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  Die korso – Sonderausgabe für sozial Tätige und Engagierte
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IKÖF: Die Obersteiermark öffnet sich – und nutzt das Potenzial „ihrer“ MigrantInnen

 

   

Multi-Kulti spielt sich nicht nur in den städtischen Zentren ab – gerade die obersteirischen Industrieorte haben eine lange Tradition der Zuwanderung. Dort gab es schon während der Monarchie Gastarbeiter vor allem aus den slawischen Teilen des Vielvölkerstaates, die sich dann dort auch niederließen.

Diese Tradition ist ungebrochen und hat sich in den letzten Jahrzehnten mit den Folgen des Zusammenbruchs des ehemaligen Ostblocks und der Kriege am Balkan wieder verstärkt – mit den üblichen Folgen. „Die MigrantInnen machen vor allem jene Jobs, für die sich kein/e ÖsterreicherIn findet; die Potenziale der Menschen bleiben ungenutzt. Dabei haben viele von ihnen eine solide Ausbildung in ihrem Herkunftsland absolviert“, sagt Mag. Silvia Göhring von der ISOP (Innovative Sozialprojekte) GesmbH, Koordinatorin der Initiative „IKOEF“ (Obersteirische Initiativen zur interkulturellen Öffnung der Region) im Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL.

Silvia Göhring, ISOP: Der Qualifikationspass macht die Potenziale und Kompetenzen der MigrantInnen sichtbar

Die tatsächliche Arbeitsmarkt- und Beschäftigungssituation von MigrantInnen in der Obersteiermark zu durchleuchten, die Dequalifizierung zu untersuchen, der die meisten von ihnen unterworfen sind, wenn sie in Österreich eine Arbeit annehmen, und Gegenstrategien zu entwickeln – das waren zwei Schwerpunkte der Initiative, die ihre Tätigkeit 2002 aufgenommen hat und mit September 2005 abgeschlossen wird. Ein dritter Arbeitsbereich von IKOEF war die Beratung von Institutionen und Einrichtungen der Region, was den Umgang mit interkulturellen Situationen betrifft.

Gründe für den Migrations-Karriereknick
Die Studie des Sozialwissenschafters August Gächter „Bildung und Beruf in der Obersteiermark – eine Studie zur Beschäftigungssituation von ZuwanderInnen“, die im Auftrag von IKOEF erstellt wurde, hat wenig überraschende Ergebnisse erbracht – und doch war es zum ersten Mal, dass wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass über 40% der ausländischen ArbeitnehmerInnen in Tätigkeiten weit unter ihrem Qualifikations- und Kompetenzniveau arbeiten – je nach Altersgruppe und Geschlecht zwischen 15 und 28 Prozentpunkte mehr als bei den Beschäftigten österreichischer Herkunft. Welche Gründe gibt es für diesen migrationsbedingten „Karriereknick“?

Bgm. Siegfried Schafarik, Knittelfeld: Die Stadtgemeinde Knittelfeld soll ein Ort werden, wo Wege zu einem funktionierenden kulturellen Miteinander gefunden werden können.

„Bei der Befragung – insgesamt wurden 2500 Personen interviewt – konnten einige zentrale Ursachen für die Dequalifizierung herausgefunden werden“, sagt Göhring. Bei den schon länger hier Ansässigen dürften die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eine zentrale Rolle gespielt haben, die eine Tätigkeit nur in solchen Berufen erlaubten, in welchen Mangel an österreichischen Arbeitskräften herrschte – in der Hauptsache Hilfsarbeitertätigkeiten. Der zweite Grund liegt oft in mangelnden Sprachkenntnissen, die auch eine Barriere für solche Jobs darstellen, für die sie eigentlich gar nicht erforderlich wären. Weiters wird von ZuwandererInnen oft gar nicht angenommen, dass sie über irgendwelche verwertbaren Qualifikationen verfügen könnten. Und schließlich gibt es mangels Wissen über die ausländischen Bildungssysteme oft große Unsicherheiten, was den Wert einer „mitgebrachten“ Ausbildung betrifft.

Mit dem Qualifikationspass gegen Job-Barrieren
In einer weiteren IKÖF.-Studie („Über die Potenzialanalyse zur Requalifizierung“) werden einige Fälle aufgelistet: Ein bestens qualifizierter Schlosser aus Bosnien arbeitete 8 Jahre als Betonierer bei diversen Baufirmen, eine diplomierte Technikerin aus der Slowakei fand zunächst gar keinen Job, und ein studierter Wirtschaftswissenschafter aus Rumänien arbeitete in Österreich fünf Jahre als Lager- und sieben als Produktionsarbeiter.

Übergabe des Qualifikationspasses – ein wichtiger Schritt gegen die berufliche Dequalifizierung

Ein zentrales Anliegen von IKÖF war es, die formell und informell erworbenen Kompetenzen „sichtbar“ zu machen, um den Betroffenen die bittere Erfahrung der Dequalifizierung zu ersparen und gleichzeitig neue Potenziale für die Wirtschaft zu erschließen. „Mit Hilfe von insgesamt 44 ähnlich gelagerten „Fällen“ wurde ein ,Validierungsinstrument‘, eine Art individueller Evaluierung, entwickelt: Wir sind dabei von einem berufsbezogenen Interview ausgegangen, das mit dem Lösen von praktischen Aufgaben verbunden war. Ebenso evaluiert wurden Schlüsselqualifikationen und Sprachkenntnisse, das Ergebnis wurde nach einem schwedischen Vorbild in einem so genannten „Qualifikationspass“ zusammengefasst“, berichtet Göhring.

Die Obersteiermark nimmt die interkulturelle Herausforderung an
Am dritten Schwerpunkt der Initiative nahmen schließlich ca. 15 Einrichtungen und Institutionen teil, die in ihrer Tätigkeit interkulturell gefordert sind – vom Bürgerbüro der Stadtgemeinde Kapfenberg über mehrere Regionalstellen des Arbeitsmarktservice und das Schulungszentrum Fohnsdorf bis zum bfi. Geboten wurden Beratung und Begleitung bei der interkulturellen Öffnung der Organisation, Hilfe bei der Erarbeitung von interkulturellen Qualitätsstandards sowie interkulturelle Mediation für aktuelle Konfliktsituationen; Entwicklung und Durchführung interkultureller Trainings für die interne Weiterbildung der Organisationen.

Sprachkenntnisse sind ein wichtiger Faktor bei der Jobsuche

Die Motive für die Teilnahme der Gemeinden an diesem Programm bringt der Knittelfelder Bürgermeister Siegfried Schafarik auf den Punkt: „Angesichts der demografischen Prognosen, die für unsere Region einen merkbaren Bevölkerungsschwund, verbunden mit einem steigenden Anteil an alten Menschen voraussagen, sind unsere ausländischen Mitbürger eine Bereicherung für unsere Stadt und der in ihr gelebten kulturellen Vielfalt, die noch viel zu wenig geschätzt wird. Die Stadtgemeinde Knittelfeld soll ein Ort werden, an dem Wege zu einem funktionierenden interkulturellen Miteinander gefunden werden können.“

Christian Stenner

Weitere ausführliche Informationen zu IKÖF finden Sie unter www.ikoef.at

Die finanzielle Koordination wurde von der Stadtgemeinde Kapfenberg getragen, die inhaltliche von der ISOP GesmbH. Strategische Partner waren die Stadtgemeinden Leoben und Knittelfeld, die territorialen Beschäftigungspakte Obersteiermark Ost und West, das Arbeitsmarktservice Steiermark, der ÖGB und die Wirtschaftskammer Steiermark; operative Partner waren das Zentrum für Soziale Innovation, das Schulungszentrum Fohnsdorf, das bfi Steiermark, ISOP-Innovative Sozialprojekte, die BAB Unternehmensberatung GmbH und die BIG Personalleasing GmbH.

 

 

Diskriminierung geht uns alle an

 

   

Es kommt leider noch immer häufig vor, dass die Menschen wegschauen und es einfach ignorieren, wenn Diskriminierung stattfindet – und das obwohl es seit einem Jahr in Österreich Gesetze gibt, die gegen Diskriminierung schützen. Dass die „Anderen“ durch gesetzliche Regelungen geschützt werden müssen, ist keine Auszeichnung für unser gesellschaftliches Selbstverständnis. Rechtsvorschriften sind nur eines der Instrumente im Kampf gegen Diskriminierung. Viel wichtiger ist ein nachhaltiges gesellschaftliches Umdenken. Toleranz, Wertschätzung und Respekt gegenüber jenen, die schwächer oder in der Minderzahl sind, muss zur Selbstverständlichkeit werden!

Aber: Recht schafft gesellschaftliche Realität, und kann Anstoß für einen positiven Bewusstseinsprozess sein. Eine Bestandsaufnahme, aber auch die Möglichkeit für Betroffene mitzureden, gibt die von EU und BMWA unterstützte Tagung

> „Diskriminierung im Spannungsfeld von Gesetz und Gesellschaft“
>
am 8. Juli 2005 von 9 Uhr bis 13 Uhr im Universitätszentrum Wall, Merangasse 70

 

Kritik an Missachtung der Kinderrechte
im Asylgesetz!

 

   

Von Seiten der Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs erhebt sich vehemente Kritik an der Schubhaft für Kinder und Jugendliche, die dann entstehen kann, wenn zwei europäische Staaten über die „Zuständigkeit“ für dieses Kind streiten: Diese Regelung widerspricht der UN-Konvention über die Rechte des Kindes, die in Österreich im Rang eines einfachen Gesetzes steht und gerne als „erfüllt“ bezeichnet wird.
Österreich ist demnach verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Kinder vor Diskriminierung oder Bestrafung zu treffen. Das Wohl des Kindes ist zu berücksichtigen und minderjährigen Asylwerbern Schutz zu gewähren. Daher fordern die Kinder- und Jugendanwaltschaften: „Eine Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen darf grundsätzlich nicht in Betracht gezogen werden, weder wenn diese Minderjährigen sich allein in Österreich aufhalten, noch wenn sie sich in Begleitung ihrer Eltern befinden.“

Infos: kinder+jugendanwaltschaft des Landes Steiermark, Stempfergasse 8/III, 8010 Graz
T 0810-500-777 | M kija@stmk.gv.at | www.kinderanwaltschaft.at


 

Arbeitsmarkt: Wohin mit den Älteren?

 

   

Während die Konjunkturentwicklung hinter den Prognosen einherhinkt und von 2004 auf 2005 nicht einmal die ursprünglich vorausgesagten 2,2 Prozent Wachstum erreicht werden, die ihrerseits gerade dafür ausreichen sollten, die Arbeitslosenrate konstant zu halten, wächst das Angebot an potenziellen Arbeitskräften durch die Erhöhung des Pensionsantrittsalters. Damit kommt eine Reihe neuer Herausforderungen auf das Arbeitsmarktservice zu.

Die Arbeitsmarktstatistiken für die Steiermark sind – nach einem guten Jahr 2004 – wenig erfreulich: Die Arbeitslosigkeit ist von April 2004 auf April 2005 um 5 Prozent oder 1537 Personen gestiegen, besonders auffallend dabei ist, dass die Arbeitslosenrate bei Männern über 50 sogar um 9,5% angewachsen ist (bei Frauen um 6,5%); 3511 Männer und 1988 Frauen dieser Altersgruppe sind derzeit in unserem Bundesland arbeitslos.

Hoffnungsschimmer
„Dieser Anstieg hat vor allem damit zu tun, dass jene sozialen Gruppen, die es ohnehin am Arbeitsmarkt schwerer haben, ganz besonders betroffen sind, wenn es enger wird“, sagt Mag. Karl Heinz Snobe, Landesgeschäftsführer des Arbeitsmarktservice. Dennoch sei der auf den ersten Blick frappierende Zuwachs der Arbeitslosigkeit bei Älteren ein wenig zu relativieren. „2004 war die Arbeitsmarktentwicklung in der Steiermark wesentlich günstiger als in den anderen Bundesländern und gerade bei den Älteren war im vergangenen Jahr ein Rückgang der Arbeitslosenquote um 9,4% zu verzeichnen, also signifikant mehr als im Durchschnitt, wo der Rückgang bei 4,1% lag.“

AMS-Landesgeschäftsführer Karl Heinz Snobe: Implacementstiftung für Ältere zeigt überraschend große Erfolge.

Ein Hoffnungsschimmer liege darin, dass die Zugangszahlen in Arbeitslosigkeit in den Monaten März und April 2005 nicht höher lagen als in den Vergleichsmonaten des Vorjahres. „Wir haben aber einen ,Rucksack‘ vom Dezember 2004 und vom Jänner und Februar dieses Jahres, der daher rührt, dass es im Bausektor eine schwierige Situation gab und Fremdenverkehr und Handel nicht so ,angezogen‘ haben wie erwartet – und diesen Rucksack können wir aufgrund der nicht anspringenden Konjunktur und der nach wie vor schwachen Inlandsnachfrage nicht abbauen.“

Drohende Langzeitbeschäftigungslosigkeit
Bleibt die Frage, worauf der Wiederanstieg der Arbeitslosenrate bei älteren ArbeitnehmerInnen zurückzuführen ist: Hängt dies mit dem allgemeinen Rückgang an Vollzeitarbeitsplätzen zusammen oder tauschen Unternehmen gezielt ältere ArbeitnehmerInnen gegen jüngere aus? Snobe: „Um das eindeutig festzustellen sind die Zahlen einstweilen noch nicht aussagekräftig genug; gegen die zweite Annahme spricht allerdings, dass auch bei den Jungen ein relativ signifikanter Anstieg der Arbeitslosigkeit festzustellen ist. Und natürlich geraten Ältere leichter in die Gefahr, in die Langzeitbeschäftigungslosigkeit abzugleiten. 25% der beim AMS vorgemerkten Personen ist langzeitbeschäftigungslos, und unter diesen sind überproportional viele Ältere.“

Die überwiegende Anzahl der Anträge auf vorzeitige Alterspension oder Invaliditätspension wird derzeit abgelehnt – die Betroffenen bleiben dem Arbeitsmarkt erhalten.

Erfolgreiche Implacement-Stiftung
Zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt hat das AMS ein Produkt von überraschend hoher Wirksamkeit entwickelt: Die Implacementstiftung für Ältere. Im Gegensatz zu anderen Implacement-Maßnahmen, die ausschließlich von einer zu besetzenden freien Stelle ausgehen, steht bei der Stiftung für Ältere zunächst die Nutzbarmachung der Potenziale des Stiftungsteilnehmers/der Stiftungsteilnehmerin im Mittelpunkt. „Wir versuchen zunächst in einer Orientierungsphase die individuellen Stärken der einzelnen TeilnehmerInnen ausfindig zu machen und diese zu verstärken“, erklärt Snobe. Darauf aufbauend werden dann gezielte, individuell abgestimmte Qualifizierungsmaßnahmen gesetzt. „Gleichzeitig reden wir mit den Betrieben um herauszufinden, an welcher Stelle das Potenzial, das der/die ältere Arbeit Suchende mitbringt, am nutzbringendsten für das Unternehmen einsetzbar ist. Die meisten älteren ArbeitnehmerInnen zeichnen sich durch Erfahrung und Stressresistenz aus – das gleicht die vordergründig höhere Leistungsfähigkeit eines Jüngeren unterm Strich oft aus und rechtfertigt im einen oder anderen Fall sogar eine kleine Änderung der Arbeitsorganisation, um den neuen Arbeitnehmer oder die neue Arbeitnehmerin seinen/ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechend einsetzen zu können.“ Über die Zuweisung in die Stiftung entscheidet im jeweiligen Fall der/die zuständige AMS-BeraterIn. Wegen der relativ hohen Kosten dieser Maßnahme ist sie geografisch auf Teile der Obersteiermark, den Grazer Raum und die Südsteiermark begrenzt.
Der Erfolg der Implacementstiftung für Ältere kann sich sehen lassen: Im Schnitt betrug die Reintegrationsquote in den Jahren zwischen 1999 und 2005 57,80%, im Großraum Graz sogar an die 60%.
Snobe: „Wir hatten teilweise überraschende Erfolge – so hat etwa ein 58-Jähriger, der zwei Jahre lang erfolglos auf Arbeitssuche war, über die Implacement-Stiftung wieder einen Job gefunden.“

Weitaus überwiegende Anzahl der vorzeitigen Pensionsanträge wird abgelehnt
Durch die gesetzliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit werden neue Probleme auf das den Arbeitsmarkt und damit auf das AMS zukommen. Durch das Verbleiben der Älteren am Markt wird’s dort noch enger werden und zudem müssen heute auch ältere Arbeitslose, die seinerzeit schon in Pension gehen konnten, weiterhin vermittelt werden. Snobe ortet bereits zwei Effekte durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen: „Es ist klar zu erkennen – und das sagen uns auch die Unternehmen –, dass junge Leute jetzt mehr Schwierigkeiten haben unterzukommen; zum anderen beginnen sich die Betriebe mit der Situation auseinander zu setzen und sich darauf einzustellen, dass ihnen ihre MitarbeiterInnen länger erhalten bleiben.“
Eine weitere Änderung ist bei der Behandlung der Anträge auf vorzeitige Alterspension oder Invaliditätspension festzustellen: Die weitaus überwiegende Anzahl dieser Verfahren wird gegen den Antragsteller / die Antragstellerin entschieden, weiß Snobe; ein neuerlicher Antrag ist dann erst wieder nach einem Jahr möglich.

Arbeiten bis zum letzten Atemzug?
Noch ein wenig ratlos ist man beim AMS, was eine weitere Auswirkung der neuen Pensionsregelung betrifft. „Im Zuge der Pensionsreform ist die Möglichkeit der vorzeitigen Alterspension bei langer Arbeitslosigkeit eliminiert worden“, sagt AMS-Experte Wilhelm Graffelner. Bei strikter Auslegung der 45-Beitragsjahre-Untergrenze für den Pensionsantritt könnte es dann dazu kommen, dass ein/e AkademikerIn, der/die erst mit 25 Jahren – manche/r vielleicht sogar später – regulär zu arbeiten begonnen hat (Studentenjobs unter der Geringfügigkeitsgrenze zählen dabei ja nicht), dann bis 70 oder länger beim AMS „in der Warteschleife“ hängt – und natürlich, so lange er arbeitsfähig ist, auch vermittelt werden muss. Damit rückt besonders für all jene, die eine längere Ausbildung absolviert haben, das Pensionsantrittsalter sehr nahe an die statistische Lebenserwartung heran.

Fraglich bleibt, ob diese ohnehin wenig erfreuliche Perspektive nicht einfach durch die Realität des Arbeitsmarktes konterkariert wird. Denn: Während es vor kurzer Zeit noch geheißen hatte, dass dank der demografischen Entwicklung das Angebot und die Nachfrage nach Arbeitskräften sich bereits 2008 die Waage halten würden, haben Wirtschaftsexperten dieses Datum nun um weitere vier Jahre in die Zukunft gerückt. Hinzuzufügen wäre dem wohl noch, dass ohne eine entschlossene Politik der steuer- und sozialrechtlichen Harmonisierung auf EU-Ebene auch 2012 die Arbeitsmarktsituation nicht viel anders aussehen wird als heute.

Christian Stenner

 

 

Zuschüsse für psychologische Behandlung und Psychotherapie für Kinder und Jugendliche: Um Lösungen wird gerungen

 

   

Problematische Familiensituationen, soziale Verwerfungen, Schulstress, Abhängigkeitserkrankungen … immer wieder geraten Kinder und Jugendliche in Situationen, die eine Psychotherapie oder eine psychologische Behandlung nötig machen. Land und Gemeinde übernehmen die Kosten, wenn z.B. ein/e SozialarbeiterIn eine Notwendigkeit für eine therapeutische Behandlung sieht und diese von einem Amtspsychologen bestätigt wird. Neben dieser behördlichen „Maßnahme“ sieht das steiermärkische Jugendwohlfahrtsgesetz aber zusätzliche eine niederschwellige Möglichkeit des Zugangs zur Psychotherapie oder zur psychologischen Behandlung vor – so können sich z.B. Eltern direkt an eine/n Psychologen/in oder Psychotherapeuten/in wenden, der/die dann entscheidet, ob eine Therapie nötig ist.

Psychologische Betreuung für Kinder und Jugendliche soll weiterhin gewährleistet bleiben

Kein Rechtsanspruch mehr
Bis jetzt gab’s auch in diesem Fall – Psychotherapie oder psychologische Behandlung als „sozialer Dienst“ – einen Rechtsanspruch auf Zuschuss durch die öffentliche Hand. Mit der Novelle zum Jugendwohlfahrtsgesetz vom Beginn dieses Jahres wurde dieser Anspruch abgeschafft und durch eine „Kann-Bestimmung“ ersetzt; gleichzeitig wurde die bisher gültige soziale Staffelung des Selbstbehaltes abgeschafft, den die Eltern tragen müssen und der derzeit bei 4 Euro pro Stunde für die psychologische Behandlung und bei 7 Euro für die Psychotherapie liegt. Soziallandesrat Dr. Kurt Flecker erklärt die Notwendigkeit dieser Einschränkung mit der Notwendigkeit der Kostenkontrolle, da es in manchen Bereichen zu einer Über-Inanspruchnahme gekommen sei.

Ein Grazer Problem
Während in den Bezirken außerhalb von Graz sich durch den Übergang vom Anspruch zur Kann-Bestimmung kaum etwas geändert hat und die Genehmigung von Therapien weiterhin recht liberal gehandhabt wird, sieht die Situation in Graz weniger rosig aus: Wegen der Budgetprobleme der Stadt wurde der Zuschuss von Juni 2005 bis Jänner 2006 vorerst gestrichen. Auch wenn Flecker darauf hinweist, dass „im Fall einer notwendigen Therapie immer der Weg der Maßnahme beschritten werden kann“, so meint er doch: „Eine freiwillige Leistung generell nicht zu gewähren halte ich für problematisch.“ Nachsatz: „Als Kompromiss wäre die Einführung bestimmter Regeln für die Anwendung der Kann-Bestimmung denkbar.“

Kein Kind verliert einen Therapieplatz
Auch für Dr. Philip Streit, Landesprecher des steirischen Berufsverbandes der Psychologinnen und Psychologen, ist die Gewährung des Zuschusses zu psychologischer Behandlung und Psychotherapie im Rahmen der Sozialen Dienste ein wichtiges präventives Instrument. „Es gibt einen großen Bedarf für dieses niederschwellige Angebot, das sagen uns auch viele Eltern und SozialarbeiterInnen. Außerdem werden dadurch oft teure Folgekosten vermieden, wie die praktische Erfahrung zeigt.“ Streit betont zugleich, dass durch die Maßnahmen der Stadt entgegen anders lautenden Meldungen kein Kind einen Therapieplatz verliert. Für die Zukunft setzt Streit auf Gespräche mit der Stadtregierung. „Wir brauchen eine von allen politischen Kräften getragene Lösung, die Kindern und Jugendlichen in Schwierigkeiten auch finanzielle Priorität gibt“.

Christian Stenner

 

Golden Agers, Marketing und aktives Alter
   

„Geiz ist geil!“ lautet die Devise nach dem Ende der fetten Jahre der „New Economy“ und des Internet-Hypes. Während die jüngere Generation in Zeiten stagnierender Löhne den Gürtel beim Konsum angeblich immer enger schnallen muss, um für private Altersvorsorge oder die Finanzierung des Eigenheims etwas auf die Seite zu legen, finden gerade ältere Menschen immer mehr Gefallen am Geldausgeben für ihre eigenen Bedürfnisse.

Nur gängige Klischees?
Nicht ganz: Die Vertreter der geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge befinden sich z.T. schon im Ruhestand bzw. sind nicht mehr allzu weit davon entfernt. Vor allem jedoch scheinen sie fester entschlossen als noch ihre eigene Elterngeneration, sich auch im Alter etwas zu gönnen. Das Zusammenspiel zwischen steigender Lebenserwartung und gleichzeitig sinkendem Pensionsantrittsalter hat das „dritte Lebensalter“ geschaffen.

Nur mehr etwa 30% der Über-55-Jährigen stehen in Österreich im Erwerbsleben, und bei weitem nicht alle davon nagen am Hungertuch. Diese Entwicklung hat eine Vielzahl tiefgreifender sozialpolitischer und ökonomischer Konsequenzen: Die „Golden Agers“, die über sowohl über Geld als auch Freizeit verfügen, rücken in das Visier der Werbewirtschaft. In Europa reagiert das Marketing noch zögerlich auf diesen Trend, aber in Amerika sind die „Master Consumers“ und „Silvers Surfers“ bereits heiß umkämpfte Konsumentengruppen. Denn der Großteil dieser Generation steht trotz Ruhestandes noch voll im Leben und führt ein aktives Dasein mit Reisen, Sport und kulturellen Veranstaltungen. Dieses Phänomen zeigt sich auch für unsere Breiten zunehmend, wie statistische Untersuchungen des Volkswirtschafters Dr. Gerhard Wohlfahrt von der Uni Graz im Rahmen des vor einigen Jahren erstellten Steirischen Seniorenreports ergeben haben.

Dr. Gerhard Wohlfahrt: „Senioren geben heutzutage mehr für ihre eigenen Bedürfnisse aus anstatt es in Kinder und Enkel zu investieren.“

Aufgrund der besseren Lebensverhältnisse und des medizinischen Fortschritts kristallisiert sich neben den „Best Agers“ die Altersgruppe der über 75-Jährigen immer stärker heraus, die unter dem Begriff des „vierten Lebensalters“ gefasst wird. Die Übergänge zwischen beiden Gruppen sind freilich fließend, je nach dem individuellen Gesundheitszustand und den finanziellen Möglichkeiten. Für viele erweist es sich ab diesem Lebensalter aber als zunehmend schwierig, ihre gesellschaftlichen Kontakte und gewohnten Aktivitäten aufrecht zu erhalten.

Der weitaus überwiegende Anteil der Senioren lebt auch mit 75+ noch in der eigenen Wohnung oder wird in der Familie betreut, doch die Veränderung der Familienstrukturen und demografische Verschiebungen könnten dieses Bild bald stark verändern. Schon im Jahr 2010 werden etwa 1,9 Millionen Österreicher über 60 Jahre alt sein und nicht wenige davon als Singles bzw. ohne Familienanschluss leben: Das Interesse an Modellen zur Vermeidung von Einsamkeit oder dem Dasein in Pflegeheimen wächst daher. Diese können z.B. die Form von Senioren-Wohngemeinschaften haben, die nach skandinavischem Vorbild auch hierzulande vermehrt entstehen.

Vor rund eineinhalb Jahren wurden in Graz die ersten betreuten Wohngemeinschaften für Senioren eröffnet und weitere sind im Entstehen.

Josef Schiffer

 

 

Bildungsangebote für sozial engagierte Personen

   

Das Sozial- und Heilpädagogische Förderungsinstitut Steiermark (SHFI) bietet Weiterbildung speziell für den heilpädagogischen und sozialen Bereich an. Seit 20 Jahren entwickelt das SHFI Ausbildungskonzepte und organisiert die Ausbildung für Frühförderung und Familienbegleitung, die mittlerweile ein Universitätslehrgang in Kooperation mit der Medizinischen Universität geworden ist.

Seit 2005 gibt es zwei neue Angebote: den Lehrgang für heilpädagogische Wohn- und Freizeitassistenz und den Lehrgang für Familienentlastung mit dem Schwerpunkt in der heilpädagogischen Kinderbetreuung. Da das SHFI in diesem Herbst sein 20-jähriges Bestehen feiert, wird am 30. 9. ein eigener Workshoptag zum Thema „Sozial- und Heilpädagogisches Handeln“ veranstaltet.

Infos und Programm:
SHFI, Blümelhofweg 12a, 8044 Graz | (0316) 392805 Fax DW -14
office@shfi.at | www.shfi.at

 

 

„Wie bitte?“ Noch immer führt Schwerhörigkeit zur Ausgrenzung

 

   

Die oftmals gefällte Bemerkung gegenüber schwerhörigen Menschen „Sei froh, dass du nicht alles hörst“, zeigt den hilflosen Umgang mit den Betroffenen. Im Rahmen des „behindertenpolitischen Abends“ am 8. Juni 05 in Graz wurden die „unerhörten“ Probleme Schwerhöriger und deren psychosoziale Leiden zur Sprache gebracht. Hörbeeinträchtigungen sind sehr individueller Natur, haben aber oft eine gemeinsame Folge: Ausgrenzung.

Ein roter Faden in der gesamten Weltliteratur: Der Blinde ist „der Geachtete“ und der Taube ist „der Trottel“ – so schildert Hans Neuhold seine Erfahrungen als Schwerhöriger. „Wie bitte? Können Sie das wiederholen?“ Begriffsstutzigkeit nennt Neuhold als eines der ersten Vorurteile, welche mit schwerhörigen Menschen in Verbindung gebracht werden. Die Angst nicht mehr „mitzukommen“, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben oder gar den Arbeitsplatz zu verlieren, lässt viele Betroffene ihre Hörbehinderung vertuschen. Schwerhörigkeit ist ein Tabuthema – selbst unter den darunter Leidenden.

Hans Neuhold, Jörg Kleinhans, Wolfgang Mizelli: „Menschen mit Behinderung leben in einer Welt, die nicht auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist“

Schwerhörigkeit isoliert
Neuholds Schwerhörigkeit wurde von seiner Familie erst festgestellt, als er schon 25 Jahre alt war. Im Jahr 2000 ertaubte er endgültig und ist heute Träger eines CI (Chochla-Implantats) – sowohl am rechten als auch linken Ohr. „Trotz unterstützender Hörgeräte konnte ich im Laufe der Jahre immer weniger hören und damit begann auch mein psychischer Leidensweg. Immer mehr Bereiche meines Lebens begannen ,abzusterben‘. Gesellige Treffen, Musikveranstaltungen machten keinen Sinn mehr … auch der Arbeitsplatz ohne Telefon war eine Folge meiner Schwerhörigkeit.“ Neuhold gründete in der Oststeiermark eine Selbsthilfegruppe und im Jahr 1999 schließlich den österreichischen Schwerhörigenbund. „In Österreich sind 1,6 Mio Menschen schwerhörig und die Zahl steigt.“ Weltweit werden es bis 2015 rund 700 Mio Menschen sein, deren Gehörssinn eingeschränkt ist. Trotz dieser Zahlen ist das Phänomen der Schwerhörigkeit gesellschaftspolitisch nicht präsent. Der Grund: „Schwerhörigkeit hat ein schlechtes Image“, so Neuhold. „Deshalb unternehmen die Betroffenen alle Anstrengungen ihre Behinderung zu verheimlichen.“

Höranlagen im öffentlichen Raum gefordert
Der mitmenschliche Umgang mit Schwerhörigen zeigt, wie viel Aufklärungsarbeit in diesem Bereich notwendig wäre. „Hören und Verstehen ist nicht das Gleiche“, so Neuhold, „Wir hören nicht ,leise‘, sondern bruchstückhaft. Das erforderte eine enorme Denkanstrengung, ,Anschreien‘ verschlechtert die Verstehensleistung weiter, weil Schwerhörige meist auch sehr lärmempfindlich sind.“ Neuhold kritisiert die schlechte Akustik der neuen Glasbauten und meint: „Die Verbesserung der Raumakustik ist ein völliges Tabu in der Baubranche!“ Nötig sei die Installation induktiver Höranlagen in allen öffentlichen Einrichtungen.
Höchst wichtig: Frühförderung. Mag. Jörg Kleinhans, Angestellter beim österreichischen Schwerhörigenbund, wurde im Alter von 4 Jahren in Folge eines hohen Fiebers taub und ist heute ebenfalls CI-Träger. „Ich habe damals nicht wahrgenommen, dass ich ertaubt bin“, so Kleinhans. Seine Eltern förderten ihn trotzdem intensiv lautsprachlich, das sei für alle Schwerhörigen immens wichtig. Denn: „Mit dem Implantat hört jeder anders – ich werde immer ein ,Lippenableser‘ bleiben. Wenn jemand sich nicht um eine ordentliche Aussprache bemüht, nehme ich das als Murmeln war und kann den Inhalt des Gesagten nicht nachvollziehen.“ Derzeit haben 1.500 Österreicher ein CI-Implantat. Trotzdem sei die CI Versorgung in Österreich noch lange nicht zufrieden stellend, meint Kleinhans. Einen immens hohen Stellenwert misst er der Frühförderung zu. „Das Gehör-Screening bei Babys ist in manchen Bundesländern verpflichtend – ein umfassendes Logopädie- und Gehörtraining muss die Konsequenz sein!“

Keine Barrierefreiheit möglich?
Die behindertenpolitischen Abende 2005 werden von Wolfgang Mizelli, Mitarbeiter von Mosaik – Die bunte Rampe veranstaltet. „Am schwierigsten ist es, die Betroffenen selbst mit Informationen zu erreichen“, sagt Mizelli, „für viele behinderte Menschen stellt es ja schon ein Problem dar hierher zu kommen.“ Menschen mit Behinderung lebten in einer Welt, die nicht auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sei. Mizelli gibt ein drastisches Beispiel: „Für einen Rollstuhlfahrer mit psychischen Problemen ist’s technisch leichter sich umzubringen als barrierefrei eine Praxis aufzusuchen, die Hilfe anbietet. Das ist in Graz einzig und allein im Psychosozialen Zentrum West möglich.“ Der barrierefreie Zugang – wohin auch immer – sei der erste Schritt im Sinne der Gleichstellung.

Der nächste behindertenpolitische Abend findet am 5. Oktober 2005 um 19 Uhr in der Brücke, Grabenstraße 39a, statt. Unter dem Titel „Behindert oder nicht? Frauen und Männer mit psychischen Beeinträchtigungen“ werden Betroffene von ihren persönlichen Erfahrungen berichten.

Claudia Windisch

Infos: T 0316/872 6477 | info@behindertenbeauftragte-graz.org

 

 

Gewaltprävention und Kinderschutz
   

Anfang Juni präsentierten sich die sieben steirischen Kinderschutzzentren erstmalig gemeinsam – mit dem Ziel den Kinderschutzgedanken verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tragen, denn: Gewalt ist keine Privatsache!

Seit 1. April ist das neue steirische Gewaltschutzeinrichtungsgesetz in Kraft, welches die Kinderschutzzentren und Frauenhäuser rechtlich und finanziell absichert. Um die qualitative Arbeit innerhalb der Kinderschutzzentren weiterhin gewährleisten zu können, wurden fachliche und organisatorische Kriterien aufgestellt, die als Maßstab für alle sieben Kinderschutzzentren in der Steiermark gelten. Soziallandesrat Dr. Kurt Flecker zeigt sich als unermüdlicher Kämpfer, wenn es darum geht, bewusst zu machen, dass Gewalt keine Privatsache ist. Sein Credo lautet daher, dass bei Gewalt innerhalb der Familie die Gesellschaft nicht einfach wegsehen darf, denn: „Die schwächsten in diesen Konflikten sind die Kinder, die keine eigene Lobby haben!“ Umso wichtiger ist es, ihnen durch ein niederschwelliges und diskretes Angebot aktive Unterstützung zu geben, wie es z.B. die Kinderschutzzentren und die Zusatzeinrichtung „Sorgentelefon“ auch sind.

Geprügelte Kinder haben ein höheres Risiko als Eltern selbst wieder mit Prügeln auf Probleme zu reagieren. Die MitarbeiterInnen der Kinderschutzzentren versuchen hier gewaltfreie Konfliktlösungen aufzuzeigen, um so die Spirale der Gewalt zu durchbrechen.

– cw –

Mehr Infos: www.kinderschutz-zentrum.at | graz@kinderschutz-zentrum.at | Sorgentelefon: 0800 201 440

 

 

Schulden sind ein Klotz am Bein – Initiative „No Budget“ startet Tour

 

   

Jeder fünfte Schuldner in der Steiermark ist unter 25 Jahre alt! 2004 haben sich fast 500 Jugendliche Hilfe suchend an die Schuldnerberatung Steiermark gewandt – dies bietet Anlass zur Sorge, entspricht das doch einem traurigen Zuwachs von 21% gegenüber dem Vorjahr. Im Rahmen der Initiative „No Budget“ von Soziallandesrat Dr. Kurt Flecker sollen geschulte Jugendliche ihren Alterskollegen Infos und Hilfestellungen anbieten.

Landesrat Kurt Flecker bringt die Initiative „No Budget“ ins Rollen

„Schulden sind ein Klotz am Bein, als junger Mensch will man aber springen, nicht kriechen!“ erklärt Flecker, der wegen der hohen Jugendverschuldung gemeinsam mit der Schuldnerberatung Steiermark das Projekt „No Budget“ ins Leben gerufen hat. Mit ideeller Unterstützung des beliebten Kabarettistenduos Stermann/Grissemann werden ab sofort geschulte Jugendliche im Zuge ihrer Tour mit einem Bus Jugendtreffs, Freibäder, Konzerte und Events ansteuern und dabei junge Erwachsene informieren und bei Problemen beraten. 20 Prozent der steirischen Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren haben Schulden – die durchschnittliche Verschuldung der jungen Leute beträgt rund 1.200 Euro. Betroffen sind etwa 30.000 Jugendliche, davon sind 7 Prozent schon völlig überschuldet und ein Drittel der Verschuldeten ist zudem arbeitslos. Nach wie vor größte Schuldenfalle: das Handy! Aber auch die gelockerten Kreditvergaben sorgen für Verschuldung.

Christof Lösch, Geschäftsführer der Schuldnerberatung Steiermark, berichtet: „Die Jugendlichen kommen erst dann zu uns, wenn ihnen die Schulden über den Kopf gewachsen sind und dann wird der Sanierungsaufwand hoch!“ Laut Lösch sind Schulden ein großes Tabuthema – gerade hier soll das Projekt „No Budget“ mit Tabus brechen und wertvolle Aufklärungsarbeit unter den Jugendlichen leisten. Von den Banken kommt keine Unterstützung der Initiative. Flecker erhielt auf Anfragen abschlägige Antworten – der Soziallandesrat befindet das Verhalten der Banken für „verantwortungslos“.

Claudia Windisch

 

 

Gereifter Blick auf Gegenwart und Zukunft – Medizin und Ethik

 

   

Was denken Menschen, die hohe Positionen inne hatten und nun Muße haben, zu reflektieren, über gegenwärtige Entwicklungen und die Umbrüche in einer globalisierten Gesellschaft? Ehemalige Politiker und Medienmacher ebenso wie Künstler und Wissenschaftler im Ruhestand erzählten in der von der Politischen Akademie Graz im Bildungshaus Mariatrost veranstalteten Gesprächsreihe „Vom Wert der Erfahrungen“ aus ihrem reichen Erfahrungsschatz und warfen auch diagnostizierende Blick auf die Gegenwart.

Der ehemalige Rektor Univ.Prof. Thomas Kenner im Gespräch mit Dr. Rosemarie Kurz

Zum Abschluss der Reihe sprach Dr. Rosemarie Kurz mit Univ.Prof. Thomas Kenner (geb. 1932), der von 1989 bis 1991 als Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz fungierte. Seine besonderen wissenschaftlichen Leistungen liegen auf dem Gebiet der Kreislaufforschung in den sechziger Jahren, später leistete er Pionierarbeit, u.a. in den USA, für den Einsatz von Computermodellen zur Analyse kardiovaskulärer Funktionen. Seine Forschungen setzten u.a. Maßstäbe für die moderne Weltraummedizin. Im Hinblick auf seine vielseitige Lehrtätigkeit hebt er vor allem die zahlreichen interdisziplinären Lehrveranstaltungen hervor, z.B. die Ringvorlesung über Ethik in der Medizin.

Für ihn stellt die Humboldtsche Universität nach wie vor das Ideal dar, in dem „Bildung und Ausbildung der jungen Menschen einander ergänzen können“. Folgerichtig bezeichnet er die Abspaltung der MedUNI als großen Fehler, über den er persönlich „sehr unglücklich“ sei. Seit einigen Jahren im Ruhestand engagiert er sich mit seiner Frau Brigitte leidenschaftlich für gesellschafts- und kulturpolitische Anliegen in Graz.

Js

 

 

Rassismusfreie steirische Schulen ausgezeichnet

 

   

Mehr als 500 SchülerInnen nahmen am 23. Juni an der Abschlusspräsentation der heurigen Aktion „Schule ohne Rassismus“ der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus im Grazer UCI-Annenhofkino teil.

11 steirische Schulen wurden bei dieser Veranstaltung heuer als „europäische Schulen ohne Rassismus“ ausgezeichnet. Die ARGE und das UCI Kino Annenhof boten den 500 Jugendlichen ein vielseitiges Programm: Daniela Zeller vom Hitradio Ö3 moderierte den Event mit gewohnter Brillanz.

Starker Andrang, große Begeisterung bei der Abschlusspräsentation der heurigen Aktion „Schule ohne Rassismus“

Die Jugendbands Smitten und JERX sorgten für fetzigen Stromgitarrensound. Simon Pichler und der Schüler Clemens Maria Schreiner vom GIBS Graz lieferten Kabarett vom Feinsten. Die BAKIP Judenburg zeigte das Stück „wohnungslos theatern“, das BG/BRG Hartberg führte einen Tanz auf, und die BAKIP Bruck an der Mur und die HS II Feldbach steuerten musikalische Darbietungen zum Event bei. Die anwesenden PolitikerInnen mussten auf ausführliche Statements verzichten und sich stattdessen in Wordraps mit Jugendlichen bewähren. Einen weiteren Höhepunkt des Events bildete ein Gewinnspiel mit einem Menschenrechtsquiz.

„Die 17 steirischen Schulen mit ihren über 500 teilnehmenden Jugendlichen und ihren LehrerInnen sind ein sichtbarer Beleg dafür, dass sich die steirische Jugend auch gerne mit schwierigen politischen Themen beschäftigt, wenn sie die für sie angemessene Umsetzungsform mitgestalten dürfen“, resümierten ARGE-Geschäftsführer Mag. Christian Ehetreiber, Mag. Bettina Ramp und Mag. Martina Mauthner von der ARGE übereinstimmend.

Weitere Infos: T 0664 / 311 49 54 (Mag. Christian Ehetreiber) | www.argejugend.at

 

  Partizipative Sozialplanung auf dem Weg zum „Regelfall“
   

Dass Menschen mit Behinderung bei der Planung ihrer eigenen Angelegenheiten mitbestimmen können, soll in der Steiermark nun in die Praxis der Landesverwaltung übernommen werden.

KORSO und KORSO SozialFORUM berichteten mehrmals: Im Rahmen der Entwicklungspartnerschaft „styria integra“, die kürzlich abgeschlossen wurde, war ein Schwerpunkt-Modul – geleitet von Mag. Karin Hacker und Mag. Elisabeth Ploteny-Legat – dem Thema „Sozialplanung“ gewidmet. In fast dreijähriger Arbeit wurde ein neues Sozialplanungsverfahren für Menschen mit Behinderung entwickelt und erprobt. Zentrale Innovation: In die Planung des sozialen Angebotes für Menschen mit Behinderung werden in Zukunft die Betroffenen gemeinsam mit Anbietern einschlägiger Dienstleistungen sowie Behörden und Fördergebern an einem Tisch sitzen.

Bei einer „Transferkonferenz“ in Graz am 16. Juni wurden die Ergebnisse in Anwesenheit von Staatssekretär Sigisbert Dolinschek und Barbara Pitner von der Sozialabteilung des Landes (in Vertretung von Landesrat Kurt Flecker) präsentiert. Modul-Koordinatorin Ploteny-Legat: „Die Transfer-Konferenz war Abschluss des Projekts und Drehpunkt vom Experiment hin zum Regelsystem. Für die Fortführung des entwickelten Modell hin zu einem Standardinstrumentarium moderner Verwaltungsführung gibt es bereits einen Grundkonsens zwischen den Kooperationspartnern Land Steiermark Sozialressort, Bundessozialamt und dem AMS Steiermark.“

 

  EU- Kontaktseminar zu lebensbegleitendem Lernen in Graz
    Die stetig zunehmende Anzahl von älteren Menschen, die nicht mehr im Erwerbsleben steht, kann von Initiativen zu lebenslangem Lernen in jeder Hinsicht profitieren. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, veranstaltete die GEFAS Steiermark gemeinsam mit der Sokrates Nationalagentur Österreich von 9. bis 12. Juni 2005 in Graz ein europäisches Seminar zum Thema „Lifelong Learning for Senior Citizens“.

Etwa 70 Vertreter von Organisationen der Erwachsenenbildung aus 19 Ländern der Europäischen Union nahmen an dem Kontaktseminar im Hotel Novapark teil. Diese Zahlen machen deutlich, dass Lernen im Seniorenalter ein Wachstumsmarkt ist, der auch für Erwerbstätige immer interessanter werden wird. Ein Ziel der Veranstaltung war die Entwicklung von Konzepten zur Umsetzung des Themas „Bildung im Alter“. Weiters bot das Seminar die Möglichkeit, Partner für das SOKRATES Programm „Grundtvig“ zu finden, um gemeinsam Projektanträge zu entwerfen.

Dr. Rosemarie Kurz (GEFAS), Mag. Jürgen Busch, Mag. Wolfgang Eckel, Mag. Ursula Großruck (alle drei Sokrates Nationalagentur) und Mag. Manuela Hinterberger (GEFAS) bei der Eröffnungsveranstaltung zum internationalen Seminar für lebensbegleitendes Lernen

Alan Smith, der EU-Vorsitzende für die Comenius/Grundtvig-Aktion, nutzte das Seminar zu einem Brainstorming, um bürgernahe Informationen in die EU-Bildungsprogramme einzubinden. Im „Memorandum über lebenslanges Lernen“ im Jahr 2000 unterstreicht die Europäische Kommission den Bedarf an globalen Strategien für lebenslanges Lernen. Das SOKRATES-Programm entwickelte daraufhin die „Grundtvig“-Aktion (benannt nach dem dänischen Begründer der Volkshochschulidee) für den Erwachsenbildungssektor. Österreich erhält im Jahr 2005 aufgrund der hohen Anzahl qualitativ guter Anträge das achtgrößte Länderbudget. „In Relation zur Einwohnerzahl ist dies eine hervorragende Leistung“, betont Mag. Wolfgang Eckel, Leiter der SOKRATES Nationalagentur Österreich.

Die GEFAS, Gesellschaft zur Förderung der Alterswissenschaften an der Uni Graz, beschäftigt sich seit ihrer Gründung vor 14 Jahren mit der aktiven Verknüpfung von Bildung und Alter. „Es ist von großer Bedeutung, die informelle Erwachsenenbildung auf eine breite und tragfähige Basis zu stellen.“, erklärt GEFAS-Gründerin Dr. Rosemarie Kurz ihr Anliegen: „Die ältere Generation kann nur durch lebenslanges Lernen Anteil an der Gesellschaft nehmen, um sich besser zu integrieren, wobei es sich aber auch um eine Bringschuld handelt, denn für viele ältere Mitbürger gilt es erst die Schwelle der eigenen Egozentrik zu überwinden.“ Bildungsarbeit wird so zu einem wichtigen Element der Sozialarbeit, die „von der Bildungspolitik, etwa nach dem Konzept von LR Mag. Kristina Edlinger-Ploder für die lernende Region, entsprechend stärker gefördert werden sollte, anstatt Seniorenorganisationen pauschal für diverse Projekte zur Freizeitgestaltung ihrer Mitglieder zu bedenken“, wäre für Kurz ein Schritt in die richtige Richtung.

Josef Schiffer

Veranstaltung:
SIA-Sommerakademie „WIR IN EUROPA gelebt und erlebt“
4. bis 9. Juli | Resowi-Zentrum Universitätsstraße 3, 8010 Graz, Trakt B/E, HS 15.01

Infos: www.seniorweb.at | www.lisa-net.info und www.sokrates.at


Sexualisierte Gewalt: Prävention tut not
< Anita Heiliger: Bei Anwendung sexualisierte Gewalt gibt’s noch immer allzu oft Täterschutz
    „Können wir heute noch von einem Tabu in Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt sprechen?“ Diese Frage stellte Dr. Anita Heiliger, Sozialwissenschaftlerin am Deutschen Jugendinstitut München – Abteilung Geschlechterforschung und Frauenpolitik, einleitend in ihrem Referat bei der Abschlussveranstaltung der seit Sommer 2004 laufenden Seminarreihe zum Thema sexualisierte Gewalt Anfang Mai 2005 in Graz.

Heiliger beantwortet die einleitende Frage mit Ja und Nein. Das Nein begründet sie mit Aufklärung, Informationsmaterial und vorhandenen Handlungsansätzen. Das Ja erklärt sie damit, dass Benennung im konkreten Fall, Aufdeckung und Beendigung, konsequente Inverantwortungnahme der Täter, Prävention von Täterschaft und Konfrontation mit den Verletzungen der Opfer noch immer keineswegs selbstverständlich, sondern von Widerständen, Ängsten und Tabus vernebelt seien und Täterschutz noch immer stark verankert sei – in Individuen ebenso wie in Institutionen. Das Anhalten des Täterschutzes sei erklärbar aus der gesellschaftlichen Struktur patriachaler Männlichkeit mit der noch immer wirksamen „Tradition“ sexueller Verfügungsrechte über Frauen und Kinder.

Prävention tut not, darin sind sich Heiliger und Univ. Prof. Dr. Max Friedrich, Vorstand der Univ.-Klinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters am AKH Wien, einig.

Kinder im Widerstand gegen sexuelle Übergriffe zu stärken, Entwicklung von Selbstbewusstsein und antisexistischen Haltungen, das Wissen um Kinderrechte, Informationen in Bezug auf sexualisierte Gewalt und altersgemäßes Wissen um Sexualität und Aufklärung seien die zentralen Themen primärer Prävention.

Um die Notwendigkeit präventiver Konzepte und die schwierigen Arbeitsbedingungen von Gewaltschutz- und Präventionseinrichtungen, vor allem die Finanzierung betreffend, drehte sich die Podiumsdiskussion, an der neben Heiliger und Friedrich auch GRin Elke Edlinger und DSA Kerstin Grabner, Geschäftsführerin des Vereines TARA, teilnahmen.

Informationen:
Hazissa – Fachstelle für Prävention, Kettengasse 3/2, 8010 Graz | T 0316 / 680956 | www.hazissa.at

 

  Erfolgreicher Kontaktladen für Abhängige – Schadensminimierung durch Konsumräume
   

DSA Roland Urban und sein Team sind seit über einem Jahr daran, mit hoher Professionalität das Caritaskonzept „Kontaktladen und Streetwork im Drogenbereich“ erfolgreich umzusetzen. Caritaspräsident Franz Küberl spricht den nächsten wichtigen Schritt für die Zukunft an: Graz braucht einen „Konsumraum“, um die offene Drogenszene zu entschärfen.

Caritaspräsident Franz Küberl, Gesundheits-Stadträtin Wilfriede Monogioudis und der Sozialarbeiter Roland Urban: „Graz braucht einen Konsumraum!“

Im September 2003 bekannte sich der Grazer Gemeinderat einstimmig zur notwendigen Einrichtung des Projekts „Streetwork im Drogenbereich/Vollausbau des Kontaktladens“. Gesundheits-Stadträtin Wilfriede Monogioudis fordert daher: „Im Sinne der Gesundheitsförderung muss der Kontaktladen auch über den Vertrag mit der Caritas, welcher bis 2006 läuft, völlig abgesichert sein.“ Die Erfahrungswerte zeigen, dass aufgrund des akzeptanzorientierten Zugangs durch „Drogenarbeit“ die Gesundheitsrisiken der Betroffenen minimiert werden.

Spritzentauschprogramm greift!
Das Angebot des Kontaktladens hat sich etabliert, erklärt DSA Roland Urban, Leiter des Kontaktladens: „Wir verzeichnen Spitzenwerte von 120 BesucherInnen pro Tag und haben bereits über 1000 Beratungsgespräche zu unterschiedlichen Themen geführt.“ Laut Urban ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Sucht das wichtigste Thema für die Konsument Innen – „Viele von ihnen sind veränderungsmotiviert!“ Die 15.000 Kontakte im Jahr 2004 waren dreimal so hoch wie im Jahr davor, verdreifacht hätten sich auch die Behandlungen bzw. Beratungen im medizinischen Bereich (686!). Prim. Dr. Bernd Bauer führte 40 spezielle Einzelberatungen Hepatitis durch und auch hier seien die Ergebnisse erfreulich: „Sieben Personen haben eine Hepatitis-Therapie begonnen, drei wurden erfolgreich beendet“, berichtet Urban. Als weiters wichtiges Vorhaben für das laufende Jahr nennt Urban spezielle Frauen-Öffnungszeiten, auch für Mütter mit Kindern: „Das ist für uns etwas Neues und wir sammeln in diesem Bereich erst Erfahrungen.“

Als notwendige Maßnahme für die Zukunft spricht Caritaspräsident Küberl die Installierung eines „Konsumraumes“ in Graz an: „Wir brauchen einen Raum in der Stadt, wo Drogenabhängige die Drogen zu sich nehmen können – das passiert derzeit nämlich in öffentlichen Toiletten u.ä.“ Küberl betont: „Solche Konsumraum sind in anderen Städten Europas bereits üblich.“

„Fixerstuben“ – Im Sinne der Ordnungspolitik
Univ. Prof. Dr. Alfred Springer, vom Boltzmann-Institut für Suchtforschung verfasste eine Expertise zum Thema „Konsumräume“. Die ersten „Fixerstuben“ wurden vor knapp zwanzig Jahren in der deutschsprachigen Schweiz eingerichtet: „Vorreiter waren Basel, Bern, Zürich, Luzern und St. Gallen und zwei Städte in den Niederlanden: Rotterdam und Amsterdam“, erklärt Springer. Er weist darauf hin, dass Konsumräume nicht nur positive gesundheitspolitische Vorteile haben, sondern auch ordnungspolitisch wirksam sind, da „Fixerstuben“ die Problematik einer offenen Drogenszene entschärfen.

Die Eröffnung von entsprechenden Einrichtungen ist nicht nur in Österreich ein brisantes Thema, sondern wird in anderen europäischen Ländern sowie in Australien diskutiert. Seit zehn Jahren bestehen Richtlinien für die Einrichtung derartiger Angebote. „Die Größe einer Stadt ist nicht besonders relevant, ausschlaggebend ist die Situation der Drogenszene und die Bereitschaft Schadensreduktion zu betreiben. Es bestehen Erfahrungen darüber, dass die Todesursache Überdosierung abnimmt, wenn solche Räume zur Verfügung stehen.“

Die Einrichtung eines Konsumraumes vor Ort würde auf jeden Fall eine neue Form der Kooperation zwischen Sozialarbeit, Gesundheitsvorsorge und der Grazer Exekutive erfordern und eine verständnisvolle Haltung der Öffentlichkeit voraussetzen.

Die Auffassung der Internationalen Drogenkontrollbehörde, dass die Einrichtung von Drogenkonsumräumen das Rechtsbewusstsein schmälere, ist jedenfalls mit Abstand zu betrachten.

Claudia Windisch

 

  Obdach geben – Landesrat Flecker auf „Visite“ in Grazer Notschlafstellen
    Soziallandesrat Dr. Kurt Flecker besuchte einige der Notschlafstellen, an deren Tür oft täglich Wohnungslose klopfen, um ein Dach über dem Kopf erbitten. Der Lokalaugenschein im Haus Elisabeth, einer SOWOST-Einrichtung, und im „Schlupfhaus“ zeigte u. a. einen häufig vernachlässigten Faktor auf: Viele Menschen müssen das „Wohnen“ erst lernen!

Vergangenes Jahr führte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe unter Leitung von DSA
DI Stefan Ohnmacht die Studie „Wohnungslos in Graz“ vor. Darin wurden die Betreuungsangebote, Konzepte sowie die Sozialarbeit für wohnungslose Menschen analysiert. Zum Zeitpunkt der Befragung standen für diese 718 Plätze in 23 Einrichtungen zur Verfügung und zusätzliche 239 Plätze zur mobilen Betreuung. Die Stadt Graz ist mit rund 35% der größte Träger von Unterbringungsleistungen, die Caritas Graz-Seckau mit 28% der zweitgrößte (nicht eingerechnet 349 Plätze für Flüchtlinge und AsylwerberInnen), weiters bieten die Vinzenzgemeinschaft Eggenberg rund 13% und die Wohnplattform rund 7% der Wohnplätze an.

Mangelhafte Delogierungsprävention
Während die Akutversorgung abgedeckt wird, fehlen laut Studie für eine Reintegration der politische Auftrag und/oder der entsprechende Zugang zu leistbarem Wohnraum – sowie entsprechende Ressourcen! Daher besteht dringender Bedarf nach mehr Angeboten bei der Delogierungsprävention und niederschwelligen Beratung. Vor allem betreutes Wohnen für Sucht- und psychisch Kranke ist Mangelware. Mobile sozialpsychiatrische Betreuung bietet der Verein „Wohnplattform“ an. Die Kapazität reicht hier für etwa 40 Personen. Außerdem werden in fünf Wohngemeinschaften rund 21 psychisch Kranke betreut – die Zuweisungen erfolgen in erster Linie durch psychiatrische Kliniken. Dr. Heribert Sitter von der Wohnplattform macht deutlich, dass für Zuweisungen Offenheit gegenüber allen Einrichtungen besteht.

Mag. Franz Waltl, Dr. Heribert Sitter, DSA Andreas Graf, Mag. Gert Lambrecht, Dr. Kurt Flecker

Eine entsprechende Betreuung und Begleitung ist essentiell, damit „Wohnen“ nachhaltig funktionieren kann. „Nicht umsonst geht die Zahl der psychisch Kranken in den Institutionen zurück, denn wir versuchen sie rauszuholen“, so Sitter. Nur wenige haben jedoch eine eigene Wohnung – „Wir müssen die Gemeindewohnungen öffnen!“ fordert daher Flecker als Vorraussetzung für die erfolgreiche (Re-)Integration Wohnungsloser im doppelten Sinne: Man muss den Betroffenen eine Perspektive geben und den Einrichtungen konkrete Möglichkeiten zur Weitervermittlung. Flecker überzeugte sich in einer der betreuten Wohnungen in der Karl-Morre-Straße von der qualitativen Arbeit der Wohnplattform und SOWOST, Soziales Wohnungsforum Steiermark, eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Caritas und Wohnplattform. Besonders das Projekt „WohnStart“, betreutes Wohnen in 15 Kleinwohnungen für Klienten der Straffälligenhilfe, findet Flecker interessant. Die Wohnungen sind nicht in Wohnhäusern oder Siedlungen konzentriert, sondern über die ganze Stadt verteilt. „Wir wollen keine ghettoisierte Wohnraumschaffung!“ so Mag. Franz Waltl von der Caritas, Leiter des Bereichs Hilfe. Alltagsbewältigung, Förderung der Wohnfähigkeit und die Unterstützung bei Behördenwegen führen in der Betreuungsarbeit zum langfristigen Ziel: Selbständig Wohnen lernen. „Ein Netz ohne Boden zu schaffen genügt nicht“, betont Flecker: „Ziel muss das Wieder-Reinhelfen sein und hier ist die Caritas ein verlässlicher Partner! Wir treffen uns in den Maßnahmen, aber finanziell strecken wir uns beide nach der Decke!“

Das Haus Elisabeth platzt aus allen Nähten
Wohnungslosigkeit wird unterschiedlich verarbeitet: Männer neigen dazu sich zurückzuziehen oder aus Scham Beziehungen abzubrechen, während Frauen „alternative Wohnmöglichkeiten“ vorziehen – häufig um den Preis erneuter Abhängigkeit und sexueller Ausbeutung. Den Erhebungen zufolge besteht in Graz dringlicher Bedarf nach mehr und bedürfnisgerechteren Angeboten für wohnungslose Frauen. Von Obdachlosigkeit betroffene Frauen aller Altersklassen mit und ohne Kinder kommen zum Haus Elisabeth. „Widersprüchlich zum Namen Notschlafstelle sind viele Frauen öfters da und auch die Verweildauer ist sehr unterschiedlich – manche bleiben sogar über Monate“, berichtet Dr. Eva Ruderer, seit 1. April Leiterin der Frauennotschlafstelle.

v.l.n.r. Barbara Kohl, Eva Ruderer, Kurt Flecker, Maria Freidl, Helene Friesacher, Franz Waltl

Angebot und Nachfrage decken sich im Haus Elisabeth nicht – gerade in letzter Zeit suchen verstärkt junge Frauen mit Kindern die laufend überbelegte Notschlafstelle auf. „Wir können maximal 20 Frauen mit Kindern aufnehmen. Wenn sich jedoch keine andere Möglichkeit ergibt, so ist es unsere Regel, dass niemand weggeschickt werden darf!“ erklärt Ruderer. Die MitarbeiterInnen des Haus Elisabeth schütten Landesrat Flecker ihr Herz aus. Überforderung und Erschöpfung sind deutlich aus ihren Gesichtern ablesbar. Nur eine Betreuerin für 20 Personen!? „Der Betreuungsschlüssel sollte höher sein“, verlangt Ruderer. Maria Freidl ist wie ihre KollegInnen für Ehrenamtliche 24 Stunden am Tag als Ansprechperson erreichbar. Oft kommt es zu Akutsituationen, denen ehrenamtliche MitarbeiterInnen nicht gewachsen sind. Der Soziallandesrat stellt betroffen fest: „Das geht eindeutig an die physischen und psychischen Grenzen der Betreuenden!“ Flecker will sich künftig verstärkt für die Schaffung eines breiteren, bedürfnisorientierten Angebots für wohnungslose Frauen einsetzen, merkt jedoch kritisch an: „Wenn der Druck der Leistungsgesellschaft und des Neoliberalismus weiterhin steigt, werden die Reparaturkosten sehr hoch sein!“

Schlupfhaus: bedarfsorientiertes Handeln!
Zu einer niederschwelligen Anlaufstelle für obdachlose Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren hat sich das Caritas Schlupfhaus entwickelt: Dieses war ursprünglich als reine Übernachtungsmöglichkeit konzipiert. Mag. Klaus Gregorz, Schlupfhaus-Leiter, hat von Beginn an eine an den Erfordernissen der Realität ausgerichtete Weiterentwicklung des Angebots forciert. „Zunächst muss man den Jugendlichen eine Struktur vorgeben“, so Gregorz, „selbstständig Wohnen ist das langfristige Ziel.“

LR Dr. Kurt Flecker mit dem gesamten Schlupfhaus-Team

Derzeit bietet das Schlupfhaus vier Bereiche an: Einzelbetreuung, mit Beratung, Begleitung und Kontaktherstellung zu SozialarbeiterInnen; die Jugendnotschlafstelle; mobil betreutes Wohnen zum „alleine wohnen lernen“ für Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren in Dauer bis zu einem Jahr und das „tag.werk“, wo junge Erwachsene durch Mithilfe bei einfachen Arbeiten von der Straße weggeholt werden. Das so genannte „Taschenprojekt“, das Platz für zehn Leute bietet, findet besonderen Anklang. Hier werden in einer kleinen Werkstatt gemeinsam mit wohnungs- und arbeitslosen Jugendlichen unglaublich kreative Taschen-Einzelstücke hergestellt und zum Verkauf angeboten. „Das Schaffen mittelfristiger Chancen muss künftig noch stärker gelingen“, so Gregorz, „denn was bereits in der Clearingphase passiert, muss man nachher nicht investieren!“ Flecker sieht hier ebenfalls als wichtige Maßnahme ein maßgeschneidertes „Paket“, welches den Jugendlichen zur Verfügung stehen soll: „Nicht per Mundpropaganda, sondern als qualifiziertes Organisationskonzept soll die Anlauf- und Clearingstelle ihre Dienstleistungen anbieten.“ Flecker warnt jedoch auch vor falscher Sozialromantik: „Nicht jeder Wohnungslose ist integrierbar, das müssen wir einfach akzeptieren.“

Claudia Windisch

Mehr Infos und Kontakt:

Wohnplattform Steiermark, Kaiserfeldgasse 13, 8010 Graz | T 0316 / 81 19 37 Fax DW – 4 mobile.wohnbetreuung@wohnplattform.at | www.wohnplattform.at

Haus Elisabeth, Grabenstraße 43, 8010 Graz | T 0316/ 67 29 72 | haus.elisabeth@caritas-graz.at

Schlupfhaus, Mühlgangweg 1, 8010 Graz | T 0316 / 48 29 59
tag.werk 0316 / 48 29 59 -12 | schlupfhaus@caritas-graz.at | schlupfhaus.caritas-graz.at

 

  Ein Haus für Frauen in Not
    Das Team VinziHelp „Frauen helfen Frauen“ bemüht sich seit über einem Jahr in Not geratene Frauen in allen Belangen zu unterstützen und kämpft vor allem gegen versteckte Obdachloskeit – mit großem Erfolg, das zeigt die Eröffnung der Frauennotschlafstelle „Haus Rosalie“, die ganz im Zeichen gelebter Frauensolidarität steht.

In der Babenbergerstraße 61a, wo die neue Notschlafstelle der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg, wird das „Haus Rosalie“ ab Anfang Juli obdachlosen sowie auch psychisch kranken Frauen ein Dach über dem Kopf, Schutz und Geborgenheit bieten. Die Notschlafstelle kann bis zu zehn Frauen mit oder ohne Kinder in komfortablen Wohneinheiten aufnehmen. Die Aufenthaltsdauer wird individuell geregelt, d.h. jede Frau darf solange bleiben, bis sie eine bedürfnisgerechte Wohngelegenheit gefunden hat.

v.l.n.r. Mathilde Unterrieder, Obfrau von VinziHelp, und Brigitte Majcen, Leiterin des Hauses Rosalie

Initiiert wurde die Notschlafstelle von Mathilde Unterrieder, der Leiterin von VinziHelp, die mit ihrem 10-köpfigen, engagierten Team bereits im Jahr 2004 über 40 Frauen, die unverschuldet in Not geraten waren, vielfältigste Hilfestellungen leisten konnte.

Betreuung rund um die Uhr
Wir bemühen uns Frauen, welchen aus diversen Gründen Hilfe verweigert wird, sowohl rechtlich als auch finanziell zu unterstützen bzw. Alternativlösungen für ihre Probleme anzubieten“, erklärt Unterrieder. Sie betont, dass dazu auch die Unterstützung von Initiativen zählt, die eine finanzielle Grundsicherung für jedes Kind in Österreich fordern. „Es darf für Frauen kein materieller Nachteil sein, einem Kind das Leben geschenkt zu haben“, so Unterrieder. VinziHelp – „Frauen helfen Frauen“ ist insbesondere aufgrund der zahlreichen Pressemeldungen, dass zunehmend Frauen obdachlos werden und die bestehenden Fraueneinrichtungen in Graz überfüllt seien, aktiv geworden und man ist stolz darauf nach intensiven Vorbereitungsarbeiten das „Haus Rosalie“ am 30. Juni zu eröffnen. „Wir bieten eine 24-stündige Betreuung durch ehrenamtliche MitarbeiterInnen an“, erklärt Unterrieder, „die Betreuung soll alles einschließen, was Frauen in Krisen bewegt, sei es die Inanspruchnahme von Sozialleistungen, das Einholen von rechtlichen Informationen, Schuldenregelung, Arztbesuche, etc.“

Nachhaltig wirksame Lebensberatung
Sozial- und Lebensberaterin Brigitte Majcen, die bereits eine jahrelange Erfahrung in der Schulung von Ehrenamtlichen hat, wird mit der Eröffnung die Leitung der neuen Frauennotschlafstelle übernehmen. „Ich sehe es als wunderschöne Aufgabe, durch Beratung etwas Nachhaltiges bewirken zu können – zumindest bei einem Teil der betroffenen Frauen“, so Majcen, die auch bisher schon schwerpunktmäßig in der Frauenberatung gearbeitet hat. Majcen betont aber auch die Kehrseite der Medaille: „Nicht nur die Betreuung von psychisch Kranken selbst ist wichtig, sondern auch die der Ehrenamtlichen, welche diese Frauen begleiten.“

Für die Dienste im Haus Rosalie werden noch ehrenamtliche Helferinnen gesucht – Kontakt:
Mathilde Unterrieder T 0664 / 1168739 – rund um die Uhr!

Claudia Windisch

 

  „Männermangel“ im Ehrenamt
    Das freiwillige Engagement von Männern für schwächere Mitglieder der Gesellschaft lässt zu wünschen übrig. Trotz finanzieller Schlechterstellung sind es zu 80% Frauen, die trotz finanzieller Schlechterstellung im Berufsleben einen Teil ihrer Lebenszeit unbezahlten Tätigkeiten im Sozialbereich widmen.

Ursprünglich wurden „Ehrenämter“ nur einflussreichen Personen angetragen, um deren Prestige für einen Verband oder eine Organisation nutzbar zu machen. Dort, wo das Ehrenamt mit hoher Anerkennung verbunden ist, findet man auch heute den höchsten Männeranteil, sei es nun bei der Freiwilligen Feuerwehr, dem Roten Kreuz oder in der Sporthilfe – wo die öffentliche Anerkennung und Wertschätzung ehrenamtlicher Dienste sicher ist, packt vor allem der Mann gern an.

Mag. Maria Irnberger, katholische Frauenbewegung: „Ehrenamtlichkeit braucht professionelle Begleitung“

Anders im Sozialbereich:
Die Armenpflege war zunächst Aufgabe der Kirchen, doch mit der Aufhebung und dem Verfall der kirchlichen Stiftungen Anfang des 19. Jahrhunderts wurde diese Aufgabe den Gemeinden überlassen – und damit den Frauen. Kein Wunder, dass man bis heute im Bereich der freiwilligen und unbezahlten „Armenpflege“ und auch im Management einschlägiger Organisationen fast ausschließlich ehrenamtlich tätige Frauen findet.

Unbezahlte Frauenarbeit bleibt unbenannt
Mag. Maria Irnberger, Diözesansekretärin in der Diözesanstelle der katholischen Frauenbewegung, hofft auf stärkeren Zustrom ins Ehrenamt: „Überall dort, wo sich der Staat zurückzieht, bedarf es mehr an Ehrenamtlichkeit. Das Potenzial ist lange nicht erschöpft und wenn Armut wieder sichtbarer wird, wird auch die Motivation wieder größer werden.“ Irnberger kritisiert, dass jede einzelne freiwillig geleistete Stunde eines Mannes im klassischen Ehrenamt wie z.B. bei der freiwilligen Feuerwehr besonders hervorgehoben wird und die unzähligen ehrenamtlichen Stunden, welche Frauen vorrangig im Sozialbereich leisten, unbenannt bleiben „Dabei sind es dann die Männer, die, wenn sie alt sind, die Betroffenen und Lebensunfähigeren sind“, so Irnberger.

Ehrenamtlichkeit vs. Professionalität
Eine aktuelle Studie zur Erhebung von Daten und Fakten das Ehrenamt in Österreich betreffend liegt derzeit nicht vor. Aber: Allein die Katholische Frauenbewegung Steiermark zählt 585 ehrenamtliche Leitungsfrauen und rund 10.000 ehrenamtliche MitarbeiterInnen. Auch die Caritas hat ein Potenzial von über 20.000 Ehrenamtlichen. Ein weiteres Beispiel: Im Raum Graz fangen die ca. 250 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg die Ärmsten der Armen auf – viele dieser freiwilligen HelferInnen tun dies täglich.

Während das Ehrenamt durch die Bemühung um „Professionalität und Fachlichkeit“ im Sozialsektor stark an Ansehen eingebüßt hat, wird es auf der anderen Seite (unter dem Eindruck leerer Kassen durch zurückgehende Steuereinnahmen) von der Politik stärker propagiert. Und: Im Gegensatz zu den positiven Aspekten, welche das Ehrenamt für den Einzelnen bringen kann (Persönlichkeitsentfaltung und Selbstverwirklichung unabhängig von beruflichen Zwängen) entstehen in der Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen und Angestellten immer wieder Miss-Stimmungen: Einerseits fühlen sich die Ehrenamtlichen oft „ausgenutzt“, andererseits müssen die Hauptamtlichen ihre eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund stellen um die „kostbaren“ Ehrenamtlichen bei Laune zu halten. Ehrenamtliche benötigen aber die Begleitung durch Hauptamtliche, betont Irnberger. Die Betroffenheit, die bei den meisten hinter dem Engagement steht, bedarf professioneller Ergänzung.

Für die meisten Berufstätigen – vor allem solche mit Unterhaltspflichten – ist es wohl auch weiterhin schwer möglich, einer verbindlichen ehrenamtlichen Tätigkeit nachzugehen; aber: Statt sich regelmäßig stundenlang vor dem Fernseher zu verkriechen ist es sicherlich für jedermann (und nicht nur für Frauen!) möglich, zwischendurch mal ganz „ehrenamtlich“ bei der gehbehinderten Nachbarin anzuklopfen und sie zu fragen, ob man ihr bei Besorgungen behilflich sein könnte … auch das kann dem Ego gut tun.

Claudia Windisch


Kinderbetreuung in Sommerkindergärten
    Zunehmend wird in der Steiermark von Eltern die Möglichkeit einer Kinderbetreuung während der Sommerferien verlangt und auch in zunehmender Zahl zur Verfügung gestellt. Zwar gibt es noch einige Lücken, aber im Großen und Ganzen ist bereits ein recht ansehnliches Angebot verfügbar – rund 200 entsprechender Einrichtungen haben geöffnet. Soziallandesrat Kurt Flecker hat diese erfreuliche Bilanz zum Anlass genommen, alle Gemeinden, Bezirkshauptmannschaften und Betreuungseinrichtungen über das bestehende Angebot zu informieren und damit die Beratung der Eltern zu erleichtern.

Die Liste mit den Kindergärten und weiteren Einrichtungen, die über den Sommer hinweg geöffnet haben, ist über das Kinderbetreuungsreferat der Fachabteilung 6B, Stempfergasse 1 und 4, 8010 Graz, T (0316) 877-5499 bzw. über das Internet www.kinderbetreuung.steiermark.at zu beziehen.

 

  Steirischer Sozialbericht 2003/2004
Zunahme akuter Armut
    Soziallandesrat Dr. Kurt Flecker präsentierte Ende Juni – rechtzeitig vor der politischen Sommerpause – den 230 Seiten starken Sozialbericht 2003/2004 für die Steiermark.

Dieser gibt mit seinen acht Kapiteln, die u.a. die Eckdaten des Sozialbudgets, die Lage am Arbeitsmarkt sowie als Schwerpunktthema Einkommen und Armut behandeln, einen breiten, statistisch wohlfundierten Überblick über die soziale Situation in unserem Bundesland – und auch reichlich Anlass zur Besorgnis: Rund 160.000 Steirer sind inzwischen von Armut bedroht, 70.000 Menschen leben bereits in akuter Armut.

Am stärksten gefährdete Gruppen sind typischerweise allein erziehende Mütter, allein stehende Pensionisten und kinderreiche Familien. Einen der Hauptgründe für diese negative Entwicklung ortet Flecker eindeutig „in einem Rückgang an Vollerwerbspositionen und einer gleichzeitigen Zunahme so genannter ‚atypischer’ Beschäftigungsverhältnisse, was vor allem Frauen betrifft.“ Angesichts dessen steht die Sozialpolitik vor der Herausforderung, den teilweise verheerenden Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt entgegen zu wirken, mahnt Flecker: „Armut lässt sich nicht im freien Markt regeln!“ Ohne soziale Transferleistungen wären nicht 13%, sondern 42% der steirischen Bevölkerung armutsgefährdet, bei den gefährdeten Gruppen machen diese durchschnittlich 60% des Haushaltseinkommens aus.

Flecker sieht daher insbesondere die Notwendigkeit einer Erhöhung der Landesbeteiligung an der kooperativen Arbeitsmarktförderung: Die Steiermark ist mit 9,7 Mio. Euro Schlusslicht unter den österreichischen Bundesländern, während die Arbeitslosigkeit binnen eines Jahres um 8,4% auf 6,1% geklettert ist. Die Rückführung der Arbeitsmarktförderung vom Wirtschafts- ins Sozialressort ist für Flecker daher ein wichtiges Anliegen: „Arbeitsmarktpolitik ist ganz wesentlich Sozialpolitik, v.a dort wo es gilt, Verarmung bei gleichzeitig aufrechter Erwerbstätigkeit zu verhindern“. Die so genannten „working poor“ (Erwerbstätige mit niedrigsten Einkommen) stellen in der Steiermark eine neue, rasch wachsende Schicht von inzwischen mehr als 9.000 Personen dar.

Eine wichtige Schiene der Sozialpolitik soll in Zukunft die freiwillige Reintegration von Sozialhilfeempfängern in den Arbeitsprozess bilden: Das nach finnischem Vorbild in drei Bezirken durchgeführte Pilotprojekt IDA, das in der Folge landesweit umgesetzt werden soll, hat sich als wirksame Maßnahme erwiesen, die Vertreter von Randgruppen wieder dauerhaft in Beschäftigungsverhältnissen zu verankern.

– js –