juni durch Eisenerzer Jugendliche sowie durch ZeitzeugInnen des Todesmarsches, allen voran Juditha Hruza, die beim Todesmarsch 1945 im Kugelhagel um ihr Leben lief, und ihre heutige Freundin Maria Maunz, die mit ihrer Mutter in Landl zivilcouragiert Hilfe für die Geschundenen des Todesmarsches leistete und dafür von der israelischen Regierung in Yad Vashem ausgezeichnet wurde. Seitens des Landes Steiermark eröffneten LR Dr. Kurt Flecker sowie LAbg. Friedrich Kreisl.

„Mit der Errichtung des Denkmals ist die Erinnerungs-Arbeit noch nicht abgeschlossen“, betont Ehetreiber. Geplant sind u.a. noch eine wissenschaftliche Publikation unter dem Arbeitstitel „Spurensuche Todesmarsch Eisenstraße“ und zwei Video-Dokumentationen.

– cs –

 

 

Gesteigerte Besucherzahlen in Schauspielhaus und Oper


Schauspielhaus-Direktor Matthias Fontheim schließt die Saison 2003/2004 mit einer Steigerung der absoluten Besucherzahlen und einer hervorragenden finanziellen Bilanz ab: Insgesamt besuchten 3820 Besucher mehr als im Vorjahr das Schauspielhaus Graz (diese Saison: 89.992 Zuschauer, Vorjahr: 86.172). Die Gesamteinnahmen stiegen um rund 45.000 EUR auf 1.083.000 Euro. Die Gesamt-Jahresauslastung von Mitte September bis Ende Juni liegt bei 84%, womit das Schauspielhaus auch in dieser Saison an die Ausnahmespielzeit 2002/03 anschließen (88%) kann.

Die publikumsstärksten Neu-Inszenierungen waren „Der reizende Reigen nach dem Reigen des reizenden Herrn Arthur Schnitzler“ mit einer 100%-igen Auslastung, „Klassen Feind“ mit 97,5% und „Fischwochen“ mit 92,6% (Probebühne) sowie „Cash - Und ewig rauschen die Gelder“ mit 87,5%, „Stella“ mit 83% und „Der böse Geist Lumpazivagabundus“ mit 81,2% (großes Haus).

Künstlerisch war die letzte Saison ebenso erfolgreich: vier Nestroy-Nomierungen gab es für das Schauspielhaus Graz. Schauspieldirektor Matthias Fontheim („Beste Regie“) für seine Inszenierung von Schnitzlers „Das weite Land“, Monique Schwitter („Beste Schauspielerin“) für Marie in „Woyzeck“ und Janis Joplin in „Janis Joplin“ sowie Franz Lehr („Beste Ausstattung“) für „innerhalb des gefrierpunktes“.

Ähnlich erfreuliche Bilanz zieht Opernintendant Jörg Kossdorff: In der zweiten Saisonhälfte 2003/04 besuchten insgesamt 158.108 Zuschauer die Vorstellungen und somit um 17.505 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Gesamteinnahmen stiegen dadurch von 2.945.212 EUR auf 3.201.570 EUR. Die Gesamtauslastung liegt bei 69%. Besonders beliebt beim Grazer Publikum war „Die Zauberflöte“ (91% Auslastung), gefolgt von „Otello“ (77%), dem Kindermusical „Oliver Twist“ (77%), dem Musical „Sweeney Todd“ (70%) und dem Ballett „Der Feuervogel / Le sacre du Printemps“ (71%).

 

 

  19. Juli: „Metropolis“ im Landhaushof – Fritz Langs Filmklassiker in restaurierter Fassung Wann kamen die Roboter auf die Welt? – Nein, viel früher: Im mythologischen Kreta bewachte der Bronzeriese Talos, ein Geschöpf des Hephaistos, die Strände und erdrückte Eindringlinge an seiner rot glühenden Brust. Der Schmiedegott Hephaistos war es auch, der im Auftrag seiner Kollegen Pandora und die Büchse fertigte, die Rache der Götter am Menschengeschlecht, das sich von Prometheus ein bisschen Gehirn hatte implantieren lassen.


Namensgeber Capek
Konkreter, wenngleich immer noch stark theorielastig, sind die Konstruktionszeichnungen für einen künstlichen Sklaven des arabischen Gartenarchitekten Al-Jazaris in seinem Buch über mechanische Erfindungen aus dem Jahr 1206. Albertus Magnus und Roger Bacon bevorzugten die Gesellschaft mechanischer, menschenartiger Wesen. Die Perfektion im Bau von Uhrwerken und eine wissenschaftliche Tendenz der Aufklärung, sich selbst ein Bild des Menschen und der Wirklichkeit zu machen, äußerte sich im 17. und 18. Jahrhundert auch durch zuletzt mittels Lochkarten gesteuerter Androiden, was die Entwicklung des ebenso gesteuerten Webstuhles von Jacquard zur Folge hatte, ein Meilenstein der Industrialisierung. Schriftsteller wie Auguste Villiers de l’Isle-Adam bastelten währenddessen unverdrossen an fiktiven Wesen wie „Die Eva der Zukunft“ (1886), einer künstlichen Frau, wie Mann sie sich nur wünschen konnte, bis endlich der tschechische Autor Karel Capek dem Kind einen Namen gab. In seinem 1921 in Prag uraufgeführten Drama „RUR – Rossum’s Universal Robots“ nannte er seine mechanischen Fabrikarbeiter Roboter, nach dem alttschechischen Wort für Fronarbeit.

Robotische Intrigantin Maria in Fritz Langs Metropolis

Die Intrige der Roboterin
Szenenwechsel: Der Zukunftsstaat ist eine Klassengesellschaft: Während die Arbeiter in der Unterstadt wie Sklaven hausen und zehn Stunden am Tag von der Maschine tyrannisiert werden, leben die Menschen der Oberstadt in einer Welt des Luxus und des Überflusses. Herr über Menschen und Maschinen, das Hirn von Metropolis ist Fredersen. Seine Gegenspielerin ist Maria, ein Mädchen mit charismatischer Ausstrahlung, die von den Arbeitern angebetet wird. Sie predigt Liebe und Versöhnung, Bruderschaft zwischen allen Menschen und warnt vor einem gewalttätigen Aufruhr, der nur sinnlose Zerstörung und Schuld bringen würde. Mitgefühl für die geknechteten Arbeiter und Liebe zu Maria treibt Freder, Sohn des Herrschers von Metropolis, in die Katakomben der Unterstadt. Fredersen, durch einen Spion über die Wege seines Sohns informiert, sucht den Erfinder Rotwang auf, einen skrupellosen Wissenschaftler und zugleich Meister der schwarzen Magie. Rotwang erschafft einen künstlichen Menschen, eine Roboterfrau nach der Gestalt Marias, die die Masse aufwiegelt. Die Maschinenstürmer bringen unbedacht das Leben ihrer Kinder in Gefahr, der Zusammenbruch der Schleusensysteme bedroht die Unterstadt mit einer Überflutung, doch Freder und Maria können in letzter Minute die Katastrophe verhindern. Die Massenhysterie schlägt um, und der Volkszorn richtet sich nun gegen die falsche Maria, die von der Menge gejagt und auf dem Scheiterhaufen als Hexe verbrannt wird.

Technik-Angst und Technik-Lust
Fritz Langs Stummfilm Metropolis von 1927, entstanden nach dem Roman seiner Frau Thea von Harbou, stellt ein Konglomerat dar, dessen Motive dem Expressionismus, der Neuen Sachlichkeit und der Trivialliteratur entlehnt sind. Dem recht schlichten Plot um Liebe, Habgier und Intrigen steht eine formal detailreiche Inszenierung gegenüber, der die Faszination von Taylorismus, der Arbeits- und Produktionsökonomisierung, anhaftet und der mit dem vergeltenden Pandora-Motiv geahndet wird. Was zur gleichen Zeit in „Maschinist Hopkins“, der unter dem späten Eindruck des Futurismus entstandenen Maschinenoper des Österreichers Max Brand, und später in Aldous Huxleys Schöne neue Welt nahezu prophetisch an die menschenverachtende Maschinerie des Dritten Reichs gemahnte, schließlich von Charles Chaplin in „Modern Times“ (1933-1936) ironisch kurz zitiert wird, lebt in Metropolis von Angst vor und Lust an der Herrschaft über die Technik, die hier ursächlich eine Klassengesellschaft erzeugt. Fritz Langs Film entstand in einem industrialisierten Umfeld, das den Menschen als Teil der Produktionsmaschine betrachtete, in dem Frederick Winslow Taylors Optimierungsverfahren für Arbeiter von den Maschinen kopiert war – Alan Turing nannte den Fabrikarbeiter noch in den 50er-Jahren „Papiermaschine“, die nach einem notierten Arbeitsprogramm funktioniert – und in dem die Freizeitindustrie die Tiller-Girls hervorgebracht hatte, im Gleichtakt steppende Revuetruppen, die Siegfried Kracauer schon 1917 in seinem Artikel „Das Ornament der Masse“ als „Girlsmaschine“ bezeichnete. Ebenso gleichgeschaltet bewegt sich das Heer der Arbeiter an seine Produktionsstätten in Metropolis.

Restauriert mit Know-how von Joanneum Research
1999 initiierte die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung ein Projekt zur Rekonstruktion und Sicherung der bis dahin nur mehr zu zwei Drittel verfügbaren Originalfassung von Metropolis. Weltweit wurden die besten Materialien recherchiert, so auch zeitgenössische Kopien, die trotz starker Abnutzung den hohen Stand der Filmphotographie dokumentieren, der in der Hochzeit des klassischen deutschen Stummfilms erreicht wurde. Daraus wurde mit digitalen Bearbeitungsmethoden und mithilfe einer von JOANNEUM RESEARCH entwickelten Technologie eine Fassung hergestellt, in der weitgehend die Schnittfolge des Originals rekonstruiert wurde und deren Qualität dem Bildeindruck der Premierenkopie sehr nahe kommen dürfte.

– Wenzel Mracek –

Classics in the City zeigt Fritz Langs Metropolis in der restaurierten Fassung am 19. Juli ab 20.30 Uhr im Landhaushof in Kooperation mit Joanneum Research und KORSO

 

 

  Krise, Kälte und Gebirge – der steirisc[:her:]bst und sein Programm 2004 Die ursprünglich griechische Bezeichnung Krise steht für Entscheidung oder die entscheidende Wendung eines Verlaufes. Wenn der steirisc[:her:]bst sein diesjähriges Festival unter das Motto „... Krise ist immer ...“ stellt, war Intendant Peter Oswald anlässlich der Programmpräsentation auch gleich bemüht zu betonen, dass nicht der Herbst sich in einer Krise befinde, vielmehr ist „die Krise eine produktive künstlerische Kategorie“.


Die Präsentation einleitend ließ Herbst-Präsident Kurt Jungwirth zumindest ein Unbehagen hinsichtlich der Budgetierung anklingen und sprach von Partnern, die dem Herbst abhanden gekommen sind und von Versprechen, die nicht eingelöst wurden, so die Stadt Graz mit der Zusage aus dem Vorjahr, eine Unterstützung von 300.000 Euro zuzuschießen, von denen aber bis dato nicht mehr als die Hoffnung existiert. Die plötzliche Absage seitens des Bundes in der Höhe von 700.000 Euro, ebenfalls im Vorjahr, soll durch aktuellen Antrag der Landeskulturreferentin Waltraud Klasnic mit 622.000 Euro kompensiert werden. Und heuer gibt es auch keine Graz 2003-Organisationsgesellschaft mehr. Der Betrieb der Helmut-List-Halle durch den Steirischen Herbst hat sich als massiver finanzieller Hemmschuh erwiesen, wenngleich Oswald betont, die Halle sei als Aufführungsort natürlich „großartig“. Jedenfalls ist man auf der Suche nach einem Betreiber, der dem Herbst diese Bürde abnimmt. Aus Gründen, die also nicht krisenhaft, vielleicht aber prekär sind, soll noch in diesem Jahr mit der Stadt Graz und dem Land Steiermark eine Steirisch-Herbst-GmbH gegründet werden, durch die ein sicheres Budget garantiert werden kann. Peter Oswald, Kurt Jungwirth und Doris Rothauer
Krise als Programm ... Krise ist immer ...
Wolfgang Bauer is back! Das Theater im Bahnhof inszeniert Bauers Foyer in der Helmut-List Halle, darin der 70-jährige Dichter Dr. Charlie Dodler es nicht schafft, in die Premiere seines autobiografischen Stückes zu gelangen und stattdessen im Foyer eine alptraumhafte Tragödie durchlebt.

Nie weg dagegen war Olga Neuwirth: Ebenfalls in der List-Halle und mit dem Ensemble Modern, basierend auf Texten und mit der Stimme von Paul Auster, wird die multimediale Raumkomposition ... ce qui arrive ... gegeben. Film und Raumgestaltung stammen von Dominique Gonzalez-Foerster. ...ce qui arrive ... geht in einer Übertragung –transfer/ence – unter Mitwirkung von Peter Ablinger, Johannes Kalitzke, Giorgio Netti, Richard Kriesche u. a. – auch ins Musikprotokoll ein. In der Regie von Tina Lanik und im Kristallwerk geht Katrin Rögglas junk space über die Bühne. Angst, Neurosen und Depression in der Gesellschaft sind Thema eines „Trimm-Dich für Angsthasen“.

Zwei Stücke auf der Probebühne des Schauspielhauses komplettieren die szenische Kunst in Graz: Matthias Fontheim inszeniert das bisher als Arbeitstitel geführte Stück streifen der Grazer Autorin Gerhild Steinbuch, eine Dreiecksgeschichte um Mutter, Tochter und Liebhaber. In Koproduktion mit UniT wird Johannes Schrettles als offenes Werk mit seinem Mentor Renée Pollesch erarbeiteter Text Dein Projekt liebt dich! in szenischer Lesung aufgeführt. Gespannt sein darf man auf den Gebirgskrimi Im Gesäuse nach Text und Idee von Hans Winkler. Vor der Haindlkar-Hütte in Jonsbach gilt es, aus einer „juke-box für Gebirgskrimis“ ein Hörspiel um AußenseiterInnen, politische Flüchtlinge, Wilderer und Erstbesteigungen zu erleben.

Bildende Kunst, Literatur und Diskurs
In Konzept und kuratorischer Leitung von Doris Rothauer versammelt der Titel Third Places Ausstellungen, eine Filmreihe, Symposien, Workshops und Live-Acts zu den Themen Fußball, Games und Musik-Clips. Die Dritt-Orte stehen, neben Zuhause und Arbeitsplatz, für halböffentliche Räume, die ähnlich dem historischen Marktplatz wichtige soziale Funktionen in der Gesellschaft erfüllen. Damit einher gehen Konsumorientierung und Spaßgesellschaft, die zwangsläufig zum Thema für Kunst und Kultur werden.

Die Grenzen der Ökonomie versucht das Forum Stadtpark ebenfalls in Ausstellung, Symposion und Vorträgen unter Leitung von Oliver Ressler auszuloten. Mit Beweglichen Teilen dagegen beschäftigten sich die Kuratoren Peter Pakesch, Katrin Bucher, Heinz Stahlhut und Peter Weibel im Kunsthaus Graz. Die Aktualität von Maschinen- und kinetischer Kunst wird mit Arbeiten von Jean Tinguely, Michelangelo Pistoletto, Olafur Eliason u.a. zur Schau und Debatte gestellt.

Im Palais Attems und in Konzeption von Michal Kolecek, Margarethe Makovec und Anton Lederer findet unter dem Titel Ostwärts gen Westen eine Konferenz zu Kunstinitiativen aus dem mittel- und südosteuropäischen Raum statt.

Und schließlich aber nicht zuletzt versammelt die Literatur im Herbst zum alles umspannenden Thema Kälte ein hochkarätig auskristallisiertes Teilnehmerfeld von Anselm Glück, Michael Haneke, Ransmayr, Rühm, Strasser und vielen mehr, die von den Schrecken des Eises und der Finsternis zu erzählen wissen. – Warm anziehen bitte!

– wm –

Detaillierte Informationen unter www.steirischerbst.at

 

 

  Kompensation der Badesaison: Sommer im Forum Stadtpark


Die Temperaturen der Badeseen sind derzeit noch suboptimal. Wenn nicht gerade eine Kaltfront von Nordwesten droht, gehen lokale Gewitter nieder, die sich gewaschen haben und die meteorologisch relevanten Lostage fanden heuer gegenüber liegend der Schönwetterseite statt. – Aber Schwamm drüber! Das Forum Stadtpark jedenfalls nimmt sich erst im August den jährlichen Programmurlaub und widmet den gesamten Juli dem Thema Tourismus, als wäre die sommerliche Nächtigungsstatistik noch irgendwie zu retten.

Wellness World I: Tiroler Hütte – darin die Stube – von Barbara Larcher

Wellness World I
die Ausstellung zum Thema Backstage*Tourismus, untersucht bis zum 22. Juli neueste Trends des Erholungsurlaubs. Nach Konzept und Gestaltung von Michael Hieslmair, Marion von Osten, Peter Spillmann und Michael Zinganel wird das Forum zu einer Wellness-Oase umgebaut und ein Untersuchungsfeld des „touristischen Raums“ bearbeitet. Ausgleich zu Erholung und Theorie verspricht die „Tiroler Stube“ von Barbara Larcher, erfahrene Saisonkraft in diversen Tiroler Stuben.

Das Jazztett Forum Graz mit Bernd Luef gibt am 6. Juli um 21.00 Uhr die Uraufführung der Suite „Traveller´s Tales“, einer Komposition, die 1999 aufgrund von Ausschreibungsumständen nicht zur Aufführung während der Landesausstellung zum Thema „Verkehr“ gekommen und seither aber doch beachtlich herumgekommen ist, vielleicht eine zeitgenössisch musikalische Erzählung einer Grand Tour der Vergangenheit oder Italienische(n) Reise, wie sie der Geheimrat nannte. Und ein Theaterprojekt hängt mit der historischen Idee zweier Tourismusschüler zusammen, ihre Schule für Fremdenverkehr in Bad Gleichenberg zu sprengen. Was real schicklicherweise nicht ausgeführt wurde, wird jetzt in einer Inszenierung von Johannes Schrettle unter dem Titel ActionseekerKaputtes Drama, schöne Musik aufgeführt.

– wm –

Premiere ist am 24. Juli um 20.30 Uhr | weitere Vorstellungen folgen vom 28. bis 31. Juli
Weitere Informationen unter T 0316-82 77 34 und http://forum.mur.at

 

 

  Aglaia Konrad in der Camera Austria


Die 1960 in Salzburg geborene und in Brüssel lebende Fotografin Aglaia Konrad erhielt für ihr Werk den „Camera-Austria-Preis der Stadt Graz für zeitgenössische Fotografie“ des Jahres 2003. Im Zuge ihrer Projekte bereist sie Mega Cities auf der ganzen Welt, untersucht und dokumentiert fotografisch – und seit wenigen Jahren auch mithilfe des Videofilms – architektonische und städtebauliche Strukturen und damit verbundene Ideen der Moderne als weltweit verbreitete Form der Aneignung von Raum und der Entwicklung von Gesellschaften. Konrad ist nicht interessiert am Porträtieren architektonischer Einzelwerke, vielmehr sind es die strukturellen Merkmale, ursächlich durch Stadtentwicklung und Stadtplanung bedingt, die spezifisch für Großstadtsysteme oder aber global austauschbar sind.

So entstand über viele Jahre ein umfangreiches Archiv an Aufnahmen und Filmmaterial, aus dem die Künstlerin ihre Ausstellungen gestaltet beziehungsweise das als Basis für Kleinstauflagen von Bildbänden herangezogen wird, die im Kopierverfahren hergestellt werden. Aglaia Konrad nimmt in ihren Arbeiten konstruktive Interventionen vor, indem sie strukturähnliche Aufnahmen unter Begriffe wie Alphabet City, every city oder migration ctiy subsumiert. Zudem gestaltet sie ihre Ausstellungen als Installationen in Collagen großformatiger Abbildungen, die mehrfach durch Kopieren und Wiederfotografieren in der Mikrostruktur der Aufnahmen verfremdet wurden, wodurch ein spezifisch topografischer Charakter zunehmend eliminiert wird.

– wm –

KOPIE / CITY – GRAZ 2004 ist bis zum 1. August in der Camera Austria, Kunsthaus Graz, zu sehen.
Soeben erschienen ist außerdem CAMERA AUSTRIA Nr. 86 mit Beiträgen von Martin Prinzhorn, Kaucyila Brooke, Anne Bertrand, Melik Ohanian, Monica Bonvicini / Sam Durant und Alfredo Jaar.
Weitere Informationen unter T 0316-81 55 500 und www.camera-austria.at

 

 

Petition um Erhöhung des Landes-Kulturbudgets
< VP-Kultursprecher LAbg. Wolf Rauch, Landeskulturreferentin Waltraud Klasnic, Michael Petrowitsch (v.l.n.r.)


Die IG-Kultur lud zu einem Gespräch mit Landeskulturreferentin LH Waltraud Klasnic in die Galerie remixx im Grazer Palais Trauttmansdorff. Gleich zu Beginn übergab Moderator und IG-Sprecher Michael Petrowitsch eine von zahlreichen steirischen Kulturschaffenden unterzeichnete Petition (hier veröffentlicht), in der die Landesregierung um Anteilerhöhung des Budgets für Kultur im Verhältnis zum gesamten Landesbudget ersucht wird und um die Bindung des Rundfunkschillings für mittlere und kleine Kulturinitiativen. Vor allem letztere fürchten um ihre Existenz, angesichts der Dotierungen des Jazz-Sommer Graz mit zusätzlichen 150.000 Euro auf insgesamt 600.000 Euro, der Styriarte mit 250.000 Euro und vor allem der Kulturservice GmbH (KSG), der zusammen mit Cine Styria 2 Mio. Euro zukommen sollen. Entgegen allen Ankündigungen werden KSG und Cine Styria nun doch aus dem Kulturbudget, und zwar aus der Landesabgabe des „Rundfunkschillings“ – die 30,7 Prozent der ORF-Gebühr beträgt – finanziert. Angesichts forcierter Imagebildung der Steiermark als „Kulturland“, wie auch in der Präambel zum neu eingerichteten Kulturserver des Landes betont wird, moniert Petrowitsch den Anteil für Kultur mit 1,7 Prozent im Vergleich zu jenem Salzburgs mit 2,9 oder Oberösterreichs mit über 4 Prozent als bundesweit am unteren Ende der Skala angesiedelt. Waltraud Klasnic zeigte immerhin guten Willen, sich für die anteilige Anhebung der Subventionen für die freie Szene aus dem Rundfunkschilling einzusetzen, ein entsprechender Antrag wurde auch schon von der Kultursprecherin der Grünen, Edith Zitz, im Landtag eingebracht.

Allgemein hielt Waltraud Klasnic fest, dass heuer bereits 1,4 Mio. Euro den Kulturinitiativen zugekommen seien; damit sei abzusehen, dass die Gesamtsumme des Vorjahres (1,8 Mio. Euro) heuer deutlich übertroffen werde. Für Einbindung von Projekten freier Gruppen soll der steirisc[:her:]bst 700.000 Euro erhalten. Die Finanzierung des Kulturmarketings, damit in erster Linie die KSG, „kommt durch Information nach außen auch der freien Szene zugute“, gibt sich Klasnic überzeugt. Das Kulturförderungsgesetz, formuliert durch die Landesevaluierungskommission unter Leitung von Dr. Heimo Steps und weitergeleitet in den Kulturbeirat unter Vorsitz von Dr. Eva Schäffer, soll so rasch wie möglich verhandelt und noch in dieser Regierungsperiode beschlossen werden.

– wm –

Petition der IG Kultur Steiermark | 1. Juli 2004

Betrifft: Großprojekte werden gemästet während unzählige Kulturinitiativen am Verhungern sind!

Sehr geehrte Frau Landeshauptmann Klasnic!

Die unterzeichneten steirischen Kulturinitiativen und Persönlichkeiten der kulturellen Szene möchten mit dieser Petition ihren deutlichen Unwillen gegenüber einer anhaltenden Entwicklung ausdrücken. Die steirische Kulturpolitik setzt in zunehmenden Maß auf vermarktbare Großevents und bessert diese laufend mit Unsummen auf. Würde nur ein Teil davon in die steiermärkischen Kulturinitiativen investiert werden, würde man die kulturelle Positionierung der Steiermark gezielt und nachhaltig vorantreiben.

Leider ist davon keine Rede. Ein großer Teil der Initiativen wurde im vorigen Jahr mit stark unterdotierten Dreijahresvereinbarungen ruhig gestellt. Für den anderen Teil besteht ebenso wenig die Chance, der Qualität der künstlerischen Leistung und der Quantität des Programms entsprechend gefördert zu werden. Wir appellieren an Sie, die Funktion der Kulturreferentin mit Mut zum Risiko zu gestalten und verstärkt finanzielle Mittel für den Bereich kleinerer und mittlerer Kulturinitiativen zur Verfügung zu stellen. Dies im vollen Bewusstsein darüber, dass es sich in den meisten Fällen um keine breit vermarktbaren Events handelt, aber um Keimzellen der künstlerischen Entwicklung, von denen die kulturelle Zukunft der Steiermark wesentlich abhängt.

Wir fordern eine Anhebung des Landeskulturbudgets im Verhältnis zum Gesamtbudget, eine prozentuelle Anhebung des Budgets für die freie Szene im Vergleich zu den so genannten „Großen“ und die Bindung des Rundfunkschillings an Projekte der freien Szene.

UnterstützerInnen:
Theater im Bahnhof, Josef Klammer (V:NM, Verein zur Förderung und Verbreitung Neuer Musik), Rezka Kanzian und Franz Blauensteiner (Werkraumtheater), Willi Hengstler, rotor (Margarethe Markovec), clio (Heimo Halbrainer), KAVN - Kunst abseits vom Netz, reMI (Renate Oblak, Michael Pinter), KIG – Kultur in Graz (Anita Hofer), Das andere Theater (Andrea Dörres), Günter Eisenhut (galerie remixx), Forum Stadtpark, Pavelhaus, ESC (Ilse Weber), Labor, ZEIGER (Stefan Auer), KIM –Verein zur Förderung von Popkultur (Martin Hörl); Erster Grazer Zitherverein (Susanne Weitlaner), Aramis und Britta Sievers - BauStelle Schloss Lind -Das Andere Heimatmuseum, Reini Urban (Selbstständiger Netzkünstler), Milo Tesselaar (vorstand ig pop=mehr, veilchen im forum stadtpark), Robert Lepenik für TONTO-VEREIN ZUR FÖRDERUNG DES KÜNSTLERKOLLEKTIVS, Herbert Nichols-Schweiger - Steirische Kulturinitiative, Jörg-Martin Willnauer, Gernot Rieger, Theater ASOU, Alexia Schrempf-Getzinger-TAG, K.U.L.M.- Klaus Schafler, Karen Engel (Jüdisches Kulturzentrum Graz), Wolfgang Pollanz (edition kürbis), Ernst M. Binder - Künstl. Leiter dramagraz, Klaus Schrefler -THE SYNDICATE - intercultural network for transforming arts, Geschichtswerkstatt Graz (Taliman E. Sluga), Radio Helsinki/Verein freies radio steiermark (Martin Dopler), Eva Schäffer, Werner Schandor (Schreibkraft), Katharina Hofmann-Sewera, Gerhild Illmaier (GIL art.infection), Verein zur Förderung von Netzwerkkunst - mur.at (Winfried Ritsch), Kulturzentrum bei den Minoriten (Johannes Rauchenberger), Margit Fritz-Schafschetzy- Galerie Schafschetzy, Verein Vipers (Volker Sernetz), Otmar Klammer (Stockwerk-Jazz), Jürgen Gschiel COMICODEON - Das internationale Komikfestival c/o KUlturZentrum Kapfenberg, Verein Straßganger Kulturzentrum (Gerald de Montmorency), Museum der Wahrnehmung (Werner Wolf), Theaterduo Steinbauer & Dobrowsky (freie Schauspieler), Culturcentum Wolkenstein, Helmut Eberhart und Barbara Pachl-Eberhart (Verein SpielRäume), Fabian Wallmüller (Architekt), Guido Granitz/Günther Brodtrager(Kunsthalle Gries/Postgarage), Jugendkulturzentrum Explosiv (René Molnar), Kamdem Mou Poh à Hom (afrikazentrum Chiala Afriqas), Michael Braunsteiner (Museum Stift Admont), Jugend- & Kulturzentrum HOUSE(Arlt Florian), Petra Ernst, Ursula Kiesling (Grazer Autorinnen- und Autoren-Kollektiv), Florian Rüdisser (sub, freefutureforces, labor04)

 

 

  Grazer Künstlergespräche I: G.R.A.M. und die vergangenen drei Jahre Der erste Abend der neuen Veranstaltungsreihe des FORUM Stadtpark wurde von der inzwischen international engagierten Grazer Künstlergruppe G.R.A.M. bestritten – moderiert und dekoriert von Forum-Vorstand Anton Lederer. Der offizielle Serientitel „Die letzten drei Jahre von ...“ soll nicht irritie-ren, vielmehr wird die Arbeit der vergangenen drei Jahre in Vortrag, Film-, Bild- und Hörbeispielen behandelt und künftige Projekte werden vorgestellt.


Zu Anfang der 90er-Jahre trat die damals noch vierköpfige Gruppe in einem privat geführten Galerielokal in der Griesgasse mit Airbrusharbeiten ans Licht der Öffentlichkeit. Die Beschäftigung mit der Malerei war damit aber auch schon wieder abgehandelt und G.R.A.M. – heute Günter Holler-Schuster und Martin Behr – begaben sich in einen Bereich der bildenden Kunst, der im weitesten Sinn als progressiv konzeptuell aufgefasst werden muss, in dem oft Ergebnisse erarbeiteter Projekte zur Basis neuer Konzepte werden. In diesem Sinn ist der titelgebende Zeitraum der vergangenen drei Jahre, nach Darstellung von Günter Holler-Schuster, mindestens um die Beteiligung an der Eröffnung des Grimaldi-Forums im Jahr 2000 in Monaco und der damit verbundenen Ausstellung pneumatischer Plastiken zu erweitern. Dort waren G.R.A.M. mit zwei Exponaten vertreten, einer Installation von Luftballons mit aufgedruckten Gebrauchsanleitungen für Kondome und einer im Meer schwimmenden Plastik, vergleichbar einer Hupfburg, auf der eine übergroße Reproduktion eines Zeitungsartikels über die Sprengung eines Casinos in Las Vegas mit dem Titel Monte Carlo Desaster aufgebracht war.

Günter Holler-Schuster und Martin Behr sind G.R.A.M.

Paparazzi-Opfer Alice Cooper und David Beckham
Ein MAK-Stipendium ermöglichte 1997 einen halbjährigen Aufenthalt in Los Angeles. Während dieser Zeit entstanden erste Arbeiten der Reihe Paparazzi, die im selben Jahr unter anderem in der Österreichischen Galerie im Belvedere und im Grazer Kunstverein gezeigt wurden. Die äußeren Merkmale von Paparazzi-Fotografien wie Unschärfen, weite Entfernungen und suboptimale Bildausschnitte wurden für Fotos nicht prominenter Personen als Mittel des Stils und der Verunsicherung eingesetzt. Einer Installation in der Galerie der Black Dragon Society L.A. ging ein zufälliges Treffen mit dem Schock-Rocker Alice Cooper voraus, der für einen Promotion-Auftritt in Handschellen posierte. In Kombination mit den Fotografien und deren scheinbar realem Gehalt wurde – als sei es eine Hommage an die historischen Verwüstungen von Hotelzimmern durch Herrn Cooper – eine Installation in der Galerie gestaltet. Die in Österreich fortgesetzte Serie Paparazzi näherte sich deutlich ihren Ursprüngen als Medien- und Öffentlichkeitsphänomen, indem nun wirkliche Sterne und Sternchen aus Politik, Kultur und Kunst geblitzt wurden und die Fotoreihen Themenbereichen wie etwa Gut und Böse zugeordnet wurden. Fotos des zurzeit nicht eben sehr glücklichen David Beckham, durch nochmaliges Fotografieren der Originalaufnahmen weiter verfremdet, sind gerade in der Ausstellung Sport & Kult bei den Grazer Minoriten zu sehen.

Violette Körpersäfte und Aliens am Schwarzlteich
Eine jüngere Reihe fotografischer Arbeiten hat nachgestellte Szenen aus Laurel-&-Hardy-Filmen zum Inhalt und folgende – jeweils in Darstellung durch Holler-Schuster und Behr – nehmen Bezug auf Ikonen der Pressefotografie wie die Erschießung eines gefangenen Vietkong durch den Polizeichef von Saigon. Schließlich behandelt eine weitere Serie indirekt den Wiener Aktionismus, indem die Dokumentation der Aktionisten zum Ausgang wieder erkennbarer Darstellungen durch G.R.A.M. wird. Die Tradition des Aktionismus aufgreifend, behandelt ein Film die Ausführung eines nicht realisierten Konzepts von Rudolf Schwarzkogler. In einer Musikalische(n) Komödie für Farbfernsehen trinkt eine Ballettelevin zu einer Komposition von Arnold Schönberg eine rote, eine blaue und eine weiße Flüssigkeit und erbricht schließlich eine violette – ein Akt performativer Malerei.

In thematischem Zusammenhang mit der Paparazzi-Reihe und vor allem in Weiterführung der Bildverfremdung durch Aufnahmebedingungen und technische Weiterbearbeitung entstand eine Fotoserie, aufgenommen im Areal des Schwarzl-Freizeitzentrums. Nach Saisonende aus großer Entfernung aufgenommen wirken vereinzelte Badende wie Außerirdische. Durch das spezielle Druckgrafikverfahren der Heliogravur gewinnen diese Bilder einen stark grafischen Charakter und führen so in der Ansicht weit weg von ihrem „eigentlichen“ Inhalt. In einer Arbeit unter dem Titel Die Präsidenten, zuletzt im Rahmen der Ausstellung Stadtbewohner im Forum Stadtpark zu sehen, rückten G.R.A.M. in Porträts zwischen die staatstragenden der Präsidenten der Zweiten Republik und geben damit ein stilistisches, aber kein vordergründig politisches Statement ab.

– Wenzel Mracek –

Die KORSO-Serie „Grazer Künstlergespräche“ erscheint in Kooperation mit dem Forum Stadtpark und wird in den nächsten Ausgaben fortgesetzt. Der nächste Abend der Veranstaltungsreihe findet am 20. Juli um 20.00 Uhr statt, Michael Zinganel spricht zum Thema „Der Künstler als Experte für Verbrechen, Architektur, Tourismus“.

 

 

  Erneuerte Tracht: Der steirische Weg Im Zentrum ein hellgrüner Laufsteg, beidseitig gesäumt von körperhaft im Raum schwebenden weiblichen Alltags- und Festtagstrachten aus unterschiedlichen Orten und Regionen der Steiermark – so präsentiert sich die Sonderausstellung des Steirischen Volkskundemuseums „Trachtenerneuerung. Erneuerte Tracht – der steirischen Weg“.


Der Weg um den Laufsteg führt von der „Murauer Alltagstracht“ über die „Obdacher Sonntagstracht“ zum „Grazer Bürgerkleid“ und zu Originalstücken über denen zeitgemäße Frauentrachten schweben.

„Der Laufsteg hat Symbolcharakter. Er ist das Symbol für Trachtenschauen und –vorführungen, womit erneuerte Trachten ab dem Gedenkjahr 1959 erfolgreich propagiert wurden. Dabei spielte das 1934 von Viktor von Geramb gegründete Steirische Heimatwerk eine wesentliche Rolle. Aus Anlass des 70-jährigen Bestehens des Steirischen Heimatwerkes wird am 8. Juli 2004 eine Jubiläumsschau stattfinden.“ Darauf wies Dr.in Roswitha Orac-Stipperger, Leiterin des Steirischen Volkskundemuseums und Frauentrachtenberaterin des Landes Steiermark, im Rahmen der Ausstellungseröffnung hin.
Erneuerung durch Empfehlung
Tracht markiert thematisch einen der drei inhaltlichen Schwerpunkte („wohnen – kleiden – glauben“) des Volkskundemuseums am Landesmuseum Joanneum in Graz. Das Entstehen eines regionalen Trachtenbewusstseins geht auf die Vorbildwirkung von Erzherzog Johann (1782 – 1859) zurück; die Forschung, Pflege und Erneuerung der Trachten setzten erst im 20. Jahrhundert ein und wirken bis heute.

Die frühe Trachtenerneuerung begann mit Viktor von Geramb, einem Vertreter der „angewandten Volkskunde“, in den 30er Jahren. Im Erzherzog Johann Gedenkjahr 1959 wurde von Gerambs SchülerInnen Dr.in Gundl Holaubek-Lawatsch und Dr. Sepp Walter ein Konzept der Trachtenerneuerung mit wissenschaftlichem Anspruch entwickelt, das als Empfehlung an die Bevölkerung ging. Trachtenmappen, Nähkurse, Vorträge, Trachtenschauen sowie der „Trachtenkoffer“ trugen zur Erneuerungsbewegung bei. Die Umkehr in den 70er Jahren ging von Frauen aus. Ihre Suche nach „echten“ Trachten wurde von Dr.in Holaubek-Lawatsch wissenschaftlich begleitet.

„Echtheit“ ist relativ
Im bis heute anhaltenden Trachtenboom der Jahrtausendwende sieht Dr.in Roswitha Orac-Stipperger wieder den Trend zur „echten“ Tracht, der verbunden ist mit dem Wunsch nach örtlicher Identität. Von wissenschaftlicher Seite ist Echtheit, nicht nur die Tracht betreffend, längst relativiert. Daher befasst sich die wissenschaftliche Volkskunde heute mit der Aufbereitung von Quellen sowie mit der Beobachtung der Rezeption – den eigendynamischen Entwicklungen der Rezeptionsmuster und –faktoren - der Trachten in der Bevölkerung.

doris.schmid@korso.at

Landesmuseum Joanneum, Volkskundemuseum, Paulustorgasse 13a, 8010 Graz
T 0316-8017-9899 | www.volkskundemuseum-graz.at
Bis 31. Oktober 2004, Di bis So 10.00 – 18.00 Uhr, Do 10.00 – 20.00 Uhr

 

 

  Binder, Klammer und das Abbild der Menschheit als Gesamtkunstwerk


Als Pivot wird der Drehpunkt in der Computergrafik und 3D-Animation bezeichnet. Ein Protagonist Pivot verkörpert in dem übergreifenden Projekt zwischen darstellender und bildender Kunst, Musik, Literatur und ... , nach Idee und Konzept von Ernst M. Binder und Josef Klammer, das Wesen des Menschen im Allgemeinen. Ausgehend von der griechischen Mythologie durchwandert Pivot alle Zeiten und archetypischen Figuren, die für die Geschichte des Menschen stehen, bis er Mediengeschöpfen unserer Informationsgesellschaft begegnet. An der Realisierung beteiligen sich dramagraz, xxkunstkabel, ESC – Kunst im Labor und Radio Helsinki. Was sich vielleicht noch halbwegs nachvollziehbar bis hierher beschreiben lässt, wird in etlichen Parallelaktionen unter dem schon weniger leicht fassbaren Titel vot – The Genetic Code Of Human Being und unter Mitwirkung zahlreicher Akteure auf die Bühne, in den Äther und in Europa zur Welt gebracht.

Pivot wird meist von Rudi Wiederhofer verkörpert, und jetzt wird’s kompliziert, weshalb darum gebeten wird, spezifische Informationen der unten angeführten Website zu entnehmen: Pivot erlebt den ersten Tag in dramatischer Aufführung am 21. Juni 2005 (!). Seit 21. Juni 2004 (!) jedoch, täglich 12.00 bis 12.05 Uhr, sendet Radio Helsinki „radiophone Stationen“ Pivots unter dem Titel To be or not to be (helsinki.mur.at/live-stream.php). Im November dieses Jahres wird Kasandra in Inszenierung von E.M. Binder in Sarajewo uraufgeführt und im Dezember im Grazer ESC.

Im März 2005 folgt die Inszenierung von Athen Tschernobyl Zürich an besagten Orten unter dem Motto „Über den Zustand der Welt“. Der Pivot-Monolog The Black Hole – Internet Pidgin English für Anfänger nimmt im April 2005 in der Steiermark seinen Ausgang und am 21. Juni 2005 erklingt in Berlin The Voice of the Mother für Pivot/Wiederhofer.

Nur so viel und der Verweis auf http://PI-vot.net. Alles Gute, wir werden versuchen zu berichten!

– Wenzel Mracek –

 

 

  kultur.steiermark.at: Der Landeskulturserver ist am Netz


Jetzt hat auch die Steiermark einen Kulturserver. Mit offizieller Inbetriebnahme per Mausklick durch Landeskulturreferentin LH Waltraud Klasnic im Rahmen der Präsentation im MedienKunstLabor des Grazer Kunsthauses waren die von Prof. Richard Kriesche geleiteten Projektarbeiten bis zur Netztauglichkeit abgeschlossen. Den Anforderungen nach einem übersichtlichen Inhalts- und Serviceangebot, klarer Navigierbarkeit, originärem Erscheinungsbild und hohem Erinnerungs- wie Identifikationswert entsprechend fungiert der Kulturserver nach Kriesche als „mediales Forum des Kunst- und Kulturgeschehens des Landes“.

Richard Kriesche, Waltraud Klasnic und Bernhard Rinner > Nicht im Bild: kultur.steiermark.at

Über eine Oberfläche mit bunten Icons in den Umrissen der Steiermark vor traditionell grünem Hintergrund gelangen Benutzer zunächst auf „Die basiskulturelle Seite“ mit Statements namhafter Kulturschaffender von Gottfried Biedermann bis Thomas Wolkinger. „Die Heimatseite“ führt an steirische Kulturstätten und Links zu Homepages außerhalb des Servers. Der Servicebereich umfasst alle Informationen zu Kunst- und Kulturförderungen, zudem sind Informationen zu kulturpolitischen Belangen abrufbar. Im Archiv werden besondere kulturelle Ereignisse der jüngeren Vergangenheit gesammelt, weitere Links führen auf die Kulturserver der Bundesländer und zu europäischen Partnern und auch ein Diskussionsforum wurde eingerichtet. Für den Herbst kündigt der Geschäftsführer der Kulturservice GmbH, Mag. Bernhard Rinner, eine Ergänzung um ein Kulturtermin-Kalendarium an.

 

 

  Die Welt der stillen Dinge – Stillleben auf Schloss Herberstein


Auf Einladung von Andrea Herberstein gestalteten die Kuratoren Christa Steinle und Günter Holler-Schuster eine Ausstellung von Stillleben aus Exponaten der Sammlung der Neuen Galerie des Landesmuseums Joanneum in einem zeitlichen Spektrum um 1800 bis zur Gegenwart.

< Johann Knapp: Feld-, Garten- und Alpenblumen in Glasschale, 1810, Öl auf Holz, 63 x 51 cm < Friedrich Aduatz: Stilleben, um 1976, Öl auf Leinwand, 80 x 105 cm

Die heute gebräuchliche Genrebezeichnung Stillleben taucht erstmals um 1650 in holländischen Inventaren auf, zu einer Zeit, als der erste Höhepunkt dieser malerischen Sonderform bereits überschritten war. Der aus dem Holländischen entlehnte Terminus „stilleven“ meinte ursprünglich das „reglose Modell“ oder die „unbewegte Natur“ und steht in keinem Zusammenhang mit dem irrtümlicherweise immer noch oft gebrauchten Stilbegriff. Insofern führt die neue Schreibweise mit drei l wieder deutlich an den Ursprung der Gattung. Die Stillleben des 15. und 16. Jahrhunderts zeichneten sich durch ihre versteckte Symbolik aus, indem etwa Spanschachteln in ikonografischer Tradition auf Marienbilder verweisen und auf den Schrein, in dem die Gottheit verborgen liegt. Im 17. Jahrhundert bestehen solche Bezüge hinsichtlich einer humanistischen Gelehrsamkeit und Moral. Der formale Ansatz im Stilleben ist geprägt von der Intention, illusionistische Meisterschaft in der Darstellung des Gegenständlichen zu erlangen und so tritt der narrative und symbolische Aspekt seit dem 18. Jahrhundert in den Hintergrund. Das Hauptaugenmerk wurde auf die Virtuosität malerischer Umsetzung von Materialien wie Stoffen, Glas oder Metallen und die schon wissenschaftliche Abbildung von Pflanzen und Tieren gelegt und führte ab Mitte des 19. Jahrhunderts in die Bestrebung von Künstlerinnen und Künstlern, mittels Malerei, Grafik und Fotografie formale Qualitäten möglichst unmittelbar zum Ausdruck zu bringen.

Anhand von 84 Exponaten österreichischer und internationaler Künstler führt diese Ausstellung über Werke von Johann Knapp, Ignaz Raffalt oder Friedrich Gauermann, die noch dem traditionellen Begriff des Stilllebens verbunden sind, zu Beispielen der österreichischen Moderne von Alfred Wickenburg, Ernst Paar oder Axl Leskoschek und zu Fotografien der Wiener Aktionisten oder aber der filmischen Dokumentation einer „Lehraktion“ von Hermann Nitsch. Plastische zeitgenössische Arbeiten stammen neben anderen von Silvie Fleurie und Damien Hirst und stehen für deren kontextuellen Zugang zum historischen Genre des Stilllebens.

„Die Welt der stillen Dinge“ ist bis zum 2. November täglich um 14.00, 15.00 und 16.00 Uhr im Rahmen der Schlossführungen zu besichtigen.
Weitere Informationen unter www.herberstein.co.at

– wm –

 

 

  2003: Schlossberg bleibt die Nummer eins Mit der etwas spärlichen Anzahl von 200 Befragten versuchte Kultur-Stadtrat Christian Buchmann die These von der Nachhaltigkeit von 2003 zu belegen.


„Kunst im öffentlichen Raum werde weiterhin ein Thema sein“, gab Kultur-Ressortchef Dr. Christian Buchmann anlässlich der Präsentation der Ergebnisse einer Umfrage bekannt, die von Studentinnen der Berufspädagogischen Akademie unter Leitung von Mag. Claudia Brandstätter-Matuschkowitz durchgeführt worden war. Denn: Kunsthaus und Murinsel werden bei der Frage nach den Highlights von Graz 03 an erster Stelle genannt – 21,5% bzw. 25,6% der GrazerInnen stellen spontan eine Verbindung zwischen dem Kulturhauptstadtjahr und dessen beiden zentralen Bauten her.

Studie beweist: Unterhaltsame Kulturbauten bleiben nachhaltig in Erinnerung

Bei der Antwort auf die Frage, den Besuch welcher Sehenswürdigkeit sie einem Besucher von Graz empfehlen würden, bleibt der Schlossberg mit 29% bei den befragten 200 GrazerInnen allerdings weiterhin unangefochten die Nummer 1 vor Kunsthaus (12,6%) und Murinsel (12,0%).

Etwas widersprüchlich waren die Antworten auf die Frage nach der Wirtschaftlichkeit von 2003: 63,8% der Befragten gaben an, dass sich die Investitionen ins Kulturhauptstadtjahr finanziell nicht gelohnt hätten, aber 45,3% sind der Ansicht, dass sie einen Beitrag zu einem zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg geleistet hätten.

Wenig überraschend hingegen ein Ergebnis der qualitativen Interviews, die im Vorfeld der Befragung geführt wurden: „Alles, was Unterhaltungswert hatte, ist den Befragten besser in Erinnerung geblieben“, resümiert Brandstätter-Matuschkowitz.

– cs –

 

 

Älteste Grazerin im Pfauengarten ausgegraben „Graz-iella“: Eine Frauenfigur aus dem 4. vorchristlichen Jahrtausend


Die Notgrabungen anlässlich des Tiefgaragenprojekts „Pfauengarten“ in Graz brachten im März 2003 eine bedeutende archäologische Entdeckung zutage: Die zunächst unscheinbaren Keramikbruchstücke wurden durch die Fachrestauratorin für Keramik der Ur- und Frühgeschichtlichen Sammlung am Landesmuseum Joanneum, Helena Lenuta Mihat, wieder zusammengesetzt und als fast vollständige Frauenplastik erkannt. Graz-iella ist die älteste erhaltene Frauenfigur der Steiermark, eine 18,3 cm große, abstrahierend wiedergegebene Figur aus Ton mit Furchenstrichverzierung – ein weibliches Idol. Auch wenn die erhaltene Figur nur einen Bruchteil der damaligen Produktion vergleichbarer Kleinplastik widerspiegelt, bezeugt sie doch, dass dem prähistorischen Menschen eine spielerische Kreativität nicht abgesprochen werden kann.

Die Entstehungszeit liegt zwischen 4000 und 3.700 v. Chr. und somit ist Graz-iella weitaus älter als das 1984 südöstlich von Graz gefundene, männliche „Idol vom Kögelberg“. Die Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung des Landesmuseums Joaneum im Schloss Eggenberg ermöglicht es nun Interessierten, den „ältesten Steirer“ und die „älteste Steirerin“ nebeneinander ausgestellt zu bestaunen.

– Katharina Gabalier –

Schloss Eggenberg, Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung, Eggenberger Allee 90, Graz
Infos: 0316-58 32 64-9571 | www.museum-joanneum.at

 

 

  Raumexperimente in drei Ausstellungen der Neuen Galerie


Die Neue Galerie präsentiert in einer Ausstellung Werke zweier wesensverwandter Künstlerinnen in mehr als 140 Zeichnungen und Skulpturen der späten 50er Jahre bis zum Ende der 80er zum ersten Mal in Österreich. Thinking the Line als Ausstellungstitel steht für beider Intentionen, ihre Ideen von Dekonstruktion und Abstraktion als räumliche Formen zu gestalten.

Gego >
(Gertrud Louise Goldschmidt, 1912 – 1994), in Hamburg geboren, musste nach einem Architekturstudium in Stuttgart 1939 nach Venezuela emigrieren, wo sie zunächst als freie Architektin arbeitet. 1953 entstehen Landschaftszeichnungen, Monotypien und Holzschnitte. 1958/59 beginnt sie mit Aluminium und Stahl zu arbeiten, verwendet geometrische Flächen und experimentiert mit Volumen. Ab 1970 wendet sie sich infolge einer Arbeit namens Chorros – eine Gruppe hängender Aluminiumstäbe – dem für sie bezeichnenden Konstruktionssystem aus vertikalen Linien zu. Aus der ursprünglichen Raum konstituierenden Arbeit der Architektin versucht sie in ihren plastischen Werken zunehmend sich von Stützelementen zu lösen und die räumliche Figuration an sich zu schaffen respektive die Raum definierenden geometrischen Elemente auf die raumlose Linie zu beschränken; eine Tendenz, die sich als Metapher durchaus der Idee der Linie annähert und in kaum mehr Plastik zu nennenden fragilen Flechtwerken plausibel zum Ausdruck gebracht wird.

Ruth Vollmer >
(1903 – 1982), geboren in München, musste ebenfalls und schon 1936 nach New York emigrieren, wo sie zunächst als Säuglingsschwester und Industriedesignerin (u.a. für Tiffany’s und das MoMA) arbeitet. Bis 1954 entwickelt sie charakteristische Plastiken aus Draht und amorphe Keramikskulpturen. In den 60ern entstehen erste Bronzeplastiken. Ihr Haus wird zum Treffpunkt für Künstler wie Sol LeWitt, Eva Hesse, Robert Smith-son und andere. Nachdem der Schwerpunkt ihrer Arbeiten in den 60ern auf mathematisch-geo-metrische Bedingungen der Kugel konzentriert war, wendet sich Ruth Vollmer in der 70er Jahren zunehmend dem zeichnerischen Werk zu, nach dem sie Plastiken anfertigen lässt. Der mathematische Formalismus in den Arbeiten Ruth Vollmers fordert, wie bei Gego, eine aktive Rezeption des Betrachters, wodurch – wie Kurator Peter Weibel bemerkt – dynamische Tendenzen der Op-Art und des Kinetismus zu bemerken sind. Die Ausstellung der Arbeiten von Ruth Vollmer & Gego läuft bis 29. August.

Robert Schaberl > Die Neue Galerie im Hof zeigt Malerei und fotografische Arbeiten des 1961 in Feldbach geborenen und in Wien lebenden Robert Schaberl. Kreisrunde Formen mit Tendenz zum Monochrom in quadratischen Tafelbildern erinnern an Tondi aufgrund des Kontrasts zwischen Vorder- und Hintergrund. Je nach Standort des Betrachters changieren diese „Zentralformen“, wie Schaberl seine Arbeiten mit Bezug auf die Iris des Auges nennt, in ihren Farben, hinzu kommt eine kreisförmig und minimal erhabene Struktur der Oberfläche, die einen Effet simuliert. ... von Licht und Farbe, so der Ausstellungstitel, ist bis zum 22. August zu sehen. Ein Katalog mit Text der Kuratorin Elisabeth Fiedler liegt auf.

Crushed < Herbert Hofer
– im Studio der Neuen Galerie – ist eine Ausstellung mit Arbeiten von Herbert Hofer. Plastische Exponate wie das textnetz, die raumfalte studio und die teilverschiebung stehen für Hofers Experimente der Transformation von Raum zu Plastik und Skulptur, von Bild zum Raum und von Sprache zur Skulptur. Eine großflächige Fotografie seines Ateliers etwa wird auf Aluminiumblech aufgezogen, anschließend verformt und steht so für die konzeptuelle Manipulation spezifischen Raumes mittels seines Abbildes. Crushed ist ebenfalls bis zum 22. August zu sehen.

– Wenzel Mracek –

Weiterführende Informationen zu allen Ausstellungen unter www.neuegalerie.at

 

 

  Geschichten aus dem Zarenreich in Groß St. Florian


Das Steirische Feuerwehrmuseum in Groß St. Florian hat sich seit 1997 durch bemerkenswerte Ausstellungen bildender Kunst hervorgetan und gilt aufgrund dieser Verbindung wohl als Ausnahmeerscheinung in der österreichischen Museumslandschaft. Nach ROT im Jahr 1999 und IKONA 2001 setzt man nun die Reihe der Ausstellungen russischer Kunst mit „Liebe, Tod und Leidenschaft – Geschichten aus dem Zarenreich“ fort. In Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Russischen Museum in St. Petersburg werden nach einem Ausstellungskonzept von Museumsleiter Hannes Weinelt vierzig Exponate realistischer Malerei aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts präsentiert, darunter fünf Werke von Ilja Repin, dessen wohl bekanntestes Die Wolgatreidler vor wenigen Jahren in der Kunsthalle Krems zu sehen war.

Nachdem Romantik und Klassizismus überwunden waren, verlegten sich die bedeutendsten Vertreter der russischen Malerei wie Nikolai Bogdanow-Belski, Waleri Jacoby, Nikolai Jaroschenko und andere in ihren Themen auf die Befindlichkeit des Volkes, die sozialen Konflikte in der russischen Gesellschaft und die Gräuel des Krieges und begründeten den so genannten Kritischen Realismus. So handelt die großformatige Darstellung In den Krieg von Konstantin Sawizki (1888) von der bewegten Verabschiedung eingezogener Soldaten im Umfeld des Russisch-Türkischen Krieges 1877/78. Dem gegenüber, und ebenfalls im Eingangsbereich der Ausstellung, zeigt Ilja Repins Der 17. Oktober 1905 die euphorisierte Masse in Reaktion auf das von Zar Nikolaus II. erlassene Manifest einer neuen bürgerlichen Freiheit.

Nikolai Kassatkin: Kohlensammler in stillgelegter Grube, 1894

Der Großteil der in der Ausstellung vertretenen Werke ist der Genremalerei verpflichtet, die seit den 1870er-Jahren eine neue Blüte erfuhr. So zeigt Nikolai Bogdanow-Belskis An der Schultür von 1897 in sentimentalem Grundton einen zögerlich verharrenden und ärmlich gekleideten Jungen nach seinem offenbar langen Weg zur Schule. Sergej Gribkow nimmt sich in einer Groteske eines literarischen Motivs von Gogol um das Zerwürfnis zweier ehemals befreundeter Nachbarn an und Nikolai Jaroschenko bearbeitet den klassischen Topos Vater und Sohn in seiner Darstellung Alt und Jung. Indem er die Aufmerksamkeit des Betrachters auf Haltung und Mimik der Personen im Bild lenkt – mit emotionsgeladener Geste versucht der Sohn den in einem Stuhl vor ihm sitzenden Vater für seine Ideen zu gewinnen, während sich die Tochter wie Schutz suchend hinter der Stuhllehne des Vaters verbirgt – wollte Jaroschenko die Trägheit im Denken der alten Generation einerseits und das kompromisslose Streben nach Veränderung der revolutionär gesinnten Jugend andererseits zum Ausdruck bringen. Dagegen etwa zeugt Auf der Schaukel, ebenfalls von Jaroschenko und Sujet des Ausstellungsplakates, vom Interesse am Leben der einfachen Menschen, an ihren Freuden und Leiden in einer profunden psychologisierenden Darstellung der Protagonisten.

– Wenzel Mracek –

Steirisches Feuerwehrmuseum Groß St. Florian, bis zum 10. Oktober, Di bis So jeweils 10.00 bis 17.00 Uhr
www.feuerwehrmuseum.at

 

 

Tag.werk: ganz schön „aufgetascherlt“!
Designertaschen von Jugendlichen in Not


Im Caritas tag.werk werden seit kurzem Taschen aus Recycling Materialen hergestellt. Im Rahmen des Konzepts der niederschwelligen stundenweisen Arbeit für Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen werden die Betroffenen selbst in die Design-entwicklung und Produktion miteinbezogen. Jede Tasche ist ein Einzelstück und wird vom Hersteller mit einer persönlichen Botschaft versehen.

– cw –

KORSO verlost 1 Gutschein für eine tag.werk-Designertasche im Wert von Euro 50,-
Bestellungen und weitere Infos: Silvia Jölli | Projekt tag.werk | T 0664-80 15 04 61, | M silvia.joelli@caritas-graz.at

 

 

Summernight-Dreams im Schwarzl-Freizeitzentrum
In Graz steigt heuer erstmals ein Regenbogen-Event unter Sternenhimmel.


Romantische Tanzmusik und heiße Rhythmen bis zum Morgen. Eine Nacht unter dem freien Himmel feiern. Tuntenball-Organisator Herbert Wippel verrät: „Am 7. August steigt im Grazer Schwarzl-Freizeitzentrum eine Sommernacht, die alle Stücke spielt!“ Getragen von „Stop Aids“ und den Rosalila PantherInnen werden Sommernachtsträume wahr. Bereits Ende Juni wird der Vorverkauf gestartet, Infos gibt’s unter www.summernightdreams.at.

„Aus ganz Österreich kommen Lesben, Schwule und FreundInnen zum Tuntenball. Höchste Zeit, dass wir nun auch im Sommer stolz die Regenbogenflagge wehen lassen“, meint Wippel, der auch keine Angst vor Regenwetter hat: „Dann findet die Veranstaltung indoor statt. Und außerdem ist es geil, im August einen Sommerschauer mit einer Feuershow genießen zu können.“

 

  Sieben Jahre Permanent Breakfast in Graz Kettenfrühstücke als Beitrag zur Kommunikationskultur im urban öffentlichen Raum


Zum ersten Mal wurde permanent breakfast im Rahmen zweier Lehrveranstaltungen 1997 am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Uni-Graz mit Studierenden durchgeführt. Nach der Idee, dass möglichst jeder Teilnehmer an einem Frühstück im öffentlichen Raum ein weiteres Frühstück organisiert und Passanten einlädt teilzunehmen und diese Teilnehmer wiederum Frühstücke veranstalten, ergaben sich in der ersten Saison zwischen Ende April und Ende Juni geschätzte 80 Frühstücke an öffentlichen Orten in Graz.

Inzwischen blicken die Organisatoren Michael Wrentschur und Wolfgang Rappl von InterACT, der Werkstatt für Theater und Soziokultur, auf eine siebenjährige Erfolgsgeschichte zurück und ein Ende ist nicht abzusehen. Zuspruch finden die Initiatoren auch durch Einträge in das Gästebuch von permanent breakfast wie folgendem : „Mein Traum: in meiner Straße (Merangasse) frühstücken einmal alle Anrainer im Freien und lernen sich kennen. Der Verkehr wird an diesem Tag umgeleitet, der Straßenraum für das Leben zurückerobert.“

 

 

  AKTUELLE AUSSTELLUNGEN


Nach den technoid maskulinen Arbeiten der früheren Schaffensperiode stehen nun – nach einem sechs Monate währenden Berlin-aufenthalt – aus Werbegrafik und Printmedien übernommene Motive weiblicher Figuren und Themen wie Hochglanzästhetik, Erotik und „visuelle Gewalt“ im Mittelpunkt des künstlerischen Interesses von Herwig Tollschein. Durch die experimentelle Verschmelzung von Druckstöcken erzeugt der Künstler raffinierte inhaltliche Multiplikationen.

Die Akademie Graz präsentiert die neuen Arbeiten von Herwig Tollschein im Grazer Stadtmuseum vom 15. Juli bis 7. August. Zur Eröffnung – am 15. 7. um 19. 30 Uhr - spricht Emil Breisach. Weitere Informationen unter 0316-83 79 85 – 14 und www.akademie-graz.at


Samstag 17. 7. Ausstellungseröffnung von Michael Blocher Im Literaturcafé in der Mariahilferstraße 2 in Graz. Die musikalische Untermalung kommt von KEIN. Dauer der Ausstellung: 17. bis 31. Juli. Weitere Informationen unter T 0316-72 13 16


Mittwoch 28. 7. 18.00 Uhr Aktion „anrüchig“ | Sozialskulptur Eine Aktion von 17 sozialen Einrichtungen in Zusammenarbeit mit Sonja Redl und Armin Ruckerbauer, Culture Unlimited, anlässlich der Ausstellungseröffnung der Berufsvereinigung der bildenden Künstler vor dem Grazer Künstlerhaus, Burgring 3. Information unter 0664-21 31 386


Ausstellungsverlängerung: „Glasgravuren des Biedermeier. Dominik Biemann und Zeitgenossen 1800 - 1860“ Im Mittelpunkt der „Glasgravuren“ steht Dominik Biemann (1800 - 1857), der als der weltweit bedeutendste Porträtgraveur auf Glas gilt. Die Ausstellung im Landesmuseum Joanneum, Neutorgasse 45, nach einem Konzept des Sammlers und Kenners Paul von Lichtenberg wird bis zum 19. September 2004 verlängert (siehe auch die Besprechung in Korso, Juni 04) | www.museum-joanneum.at


„Orientzauber ’04“ auf Schloss Kornberg Europas größte Teppichausstellung befindet sich bis zum 10. Oktober auf Schloss Kornberg bei Feldbach. 2.400 handgeknüpfte Teppiche und Flachgewebe aus mehr als 120 Herkunftsgebieten aus der Zeit vom frühen 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Informationen unter www.rohani.at


Bis zum 25. September zeigt das Pavel-Haus in Laafeld seine Sommerausstellung. Kuratiert von Marina Grcinic sind neben anderen Cati Bold und Barbara Caspar aus Österreich oder IRWIN aus Slowenien mit Arbeiten vertreten. Weitere Informationen unter www.pavelhaus.at

 

 

  AKTUELLE VERANSTALTUNGEN


8. bis 11. Juli 2004, jeweils 20.00 Uhr In der Regie von Steven Wangh (NY) zeigt das Theater ASOU „Der Widerspenstigen Zähmung“ von William Shakespeare in der Übersetzung von Frank Günther im Hof der Wiener Werkstätten in Graz, Herrengasse 13. Ersatztermine (bei Schlechtwetter): 5. Juli 2004 und 12. Juli 2004. Kartenreservierungen und Info unter 0316-21 45 45 oder http://www.theaterasou.at


Samstag, 10. 7. 2004 „Die Wirtin“ von Peter Turrini Der Graf von Forlinpopoli und der Marchese von Albafiorita werben um die Gunst der attraktiven Wirtin Mirandolina. Beide sind Gäste in ihrem kleinen feinen Gasthaus in Florenz, das sie gemeinsam mit dem Kellner Fabrizio führt. In einer Inszenierung des Sommertheaters der KI Kürbis Wies noch am Sa 10., Mi 14., Fr 16. und Sa 17. Juli, jeweils um 20.15 Uhr.
Informationen unter T 03465-7038 oder 0664-16 15 554


Samstag, 10.7. Theater Frohnleiten kämpft gegen Windmühlen Don Quichotte von La Mancha auf Burg Rabenstein/Frohnleiten von den Autoren Arthur und Elisabeth Fauquez, nach Motiven von Miguel de Cervantes in Aufführungen am 10., 16., 17., 29., 30. und 31. Juli, 1., 4., 5. und 6. August, jeweils um 20.30 Uhr (nur am 1. August um 19.30 Uhr) | Informationen unter 03126-2374


14. 7. Do Theatre aus St. Petersburg mit „Nonsense“ Im Rahmen des Tanztheaterfestivals 2004 der Internationalen Bühnenwerkstatt zeigt das Do Theatre zum letzten Mal seine Produktion Nonsens. Am 16. 7. folgt Kanazawa Butoh Kan mit Nyumin und am 17. 7. die Werkschau der Internationalen Bühnenwerkstatt. 1992 gegründet, ist die Internationale Bühnenwerkstatt ein Aktionsforum zur Entwicklung neuer künstlerischer Inhalte sowie Lehr- und Kommunikationsmethoden im Tanztheater. DozentInnen der diesjährigen Bühnenwerkstatt sind neben anderen Christina Medina (Can) für Modern Dance Coreographie, Moe Yamamoto (Japan) für Butoh oder Luigi Zola und Anastasia Ferrer (E, NL) für Tangotanztheater. Alle Veranstaltungen finden im Theater im Palais der Universität für Musik und Darstellende Kunst statt, Beginn ist jeweils um 21.00 Uhr. Kartenreservierungen unter 0316-32 10 34 | weitere Information unter www.buehnenwerkstatt.at


17. 7. | 20.30 | Alf Poier und „Mitsubischi“ Alf Poier spielt sein Programm „Mitsubischi“ nach eigenen Aussagen „bis es kaputt ist“, diesmal im Kulturhaus Straden. Mitsubischi ist ein orales Katastrophenprogramm in d-Moll und handelt von der allerletzten Suche. Informationen unter 0664-38 39 999


30. Juli bis 6. August: La Strada Internationales Festival für Straßen- und Figurentheater in Graz, bringt Überraschungen und Neuerungen, Publikumslieblinge der vergangenen Jahre und länderübergreifende Koproduktionen. Außerdem geht La Strada heuer erstmals in die Oper. Und zwar mit zwei exzellenten Produktionen, „Teatro Delusio“ aus dem Hause Flöz (Deutschland) und „Molière“ von Stuffed Puppet Theatre aus den Niederlanden. Weitere Informationen unter www.lastrada.at


5. und 6. August: Murenschalk und Gaukelei in Bruck/Mur 40.000 Menschen kamen im vergangenen Jahr zum Brucker Fest der Akrobatik und der Gaukelei. Die diesjährige Auflage beginnt am Donnerstag, dem 5. August, um 16.00 Uhr mit dem Kinderschalk auf dem Koloman-Wallisch-Platz, setzt fort um 18.00 Uhr mit Murenschalk in der Innenstadt und geht über in die Nacht des Feuers ab 21.00 Uhr. Der Freitag bringt Murenschalk ab 16.00 Uhr und ab 21.00 Uhr die Abendshow. Zahlreiche internationale Akrobaten – wie im Vorjahr eine Acapulco-Wassershow-Truppe – werden erwartet. Informationen unter 03862-890-121 und www.murenschalk.at


Die Freien Theater Steiermark im Juli und August: Im Rahmen der „Landsberger Sommernachtsspiele“ im Hof des Jugendgästehauses Deutschlandsberg spielt man Liliom von Franz Molnar. Das Theater im Kürbis spielt Peter Turrinis Die Wirtin in der Schlosstenne Burgstall. Das Internationale Festival für Straßen- und Figurentheater in Graz – La Strada – beginnt am 30. Juli und dauert bis zum 6. August. Das Theater im Keller spielt im Burggarten, die Theo-Studiobühne in Oberzeiring: Volles Programm unter www.dasanderetheater.at


Der Kinosommer im „augartenkino kiz“ Bis zum 5. August bringt das Grazer augartenkino kiz 88 Arthouse-Filme aus 70 Jahren Kino. Dazu die Stichworte: The Beatles, Ennio Morricone, Woody Allen, Richard Lester. Als Graz-Premiere zum Beispiel am Samstag, 17. Juli, um 20.00 Uhr American Splendor, ein Eintauchen in das exzentrische Universum des Sammlers und Dokumentaristen Harvey Pekar. Ab 6. August ist mit Michael Moores Fahrenheit 9/11 zu rechnen. Karten und weitere Informationen unter 0316-82 11 86


26. bis 28. 8. Comicodeon in Kapfenberg, das internationale Komikfestival Eine speziell für Comicodeon erstellte Show zur Langen Nacht der Clownerie, am 27. ab 20.00 Uhr bringt sechs Gruppen auf eine Bühne. Christian Hölbling wird die lange Nacht moderieren und spielt bereits am 26. um 20.00 Uhr sein neues Programm Helfried heiratet! Im Rahmen der Special-Events am 28. August fungiert Hölbling auch als Reiseführer der Comicodeon Pauschalreisen auf der Stadtrundfahrt durch Kapfenberg – so wie es ist. Und ebenfalls am 28. August, um 20.00 Uhr gastiert das Chaostheater Oropax aus Deutschland. Das alles im Kulturzentrum Kapfenberg und im (dummen) August. Nähere Informationen unter 03862-26 333 und www.comicodeon.at


Stipendium des Steirischen Volksliedwerks Das Steirische Volksliedwerk bietet Hilfe für Kinder und Jugendliche an, die in diesem Jahr an Volksmusik-Ausbildungswochen teilnehmen. Sie können im Steirischen Volksliedwerk um Stipendien ansuchen. Die Initiative Volksmusik-Stipendien wird durch das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und dem Veranstalterverband Österreichs unterstützt. Antragformulare können im Steirischen Volksliedwerk, Herdergasse 3, 8010 Graz | T 0316-877 2660 oder M info@steirisches-volksliedwerk.at angefordert werden. Weitere Informationen unter www.steirisches-volksliedwerk.at


Mittwoch, 14. 7. Jugend-Literaturwerkstatt im Literaturhaus Graz Ab 20.00 Uhr wird Das Beste aus der Sommerschreibzeit Graz präsentiert. Am 15. 7, ab 20.00 Uhr, folgen Lesungen aus der Reihe Crimeline und am 21. 7. nochmals die Jugend-Literaturwerkstatt ab 19.00 Uhr. Der August ist traditionell, weil schon zum zweiten Mal, sommerurlaubsbedingt veranstaltungsfrei, wie Sie es auch www.literaturhaus-graz.at entnehmen können.


Samstag 10. 7. | Leo Kysela & Band | Open Air am Präbichl in der Arena um 20.30 Uhr (bei Schlechtwetter im ‚Barbarasaal‘/Vordernberg) und am 29. Juli in Graz im ORF Landesstudio ab 20.00 Uhr (bei Schlechtwetter im Großen Sendesaal) plus Lesung von Lilian Faschinger. Weiteres unter www.kysela.at oder www.soul.at


 

Samstag, 10. 07. | Styriarte: Orgelfest In der Pfarrkirche St. Veit am Vogau ab 15.00 Uhr, die Quattro Stagioni um 20.00 Uhr in der Helmut-List-Halle und um 22.00 Jugend ohne Alter, ein Zaubermärchen in Wort und Klang im Grazer Burggarten. Das war aber nur der Samstag, das vollständige Programm der Styriarte finden Sie unter www.styriarte.com


Samstag, 10. 7. | „Carmen” um 20.30 Uhr bei Classics in the City im Landhaushof Graz. Bis zum 15. August warten die Classics – diesmal Herbert von Karajan gewidmet - mit 40 Klassik-Filmen, 1 Stummfilm, 6 Kid´s Classics Konzerten, 6 Young Classics Konzerten, 3 Konzerten mit Künstlern von AIMS, 3 Konzerten mit Künstlern aus Südafrika, den USA, Serbien, Spanien, 6 Blasmusikkonzerten, 3 Konzerten von Jugendbands (Musiker mit Behinderung) sowie 4 Bildpräsentationen der Malwerkstatt Graz (Künstler mit Behinderung) und etlichen weiteren Programmpunkten auf. Programmfolder im Landhaushof und bei Graztourismus, weitere Information unter www.classicsinthecity.at


Mittwoch, 14. 7. | 19.30 Uhr: Orange Die Jazz-Groove Band ORANGE präsentiert das neue Album „Hot Message“ im Generalihof (Graz). Das Markante an ORANGE ist der würzige Stilmix von nuancenreichen, jazzigen Tunes und Rhythmen wie House, New Orleans und Samba. Weitere Informationen über Orange finden Sie unter www.orangenet.at


Mittwoch, 14. 7. | Die Musik-Matineen 2004 auf Schloss Esterházy jeden Mittwoch, Donnerstag und Freitag bis zum 3. September, jeweils ab 11.00 Uhr. Es spielen das Schloss-Trio Eisenstadt, das Joseph Haydn-Streichquartett und Joseph Haydn-Brass.
Weitere Informationen unter www.schloss-esterhazy.at

 


Freitag, 16. 7. | THE MANHATTAN TRANSFER um 20.00 Uhr auf der Kasemattenbühne/Schlossberg. Dann aber und ebendort die wirkliche Joan Baez, nämlich am 17. Juli, ebenfalls um 20.00 Uhr. Es folgt von 31. Juli bis 3. August die Rocky Horror Show und am 4. August, um 20.00 Uhr kommen Jethro Tull auf die Kasematten. Karten im Vorverkauf gibt es bei Orpheum-Tickets, Zentralkartenbüro, allen Ö-Ticket-Verkaufsstellen und Die Eintrittskarte.


Donnerstag, 15. 7. | Sabina Hank Quintett um 20.30 Uhr Der Jazzsommer Graz am Mariahilferplatz spielt um 150.000 Euro mehr Musik. Pat Martino, Larry Coryell oder Chick Corea währen höchstwahrscheinlich auch um die Gage des Vorjahres gekommen. Jetzt dürfen aber auch Gansch & Roses, Muthspiel/Corea/Muthspiel und die Uni-Pros-Graz mitspielen. Das ganze Programm unter www.jazzsommergraz.at. Gehen Sie hin, Sie haben bereits bezahlt.


16. 7. | 20.30 Uhr: Attack im Wahnsinnsbeisl in der Gleisdorfer Bürgergasse. Eine Mischung aus Blues, Rock, Funk, Acid Jazz und Rap, vocal verstärkt durch Inez. Am 23. 07. gastieren GBJ um 20.30 Uhr in der Pizzeria David-Dieselkino. Zur WELLENBAD-Eröffnung am 10. Juli gibt es ein Badfestival mit Cafe Drechsler, Maurcher und Eldado ab 18.00 Uhr bei freiem Eintritt. Info unter 03172-2319-61 oder www.gleisdorf.at


 

9. – 21. 7. | EUROPA-FESTIVAL in Leoben Die 8. Internationale Sommerphilharmonie mit der Pannonischen Philharmonie in Leoben steht ganz im Zeichen der Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft. Weitere Informationen unter 03842-4062-289 und www.leoben.at


Freitag, 30. 7. | 20.00 Uhr | Roland Neuwirth der „Philosoph des Wienerliedes“, kommt mit den Extremschrammeln und alten und neuen Liedern aus fast 30 Jahren in die Grazer Brücke, Grabenstraße 39a. Details zum ungebremsten Sommerprogramm im August mit Musik und Kabarett unter www.bruecke-graz.com/navi/f_termine.htm


9. 8. bis 27. 9. Eggenberger Schlosskonzerte Am Montag, dem 9. August eröffnen die Eggenberger Schlosskonzerte – unter Leitung von Friedrich Kleinhappl - mit dem Tenor Johannes Chum, am Klavier begleitet von Dieter Paier und Liedern von Beethoven, Wolf und Britten. Weitere Termine am 16., 23. und 30. August, 6.,13., 20., 27. September. Alle Informationen unter http://steiermark.orf.at/vollendet


Einsendeschluß zum „Ring Award 05“ am 9. August 2004 Gerade vier Wochen bleiben Bewerbern noch, ihre Konzepte zum Internationalen Wettbewerb für Regie und Bühnenbild zur Mozartoper Le Nozze di Figaro einzureichen. Informationen unter www.ringaward.com


Orgelmusik zur Mittagsstunde Jeden Donnerstag bis zum 12. August, jeweils zwischen 11.45 und 12.00 Uhr, erklingen in der Grazer Stadtpfarrkirche MITTAGSTÖNE der besonderen Art von InterpretInnen wie Andrea Fournier, Valentina Longo, Matthias Maierhofer und anderen mehr. Wer und wann entnehmen Sie bitte www.kirchenkulturgraz.at


11. bis 21. 8. Internationale Jazz- und Tanz-Akademie in Maribor Bereits zum zweiten Mal findet die Internationale Jazz und Tanz – Akademie statt, diesmal zum Thema ART BLAKEY AND THE JAZZ MASSENGERS REPERTOIRE Maja Milenovi Workman hat zur Mitarbeit Patricia Zaretti aus Frankreich eingeladen, die modernen Tanz unterrichten wird sowie Tom McKie, einen anerkannten Hip-Hop Tänzer aus New York und Vlasta Veselko aus Maribor. Informationen unter www.music-dance-academy.info


„ÜBER DEN BERG“ – Wien-Mürzzuschlag-Triest 13 Stunden 4 Minuten Das 150-Jahr-Jubiläum der Ghega-Semmeringbahn, dem bekanntesten Teilstück der alten Südbahn von Wien nach Triest, ist Anlass für die Schaffung einer ständigen Eisenbahn-Erlebniswelt direkt am Bahnhof Mürzzuschlag. Jetzt hat Mürzzuschlag am Semmering einen Kulturbahnhof. Informationen unter www.kulturbahnhof.at

 

 

  GELESENES & ERLESENES


Ein Pionier der Moderne und der Demokratie
Seit der Dissertation von Dietrich Ecker vom Beginn der 80er Jahre und der Ausstellung des Historikers Heimo Halbrainer im Jahr 1998 rückt der steirische Architekt Herbert Eichholzer wieder verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Der 1903 in Graz geborene Eichholzer war der prononcierteste Vertreter der Architektur-Moderne in der Steiermark. Er brachte die Ideen Le Corbusiers – bei dem er 1929 als Volontär arbeitete – in seine Heimat. In den wenigen Jahren, die ihm als selbstständiger Architekt vergönnt waren, schuf er eine Reihe von für die Moderne der dreißiger Jahre exemplarischen Bauten: mehrere Mehr- und Einfamilienhäuser, eine Arbeitersiedlung in Judenburg, gemeinsam mit Rudolf Nowotny die Operngarage und die heute noch unverwechselbaren kubischen Häuschen am Ulrichsweg in Graz, Inneneinrichtungen, Möbel und sogar Spielzeug. Eichholzers emanzipatorische Lebensauffassung fand auch in seiner politischen Einstellung ihren Niederschlag: Als Sozialdemokrat, später als Kommunist war er ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Das kostete ihn 1943 das Leben: Als Widerstandskämpfer wurde er wegen Vorbereitung zum Hochverrat in Wien hingerichtet.

Die soeben erschienene Eichholzer-Monografie der Kunsthistorikerin Antje Senarclens de Grancy und des Historiker Heimo Halbrainer berücksichtigt in ausführlicher Weise beide miteinander eng verbundenen Aspekte des kurzen Lebens einer herausragenden steirischen Persönlichkeit.

Antje Senarclens de Grancy und Heimo Halbrainer: Totes Leben gibt es nicht. Herbert Eichholzer (1903-1943). Mit einem Vorwort von Friedrich Achleitner und einem Beitrag von Urs Hirschberg. Hrsg. von der Technischen Universität Graz. Springer-Verlag Wien New York 2004, ca. 240 S., brosch., EUR 25,00


Eichholzer in Abessinien
Zeitgleich zur Eichholzer-Monografie erscheint ein kleines Reisebuch mit Texten Herbert Eichholzers von seiner mit Künstlerfreunden unternommenen Abessinienreise 1925, die damals als Reiseberichte in der Tagespost veröffentlicht wurden. Ein Geleitwort von Heimo Halbrainer sowie ein ausführlicher Text der Historikerin und Afrikanistin Gabriele Anderl über den Mythos Abessinien runden den Band ab.

Herbert Eichholzer: Abessinische Reise 1925/26. Hrsg. Heimo Halbrainer. Graz: Clio 2004, 128 S., viele Abb., Broschur, EUR 12,00

KORSO verlost in Kooperation mit der Architektur-Fakultät der TU Graz 2 Exemplare des Buches „Totes Leben gibt es nicht. Herbert Eichholzer 1903-1943“ sowie in Kooperation mit dem Verein CLIO zwei Exemplare des Bandes „Abessinische Reise“ beim KORSO-Kulturquiz!


Das Leben und die Meinungen des kleinen Max
In der Nachfolge der französischen Enzyklopädisten und des aufklärerischen Schelmenromans à la Sterne kommt ein Büchlein daher, das vor allem zwischen den Zeilen gelesen werden will und laut Klappentext Produkt des „inneren Lebens“ von Bernhard Michael Pelzl ist, der in seinem „äußeren Leben“ als Prof. Bernhard Pelzl die Geschicke der Forschungsgesellschaft Joanneum Research leitet und unter anderem für die heurige Landesausstellung „Die Römer“ verantwortlich zeichnet. Die darin aufgezeichneten „Ideen des Maximilian minor“ – des kleinen Maxi – sind (um im literarischen Bild zu bleiben) ein Sammelsurium an Vorschlägen zur Verbesserung Mitteleuropas; viele davon befassen sich auf ironische Weise mit der Hauptprofession des vorgeblichen Herausgebers, nämlich mit der Vermittlung von Wissen. So schlägt der kleine Maxi etwa die Produktion von „Schauliteratur“ vor, welche den neuen Analphabeten die Weltliteratur in Form von Bildbänden, ja sogar – natürlich entsprechend gekürzt – als Diaserie näher bringen könnte. Die Idee der „Geschichtung“ – die Darstellung der Weltgeschichte als gigantische Anthologie bestehend aus Kapiteln historischer Romane – fällt ebenso unter die bahnbrechenden Ideen des Maximilian Minor wie die Erfindung des Bildradios, welches das ihm verhasste Fernsehen ersetzen könnte und etwa aus einem Radiointerview dank fortgeschrittener Computertechnik einen Film generieren könnte, der den Gesprächspartner im Bilde zeigen würde …

Bernhard Michael Pelzl: Das Lexikon der Ideen des kleinen Maxi. Graz: ManuMedia Schnider 2004, 224 S., ISBN 3-902020-25-3


Intellektuelle contra Castro
„Fünfzig Jahre nach der ersten Nummer von [der Literaturzeitschrift] Orígines und hundert Jahre nach Julián de Casals Tod scheint es noch immer unmöglich zu sein, in Kuba als Dichter zu leben“ meint Antonio José Ponte in seinem Aufsatz „Originestisches Zeremoniell und Teleologie der Insel“, der in die neue Ausgabe der Grazer Literaturzeitschrift „Lichtungen“ aufgenommen wurde. Der Schwerpunkt „Literatur aus Kuba“, angeregt vom im Graz lebenden kubanischen Autor Carlos Aguilera, beschäftigt sich mit den Schwierigkeiten, welchen regimekritische kubanische Intellektuelle und SchriftstellerInnen unter der Castro-Regierung ausgesetzt sind.

Beispielhaft für europäische Intellektuelle sollten die hohen Demokratieansprüche sein, die aus manchen Textauszügen sprechen. So konstatiert Rafael Rojas: „Die Wechselvarianten der Politik Castros in vierzig Jahren waren keine öffentlichen, sichtbaren Konstruktionen der kubanischen Staatsbürger, sondern Entscheidungen einer stets geheimen Staatsraison“ – eine Diagnose, die etwa auch auf den nicht vorhandenen europäischen Verfassungsdiskurs zutrifft. Manche der Beiträge wirken allerdings befremdlich: Der Vergleich zwischen dem Nationalsozialismus und der Entwicklungs-Diktatur der kubanischen KP, den José Aníbal Campos zieht, müsste, käme er von einem europäischen Autor, als plumpe Verharmlosung von Kriegsschuld und Shoa gedeutet werden. Bei einem lateinamerikanischen Schriftsteller mag er als historische Bildungslücke durchgehen – und vielleicht als Beweis für das schlechte castristische Schulsystem.

– cs –

Lichtungen Nr. 98, XXV. Jg./ 2004, Euro 4,50


Typisch steirisch
„A friendly alien“, und „sterz Feindschaft“: Zwei Neuerscheinungen, beide grafisch überaus gelungen, beide grundverschieden und beide dabei typisch steirisch. Das Buch über den „friendly alien“, herausgegeben von Dieter Bogner, dem für Konzeption und museologische Planung des neuen Kunsthauses Verantwortlichen, ist visuell außerordentlich ansprechend. Gestalter Alexander Kada und vor allem Paul Ott mit seinem Fotoessay repräsentieren das Kunsthaus in einer Schönheit, mit der die Realität schwer konkurriert. Der wertvolle Band beinhaltet den Wettbewerbsbeitrag der Architekten Peter Cook/Colin Fournier, Konstruktionsskizzen, Konzepte des Hausherren Peter Pakesch, der Camera Austria und vieles mehr – alles in bedenkenswerter Knappheit. Keine langen oder gar schwierigen Texte stören die schöne Selbstdarstellung. Der blau schimmernde Prachtband ist ein Event fürs Auge, das elegante Produkt einer seit dem Kulturhauptstadtjahr nachhaltig wirkenden Internationalität. Paris, Tokio, London ... Graz. Typisch steirisch eben.

Auch die Zeitschrift „Sterz“
ist typisch steirisch. Allerdings, abgesehen davon, dass schon der Name das Steirische im Programm hat, gewissermaßen spiegelverkehrt. An Stelle ritualisierter Internationalität tritt freistilartige Regionalität und statt eleganter, auf sich konzentrierte Textverhaltenheit gilt eine sich und den Rest der Welt abhandelnde Provinz: eine wildwüchsige, entritualisierte Plattform sowohl für Grafiker als auch für Schreibende, für Berühmte und Anfänger. Der vom Zeitschriftenmachen besessene Herausgeber Gernot Lauffer sorgt seit ungefähr 30 Jahren für die locker-aggressive und dabei monumentale Grafik des Großformates. Der Sterz ist sozusagen sein Gesamtkunst-Work in Progress. Das zeigen die ca. 90 bisher erschienenen Hefte, wenn man sie auf dem Boden ausbreitet. In barbarischer Großzügigkeit leuchtend summieren sie sich dann zu einer Art Glasfenster, das vielmehr weltliche als heilige Geschichten erzählt. Mit wahrer Tollkühnheit produziert der Einmannbetrieb Themenhefte, wobei die Leidenschaft gelegentlich mehr den Bildern als dem Redaktionellen gilt. Diesbezüglichen Vorwürfen begegnet Lauffer mit dem Hinweis auf eine Altersmüdigkeit, die ihm keiner abnimmt. „Feindschaft“ versammelt erstaunlich wenige politische, erstaunlich viel autoaggressive („Ich bin mein Feind“) und, wenn die Rechnung stimmt, einen historischen Text. Dazu einige Gedichte und wie immer viele Grafiken und Fotos. Namen werden hier keine genannt, da die Aufzählung weniger immer ungerecht gegenüber den vielen Ungenannten ist.

Mit „A friendly alien“ (EUR 32,50) und dem neuen Sterz Nr. 95/96 (EUR 8,60 Abonnement EU 21,50/Jahr) liegen jedenfalls zwei als Geschenk sehr geeignete und typisch steirische Druckwerke vor.

– Willi Hengstler –

KORSO verlost in Kooperation mit dem Kunsthaus-Shop zwei Exemplare des „friendly alien“ beim KORSO-Kulturquiz!


Der diskrete Charme der Bourgeoisie
Gegenentwürfe zum klassischen Feindbild des Bourgeois präsentiert der Stuttgarter Literaturwissenschafter Thomas Rothschild in einem Band des Wiener Promedia-Verlages: Die Bohème hatte den Bürger seit dessen frühem Verrat an den Idealen der Französischen Revolution kritisch im Visier. Zahlreiche Künstler von Carl Sternheim und Bertolt Brecht über Otto Dix und George Grosz bis Sergej Eisenstein und Luis Buñuel haben dem Bourgeois ein satirisches Denkmal gesetzt. Aber es gab in den Künsten auch stets Gegenentwürfe zum Bourgeois: den rebellischen „Narren“ (etwa Charles de Costers Thyl Ulenspiegel), den revolutionären Intellektuellen (etwa Ljutov in Isaak Babels Reiterarmee), die „Klassenverräterin“ (etwa Irmgard Keuns Gilgi), den kauzigen Außenseiter (etwa in Frank Capras Film You Can’t Take It With You), die mittellosen Aussteigerinnen (etwa in Alain Tanners Messidor), den klassenbewussten Arbeiter (etwa in den Filmen von Ken Loach). Auch die Rockmusik lässt sich, so Rothschild, als Gegenentwurf zur Welt der Bourgeoisie begreifen.

Thomas Rothschild: Das große Übel der Bourgeoisie. Über die 68er, gute Manieren und Kleiderordnungen, ferner über die Sozialdemokratie, über Charles de Coster, Isaak Babel, Irmgard Keun, Frank Capra, Alain Tanner und Ken Loach sowie über Rockmusik. ISBN 3-85371-217-7. Wien: Promedia, br., 144 Seiten, 9,90  KORSO verlost in Kooperation mit dem Promedia-verlag 5 Exemplare des Buches beim KORSO-Kulturquiz!


„Ruhig noch einen Mord einfügen“
Ist es vermessen Wolf Haas als einzigen Pop-Star unter den österreichischen Literaten zu bezeichnen? Werner Schandor hat das jedenfalls getan und im steirischen herbst 2003 eine Veranstaltungsreihe konzipiert, die diese Behauptung trefflich unterstützt hat. Um jetzt auch noch die letzten Zweifler überzeugen zu können, die offenbar keine Gelegenheit hatten an den Wolf-Haas-Tagen teilzunehmen, hat das Grazer Feuilletonmagazin schreibkraft die theoretischen Beiträge und einige Originaltexte von Haas in einem Sonderheft versammelt: Lesegenuss von höchster Qualität mit und über Wolf Haas.

schreibkraft, Heft 9, Brennermania | 6,- Euro, 64 S., ISBN:3-902106-04-2.
Im gut sortierten Buchhandel oder unter schreibkraft@gmx.at

KORSO verlost in Kooperation mit der „Schreibkraft“-Redaktion 3 Exemplare des Heftes beim KORSO-Kulturquiz!

 

 

Nachruf auf Kunst-Haus und Mur-„Insel“
ein Gespräch zwischen Jörg Nauer & Martin Will, aufgezeichnet von Jörg-Martin Willnauer

 

M.Will: Du willst dich über diese beiden abgetakelten Event-Fregatten äußerln? Fällt dir nix mehr ein?

J.Nauer: Es gibt wichtigere Themen, da hast du Recht. Aber beide Bauwerke sind schon jetzt Musterbeispiele verfehlter Kulturpolitik, quasi Denkmäler der Dummheit. Also heute zum ersten und letzten Mal ein paar Anmerkungen zum Doppel-Flop. Es wird höchste Zeit.

M.Will: Warum so eilig? Das Kunsthaus ist nagelneu und die Murinsel vom Verkauf weit entfernt.

J.Nauer: Die Mur-„Insel“ schwimmt keine 10 Jahre in Graz und das Kunsthaus wird in spätestens 40 Jahren abgerissen. Ich habe also – einen halbwegs vernünftigen Lebenswandel vorausgesetzt – gute Chancen, den Abbruch des Kunsthauses live zu erleben. Wetten?

M.Will: Angenommen, du hast Recht. Was ist daran so exemplarisch?

J.Nauer: Das hab ich mir gedacht. Du bist zu feig’, mein Wettangebot anzunehmen.

M.Will: OK. Die Wette gilt. Was setzt du ein?

J.Nauer: 12 Flaschen besten steirischen Weines, Jahrgang Kunsthaus-Abriss.

M.Will: Was macht dich so sicher, dass du gewinnst?

J.Nauer: Erstens: Die Mur-„Insel“ ist eine Fehlkonstruktion. Das so genannte „Amphitheater“ ist für Theater jedweder Art unbrauchbar. Hinter der „Bühne“ spazieren die Passanten vorbei, d.h. jede Aufführung wird von Spaziergängern nachhaltig gestört. Umgekehrt wär’s gegangen: Die Sitzreihen auf die Mariahilferseite, unter der höchsten Sitzreihe marschieren die Passanten durch und auf der Schlossbergseite ist die Bühne. Ganz nebenbei bezieht diese Lösung auch das richtige Bühnenbild mit ein: den Schlossberg. Versäumt. Herr Acconci ist ein Dilletant.

M.Will: Leuchtet ein. Und die Gastronomie?

J.Nauer: Dazu schweige ich.

M.Will: Aber die Mur-„Insel“ hat doch nicht nur Nachteile!?

J.Nauer: Stimmt. Im „Amphitheater“ können junge Leute aus unseren Nachbarländern ihre mitgebrachte Jause verzehren. Ohne Konsumzwang. Für Leute aus den neuen EU-Ländern mit schmaler Geldbörse ein großer Vorteil. Zudem ist und bleibt die Mur-„Insel“ der einzige garantiert autofreie Platz in Graz. Hier baut niemand eine Tiefgarage.

M.Will: Und das Kunsthaus?

J.Nauer: Event-Architektur. Hier wird die Verpackung zum Inhalt aufgeblasen. Peter Pakesch tut mir Leid. Wie soll man dort Ausstellungen adäquat organisieren? Stellwände kann ich auch in der Bahnhofshalle aufstellen. Die Rolltreppe schneidet die Räume mitten durch und macht sie fast unbrauchbar. Die Stiegenabgänge sind eines Provinzflughafens unwürdig. Und die besten Räume – paradoxerweise das alte Eiserne Haus – hat sich die „Camera Austria“ für ihr Archiv (!) gesichert. Das Café im Kunsthaus hat eine miserable Akustik, (vielleicht sponsert der Leiner mal ein paar Vorhänge) und im Kunsthaus-Schanigarten blasen dir die Autokolonnen ihre Abgase in den Kaffee. Oben, auf dem Dach des Eisernen Hauses wäre der richtige Platz fürs Café gewesen. Versäumt. Unabhängig davon ist die ständig erforderliche Reparatur der Lichtinstallationen so teuer, dass dem Kunsthaus bald das Licht ausgehen wird.

M.Will: Starke Argumente. Aber seit wann wird im Grazer Rathaus aufgrund von Sachargumenten entschieden?

J.Nauer: Bingo. Aber ein Argument schlägt alles andere in den Wind.

M.Will: Die leere Stadtkasse.

J.Nauer: Bingo. Und wenn der Abriss billiger wird als die Erhaltung, kommt die Spitzhacke. Amen.

 

 

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