04 / 2002
  Landesmuseum Joanneum: Euphorie und Erwartungen

Am Landesmuseum Joanneum beginnt die Ära Pakesch / Muchitsch. Die neue Leitung ist mit hohen Erwartungen konfrontiert.
 

LR Gerhard Hirschmann konfrontierte die neu bestellte LMJ-Leitung (li: Wolfgang Muchitsch, re: Peter Pakesch) mit hohen kulturpolitischen Erwartungen
 

Selten hat die Bestellung von Leitungsfunktionen im Wirkungsbereich des Landes – zumindest nach außen hin – so reibungslos funktioniert wie bei der Besetzung der LMJ-Leitung. Das liegt im gegenständlichen Fall wohl auch daran, dass die beiden bestimmenden politischen Kräfte die Posten mit jeweils einem ihnen nahe stehenden Kandidaten besetzen konnten – aber doch vor allem daran, dass mit Peter Pakesch als künstlerischem und Dr. Wolfgang Muchitsch als wissenschaftlichem Leiter zwei Persönlichkeiten bestellt wurden, deren fachliche und persönliche Eignung außer Zweifel steht.

Loyalität gegenüber der Sache
Die neue LMJ-Geschäftsführung sieht sich mit hohen Erwartungen von Seiten der Politik konfrontiert. Landesrat Gerhard Hirschmann, der seinen Wunschkandidaten Pakesch ("der richtige Mann am rechten Ort zur rechten Zeit") ebenso lobte wie Muchitsch ("keine politische, sondern eine exzellente fachliche Besetzung"): "Ich wünsche mir, dass ein Schatz gehoben wird und ein Frühlingserwachen stattfindet, ich erwarte mir offene Häuser – Orte der Kreativität, der Wissenschaft und der Begegnung – und dass wir die Steiermark kulturpolitisch wieder vor anderen Regionen platzieren können." Nicht politische Loyalität erhoffe er sich von der neuen LMJ-Führung, "sondern Loyalität gegenüber der Sache".

Ausgliederung als Chance
Die neue Leitung wird in unmittelbarer Zukunft ohnehin einige Bewährungsproben zu bestehen haben, die gleichzeitig als Chancen für die steirische Kulturpolitik zu begreifen sind: Die Ausgliederung des Joanneums aus der Landesverwaltung und seine Umwandlung in eine gemeinnützige GesmbH wird "größere Flexibilität ermöglichen, aber gleichzeitig auch den Erfolgsdruck erhöhen: Wir werden Bilanz legen und uns einer Evaluierung stellen müssen", betont Muchitsch im KORSO-Gespräch. Von manchen Seiten geäußerte Ängste, dass die 'Privatisierung' des Landesmuseums unter anderem auch einen schleichenden Ausverkauf der Bestände – zum Beispiel des Bild- und Tonarchivs – nach sich ziehen könnte, teilt Muchitsch nicht: "Allerdings würde ich mir wünschen, dass das Bild- und Ton-Archiv beim Landesmuseum verbleibt, damit wir der Verantwortung gegenüber der Sammlung gerecht werden können." Der neue wissenschaftliche Leiter setzt auch auf mehr Dezentralisierung: "Wenn etwa Leoben jetzt ein neues Stadtmuseum bekommt, dann ist es unsere Aufgabe eine enge Zusammenarbeit anzustreben." 

Herausforderung Kunsthaus
Wohl eines der stärksten Argumente für einen künstlerischen Leiter Peter Pakesch war die  Herausforderung, die mit dem Betrieb des neuen Kunsthauses auf das LMJ zukommt. Als umtriebiger Avantgardist seit seinen Forum-Stadtpark-Tagen, international tätiger Ausstellungs-Macher und Leiter der Kunsthalle Basel seit 1996 bringt Pakesch alle Voraussetzungen für die Führung einer Location mit, der er "eine klare Identität als Ort zeitgenössischer Kunst“ verleihen will. Das Kunsthaus solle weniger retrospektiv wirken, sondern vor allem aktuelle Strömungen aufgreifen und präsentieren, es sei durchaus möglich, „dass erste Projekte von außen kommen". Pakeschs Statement trug eine sehr persönliche Note: Die Heimkehr nach Graz sei für ihn mit jener Ambivalenz ausgestattet, die einer "Rückkehr zur eigenen Jugend" naturgemäß innewohne …

Umfangreiche Investitionen
"Ein Kulturprojekt mit europäischer Dimension" will LR Hirschmann im kommenden Jahrzehnt aus dem Landesmuseum machen; das soll sich auch in den Investitionen niederschlagen. Insgesamt 36 Mio Euro sollen bis 2011 in die Infrastruktur fließen. Die größten Brocken: Schloss Stainz (3,9 Mio), das Volkskundemuseum (2,9 Mio, Wiedereröffnung 2003) und die Neue Galerie (1,45 Mio).

Christian Stenner

 
APRIL-AUSGABE
KUNST /KULTUR / 2003