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Graz 2003: Kultur
der leeren Kassen?
Neun Monate vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres
beginnt die Stadt Graz die Förderungen für unabhängige Kulturinitiativen
massiv zu kürzen. 2003 kommt für viele freie KünstlerInnen „wie
eine kulturelle Dampfwalze daher, Graz vergleicht sich in einem
Werbespot mit New York anstatt regionale Kultur zu fördern“ (Rezka
Kanzian, Werkraumtheater). Bei einer Podiumsdiskussion stellten
sich die KultursprecherInnen der Grazer Stadtparteien der Kritik
der Kunstschaffenden, die sich fragen, wie es nach 2003 weitergehen
soll.
Anne-Marie Leb (ÖVP) bekannte sich
grundsätzlich zur Unterstützung der innovativen „Freien“ („Das
Experiment muss gefördert werden“), traf mit ihren konkreten Ratschlägen
(„Die Szene soll sich doch überlegen, wie sie die neuen tollen
Bauten nach 2003 erobern kann“) im Publikum aber eher auf Unverständnis:
„Sollen wir sie für 3000 E am Tag mieten?“ Woher nach 2003 das
Geld für die laufenden Kosten der neuen Bauten – Stadthalle, Kunsthaus,
Helmut-List-Halle, Murinsel etc.) kommen soll, ist mehr als ungewiss.
Anton Lederer, Obmann des Kunstvereins Rotor, rechnet
mit durchschnittlich 8,7 Mio E pro Jahr. Gemeinderätin Elke
Kahr von der KPÖ ist überzeugt, dass mit dem Verkauf der Stadtwerke
dieses Geld hereingebracht werden soll. Für sie fördert 2003 hauptsächlich
Marketing und Tourismus, „es geht kaum um Inhalte und Kunst, die
Kritik übt und damit Utopien entwirft. 2004 werden wir leere Kassen
haben.“
360.000 € weniger für Kulturvereine
…
Da die Budgetsituation der Stadt bereits
jetzt angespannt ist, bekommen alle Kulturvereine lediglich 85%
des ihnen bereits zugesagten Geldes, die restlichen 15% sollen
später ausgezahlt werden. Für die 20 freien Theatergruppen in
Graz, die von der Stadt Graz 10 Millionen S und vom Land 5 Millionen
pro Jahr bekommen, bedeutet das 1,5 Millionen S weniger. Dazu
kommt, dass es in Graz keinen Veranstaltungsort mehr gibt, wo
die freien Gruppen, die kein eigenes Haus haben, zu leistbaren
Bedingungen spielen könnten. Hermann Candussi (Grüne) und
Ilse Reinprecht (SPÖ) traten für eine Öffnung der großen
Häuser – der Oper und des Schauspielhauses – zu einem akzeptablen
Preis für die freie Szene ein. Leb verteidigte den Sparkurs, „der
alle betrifft, auch die Vereinigten Bühnen müssen mit Kürzungen
zurecht kommen, sie erhalten nur mehr 40% des Kulturbudgets“.
Obwohl etwa das Schauspielhaus allein 35 Millionen pro Jahr (von
Stadt und Land) bekommt, hält Andrea Dörres von der Plattform
„Das andere Theater“ es nicht für sinnvoll, wenn freie Gruppen
und Schauspielhaus gegeneinander agieren. „Längerfristig geht
es darum, Synergien zu bilden, damit das breite Angebot für alle
am Theater Interessierten erhalten bleibt.“
… 730.000 € für’s Café Sacher
Es wird aber nicht überall gespart: Allein
die Summe, die Graz für die Adaptierung des Erdgeschosses jenes
Hauses am Hauptplatz ausgegeben hat, in welches das Café Sacher
einziehen wird, ist doppelt so hoch wie die Einsparungen, die
durch die Subventionskürzungen bei den Kulturvereinen erzielt
werden (360.000 E, die Adaptierung hat 730.000 E gekostet). Während
Helge Endres (FPÖ), Vorsitzender des Kulturausschusses des Gemeinderates,
den anwesenden KünstlerInnen erklärte, dass „der steinige Weg
der richtige“ sei, schlug Candussi ihnen vor, 2003 in einen 8-wöchigen
Generalstreik (das sind genau 15% des Jahres) zu treten – ein
Vorschlag, der von Leb heftig abgelehnt wurde: „Ich bin nämlich
gegen Gewalt“. Ilse Weber (ISC Labor) fasste die Situation so
zusammen: „Die verantwortlichen PolitikerInnen hören nicht zu,
es gibt keine Auseinandersetzung.“ rs
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